TE Vwgh Erkenntnis 2020/7/22 Ra 2019/03/0163

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Veröffentlicht am 22.07.2020
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Index

E6J
001 Verwaltungsrecht allgemein
40/01 Verwaltungsverfahren
50/03 Personenbeförderung Güterbeförderung

Norm

AVG §17 Abs1
AVG §17 Abs3
AVG §37
AVG §45 Abs2
AVG §45 Abs3
KflG 1952 §14 Abs2
KflG 1999 §14
KflG 1999 §14 Abs1
KflG 1999 §14 Abs2
KflG 1999 §14 Abs3
KflG 1999 §14 Abs5
KflG 1999 §7 Abs1 Z4 litb
KflG 1999 §7 Abs1 Z4 litc
ÖPNRV-G 1999 §3 Abs3
VwRallg
62006CJ0450 Varec VORAB
62011CJ0300 ZZ VORAB

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der H W in K, vertreten durch Mag. Dr. Michael E. Sallinger und Dr. Christof Rampl, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Sillgasse 21/III, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 12. November 2019, Zl. LVwG-2019/25/0347-12, betreffend Konzessionserweiterung nach dem Kraftfahrliniengesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Tirol; mitbeteiligte Partei: Z AG in J, vertreten durch CHG Czernich Haidlen Gast & Partner Rechtsanwälte GmbH in 6020 Innsbruck, Bozner Platz 4), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Die Revisionswerberin beantragte mit Schreiben vom 29. November 2018 eine Streckenerweiterung der ihr mit Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 15. Jänner 2018 erteilten Konzession für den Betrieb der Kraftfahrlinie 8 (A - S - K - R - M), die ab dem bisherigen Endpunkt in M über die Z-Straße und eine Gemeindestraße bis H (wobei es sich bei diesem neuen Streckenabschnitt um eine Gleichlaufstrecke mit der Kraftfahrlinie 4 der mitbeteiligten Partei handle) und ab H weiter bis C weitergeführt werden sollte.

2        Mit Bescheid vom 15. Jänner 2019 erweiterte der Landeshauptmann von Tirol gemäß den §§ 1, 3 und 7 Abs. 1 Z 3 und 4 KflG die Konzession wie von der Revisionswerberin beantragt. Die Änderung wurde auf Dauer der mit Bescheid vom 15. Jänner 2018 erteilten „Stammkonzession“ (bis zum 1. Jänner 2028) genehmigt. Weiters wurde gemäß § 33 Abs. 2 KflG die Mitbenützung näher bezeichneter Haltestellen genehmigt.

3        Gegen diesen Bescheid erhob die mitbeteiligte Partei Beschwerde, in der sie unter anderem geltend machte, dass es durch die Erweiterung zu einer Gleichlaufstrecke mit den von ihr betriebenen Kraftfahrlinien 3 und 4 komme; die Erweiterung sei geeignet, die Erfüllung der Verkehrsaufgaben durch die mitbeteiligte Partei ernsthaft zu gefährden. Die Behörde habe dazu keine amtswegigen Ermittlungen geführt und sich nicht mit dem Vorliegen von Ausschließungsgründen nach § 7 Abs. 1 Z 3 und 4 KflG auseinandergesetzt.

4        Mit dem nun angefochtenen Erkenntnis wurde der Beschwerde der mitbeteiligten Partei Folge gegeben und der Antrag der Revisionswerberin vom 29. November 2018 abgewiesen. Weiters sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig ist.

5        Begründend stellte das Verwaltungsgericht - nach Darlegung des Verfahrensganges - im Wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Die Buslinie 3 (I -) S - J - M führe von Innsbruck Hauptbahnhof bis M P. Bei einer Streckenzeit von 2 Stunden 3 Minuten würden 49 Haltestellen angefahren.

Die Buslinie 4 M - H - S führe von M Ho bis M. Bei einer Streckenzeit von 1 Stunde würden 16 Haltestellen angefahren. Die HaltestellenSp und M würden nur während der Öffnungszeit der Z-Straße - das sei in der Sommersaison - angefahren.

