TE Vwgh Beschluss 1997/11/25 97/04/0166

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Veröffentlicht am 25.11.1997
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Index

E1E;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
53 Wirtschaftsförderung;

Norm

11992E052 EGV Art52;
11992E059 EGV Art59;
StickereiförderungsG §1 Abs1;
StickereiförderungsG §7;
VwGG §38a;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde der E & Co sowie über die Eventualbeschwerde des G, beide in G, beide vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 6. August 1996, Zl. VIa-231/3/1/1995, betreffend Vorschreibung von Beiträgen nach dem Stickereiförderungsgesetz, zu Recht erkannt bzw. den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Beschwerde der E & Co wird abgewiesen, die Beschwerde des G zurückgewiesen.

Begründung

Der vorliegenden Beschwerde und der dieser angeschlossenen Bescheidausfertigung zufolge wurde mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 6. August 1996 der Berufung der Erstbeschwerdeführerin gegen zwei (ausschließlich) an sie gerichtete Bescheide des Verwaltungsausschusses nach dem Stickereiförderungsgesetz jeweils vom 17. April 1996, betreffend Vorschreibung von Beiträgen nach dem Stickereiförderungsgesetz insoweit Folge gegeben, als die Höhe der von der Erstbehörde vorgeschriebenen Beiträge reduziert wurde; im übrigen wurden die erstinstanzlichen Bescheide mit der Maßgabe bestätigt, daß sich die vorgeschriebenen Beiträge in näher dargelegter Art und Weise errechneten. Hiezu wurde - nach Darstellung des Verfahrensganges und der angewendeten Gesetzesbestimmungen - im wesentlichen ausgeführt, aufgrund der Überprüfung der rechnerischen Richtigkeit seien die von der Erstbehörde vorgeschriebenen Beiträge zu reduzieren gewesen. Die von der Erstbeschwerdeführerin geltend gemachte Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Stickereiförderungsgesetzes liege nicht vor. Im übrigen handle es sich bei der Erstbeschwerdeführerin um einen Rechtsträger, der als solcher auch in das Firmenbuch aufgenommen worden sei. Wenn es sich hiebei aber - wie die Erstbeschwerdeführerin in ihrer Berufung behaupte - nur um den Firmennamen des Zweitbeschwerdeführers handle, dann werde der Rechtsträger, für den der Erstbescheid gemeint gewesen sei, auch durch die Anführung des Firmennamens eindeutig individualisiert. Im übrigen sei die Berufung jedoch (ausschließlich) von der Erstbeschwerdeführerin erhoben worden.

Die gegen diesen Bescheid an den Verfassungsgerichtshof erhobene Beschwerde wurde, nachdem dieser deren Behandlung mit Beschluß vom 9. Juni 1997, B 3021/96, abgelehnt hatte, dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG abgetreten.

Die vorliegende Beschwerde wurde vom Zweitbeschwerdeführer "in eventu" erhoben. Da eine bedingte Beschwerdeerhebung jedoch unzulässig ist (vgl. den hg. Beschluß vom 11. Juni 1981, Zl. 81/16/0087, mit weiteren Nachweisen), war die Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers schon aus diesem Grunde gemäß § 34 Abs. 1 VwGG mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluß zurückzuweisen.

Über die Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin hat der Verwaltungsgerichtshof wie folgt erwogen:

Die Erstbeschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid im Recht, nicht ohne Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen Zahlungen nach dem Stickereiförderungsgesetz vorgeschrieben zu erhalten, im Recht auf Berufsausübungsfreiheit nach dem Gemeinschaftsrecht, im Recht auf (negative) Vertragsfreiheit, im Recht auf Eigentumsfreiheit, im Recht auf ordnungsgemäße Bescheidbegründung sowie im Recht auf ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren verletzt. Sie bringt hiezu im wesentlichen vor, der angefochtene Bescheid sei an eine Nichtperson gerichtet, weil eine Firma nur nach dem Handelsrecht für einen Teil der Rechtsvorgänge Rechtspersönlichkeit besitze, nicht aber für den Bereich des Verwaltungsrechts. Das Unternehmen sei zur Gänze im Export tätig, davon zum Großteil "in die Gemeinschaft". Es könne daher die Gemeinschaftsfreiheiten nach Art. 52, 59 und 73a ff EGV für sich in Anspruch nehmen. Eine der Grundvoraussetzungen für das Funktionieren eines freien Marktes sei die Anerkennung der negativen Vertragsfreiheit, also der Freiheit, nicht grundlos Verträge abschließen zu müssen, die ein vernünftiger Wirtschaftstreibender nicht abschließen würde. Kein Land der freien Welt kenne eine oktroyierte Betriebsunterbrechungsversicherung für Industrieunternehmen. Eine solche gesetzliche Verpflichtung verletze daher das Recht auf Vertragsfreiheit im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes. Dazu komme, daß die Bemessungsgrundlage für die vorzuschreibenden Beiträge umsatzabhängig sei, nämlich von der Stichlohnsumme (und damit dem einzigen Umsatzfaktor) eines Unternehmens abhänge. Es handle sich daher auch um eine vor dem Hintergrund der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie "unvereinbare Bestimmung". Die von der belangten Behörde angewendete Norm sei daher gemeinschaftsrechtlich verdrängt und somit überhaupt unanwendbar. Schließlich stellten Eingriffe in die Vertragsfreiheit Eingriffe in "civil rights" dar, sodaß das Verfahren nach den Grundsätzen des Art. 6 EMRK abzuwickeln gewesen wäre.

