TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/16 L526 2190596-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.12.2019
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Entscheidungsdatum

16.12.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z2
AsylG 2005 §20
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs3

Spruch

1) L526 2190596-1/13E

2) L526 2190592-1/13E

3) L526 2190588-1/15E

4) L526 2190586-1/13E

5) L526 2190582-1/13E

6) L526 2190577-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Petra Martina SCHREY, LL.M. über die Beschwerden 1. der XXXX , geb. XXXX , 2. des XXXX , geb. XXXX 3. der XXXX , geb. XXXX , alle vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe 4. des XXXX , geb. XXXX und 5. der XXXX , geb. XXXX , beide vertreten durch die Mutter XXXX diese vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe 6. des XXXX , geb. XXXX , vertreten durch die Mutter XXXX diese vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, alle Staatsangehörigkeit Georgien, alle vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.02.2018, Zlen. 1) XXXX , 2) XXXX , 3) XXXX , 4) XXXX 5) XXXX 6) XXXX zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerden werden mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 3 FPG 2005 mit 2 Monaten ab Rechtskraft der angefochtenen Bescheide neu festgesetzt wird.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrenshergang

I.1. I.1. Die beschwerdeführenden Parteien (in weiterer Folge kurz als "BF" oder gemäß der Reihenfolge ihrer Nennung im Spruch "BF1" bis "BF6" bezeichnet) sind Staatsangehörige der Republik Georgien und brachten nach rechtswidriger Einreise in das Hoheitsgebiet der Europäischen Union und in weiterer Folge nach Österreich 4.04.2017 bei einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes Anträge auf internationalen Schutz ein.

BF1 ist die Mutter der erwachsenen BF2 und der minderjährigen BF5 und BF6. BF2 und BF3 sind Lebensgefährten und die Eltern des minderjährigen BF4.

I.2. Im Rahmen der niederschriftlichen Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes der PI XXXX gaben die BF an, den im Spruch genannten Namen zu führen und Staatsangehörige Georgiens zu sein. Sie seien der georgischen Volksgruppe und dem christlich orthodoxen Glauben zugehörig.

Zu den Gründen für ihre Ausreise befragt, führte BF1 an, sie habe das Land verlassen, weil ihr Mann sie und ihre Kinder sehr schlecht behandelt habe. Er sei Polizist und ihnen gegenüber gewalttätig gewesen; er habe sie unterdrückt. Wenn sie um Hilfe in ihrem Land gebeten hätte, sei die Polizei gekommen, die Polizisten hätten mit ihrem Mann gesprochen und ihm nur die Hand gegeben. Danach seien sie wieder gefahren. Danach habe er sie noch schlechter behandelt. Sie habe schon lange von ihm weg wollen, er hätte sich aber nicht von der Familie trennen wollen. Deshalb sei sie mit den Kindern geflüchtet.

Österreich sei ihr Zielland gewesen, zumal sie an Asthma leide und ihr geraten worden sei, nach Österreich zu kommen.

BF2 gab an, ihr Vater habe einen schlechten Charakter. Die Kleinen und ihre Mutter seien von ihm geschlagen worden. Mit ihr habe er immer nur gestritten. Er habe sie auch geschlagen, aber nicht so oft wie die anderen. Er habe Sachen in der Wohnung kaputt gemacht. Sie hätten keinen anderen Ausweg gesehen, als vor ihrem Vater zu flüchten.

BF3 gab an, dass sie sich in einer Situation befunden hätten, die nicht auszuhalten gewesen wäre. Er habe bei seiner Lebensgefährtin gelebt. Ihr Vater hätte immer gestritten und herumgeschrien. Er habe Gewalt gegenüber seiner Frau und ihrer Familie ausgeübt. Seit er mit seiner Lebensgefährtin zusammengelebt habe, hätte ihr Vater sie nicht mehr geschlagen, den Rest der Familie aber schon.

Im Falle einer Rückkehr erwarte sie Gefahr. Da der Ehemann der BF1 bzw. Vater der BF2, BF5 und BF6 nicht gewusst hätte, dass sie flüchten würden, sei er möglicherweise sehr böse. Er sei eine gefährliche Person und jetzt werde er verbittert sein.

I.3. Am 06.11.2017 wurden die BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, im Beisein einer Dolmetscherin für die georgische Sprache niederschriftlich einvernommen.

Eingangs bestätigten die BF, bis dato der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht zu haben und dass alles korrekt protokolliert worden sei. Sie bestätigten auch, der georgischen Sprache mächtig zu sein und die anwesende Dolmetscherin gut zu verstehen.

In Bezug auf ihren Gesundheitszustand gab BF1 an, dass sie Asthma habe. Seit sie hier in Österreich sei, brauche sie keine Medikamente mehr, da die Luft hier viel besser sei. In Georgien habe sie eine Asthmaspray gebraucht. Eine Monatsdosis habe sie sich für 100 Lari gekauft. Sie habe auch eine Krankenpension bekommen, die sie neben ihrer Tätigkeit als Assistentin des Direktors für eine Vereinigung von Museen und Bibliotheken bekommen habe. Zudem hätte sie auch eine kleine Landwirtschaft gehabt, durch welche sie ein kleines, aber unregelmäßiges Einkommen bezog.

Ihr Sohn Luka habe psychische Probleme, was von ihren Problemen herrühre.

Zum Ausreisegrund befragt gab BF1 zusammengefasst an, dass sie ständig mit ihrem nunmehrigen Ex-Ehemann Konflikte gehabt hätte. Alle hätten davon gewusst und er habe sie und die Kinder öffentlich erniedrigt und beschimpft. Er habe sie kontrolliert. Vor fünf Jahren habe sie es nicht mehr ausgehalten und sich habe sich scheiden lassen. Der Ex-Mann sei aber nie aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen, da sie die Wohnung gemeinsam gekauft hätten. Befragt, warum sie nicht ausgezogen sei, gab BF1 an, dass ihr Mann sie sozusagen erpresst hätte. Er habe bei der Grenzpolizei gearbeitet und gesagt, dass er jeden das Leben zur Hölle mache, der ihr helfe. Einen Bruder, der aus Russland zurückgekommen sei und ihr helfen habe wollen, habe der Ex-Mann verhaften lassen. Der Bruder habe illegal in XXXX gelebt und ihr Ex-Mann habe ihn angezeigt. Gleichzeitig habe er auch einen höheren Rang bekommen und aus Angst hätten dann alle vermieden, ihr zu helfen.

Obwohl sie selbst ein Einkommen gehabt hätte, sei sie nicht ausgezogen, da er ihr gedroht hätte, dass er sie überall finden werde. Sie sei sich sicher, dass er nach Österreich kommen werde. Außerdem habe sie sich mit ihrem Gehalt keine Wohnung leisten können.

Sie sei früher schon einige Male ausgezogen und habe einige Zeit woanders gewohnt, aber er habe sie nicht gehen lassen, nicht in Ruhe gelassen. Dann habe sie zu ihrem Bruder wollen, der in der Nähe gewohnt habe und der hatte dann den Konflikt mit dem Ex-Mann. Dann habe sie zu einem anderen Bruder wollen, der seine Versetzung beantragt habe.

Aufgefordert, sämtliche Vorfälle und Versuche, einer örtlichen Trennung in chronologischer Reihenfolge zu schildern, gab BF1 an, sie könne sich nicht mehr so genau an die zeitliche Abfolge erinnern. Sie sei oft von ihm weggewesen und habe versucht, sich wo anders niederzulassen oder von ihm getrennt zu leben.