Beide Linien würden von der mitbeteiligten Partei im Rahmen von Verkehrsdienstverträgen mit der VVT GmbH bedient; es handle sich um nicht-kommerzielle Verkehrsdienste im Sinne des § 3 Abs. 3 ÖPNRV-G 1999.

Die Revisionswerberin verfüge über die Konzession zum Betrieb der Kraftfahrlinie 8 A - S - K - R - M und retour. Mit dem bekämpften Bescheid sei die Erweiterung zu einem Rundkurs erfolgt, der die bestehende Strecke von M bis R und von dort am Talboden bis A ergänze. Die von der Behörde bewilligte Streckenführung beginne im Ra, führe am Talboden bis Ri und von dort über die Z-Straße und S wieder nach Ra. Die Strecke solle nur in dieser einen Fahrtrichtung als Rundkurs befahren werden.

Auf der Linie 8 solle die Fahrkarte für den gesamten Rundkurs Euro 15,00 kosten; jeweils von der Talsohle bis Ho bzw. bis M koste der Fahrschein Euro 6,00; von der Talsohle bis Hi bzw. umgekehrt koste eine Fahrt Euro 7,50.

Auf der Linie 4 koste der Fahrschein für einen Erwachsenen im VVT-Tarif Euro 5,00 für die Strecke von R bis M bzw. umgekehrt. Zusätzlich werde vom Fahrer Euro 1,00 für die Maut pro Person eingehoben.

Die Linien 3 und 4 bis M dienten der ansässigen Bevölkerung zur Befriedigung ihrer Mobilitätsbedürfnisse. Die Haltestellen Sp und M lägen im Almgebiet und dienten hauptsächlich Wanderern zu touristischen Zwecken. Die gesamte Linie 4 diene deshalb aber nicht im Wesentlichen touristischen Zwecken; sie erhalte laut Verkehrsdienstvertrag vom VVT Ausgleichszahlungen bis M, es handle sich um eine Gesamtabrechnung. Mit Ausnahme der beiden Haltestellen Sp und M (4) gebe es im Verlauf der Z-Straße keinen Kurs, auf welchem VVT-Fahrscheine bzw. VVT-Tarife gelten würden.

Die mitbeteiligte Partei betreibe die Linien 3 und 4 schon langjährig. Die seinerzeitigen Altverträge bezüglich der Ausgleichszahlungen aus öffentlichen Mitteln hätten auf einer Gesamtkalkulation beruht, was bedeute, dass das Verkehrsunternehmen wirtschaftlich lukrative Kurse am Talboden erhalten habe, dafür aber auch die nicht lukrativen Bergstrecken bedienen habe müssen. Bei den Altverträgen seien die einzelnen Kurse nicht betriebswirtschaftlich kalkuliert gewesen. Die Linie 4 sei für die mitbeteiligte Partei auf Grundlage der Altverträge nicht kostendeckend zu betreiben. Aufgrund einer Nachfragesteigerung in den vergangenen Jahren habe die VVT GmbH bei der mitbeteiligten Partei auf dieser Linie Zusatzkurse bestellt, welche mit betriebswirtschaftlich kalkulierten Kosten abgegolten würden. Durch diese Zusatzbeauftragungen, die ungefähr eine Verdoppelung der Fahrgastzahlen gebracht hätten, habe sich die Linie 4 für die mitbeteiligte Partei zu einer Linie mit Gewinn entwickelt. Nach Abzug des Aufwandes von den Abgeltungen durch den VVT habe die gesamte Linie 4 in den Jahren 2016 bis 2018 für die mitbeteiligte Partei Verluste in jeweils fünfstelliger Höhe ausgewiesen, wobei sich dieser Verlust von 2017 auf 2018 halbiert habe. Für das hochgerechnete Jahr 2019 sei die Verlustzone verlassen worden und diese Linie weise für die mitbeteiligte Partei einen Gewinn im vierstelligen Euro-Bereich auf.

In den Verkehrsdienstverträgen bezahle der VVT mit der Bestellleistung die Kosten an das Verkehrsunternehmen, welches seinerseits die Erlöse aus den Fahrkartenverkäufen zu 100 % an den VVT abführe. Das bedeute, dass das wirtschaftliche Erlösrisiko der VVT trage, der mit öffentlichen Mitteln agiere.