Gemäß § 1 Abs. 1 Stickereiförderungsgesetz, BGBl. Nr. 222/1956, i.d.F. 187/1985, haben die im § 7 genannten Gewerbetreibenden zur Sicherung des Bestandes der Vorarlberger Stickereiwirtschaft und zu ihrer Förderung Beiträge nach Maßgabe der §§ 7 bis 9 leg. cit. an die Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Vorarlberg zu entrichten. Die Einhebung und Verwaltung dieser Beiträge obliegt einem Verwaltungsausschuß bei der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Vorarlberg.

Gemäß § 7 Abs. 1 leg. cit. betragen die Beiträge für befugte Gewerbetreibende mit einem Standort im Lande Vorarlberg,

a)

die auf Automat-, Pantograph- oder Handstickmaschinen Stickereien im Lohn erzeugen, 1 1/2 % von der auf der Grundlage der Mindeststichpreise errechneten Stichlohnsumme,

b)

die Sticklohnaufträge vergeben (Warenausgeber), 1/2 % von der auf der Grundlage der Mindeststichpreise errechneten Stichlohnsumme,

c)

die auf Automat-, Pantograph- oder Handstickmaschinen Stickereien auf eigene Rechnung erzeugen, 2 % von dem Betrag, der unter Zugrundelegung der Mindeststichpreise auf die Stichleistung (Stichlohnsumme) entfällt.

Der Landeshauptmann von Vorarlberg kann im Interesse einer einfacheren Ermittlung der Beiträge nach Anhörung des Verwaltungsausschusses mit Verordnung gestatten, daß die unter lit. c genannten Gewerbetreibenden die Stichlohnsumme nach folgender Formel ermitteln dürfen:

Stichlohnsumme = MMSS X WA x 4. Hiebei steht MMSS für den Mindest-Maschinenstundensatz (§ 13 Abs. 1) und WA für die gesetzliche Wochen-Arbeitszeit der Vorarlberger Stickereiindustrie in Doppelschicht. Für den Geltungszeitraum einer solchen Verordnung sind den unter lit. a und b genannten Gewerbetreibenden die von diesen geleisteten Beiträge auf deren Antrag insoweit zurückzuzahlen, als sie jene Beiträge übersteigen, die sie zu entrichten gehabt hätten, wenn die Stichlohnstumme nach der vorstehenden Formel ermittelt worden wäre; dieser Beitragsausgleich erfolgt jeweils für ein Kalenderjahr und ist spätestens bis 15. Feber des Jahres zu beantragen, das auf das Jahr folgt, für das der Beitragsausgleich beantragt wird.

Die Erstbeschwerdeführerin bestreitet nicht, daß die Voraussetzungen für die in Rede stehenden Beitragsvorschreibungen nach den genannten Bestimmungen erfüllt sind. Sie wendet vielmehr ein, daß diese Bestimmungen im Widerspruch zu den "Gemeinschaftsfreiheiten nach Art. 52, 59 und 73a ff EGV" und dem von ihr daraus abgeleiteten Grundsatz der Vertragsfreiheit stünden. Die Erstbeschwerdeführerin übersieht allerdings, daß selbst dann, wenn ihr Unternehmen

-

wie sie behauptet - zur Gänze im Export tätig ist, ein nach

den genannten Bestimmungen maßgebender Sachverhalt mit einem grenzüberschreitenden Bezug nicht vorliegt. Schon aus diesem Grunde spielen die von der Beschwerdeführerin "in Anspruch" genommenen Grundfreiheiten des EGV im Beschwerdefall keine Rolle. Zur Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens besteht somit keine Veranlassung (vgl. das Urteil des EUGH vom 16. Jänner 1997, Rs. C-134/95, EuGH, Slg. I 1997, 195).

Im übrigen verkennt die Beschwerdeführerin bei ihrer Argumentation, sie werde im Recht auf Vertragsfreiheit verletzt, daß das Stickereiförderungsgesetz sie nicht zum Abschluß eines Versicherungsvertrages gegen die Risken einer Unterbrechung ihres Betriebes verpflichtet, sondern zur Entrichtung von Beiträgen zur Sicherung des Bestandes der Vorarlberger Stickereiwirtschaft und zu deren Förderung. Im Gegensatz zur Auffassung der Erstbeschwerdeführerin bemessen sich die vorzuschreibenden Beiträge weiters nicht nach dem Umsatz des Unternehmens, sondern nach der Stichlohnsumme; die

-

nicht näher begründete - Beschwerdebehauptung, es handle sich

um "eine vor dem Hintergrund der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie unvereinbare Bestimmung" ist nicht nachvollziehbar. Gleiches gilt für die Auffassung der Erstbeschwerdeführerin, bei der Vorschreibung von Beiträgen nach dem Stickereiförderungsgesetz handle es sich um zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen im Sinne des Art. 6 EMRK (zum Inhalt des Begriffes der "zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen" gemäß Art. 6 Abs. 1 EMRK siehe z. B. Mayer, B-VG2 (1997) 537 ff).

Schließlich ist auch das Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin, der angefochtene Bescheid sei nur an eine "Firma", somit an einen - mangels Rechtspersönlichkeit - untauglichen Bescheidadressaten gerichtet worden, nicht geeignet, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen. Denn selbst wenn dies - im Gegensatz zur Auffassung der belangten Behörde - zuträfe, so könnte die Erstbeschwerdeführerin dadurch in keinem Recht verletzt werden. In diesem Fall wäre - abgesehen von der (diesfalls mangelnden) Beschwerdelegitimation der Erstbeschwerdeführerin - der angefochtene Bescheid nämlich ins Leere gegangen.

Da somit bereits der Inhalt der vorliegenden Beschwerde erkennen läßt, daß die geltend gemachte Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997040166.X00

Im RIS seit

09.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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