Neuerlich dazu aufgefordert, die Ereignisse in chronologischer Abfolge - allenfalls unter Weglassung von Jahreszahlen und Angabe von wichtigen Ereignissen in ihrem Leben bzw. jenem der Kinder - zu schildern, gab BF1 an, dass es auch vorgekommen sei, dass er plötzlich in der Früh gekommen sei, auch wenn er nicht zu Hause wohnte, um sie zu kontrollieren. Das erste Mal sei sie von ihrem Mann weggegangen, als ihre Tochter eineinhalb Jahre alt war. Da habe sie bei ihrem Bruder namens XXXX in XXXX gewohnt. Damals sei ihr Mann bei der Polizei gewesen und als ihre Tochter drei Jahre alt war und einen Unfall hatte, habe er sie überredet, nach Hause zu kommen. Streit habe es immer gegeben. Als die Tochter sechs Jahre alt war, sei sie für zehn Monaten nach Deutschland gegangen und aus sie nach Hause kam, habe sie sich wieder von ihrem Mann getrennt. Sie hätte eine Wohnung in XXXX in der Nähe ihrer Schwester angemietet. Damals hätte die Tochter jedes Jahr eine Operation gebraucht und ihr Mann habe mitgezahlt, aber dafür hätte sie zu ihm zurückkehren müssen. Die Tochter hatte ihren Vater sehr gerne, jedoch auch Verständnis für ihre Probleme gehabt. Sie hätte Geschwister wollen und sei wegen ihrer Erkrankung sehr traurig gewesen. Deshalb habe sie beschlossen "für sie ein Kind zu bekommen". Sie hätte dann drei Kinder gehabt, die sie alleine nicht mehr großziehen habe können. Es sei ihr dann schlecht gegangen und auch die Kinder seien krank gewesen. Ihr Mann habe ihr vorgeworfen, dass sie sich nicht gut um die Kinder kümmere und habe gesagt, er würde Gott bitten, dass sie sterbe. Nach dem Krankenhaus habe ihre Schwester sie und die Kinder zu sich genommen. Ihr Mann hätte diese aber beschimpf und die Schwester hätte gefürchtet, dass ihr Mann ihnen Schwierigkeiten machen würde, weil er Polizist sei. Als sie dann gesund gewesen sei, sei sie zu ihrem Mann zurückgegangen, damit ihre Schwester keine Probleme bekomme. Sie habe in der Folge immer wieder Anzeigen bei der Polizei erstattet - er habe zu schreien und Sachen umherzuwerfen begonnen und dann habe die Tochter die Polizei gerufen - und aus die Polizei nach Hause gekommen wäre, habe alles normal ausgesehen. Er habe sie ja alle gekannt.

Die Anzeigen hätten begonnen, als die Zwillinge drei oder vier Jahre alt waren. Als sie gesehen hätten, dass die Polizei nicht wirklich etwas unternommen hätte, hätten sie zwei Mal sein Geschrei und seine Wutausbrücke aufgezeichnet und dies der Polizei gezeigt. Drei Polizisten seien gekommen, zwei seien mit ihrem Ex-Mann bekannt gewesen und sie hätten keine Reaktion auf die vorgeführten Aufnahmen gezeigt. Der Dritte sei empört gewesen, aber als die anderen ihn zur Seite genommen hätten, sei es das gewesen; es sei nichts gemacht worden.

Er habe sie und die Kinder geschlagen und Sachen kaputt gemacht. Die Kinder hätten in der letzten Zeit mehr Widerstand geleistet. Er habe sie dann körperlich angegriffen und sie hätte sie schützen müssen. Körperverletzungen habe sie angezeigt, sie wisse aber nicht, ob es protokolliert wurde. Ihr Mann sie hinbestellt und gewarnt worden. Seitdem habe er sie "Polizeihure" genannt. Das sei vor etwa fünf Jahren gewesen, als die Tochter fünfzehn Jahre alt gewesen sei. Er habe ihr immer wieder gesagt, dass Frauen wie sie bei der Polizei nicht gerne gesehen seien und vergewaltigt würden. Einmal, als sie die Polizei gerufen habe, sei ein junger Bezirkspolizist gekommen und der habe ihr gesagt, dass er sie nur beschützen könne, wenn sie seine Geliebte würde.

Dass ihr Mann der Scheidung zustimmte, könne sie sich auch nicht erklären. Er habe gesagt, es wäre besser, wenn sie nicht offiziell mit ihm verheiratet sei, wegen ihres Bruders.

Zwei Mal habe sie versucht, sich umzubringen.

Neuerlich aufgefordert, die Vorfälle in chronologischer Reihenfolge zu schildern, gab BF1 zusammengefasst an, dass die Schwester die Polizei gerufen hätte, als sie das erste Mal versucht habe, sich umzubringen. Sie seien einvernommen worden und dann sei sie zu einem Psychologen gebracht worden. In der letzten Periode habe sie die Polizei nicht mehr gerufen, da es zuvor niemals etwas genützt habe. Konkret habe sie im letzten Jahr vor der Ausreise die Polizei nicht mehr gerufen. Sie hatte vor, zu ihrem Bruder XXXX noch XXXX zu gehen, aber ihr Mann habe gedroht, dass er sich dorthin versetzen lässt; dann habe sie es gelassen. Eine chronologische Aufzählung der Vorfälle schaffe sie nicht. In diesem Zeitraum sei sie auch eineinhalb Monate bei ihrer Schwester gewesen. Es sei ihr nicht gut gegangen und ihr Mann habe die Schwester immer beschimpft. Er habe den Kindern Geld gegeben, damit sie zurückkommen. Manchmal sei auch die Schwester zu ihnen gekommen. Sie seien dann wieder zu ihrem Mann zurückgekehrt.

Befragt, ob ihr Mann aus der Wohnung weggewiesen wurde, gab BF1 an, dass das so gewesen sei.

Befragt, wie das abgelaufen sei, gab sei an dass er normalerweise zehn Tage und zehn Nächte Dienst gehabt hätte. Als sie der Polizei die besagten Aufnahmen gezeigt habe, habe er sie bis sechs Uhr nicht schlafen lassen, weil er so wütend war. Als er gegangen sei, habe sie die Türe zugesperrt und alle Sachen aus dem Fenster geschmissen und er habe das gesehen. Als er nach zehn Tagen zurückgekommen sei, habe sie die Türe nicht aufgemacht. Er sei immer wieder gekommen und habe gegen die Tür gehämmert. Nach einigen Tagen habe sie ihn wieder hereinlassen müssen. Einige Zeit hätten sie nicht geredet, dann sei es wieder gegangen. Am Anfang sei er brav gewesen, aber nach einiger Zeit sei alles wieder losgegangen.

Befragt, ob ihr Mann dann von der Polizei weggewiesen wurde, gab BF1 an, dass dies nicht so gewesen sei. Einmal hätten sie ihn mitgenommen, aber nicht zur Polizeidienststelle. Er habe woanders übernachten müssen. Das sei vor einem Jahr gewesen. Der Anlass sei gewesen, dass es wieder einmal Streit gegeben habe. Er habe begonnen, sie vor der Polizei zu beschimpfen und da hätten sie ihn mitgenommen. Das Schloss hätte sie deshalb nicht gewechselt, da er sie sowieso nicht in Ruhe gelassen hätte.

Sie hätte wollen, dass er Alimente zahlt, er habe das aber nicht wollen. Sie könne in Georgien eigentlich selbst arbeiten. Sie habe ja auch versucht, sich von ihm zu trennen. Aber er aber er habe sie nicht in Ruhe gelassen. Einmal habe er sie etwa an den Haaren aus einem Auto gezerrt.

Den Entschluss, auszureisen habe BF1 im November 2016 getroffen. Sie habe eine Operation wegen eines gutartigen Tumors gehabt. Die Kinder seien bei ihrer Schwester gewesen und als ihre Ehemann davon erfahren habe, habe er die Schwester beschimpft und auch mit ihr geschimpft und gesagt, sie hätte sterben sollen. Da sie Angst gehabt hätte, dass sie sterben könnte und die Kinder dann alleine bleiben würden, habe sie begonnen, Geld für Visa zu sparen.

Die Kinder seien im Zuge der Scheidung ihr zugesprochen worden.

Mit dem Vorhalt konfrontiert, dass sie eigene Einkünfte und auch auf Alimente des Ex-Ehemannes zurückgreifen und die Ausbezahlung des Anteiles an der Eigentumswohnung hätte fordern können und damit keine Gründe ersichtlich seien, weshalb sie eine Trennung nicht hätte vollziehen können gab BF1 an, dass es in der kleinen Stadt, in der sie lebte, keine Käufer gegeben habe. Sie hätte niemals eine adäquate Ersatzwohnung bekommen und ihr Ex-Ehemann hätte niemals Alimente bezahlt. Es gebe zwar schon ein Gesetz, nachdem die Zahlung von Alimenten auch durchsetzbar gemacht werden kann, es hätte aber dennoch nicht geklappt, da ihr Mann sie niemals in Ruhe gelassen hätte. Sie vermute auch, dass ihr Mann beim Geheimdienst sei, da er sich so viel hätte erlauben können. Ihr Bruder hätte auch gesagt, dass ein Gefängnisinsasse das erzählt habe.