Wenn die Linie 8 mit dem eingereichten Fahrplan bedient würde, ergäbe dies auf der Gleichlaufstrecke mit Linie 4 eine Busfolge, bei der zwei Mal der Bus der Revisionswerberin ca. 10 min vor dem Bus der mitbeteiligten Partei fahren würde und die anderen zwei Mal ca. 30 min danach, wodurch sich auf dieser Strecke etwa ein Halbstundentakt ergäbe. Der Fahrpreis wäre mit Euro 6,00 bei beiden Verkehrsunternehmen ident. Es sei deshalb die Annahme realistisch, dass es auf der Gleichlaufstrecke zu einer nicht unerheblichen Verschiebung von Fahrgästen von der mitbeteiligten Partei zur Revisionswerberin kommen würde. Auf rückgängige Fahrgastzahlen auf der Linie 4 würde der VVT zum jährlichen Fahrplanwechsel mit der Kündigung von einzelnen Kursen - abhängig vom Rückgang der verkauften Fahrkarten - reagieren. Dabei würden zuerst Zusatzbestellleistungen und gegebenenfalls auch Kurse aus den Altverträgen gekündigt werden.

Für ein Verkehrsunternehmen sei eine Linie betriebswirtschaftlich dann am effektivsten zu betreiben, wenn der Fahrplan durchgehende Umläufe den ganzen Tag über ermögliche. Wenn einzelne Kurse herausgenommen würden, sinke der Kilometerpreis dadurch nicht linear. Wenn der Bus stehe und in der Zeit nicht woanders eingesetzt werden könne, müsse in der Regel der Fahrer auch bezahlt werden und das Unternehmen spare sich nur den nicht verfahrenen Treibstoff und die entfallene Abnützung des Busses. Das bedeute aber auch für den VVT, dass er bei der Kündigung einzelner Kurse dem Verkehrsunternehmen den Kostenersatz nicht verhältnismäßig zu den wegfallenden Kilometern kürzen könne. Dies wäre nur dann annähernd vorstellbar, wenn durch die Konkurrenz jeweils der erste Kurs am Morgen und der letzte am Abend gekündigt würden. Da der Busverkehr auf der Z-Straße hauptsächlich Wanderern diene, sei anzunehmen, dass einzelne Kurse untertags durch das Zusatzangebot der Revisionswerberin gekündigt würden. Auch wenn das wirtschaftliche Erlösrisiko aus dem Fahrkartenverkauf nicht das Verkehrsunternehmen, sondern der VVT trage, wäre durch den dadurch resultierenden Wegfall der von der Abgeltung für die mitbeteiligte Partei lukrativen Zusatzbestellleistungen eine kostendeckende Betriebsführung der Linie 4 für die mitbeteiligte Partei nicht mehr gegeben, womit sie hinsichtlich dieser Linie einen die wirtschaftliche Betriebsführung sichtlich in Frage stellenden Einnahmenausfall erleiden würde.

6        Beweiswürdigend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, dass sich dieser Sachverhalt aus dem Akteninhalt sowie aus den Angaben der beiden Parteien in der mündlichen Verhandlung sowie der Aussage einer als Zeugin vernommenen informierten Vertreterin der Verkehrsverbund Tirol GmbH ergebe. Die mitbeteiligte Partei habe hinsichtlich der Linie 4 „die Bilanzzahlen für die Jahre 2016 bis 2019“ vorgelegt. Aus der Zeugenaussage der Vertreterin der VVT GmbH, die dort die Leiterin der Vertriebes und der Kundeninformation sei, habe sich die von der mitbeteiligten Partei geäußerte Befürchtung, dass ein Rückgang der verkauften Fahrkarten auf der Linie 4 zu einer Kündigung der vom VVT bestellten Zusatzkurse auf dieser Strecke führen würde, bestätigt. „Hinsichtlich der Fakten“ hätten sich bezüglich der Angaben der mitbeteiligten Partei und der Revisionswerberin keine nennenswerten Divergenzen ergeben; die Unterschiede zwischen beiden Parteien lägen darin, wie die Auswirkungen der bewilligten Streckenerweiterung auf die bestehenden Linien der mitbeteiligten Partei, dabei insbesondere auf die Linie 4, zu prognostizieren seien.