Dass für die Kinder Reisepässe ausgestellt worden seien, sei deshalb möglich gewesen, da sie dem Ex-Mann gesagt hätte, dass die Kinder einen Pass für einen Auslandsauftritt bräuchten - die Zwillinge hätten einen Tanzkurs besucht - und er eingewilligt habe.

Auf die Frage, ob ihr Ex-Mann als mutmaßlicher Geheimdienstagent die Angaben nicht überprüft hätte, vermeinte BF1, dass das nicht erfolgt sei ("Nein, damals nicht.").

Auf die Frage, ob sie von ihrem Mann jemals so geschlagen wurde, dass sie sichtbare Verletzungen davongetragen habe, gab BF1 an, sie sei hauptsächlich ins Gesicht geschlagen worden und habe Blutergüsse bei den Augen und Lippen davongetragen.

Auf die Frage, ob sie diese Verletzungen bei der Polizei angezeigt hätte, gab BF1 an, dass sie dies nicht angezeigt habe. Befragt, warum sie das nicht getan habe, vermeinte BF1, sie sei so nicht rausgegangen, da sie nicht wollen habe, dass die Leute sie so sehen; es hätte sowieso keinen Sinn gehabt.

Auch ihre Tochter sei geschlagen worden und habe blaue Flecken am Körper gehabt.

Sie sei schon bei NGOs gewesen und es gebe auch Unterkünfte für Gewaltopfer, die Geschichten über Vorfälle mit Frauen würden aber in den Medien gezeigt. Sie würden zwar durch schwarze Balken unkenntlich gemacht, aber sie hätte sich erstens geschämt und zweitens hätte sie ihr Mann wirklich umgebracht, wenn sie ihn so bloßgestellt hätte. Die NGOs hätten ihr geraten, sich scheiden zu lassen und Alimente zu fordern. Sie habe dann auch die Scheidung eingereicht. Danach sei sie dort nicht mehr gewesen, da der Ex-Mann ihr das nicht verziehen hätte. Warum sie sich nicht noch einmal bei einer Organisation war, zumal sie ja vor der Scheidung schon einmal dort gewesen wäre, konnte BF1 nicht beantworten ("Ich weiß es nicht.").

Befragt, ob sie noch Kontakt zu Personen im Heimatland hätte, gab BF1 an, dass sie noch mit den Geschwistern Kontakt hätte. Diese hätten gesagt, der Ex-Mann habe gedroht, sie zu finden und dass er nach Österreich komme. Er habe immer gedroht, dass sie nicht ausreisen dürfe, sonst würde er sie umbringen.

Dem Vorbringen der BF2 vor der bB ist im Wesentlichen zu entnehmen, dass die Eltern sei dem Jahr 2012 geschieden seien, ihr Vater aber trotzdem mit ihnen gelebt hätte. Es habe immer Skandale gegeben und er habe die Kinder geschlagen. Nach exemplarischer Anführung verschiedener Vorfälle in der Familie gab sie an, sie habe auch blaue Flecken und einmal eine aufgeschlagenen Lippe davongetragen. Zur Polizei sei sie wegen der Verletzungen nicht gegangen, da es so oft Vorfälle gegeben habe; es habe keinen Sinn gemacht. Es sei ihr auch peinlich gewesen, so rauszugehen. Tatsächlich habe sie nie eine Körperverletzung angezeigt.

Auch ihre Mutter habe sichtbare Verletzungen gehabt und hätte diese nicht angezeigt. Einmal hätte die Mutter viele Medikamente genommen. Sie wisse nicht, warum sie den Suizidversuch überlebt habe.

Wenn es einen heftigen Streit gegeben habe, habe sie die Polizei gerufen. Die Polizei habe aber nie konkret etwas unternommen, da die Polizisten mit ihrem Vater bekannt gewesen seien.

Sie habe immer bei der Polizei gesagt, dass sie und die Geschwister geschlagen würden, aber in den konkreten Fällen, in denen sie sichtbare Verletzungen gehabt hätte, habe sie das nicht angezeigt, da es ihr peinlich war, so rauszugehen. Es habe keinen Sinn ergeben, da sie schon so oft die Polizei gerufen hätte und sie die Situation vor Ort auch gesehen und nichts unternommen hätten.

Ihr Vater sei nie aus der Wohnung weggewiesen worden. Man habe ihnen gesagt, dass Zeugen notwendig wären. Sie seien immer wieder weggegangen, aber der Vater sei immer wieder gekommen und hätte sie gezwungen, zurückzukommen. So habe er etwa den Onkel bedroht, zu dem sie gezogen seien. Im Jahr 2012 sei ein anderer Onkel eingesperrt worden. Auch habe er eine Tante beschimpft, zu der sie gelaufen wäre. Sie wisse nicht, wie oft sie gegangen wären. Die Versuche, den Vater bei der Polizei anzuzeigen hätten nichts gebracht. Sie könne sich nur an die großen Vorfälle erinnern. Sie seien aber oft zur Tante oder zum Onkel gegangen und dort für ein paar Tage geblieben.

Ihre Mutter habe sich keine neue Wohnung anmieten können, da sie zu wenig verdient habe. Wie konkret sich die Mutter das Leben nach der Scheidung vorgestellt hätte, könne sie nicht sagen. Sie hätten nur ihre Ruhe haben wollen.

Sie hätten im Dezember 2016 beschlossen, auszureisen. Einen ausschlaggebenden Grund habe es nicht gegeben, die Situation sei nicht auszuhalten gewesen.

Dass ihr Lebensgefährte angesichts der vorherrschenden familiären Situation bei der Familie eingezogen sei, erklärte BF2 damit, dass er das nicht so genau gewusst habe. Sie sei, nachdem ihr Lebensgefährte eingezogen sei, nicht mehr so oft von ihrem Vater angegriffen worden. Nach ein paar Monaten seien sie dann ausgereist.

Befragt, warum der Vater den Lebensgefährten geduldet hätte, obwohl sie auch erzählt habe, dass der Vater eifersüchtig gewesen sei, gab BF2 an, dass sie die Eltern des BF3 nicht hätten haben wollen und sie seien auch nicht gleich bei ihren Eltern eingezogen, was aber nicht möglich gewesen sei. Am Anfang sei der Vater wütend wegen des Freundes gewesen, dann hätten sie doch bei ihm leben dürfen.

Sie hätten die Möglichkeit gehabt, von ihrem Vater getrennt zu leben, der wichtigste Faktor sei aber das Geld gewesen. Aus einem Grund, den sie nicht kenne, habe der Vater auch nicht wollen, dass sie woanders leben.

Nach ihrer Ausreise sei der Vater bei den Verwandten gewesen und habe gesagt, er würde alles tun, um sie zu finden und sich an ihnen zu rächen.

BF3 gab vor der bB zusammengefasst an, dass es im Haus der BF3 ständig Geschrei, Beschimpfungen und körperliche Gewalt gegeben habe. Aufgefordert, konkrete Beispiele zu nennen, gab BF3 an, dass er das nicht könne, wenn es doch täglich Vorfälle gegeben habe. Der Vater der BF2 habe die Frau und die Kinder geschlagen. Seien Lebensgefährtin habe er nicht persönlich angegriffen, seit er dort eingezogen sei, er wisse aber, dass er sie regelmäßig geschlagen habe. Er sei nur einmal dabei gewesen, als er die Kinder geschlagen habe. Als er diese schützen wollte, habe der Vater der BF2 auch ihn beschimpft. Er habe sonst keine Fluchtgründe.

Im Herkunftsland lebten noch seine Eltern, seine Großmutter und seine Schwester.

Anlässlich dieser Einvernahme wurden folgende Dokumente vorgelegt:

- Scheidungsurkunde vom 11.7.2012 betreffend BF1

- Empfehlungsschreiben für die BF

- Bestätigung einer Privatperson, wonach BF1 und BF3 den Kurs "A1.1." besuchen würden und sich große Mühe gäben

- Fachärztlicher Befund, in welchem "Allergisches Asthma bronchiale - teilweise Symptomkontrolle gemäß GINA Kriterien, Allergische Rhinoconjunctivitis, Allergische Sensibilisierung gegen Milben, Pollen" diagnostizert und dargelegt wird, dass in der erstmaligen Zusammenschau ein allergisches Asthma auf Basis einer vorbekannten Polyallergie vorliege und sich lungenfunktionell ein guter Befund darstelle; die aktuelle Therapie mit "Salmecomp 500/50mcg 1-0-1 Hub, nachher jeweils Mund gut spülen; Desloratindin 5mg Tbl. 1x1 bei Bedarf; Kontrolle ... in 3-6 Monaten empfohlen; bei Bedarf/Beschwerden kurzfristig." solle weitergeführt werden.

I.4. Die Anträge der BF auf internationalen Schutz wurden folglich mit im Spruch genannten Bescheiden der bB gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status der Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Georgien nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Georgien gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage (Spruchpunkt VI).

Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die bB das Vorbringen der BF in Bezug auf die Existenz einer aktuellen Gefahr einer Verfolgung als nicht glaubhaft und führte hierzu zusammengefasst aus, dass die BF eine fortwährende Bedrohung durch den Vater ins Treffen geführt hätten, den Angaben jedoch nicht zu entnehmen gewesen wäre, dass der georgische Staat nicht willens und nicht fähig gewesen wäre, die BF vor der Gewalt des Vaters bzw. (ehemaligen) Ehemannes, Großvaters der BF zu schützen. In Georgien sei das Gesetz über häusliche Gewalt in Kraft getreten. BF1 und BF3 hätten auch angegeben, dass sie sichtbare Körperverletzungen niemals zur Anzeige gebracht hätten. Die BF hätten lediglich Beschimpfungen und Wutausbrüche des Gewalttäters zur Anzeige gebracht und seien diese Umstände auch im Scheidungsverfahren berücksichtigt worden, als BF1 die Obsorge für die Kinder übertragen worden sei. BF1 habe auch vorgebracht, dass ihr Gatte von der Polizei mitgenommen worden sei und die Nacht außerhalb der Wohnung verbringen habe müssen.

Eine fortwährende und nachhaltige Verfolgung habe nicht glaubhaft gemacht werden können. Dass BF1 nach Trennungen zu ihrem Gatten zurückkehrte sei, wie den Angaben der BF1 zu entnehmen sei, sei darauf zurückzuführen, dass es BF1 an Kraft und Durchsetzungsvermögen gefehlt habe. BF1 habe auch nicht glaubhaft darlegen können, dass sie keine Hilfsorganisation oder ein Krisenzentrum aufgesucht habe können. Die Behörde habe den Eindruck gewonnen, dass die BF ihr Vorbringen weit übersteigerten, um einen asylrelevanten Grund anführen zu können. Es sei auch nicht nachvollziehbar, weshalb die Tochter und ihr damaliger Lebensgefährte in der Wohnung des Vaters der BF2 gelebt hätten, obwohl sie andere Wohnmöglichkeiten gehabt hätte. Zudem hätten die Geschwister der BF1 dieser und den Kindern wiederholt Unterkunftsmöglichkeiten zur Verfügung gestellt, woraus insgesamt resultiere, dass eine nachhaltige Verfolgung durch den Ex-Ehegatten der BF1 nicht glaubhaft ist.

Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Georgien traf die belangte Behörde ausführliche und schlüssige Feststellungen. Aus diesen geht hervor, dass in Georgien von einer unbedenklichen Sicherheitslage auszugehen ist. Ebenso ist in Bezug auf die Lage der Menschenrechte davon auszugehen, dass sich hieraus in Bezug auf die BF ein im Wesentlichen unbedenkliches Bild ergibt. Ebenso ist davon auszugehen, dass in Georgien die Grundversorgung der Bevölkerung gesichert ist, eine soziale Absicherung auf niedrigem Niveau besteht, die medizinische Grundversorgung flächendeckend gewährleistet ist, Rückkehrer mit keinen Repressalien zu rechnen haben und in die Gesellschaft integriert werden.

Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorkam. Es hätten sich weiters keine Hinweise auf einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG ergeben und stelle die Rückkehrentscheidung auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 8 EMRK dar.

Des Weiteren sei den BF kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 zu erteilen. Schließlich wurde ausgeführt, weshalb gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass die Abschiebung nach Georgien gemäß § 46 FPG zulässig sei. Letztlich wurde erläutert, weshalb die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

I.5. Mit Verfahrensanordnung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.2.2018 wurde den BF gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt und die BF ferner mit Verfahrensanordnung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom selben Tag gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG darüber informiert, dass sie verpflichtet seien, ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen.

I.6. Gegen den genannten Bescheid wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.

In dieser wurden neuerlich die Gründe für die Ausreise dargelegt und erstmals angeführt, dass der Vaters bzw. (ehemaligen) Ehemann und Großvaters der BF bei den georgischen Sicherheitskräften den Rang eines Offiziers innehabe und die Behörden aufgrund seiner hohen Position nichts unternommen hätten.

Gerügt wurden insbesondere die Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens und die Verwendung mangelhafter Länderfeststellungen. Das Ermittlungsverfahren sei vor allem deshalb mangelhaft, da der Gesundheitszustand der BF nicht zur Genüge erhoben worden sei. Alle BF seien von den Misshandlungen schwer traumatisiert. Es werde die Einholung fachärztlicher Gutachten verlangt. Zusammen mit der Beschwerde wurde ein fachärztlicher Befund für BF6 vorgelegt. Ferner wurden Berichte über häusliche Gewalt in Georgien zitiert. Die Behörde habe es unterlassen, Ermittlungen zur schweren Misshandlung der BF anzustellen. Die BF hätten auch nicht ausreichend Zeit und Gelegenheit gehabt, auf die Feststellungen über die Situation im Herkunftsland zu reagieren. Da der georgische Staat die BF nicht schützen könne und wolle, da der Gewalttäter die Position eines Offiziers innehabe, gingen die Misshandlungen daher "teilweise vom georgischen Staat aus". Aufgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens falle dieses Vorbringen nicht unter das Neuerungsverbot. Die bB habe ferner eine mangelhafte Beweiswürdigung vorgenommen, zumal die Behörde Aussagen der BF missinterpretiert habe und sich überhaupt nicht mit dem Thema "Gewalt gegen Frauen in der Familie" auseinandergesetzt habe. Zudem habe sie selbst festgestellt, dass die Unterstützung von staatlicher Seite für Opfer von Gewalt in der Familie unzureichend seien. Die Behörde lasse die Erkrankungen der BF völlig außer Acht, die es den BF auch nicht ermöglichen würden, in Georgien einer bezahlten Arbeit nachzugehen. Der Bescheid sei auch mit inhaltlichen Rechtswidrigkeiten belastet. Bei richtiger Einschätzung der Gefährdungslage hätte festgestellt werden müssen, dass die BF in Georgien wegen der Zugehörigkeit zur Gruppe der von häuslicher Gewalt Betroffenen verfolgt würden. Die BF seien in ihrem Recht auf Leben bedroht und aufgrund ihrer Erkrankungen würde ihre Abschiebung auch eine Verletzung des Art. 3 EMRK bedeuten. Zudem habe die Behörde auch die Integrationsversuche der BF nicht richtig gewürdigt.

Der Beschwerde wurden folgende Unterlagen angeschlossen:

- Bericht einer Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie, wonach bei BF5 und BF6 eine Posttraumatische Belastungsstörung vorliege und u.a. empfohlen wird, dass die BF an einen Wohnort mit besserer Infrastruktur verlegt würden, eine regelmäßige ambulante Psychotherapie und medikamentöse Unterstützung erfolgen solle und die Patienten bei Befundverschlechterung wieder vorstellig werden sollen

- Eine Empfehlung einer privaten Person an das Amt der Niederösterreichischen Landesregierung, wonach eine Verlegung des Wohnsitzes der BF erfolgen solle, da es den BF nicht möglich ist, aus ihrem jetzigen Quartier regelmäßig in eine größere Stadt zu fahren, um dort eine psychotherapeutische Begleitung zu erhalten

- Schülerausweis der BF2

- Bestätigung einer Privatperson, wonach BF1 bis BF3 den Kurs "A1.1." besuchen

- Schulbesuchsbestätigungen für BF5 und BF6

- Bestätigung, dass BF1 als Putzhilfe beschäftigt wird und die Zeichnende sie "mit Dienstleistungschecks entlohne".