7        In seiner rechtlichen Beurteilung hielt das Verwaltungsgericht zunächst fest, dass entgegen der Ansicht der Revisionswerberin der Umstand, dass die mitbeteiligte Partei auf ein Schreiben der Behörde im Zuge der Anhörung nach § 5 KflG keine Stellungnahme abgegeben bzw. keine Einwendungen erhoben habe, nicht zum Verlust der Parteistellung der mitbeteiligten Partei geführt habe.

Die Revisionswerberin habe Akteneinsicht hinsichtlich der von der mitbeteiligten Partei übermittelten Einnahmen und Ausgaben der Linie 4 für die Jahre 2016 bis 2019 beantragt. Die mitbeteiligte Partei habe diese Zahlen mit dem Hinweis darauf übermittelt, dass es sich dabei um Betriebsgeheimnisse handle, da in den Jahren 2022/2023 die bestehenden nicht-kommerziellen Linien im Zillertal neu ausgeschrieben würden und die Revisionswerberin als Konkurrenzunternehmen dann die Kalkulationsgrundlagen der mitbeteiligten Partei kennen würde, was im Hinblick auf die Angebote dazu führen könnte, dass die mitbeteiligte Partei aus diesem Grund den Zuschlag für Linien nicht erhalten würde.

§ 17 Abs. 3 AVG bestimme, dass von der Akteneinsicht Aktenbestandteile ausgenommen seien, insoweit deren Einsichtnahme eine Schädigung berechtigter Interessen einer Partei herbeiführen würde. Eine Schädigung wirtschaftlicher Interessen der mitbeteiligten Partei wäre hinsichtlich der Bekanntgabe der „Bilanzzahlen“ der Linie 4 an die Revisionswerberin aus obigen Gründen realistisch und nachvollziehbar, weshalb dem Antrag auf Akteneinsicht hinsichtlich dieser Aktenbestandteile keine Folge zu geben gewesen sei.

Die Linie 4 werde nur in den Sommermonaten während der Öffnung der Z-Straße bis M geführt, die übrige Zeit des Jahres ende die Linie in Mö, wo sonst gewendet werde. Bis Mö werde die Straße im Winter auch geräumt. Die Haltestellen Sp und M lägen im Almgebiet und dienten hauptsächlich Wanderern zu touristischen Zwecken. Bis Mö diene diese Linie der ansässigen Bevölkerung zur Befriedigung ihrer Mobilitätsbedürfnisse. Der Umstand, dass während der Sommermonate zwei von 16 Haltestellen touristischen Zwecken dienten, führe nicht dazu, dass die gesamte Linie 4 als im Wesentlichen touristischen Zwecken dienend einzustufen sei. Diese Linie sei „daher als nicht-kommerzieller Verkehrsdienst im Sinn des § 3 Abs. 3 ÖPNRV-G 1999 zu bewerten“.

Gemäß § 14 Abs. 2 KflG liege der Ausschlussgrund nach § 7 Abs. 1 Z 4 lit. b (Gefährdung der Erfüllung der Verkehrsaufgaben) dann vor, wenn ein Verkehrsunternehmen in der Führung seines öffentlichen Verkehrs einschneidend beeinträchtigt sei, was der Fall sei, wenn es hinsichtlich der gefährdeten Linie einen die wirtschaftliche Betriebsführung sichtlich in Frage stellenden Einnahmenausfall erleide. Diese Gesetzesbestimmung stelle ausdrücklich auf die gefährdete Linie ab, nicht aber auf Teile der Linie oder das Gesamtunternehmen.