- Empfehlungsschreiben eines "Küchenchefs", in welchem auch bestätigt wird, dass BF2 in der Küche hilft und einen Deutschkurs besucht, die BF allesamt um eine Integration bemüht sind und sie eine Musterfamilie darstellen, die sich stets durch ihre freundliche und hilfsbereite Art auszeichnet

I.7. Die Beschwerdevorlage langte am 28.3.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein, wurde zunächst der Abteilung L518 und am 12.4.2018 der zur Entscheidung berufenen Abteilung des Bundesverwaltungsgerichts zugewiesen.

I.8. Mit Schreiben vom 15.5.2018 wurde dem Bundesverwaltungsgericht ein Link übermittelt, über welchen einen Beitrag über Opfer häuslicher Gewalt in Georgien abrufbar ist.

I.9. Nach einem Verbesserungsauftrag des Bundesverwaltungsgerichtes und einem Auftrag zur Beantwortung von Fragen zu dem übermittelten Beitrag wurde dem Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 18.6.2018 neuerlich ein Link, ein Datenstick sowie eine schriftliche Zusammenfassung der georgischen Sendung "Imedis Dge" vom 17.4.2018 in deutscher Sprache übermittelt. Dieser Zusammenfassung zufolge wurden in einer georgischen TV Sendung Einzelschicksale von Frauen, an denen Gewalt geübt wurde bzw. welche nicht geschützt werden konnten, präsentiert. In einer Stellungnahme ("Schlussfolgerung") hob BF1 das Schicksal einer Frau, deren Ehemann Polizist war und mit dessen Waffe sie ermordet wurde, hervor und führte aus, dass ihr wahrscheinlich dasselbe widerfahren wäre, wenn sie nicht geflüchtet wäre, ihr Mann immer noch eine Gefahr sei und sie sich nicht sicher sei, ob das Gesetz in Georgien irgendetwas geändert hat.

I.10. Mit Schreiben vom 29.8.2018 wurde dem Bundesverwaltungsgericht eine Stellungnahme des Gewaltschutzzentrums Niederösterreich übermittelt, worin neuerlich die Gründe für die Ausreise dargelegt wurden. Erstmals wurde vorgebracht, an BF1 sei auch "sexualisierte Gewalt" geübt worden, die gesamte Familie sei auch mit einem Messer bedroht worden und seien Würgegriffe an BF1 und BF2 ausgeübt worden. Das Schreiben des Gewaltschutzzentrums beinhaltet auch eine "Gefahrenprognose", wonach die Familie als sehr gefährdet erachtet werde und im Herkunftsland keine adäquaten Schutzmaßnahmen "vorherrschend" seien. Das Gewaltschutzzentrum erachte es als dringend erforderlich, dass die Familie in Österreich bleiben kann.

Dem Schreiben wurde ein georgischer Text samt deutscher Übersetzung und einer Unterschriftenliste beigeschlossen. Aus dem Text geht hervor, dass der ehemalige Ehemann, Vater und Großvater der BF ständig und ohne jeglichen Grund psychische und physische Gewalt ausgeübt hätte. BF1 hätte das oft bei der Polizei angezeigt, jedoch habe das nichts geholfen, da der Täter selbst Polizist sei. Trotz mehrfacher "Einmischung" von Strafverfolgungsbehörden habe der Konflikt angedauert, bis die Familie gezwungen worden sei, ins Ausland zu fliehen. Den Unterzeichnenden sei bekannt, dass sich die Familie im Ausland versteckt halte, da es die Regierung nicht geschafft habe, die Familie zu schützen und sie seien Zeugen der genannten Tatsachen. Der Unterschriftsliste lassen sich insgesamt zweiundfünfzig Namen samt Identifikationsnummer, Telefonnummer und Unterschrift entnehmen.

Dem Schreiben des österreichischen Gewaltschutzzentrums wurde zudem eine Ablichtung eines elektronischen Textes (Facebook Messenger vom 7.6.2018) angeschlossen, woraus ersichtlich sei, dass der ehemalige Ehemann, Vater, und Großvater der BF in der Erdbergstraße sei und auch das Bundesverwaltungsgericht kenne. Aufgrund dieser Nachricht habe die Familie Angst, er könne die Familie aufsuchen. Zum Schutz der Familie sei eine Meldeauskunftssperre beantragt worden.

I.11 Mit Note des Bundesverwaltungsgerichtes vom 8.11.2019 wurden den BF aktuelle länderkundliche Informationen übermittelt und wurde ihnen freigestellt, dazu binnen einer Frist von zwei Wochen eine schriftliche Stellungnahme abzugeben. Ferner wurden sie eingeladen, Belege für ihr Vorbringen in Bezug auf ihre Gründe für die Ausreise aus dem Heimatland, ihren Gesundheitszustand, ihre Integration und privaten Interessen sowie in Bezug auf allenfalls weitere EMRK relevante Themen vorzulegen.

I.12. Am 18.11.2019 wurden folgende Dokumente vorgelegt:

- Empfehlungsschreiben

- Österreichischer Führerschein des BF3

- Schulbestätigung betreffend BF2

- Zertifikat über die bestandene Prüfung zum Sprachniveau A2 für BF1 und BF2 sowie die bestandene Prüfung zum Werte- und Orientierungswissen der BF1

- Integrationsprüfungsergebnisse (nicht bestanden) betreffend BF3

I.13. Mit Schreiben vom 9.12.2019 wurde BF2 aufgefordert bekanntzugeben, ob sie schwanger sei, wie einem der Empfehlungsschreiben zu entnehmen ist, und diesfalls den errechneten Geburtstermin bekannt zu geben

I.14. Mit Schreiben vom 12.12.2019 wurde mitgeteilt, dass BF2 am 11.11.2019 eine Tochter zur Welt gebracht hat.

I.15. Dieses Vorbringen stellt die letzte Äußerung der BF im Verfahren zum gegenständlichen Antrag bzw. zu ihren Anknüpfungspunkten im Bundesgebiet dar.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt)

II.1.1. Die beschwerdeführende Parteien

Bei den BF handelt es sich um im Herkunftsstaat der Mehrheits- und Titularethnie angehörige Georgier, welche aus einem überwiegend von Georgiern bewohnten Gebiet stammen und sich zum Mehrheitsglauben des Christentums bekennen.

BF1 bis BF3 reisten mit einem erschlichenen Visum in den Schengenraum und weiter in das Bundesgebiet ein. Es kann nicht festgestellt werden, wie BF5 und BF6 in den Schengenraum reisten. BF4 ist im Bundesgebiet geboren.

Die Identität der BF steht fest.

BF1 bis BF3 sind junge, gesunde, arbeitsfähige Menschen mit bestehenden familiären und verwandtschaftlichen Anknüpfungspunkten im Herkunftsstaat und einer - wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich - gesicherten Existenzgrundlage.

BF1 hat die Grundschule und die Universität besucht. Sie ist ausgebildete Pädagogin und hat die Universität in den Fächern Recht und Geschichte abgeschlossen. Sie hat als Assistentin eines Direktors für eine Vereinigung von Museen und Bibliotheken gearbeitet und daneben eine Krankenpension bezogen. Sie hatte auch eine kleine Landwirtschaft, von welcher sie auch ein kleines, aber unregelmäßiges Einkommen bezog.

BF2 besuchte ebenfalls die Schule und studierte dann Biologie an der Universität in Tiflis. Sie schloss das Studium nicht ab.

BF3 besuchte zwölf Jahre lang die Schule und leistete dann den Wehrdienst ab. Er hat keine Berufsausbildung und hat sein Auskommen durch Gelegenheitsarbeiten bestritten.

Die minderjährigen BF4 bis BF6 verfügen im Herkunftsstaat über eine - wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich - gesicherte Existenzgrundlage, ferner ist eine hinreichende Betreuung durch die jeweiligen Mütter bzw. den Vater des BF4 und den Familienverband sowie eine hinreichende Absicherung in ihren altersentsprechenden Grundbedürfnissen gegeben. Den minderjährigen BF steht ferner kostenfreier und nichtdiskriminierender Zugang zum öffentlichen Schulwesen sowie leistbarer und nichtdiskriminierender Zugang zu einer adäquaten medizinischen Versorgung zur Verfügung.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die BF aktuell an einer schweren physischen oder psychischen Krankheit leiden, die einer Rückführung in den Herkunftsstaat entgegenstünde. BF1 leidet an allergischem Asthma. Sie nimmt aktuell keine Medikamente. BF5 und BF6 leiden an PTBS. Ihnen wurde ein Medikament verordnet.

II.1.2. Behauptete Ausreisegründe aus dem Herkunftsstaat und Rückkehrbefürchtungen

Es ist nicht auszuschließen, dass die BF in Georgien familiäre Auseinandersetzunggen und häusliche Gewalt erlebten, jedoch wäre es ihnen möglich und zumutbar gewesen, sich an die georgischen Behörden zu wenden, welche gewillt und befähigt gewesen wären, ihnen Schutz zu gewähren. Ebenso existieren in Georgien Schutzeinrichtungen für Opfer häuslicher Gewalt sowie Organisationen, welche Opfern von häuslicher Gewalt umfassend unterstützen und welche auch den BF mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit entsprechende Unterstützung gewähren würden.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die BF erheblichen Misshandlungen bzw. Mordversuchen ausgesetzt waren, die von ihrem ehemaligen Ehemann, Vater bzw. Großvater ausgingen und es kann auch nicht festgestellt werden, dass sie auf eine Art und Weise von diesem verfolgt wurden, die den erwachsenen BF eine freie Entscheidung über ihren Wohnsitz verunmöglicht hätte. Schließlich kann auch nicht festgestellt werden, dass ihnen im Fall einer Rückkehr nach Georgien eine solche Gefährdung drohen würde.

Es kann schließlich nicht festgestellt werden, dass die BF vor ihrer Ausreise aus ihrem Herkunftsstaat einer anderweitigen individuellen Gefährdung oder psychischer und/oder physischer Gewalt in ihrem Herkunftsstaat durch staatliche Organe oder durch Dritte ausgesetzt waren oder sie im Falle einer Rückkehr dorthin einer solchen mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt wären.

Es kann nicht festgestellt werden, dass den BF im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die Todesstrafe droht. Ebenso kann keine anderweitige individuelle Gefährdung der BF festgestellt werden, insbesondere im Hinblick auf eine im Herkunftsstaat drohende unmenschliche Behandlung, Folter oder Strafe sowie im Hinblick auf kriegerische Ereignisse, extremistische Anschläge oder organisierte kriminelle Handlungen.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die BF vor ihrer Ausreise in ihrem Herkunftsstaat von einer existentiellen Notlage betroffen waren oder einer solchen im Falle ihrer Rückkehr ausgesetzt sein würden.

II.1.3. Zur Lage der Beschwerdeführer im Bundesgebiet:

Die BF halten sich - bis auf BF4 - seit 4.4.2017 im Bundesgebiet auf. BF1 bis BF3 reisten mit einem erschlichenen Visum in das Bundesgebiet ein. Wie BF5 und BF6 in den Raum der Europäischen Union einreisten, ist nicht feststellbar. Die BF sind seit ihrer Einreise in Österreich Asylwerber und verfügen über keinen anderen Aufenthaltstitel. BF4 wurde im Jahr 2017 im Bundesgebiet geboren. BF2 gebar am 11.2019 ihr zweites Kind.

Die BF haben in Österreich keine Verwandten und leben auch sonst mit keiner nahe stehenden Person in Österreich zusammen, welche nicht zur Kernfamilie zu zählen ist. Sie möchten offensichtlich ihr künftiges Leben in Österreich gestalten.

Die BF beziehen seit Antragstellung bis dato Leistungen der staatlichen Grundversorgung für Asylwerber.

BF1 bis BF3 haben an Deutsch- bzw. Integrationskursen teilgenommen. BF1 und BF2 haben Prüfungen für das Sprachniveau A2 bestanden, BF3 hat die Prüfung nicht bestanden.

BF2 besucht die Übergangsstufe am BMHS für Jugendliche mit geringen Kenntnissen der Unterrichtssprache Deutsch. BF5 und BF6 besuchen die neue Mittelschule.

Die BF können sich im Alltagsleben bzw. in der Schule in der deutschen Sprache verständigen und versuchen, ihre Sprachkenntnisse mit Hilfe einer Freundin der Familie zu verbessern.

Der Besuch von weiteren Kursen oder Integrationsveranstaltungen ist nicht dokumentiert.

Die BF haben sich einen Freundeskreis im Bundesgebiet aufgebaut. Sie verfügen über Empfehlungsschreiben. BF1 und BF2 betätigen sich ehrenamtlich als Köchinnen bzw. Küchenhilfen.

Einstellungszusagen liegen nicht vor.

Die BF sind in Österreich strafrechtlich unbescholten.

Der Aufenthalt der BF im Bundesgebiet war und ist nicht nach § 46a Abs. 1 Z. 1 oder Abs. 1a FPG 2005 geduldet. Ihr Aufenthalt ist nicht zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig. Sie wurden nicht Opfer von Gewalt im Sinn der §§ 382b oder 382e EO.

1.4. Zur Lage im Herkunftsstaat:

1.4.1. Zur aktuellen Lage im Herkunftsstaat werden folgende Feststellungen unter Heranziehung der abgekürzt zitierten und gegenüber dem Beschwerdeführer offengelegten Quellen getroffen:

1. Politische Lage

In Georgien finden regelmäßig kompetitive Wahlen statt. Nachdem der Demokratisierungsprozess in den Jahren 2012-13 an Dynamik gewann, kam es in den letzten Jahren zu einer Stagnation der Fortschritte. Oligarchen haben übergroßen Einfluss auf Politik und politische Entscheidungen und die Rechtsstaatlichkeit wird nach wie vor durch politische Interessen behindert. Das politische Leben in Georgien ist lebendig. Neue politische Parteien können in der Regel ohne Behinderungen gegründet werden und zu den Wahlen antreten. Allerdings war die politische Landschaft von der Dominanz abwechselnd einer Partei geprägt, was die Entwicklung und Stabilität konkurrierender Gruppen gehemmt hat (FH 4.2.2019).

Georgien hat eine doppelte Exekutive, wobei der Premierminister als Regierungschef und der Präsident als Staatsoberhaupt fungiert. Der Präsident wurde bis 2018 durch Direktwahl für maximal zwei Amtszeiten von je fünf Jahren gewählt. (FH 4.2.2019).

Die ehemalige Außenministerin Salome Zurabishvili wurde am 28.11.2018 zur Präsidentin des Landes gewählt. Offiziell als unabhängige Kandidatin, jedoch unterstützt von der Regierungspartei "Georgischer Traum", setzte sie sich in der Stichwahl mit fast 60% gegen ihren Konkurrenten Grigol Vashadze durch, welcher insbesondere von der oppositionellen Vereinigten Nationalen Bewegung von Ex-Präsident Saakashvili unterstützt wurde (FAZ 29.11.2018; vgl. CW 29.11.2018). Die OSZE beurteilte den Wahlgang als kompetitiv und gut administriert, wobei der Wahlkampf von einer scharfen Rhetorik und Demonstrationen begleitet war. Hauptkritikpunkte waren allerdings die einseitige Verwendung staatlicher Verwaltungsressourcen sowie die Berichterstattung des öffentlichen Rundfunks zugunsten von Zurabishvili (OSCE/ODIHR 29.11.2018). Am 1.12.2018 demonstrierten rund 25.000 Menschen in Tiflis und warfen der von der Regierungspartei unterstützten neuen Präsidentin Zurabishvili Wahlbetrug vor und forderten vorgezogene Parlamentswahlen (Standard 2.12.2018).