Bei der gemäß § 7 Abs. 1 Z 4 lit. b KfIG von der Behörde vorzunehmenden Beurteilung, ob der beantragte Kraftfahrlinienverkehr die Erfüllung der Verkehrsaufgaben durch ein konkurrenziertes Unternehmen zu gefährden geeignet sei, handle es sich um eine Prognoseentscheidung, die aufgrund ausreichender Sachverhaltsermittlungen zu treffen sei (Hinweis auf VwGH 12.9.2006, 2005/03/0096). Dabei sei es Aufgabe der Behörde, eine Gefährdung der Erfüllung der Verkehrsaufgaben zu beurteilen. Für die Beurteilung, ob die Erfüllung der Verkehrsaufgaben durch die mitbeteiligte Partei auf der betroffenen Kraftfahrlinie gefährdet sei, komme es nicht allein auf die Fahrgastzahlen an, sondern ob ein die wirtschaftliche Betriebsführung sichtlich in Frage stellender Einnahmenausfall zu erwarten sei. Dieser Einnahmenentfall könne sich nicht nur aus Veränderungen bei der Zahl der ausschließlich die jeweilige Kraftfahrlinie nutzenden Fahrgäste ergeben, sondern auch aus Veränderungen bei Bestellleistungen oder von Leistungen im Rahmen des Verkehrsverbundes, die im Fall der Stattgebung des Konzessionsantrags zu erwarten seien (Hinweis auf VwGH 17.12.2008, 2006/03/0119).

Im Hinblick auf die Linie 4 würde das Hinzukommen der Linie 8 mit dem eingereichten Fahrplan dazu führen, dass sich teilweise ein Halbstundentakt im Bereich zwischen M und Ra ergäbe, wodurch zweifelsohne ein erhebliches Wanderungspotenzial der Fahrgäste von der mitbeteiligten Partei zur Revisionswerberin bestünde. Dies würde sich in einem deutlichen Rückgang der verkauften Fahrkarten auf der Linie 4 niederschlagen, was wiederum zur Folge hätte, dass seitens des VVT einzelne Kurse gekündigt würden. Dabei würden erstrangig die Zusatzbestellleistungen gekündigt, die nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten kalkuliert seien.

Aus den von der mitbeteiligten Partei vorgelegten „Ergebniszahlen“ für die Linie 4 sei zu ersehen, dass es ab dem Jahr 2017 zu einer erheblichen Steigerung der Fahrgeldeinnahmen gekommen sei, was dazu geführt habe, dass der VVT zusätzliche Kurse bei der mitbeteiligten Partei bestellt habe, was wiederum dazu geführt habe, dass sich die zuvor auf dieser Linie erwirtschafteten Verluste erheblich reduziert hätten und diese Linie seit dem Jahr 2019 in der Gewinnzone liege. Der Zusammenhang der Ertragsentwicklung mit den bestellten Zusatzkursen sei aus den vorgelegten Zahlen deutlich ablesbar. Dies bedeute aber im Umkehrschluss, dass eine Kündigung dieser Zusatzbestellleistungen das Ergebnis für die Beschwerdeführerin auf dieser Linie sofort wieder in die Verlustzone bringen würde, womit diese im Hinblick auf die Linie 4 einen die wirtschaftliche Betriebsführung sichtlichen in Frage stellenden Einnahmenausfall erleiden würde.

Daraus, dass der beantragte erweiterte Kraftfahrlinienverkehr der Linie 8 die Erfüllung der Verkehrsaufgaben durch die mitbeteiligte Partei im Hinblick auf die von dieser betriebenen Linien 4 ernsthaft zu gefährden geeignet sei, und es sich bei der Linie 4 um keine im Wesentlichen touristischen Zwecken dienende nicht-kommerzielle Linie handle, ergebe sich die rechtliche Beurteilung, dass die von der Behörde erteilte Konzession im Hinblick auf den Ausschließungsgrund nach § 7 Abs. 1 Z 4 lit. b KfIG öffentlichen Interessen zuwider laufe.

Da der beantragte Rundkurs der Linie 8 bereits im Hinblick auf die bestehende Linie 4 den oben erwähnten Ausschließungsgrund erfülle, erübrige sich eine Prüfung hinsichtlich der Linie 3, zu der ein Parallelverkehr am Talboden bestünde.

8        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Der Verwaltungsgerichtshof führte über die Revision das Vorverfahren durch, in dem die mitbeteiligte Partei eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag auf Zurückweisung, in eventu Abweisung der Revision erstattete. Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zum Revisionspunkt:

9        Die Revisionswerberin erachtet sich durch das angefochtene Erkenntnis „in ihrem subjektiven öffentlichen Recht auf Erweiterung der Kraftfahrlinienkonzession und der Mitbenutzung von Haltestellen gemäß KflG bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen verletzt“.