Aufgrund einer Verfassungsänderung wird der Präsident in Zukunft indirekt für sechs Jahre von einem Gremium, bestehend aus nationalen, regionalen und lokalen Gesetzgebern, gewählt werden. Der Präsident ernennt formal den Premierminister, der vom Parlament nominiert wird (FH 4.2.2019).

Am 8.10. und 30.10.2016 fanden Parlamentswahlen in Georgien statt. Die bislang regierende Partei "Georgischer Traum" sicherte sich die Verfassungsmehrheit, indem sie 115 der 150 Sitze gewann. Die "Vereinigte Nationale Bewegung" (UNM) des Expräsidenten Mikheil Saakashvili errang 27 und die "Allianz der Patrioten Georgiens" (APG) sechs Sitze (RFE/RL 1.11.2016). Mit der APG ist erstmals eine pro-russische Partei im Parlament vertreten. In der notwendigen Stichwahl am 30.10.2016 in 50 Wahlkreisen, die nach dem Mehrheitswahlrecht bestimmt werden, gewann der "Georgische Traum" 48 Wahlkreise (Standard 31.10.2016).

Demonstrationen im Juni 2019 führten unter anderem dazu, dass bei der für 2020 angesetzten Wahl die Parlamentssitze nach dem Verhältniswahlrecht vergeben werden sollen. Ursprünglich sollte erst ab 2024 nach den neuen Bestimmungen gewählt werden (DW 24.6.2019, vgl. RFE/RL 5.8.2019).

Quellen:

* CW - Caucasus Watch (29.11.2018): Surabischwili gewinnt Wahl: Georgien bekommt erstmals eine Präsidentin, http://caucasuswatch.de/news/1190.html, Zugriff 12.8.2019

* DW - Deutsche Welle (24.6.2019): Proteste in Tiflis trotz Zugeständnissen, https://www.dw.com/de/proteste-in-tiflis-trotz-zugest%C3%A4ndnissen/a-49339505, Zugriff 13.8.2019

* FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (29.11.2018): Georgien bekommt eine Präsidentin, https://www.faz.net/aktuell/salome-surabischwili-wird-neue-praesidentin-in-georgien-15915289.html, Zugriff 12.8.2019

* FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004335.html, Zugriff 12.8.2019

* OSCE/ODIHR - Organization for Security and Co-operation in Europe/Office for Democratic Institutions and Human Rights, European Parliament, OSCE Parliamentary Assembly, Parliamentary Assembly of the Council of Europe (30.10.2016): International Election Observation Mission, Georgia - Presidential Election, Second Round, 28 November 2018 - Statement of Preliminary Findings and Conclusions, Preliminary Conclusions, https://www.osce.org/odihr/elections/georgia/404642?download=true, Zugriff 12.8.2019

* RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (1.11.2016): Georgia's Ruling Party Wins Constitutional Majority, http://www.rferl.org/a/georgia-elections-second-round-georgian-dream-super-majority/28085474.html, Zugriff 12.8.2019

* RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (5.8.2019): Georgian Parliament Speaker Presents Amendments To Electoral Code, https://www.rferl.org/a/georgian-parliament-speaker-presents-amendments-to-electoral-code/30093372.html, 13.8.2019

* Der Standard (2.12.2018): 25.000 Georgier wegen angeblichen Wahlbetrugs auf den Straßen - derstandard.at/2000092965067/25-000-Georgier-wegen-angeblichen-Wahlbetrugs-auf-den-Strassen, https://derstandard.at/2000092965067/25-000-Georgier-wegen-angeblichen-Wahlbetrugs-auf-den-Strassen?ref=rec, Zugriff 12.8.2019

* Der Standard (31.10.2016): Regierungspartei kann Georgien im Alleingang regieren, http://derstandard.at/2000046738001/Wahlsieg-von-Regierungspartei-in-Georgien-in-zweiter-Runde-bestaetigt, Zugriff 12.8.2019

2. Sicherheitslage

Die Lage kann in den meisten Landesteilen als stabil bezeichnet werden. Die Konflikte um die beiden separatistischen georgischen Regionen Abchasien und Südossetien sind indes ungelöst und verursachen Spannungen. Trotz vordergründiger Beruhigung der Lage kann ein erneutes Aufflammen des Konfliktes zwischen Abchasien bzw. Südossetiens und Georgien nicht ausgeschlossen werden (EDA 13.8.2019).

Die EU unterstützt durch die Arbeit des EU-Sonderbeauftragten für den Südkaukasus und die EU-Beobachtermission (EUMM) aktiv die Bemühungen um Konfliktlösung. 2009 wurde der Incident Prevention and Response Mechanism (IPRM) geschaffen, der Risiko- und Sicherheitsfragen der Gemeinden in den abtrünnigen Regionen Abchasiens und Südossetens erörtern soll (EC 30.1.2019).

Quellen:

* EC - European Commission (30.1.2019): Association Implementation Report on Georgia [SWD (2019) 16 final], https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/2019_association_implementation_report_georgia.pdf, Zugriff 30.1.2019

* EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (13.8.2019): Reisehinweise für Georgien, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/georgien/reisehinweise-georgien.html, Zugriff 13.8.2019

2.1. Regionale Problemzone: Abchasien

Abchasien (ca. 200.000 Einwohner) hat sich - unterstützt von Russland - als unabhängig erklärt und sucht die weitere Annäherung an Russland. Die Regierung in Tiflis hat keine Verwaltungshoheit über das Gebiet, in dem sich de facto ein politisches System mit Regierung, Parlament und Justiz etabliert hat. Eigene Streitkräfte, unterstützt durch russisches Militär, sichern die zunehmend von ihnen befestigte Verwaltungsgrenze zu Georgien. Diese ist nur in einem sehr geringen Maße für Einwohner der Gebiete durchlässig. Militärische Auseinandersetzungen gibt es seit 2008 jedoch nicht mehr. Das Recht auf Rückkehr der vertriebenen Georgier wird von den abchasischen de facto-Behörden verwehrt. Nur der Verwaltungskreis Gali im südlichen Teil Abchasiens, nahe dem georgischen Hauptterritorium, ist noch stark georgisch/megrelisch besiedelt. Es liegen Hinweise vor, dass Bewohner dieses Gebiets bzw. Angehörige der georgischen/megrelischen Bevölkerung in Abchasien staatlich benachteiligt werden (z.B. beim Erwerb von Aufenthalts- und Arbeitserlaubnissen, der Besetzung öffentlicher Stellen, dem Zugang zu Bildung oder bei der Gesundheitsfürsorge). Erschwernisse gibt es beim Übertritt der administrativen Grenze nach Georgien. Ziel ist es offenbar, die georgische Bevölkerung entweder zur Aufgabe der georgischen Staatsangehörigkeit oder zum Verlassen ihrer angestammten Heimat zu veranlassen (AA 27.8.2018).

In Abchasien verbietet das Rechtssystem Eigentumsansprüche von ethnischen Georgiern, die Abchasien vor, während oder nach dem Krieg von 1992-93 verlassen haben, wodurch Binnenvertriebenen ihre Eigentumsrechte in Abchasien entzogen werden (USDOS 13.3.2019, vgl. FH 4.2.2019). Die abchasischen Behörden verfolgen eine Politik, die den rechtlichen Status von ethnischen Georgiern im Distrikt Gali bedroht. Sie schlossen Dorfschulen und zwingen georgische Schüler, ausschließlich in russischer Sprache zu lernen (USDOS 13.3.2019).

Die abchasischen Behörden und russische Streitkräfte schränken weiterhin die Bewegungsfreiheit der lokalen Bevölkerung entlang der administrativen Grenzlinie (ABL) ein, gleichwohl sie Flexibilität bei Reisen nach Georgien aus medizinischen Gründen, zwecks Pensionsleistungen, Bildung, etc. zeigen. Dorfbewohner, die sich unerlaubt der administrativen Grenze oder den Grenzübergängen nähern, riskieren die Inhaftierung durch die Grenzschutzbeamten der Russischen Föderation. Russische Grenzschutzbeamte entlang der ABL mit Abchasien setzen die Vorschriften der abchasischen Behörden mittels Festnahmen und Geldbußen durch (USDOS 13.3.2019).

Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) hat keinen Zugang zu Gefängnissen und Haftanstalten in Abchasien. Die Zustände dort gelten als chronisch schlecht (USDOS 13.3.2019).

Zu den anhaltenden Problemen Abchasiens gehören ein mangelhaftes Strafrechtssystem, die Diskriminierung ethnischer Georgier und ein Mangel an wirtschaftlichen Möglichkeiten. Während die Volksmeinung einen Einfluss auf die abchasische Innenpolitik hat, ist das Funktionieren der politischen Institutionen Abchasiens fast ausschließlich von der wirtschaftlichen und politischen Unterstützung aus Moskau abhängig. Die ethnisch georgische Bevölkerung ist regelmäßig von Wahlen und politischer Repräsentation ausgeschlossen. Im Jahr 2017 argumentierten die abchasischen "Behörden", dass die Mehrheit der Einwohner des Distrikts Gali georgische Staatsbürger seien und daher nicht wählen dürften (FH 4.2.2019).

Dennoch weist das politische System eine starke Opposition und zivilgesellschaftliche Aktivität auf. Allerdings behindert die Korruption innerhalb der Parteien deren demokratie- politische Funktion. Im Allgemeinen wird das Vereinigungsrecht geachtet. Ähnliches gilt für das Versammlungsrecht. Politische Parteien und Organisationen der Zivilgesellschaft organisieren regelmäßig Proteste, selbst für den Rücktritt des abchasischen "Staatspräsidenten" (FH 4.2.2019).

Hinsichtlich der Religionsfreiheit erfährt die georgisch-orthodoxe Kirche Restriktionen und Diskriminierung. Die Zeugen Jehovas sind als extremistische Organisation klassifiziert und seit 1995 verboten (USDOS 21.6.2019, vgl. FH 4.2.2019). Obgleich Vorsteher der muslimischen Gemeinde in der Vergangenheit angegriffen wurden, dürfen Muslime ihren Glauben frei praktizieren (FH 4.2.2019).

Nepotismus und Korruption, die oft auf Clan- und ethnischen Bindungen beruhen, haben erhebliche Auswirkungen auf die abchasische Justiz. Die Umsetzung gerichtlicher Entscheidungen ist nach wie vor uneinheitlich. Das Strafrechtssystem wird durch den eingeschränkten Zugang der Angeklagten zu qualifiziertem Rechtsbeistand, Verletzungen des ordentlichen Verfahrens und langwierige Untersuchungshaft untergraben (FH 4.2.2019).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (27.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

* FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Abkhazia, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2019/abkhazia, Zugriff 20.8.2019

* USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004295.html, Zugriff 20.8.2019

* USDOS - US Department of State (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom, https://www.ecoi.net/de/dokument/2011145.html, Zugriff am 20.8.2019

2.2. Regionale Problemzone: Südossetien

Große Teile Südossetiens wurden nach dem Ende eines Bürgerkriegs 1992 de facto unabhängig. Der Krieg im Jahr 2008 führte zum Einmarsch russischer Truppen und zur Vertreibung der zuvor noch bestehenden georgischen Regierungspräsenz sowie etlicher ethnischer Georgier. Nur Russland und eine Handvoll anderer Staaten haben seither die Unabhängigkeit Südossetiens anerkannt. Das Territorium bleibt fast vollständig von Russland abhängig und Moskau übt einen entscheidenden Einfluss auf die Politik und die Regierungsführung aus (FH 4.2019).

Im März 2017 drückte eine Resolution des UN-Menschenrechtsrates große Besorgnis über die Menschenrechtssituation in den separatistischen Gebieten Abchasien und Südossetien aus, wobei insbesondere Entführungen, willkürliche Festnahmen, Verletzung von Eigentumsrechten, das Fehlen muttersprachlichen Schulunterrichts, mangelnde Freizügigkeit und Diskriminierung aufgrund ethnischer Herkunft und Verweigerung des Rückkehrrechts für die geflüchtete georgische Bevölkerung genannt werden. Die Diskriminierung dieser Bevölkerungsteile kann als zielgerichtet bewertet werden, um diese zur Abwanderung zu bewegen. Dagegen ist die Anwesenheit der im Gebiet von Akhalgori (Südossetien) lebenden Georgier gegenwärtig akzeptiert (AA 27.8.2018, vgl. FH 4.2.2019). Obwohl die südossetischen de facto-Behörden den meisten wegen des Konflikts von 2008 vertriebenen ethnischen Georgiern die Rückkehr nach Südossetien verweigern, gibt es eine besondere Übergangsregelung für diejenigen aus dem Bezirk Akhalgori. Die Behörden erlauben den meisten internationalen Organisationen keinen regelmäßigen Zugang nach Südossetien zur Leistung humanitärer Hilfe (USDOS 13.3.2019).

Die russische "Grenzverfestigung" (borderization) der administrativen Grenze (ABL) geht weiter, sodass Anrainer von ihren Gemeinden bzw. Lebensgrundlagen getrennt werden (USDOS 13.3.2019, vgl. AI 7.2019). Die Dorfbewohner - einige leben in den ärmsten Teilen des Landes - verlieren Zugang zu Weiden, Ackerland und Obstgärten, zu Wasserquellen und Brennholz. Sie sind von ihren Verwandten und Einkommensgrundlagen ebenso abgeschnitten wie vom kulturellen und sozialen Leben. Jedes Jahr werden Hunderte von Menschen willkürlich festgehalten, während sie versuchen, die ABL zu überqueren (AI 7.2019). Die Einschränkungen der Bewegungsfreiheit zwischen Südossetien und Georgien wurden 2018 verschärft. Wie in den vergangenen Jahren wurden Dutzende georgischer Bürger von südossetischen Grenzschutzbeamten in der Nähe der administrativen Grenze zum Rest Georgiens festgehalten und gegen Zahlung einer Geldstrafe freigelassen. Im November 2018 verabschiedete das Parlament Südossetiens ein neues Gesetz, das die Geldbußen für illegale Grenzübertritte um fast das Vierfache erhöht. Ende Dezember 2018 gaben die Behörden bekannt, dass ein spezieller Pass erforderlich sein würde, um die Grenze zu Georgien zu überschreiten (FH 4.2.2019).

Die lokalen Medien stehen weitgehend unter Kontrolle der Behörden, die auch die Aktivitäten der Zivilgesellschaft einschränken oder genau überwachen. Zahlreiche politische Parteien wurden durch bürokratische Hürden an der Registrierung vor den Parlamentswahlen 2019 gehindert. Aufgrund des erheblichen russischen Einflusses auf die Innenpolitik und Entscheidungsfindung arbeitet die Regierung Südossetiens nicht transparent. Behörden-Korruption ist weit verbreitet. Ein systematischer Zugang diese zu bekämpfen besteht nicht. Die Justiz ist nicht unabhängig. Sie unterliegt politischer Einflussnahme und Manipulation und dient zur Bestrafung der vermeintlichen politischen Gegner. Körperliche Übergriffe und schlechte Bedingungen sind Berichten zufolge in Gefängnissen und Haftanstalten weit verbreitet (FH 4.2.2019).

Die Bewohner demonstrieren gelegentlich gegen Umweltzerstörung, das schleppende Tempo des Wiederaufbaus nach dem Krieg und seltener gegen politische Missstände. Die Versammlungsfreiheit ist jedoch stark eingeschränkt. Teilnehmer an nicht genehmigten Versammlungen laufen Gefahr, angeklagt zu werden (FH 4.2.2019).

Die Mehrheit der Bevölkerung sind orthodoxe Christen. Es gibt aber auch eine beträchtliche muslimische Gemeinschaft. Ein Teil des Eigentums der georgisch-orthodoxen Kirche wird von der südossetisch-orthodoxen Kirche kontrolliert. Der Oberste Gerichtshof Südossetiens hat im Jahr 2017 die Zeugen Jehovas als extremistische Organisation verboten (FH 4.2.2019).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (27.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

* AI - Amnesty International: Georgia: Behind barbed wire (7.2019): Human rights toll of "borderization" in Georgia [EUR 56/0581/2019], https://www.ecoi.net/en/file/local/2012567/EUR5605812019ENGLISH.PDF, Zugriff am 20.8.2019

* FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - South Ossetia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2014287.html, Zugriff 20.8.2019

* USDOS - US Department of State (13.3.20

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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