10       Die mitbeteiligte Partei macht geltend, dass der Revisionspunkt nicht gesetzmäßig ausgeführt sei, da das KflG kein subjektiv öffentliches Recht auf Erweiterung einer Konzession vorsehe, zumal die Verlängerung einer bestehenden Kraftfahrlinie die Erteilung einer neuen Konzession bedeute (Hinweis auf VwGH 27.11.1991, 90/03/0189). Es bestehe sohin kein (subjektiv öffentliches) Recht auf Erweiterung einer bestehenden Konzession, sondern lediglich ein Recht auf Erteilung einer neuen Konzession; dies werde allerdings nicht geltend gemacht.

11       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt bei der Prüfung eines angefochtenen Erkenntnisses oder Beschlusses eines Verwaltungsgerichtes dem Revisionspunkt nach § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG entscheidende Bedeutung zu, denn der Verwaltungsgerichtshof hat nicht zu prüfen, ob irgendein subjektives Recht des Revisionswerbers verletzt worden ist, sondern nur, ob jenes verletzt worden ist, dessen Verletzung der Revisionswerber behauptet. Durch den Revisionspunkt wird der Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens festgelegt und der Rahmen abgesteckt, an den der Verwaltungsgerichtshof bei der Prüfung des angefochtenen Erkenntnisses oder Beschlusses gebunden ist. Wird der Revisionspunkt unmissverständlich ausgeführt, so ist er einer Auslegung aus dem Gesamtzusammenhang der Revision nicht zugänglich (vgl. u.v.a. etwa VwGH 25.10.2016, Ra 2016/16/0057).

12       Im konkreten Fall erachtet sich die Revisionswerberin in ihrem Recht auf „Erweiterung“ ihrer Konzession verletzt. Es ist aus dem Gesamtzusammenhang nicht zweifelhaft, dass sie damit geltend macht, sie sei durch das angefochtene Erkenntnis in ihrem Recht verletzt, dass ihr entsprechend ihrem Antrag eine Konzession nach dem KflG für eine gegenüber der ihr bereits erteilten Konzession für die Kraftfahrlinie 8 erweiterten Umfang erteilt werde. Das subjektive öffentliche Recht, in dem sich die Revisionswerberin verletzt erachtet, ist damit ausreichend klar umschrieben (dass in der Praxis der Begriff der Konzessionserweiterung für eine Neuerteilung einer Konzession mit einem erweiterten Inhalt durchaus gebräuchlich ist, zeigt im Übrigen gerade auch das von der mitbeteiligten Partei zitierte Erkenntnis VwGH 27.11.1991, 90/03/0189).

Zur Zulässigkeit:

13       Die Revisionswerberin bringt zur Zulässigkeit der Revision im Wesentlichen drei Gründe vor: erstens sei das Verwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur allgemeinen Mitwirkungspflicht abgewichen bzw. es fehle Rechtsprechung zu § 5 Abs. 1 iVm § 14 Abs. 3 KflG; zweitens sei das Verwaltungsgericht von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 7 Abs. 1 Z. 4 lit. b KflG und zur konkludenten Zustimmung abgewichen, und drittens habe das Verwaltungsgericht die Rechtsprechung zu § 17 Abs. 3 AVG zur Ausnahme von der Akteneinsicht verkannt, was jeweils weiter ausgeführt wird.

14       Soweit schließlich durch einen abschließenden Satz im Zulässigkeitsvorbringen die „Ausführungen zur Begründetheit der Revision [...] vollinhaltlich zum Vorbringen für die Zulässigkeit der Revision erhoben“ werden sollen, ist darauf hinzuweisen, dass ein derartiger Verweis auf die Revisionsgründe den Anforderungen des § 28 Abs. 3 VwGG, wonach eine außerordentliche Revision auch gesondert die Gründe zu enthalten hat, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird, nicht genügt; der Verwaltungsgerichtshof hat weder Gründe für die Zulässigkeit der Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch ist er berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision führen könnten, aufzugreifen (vgl. u.v.a. etwa VwGH 9.10.2019, Ra 2019/17/0091). Dies führt jedoch, entgegen der Ansicht der mitbeteiligten Partei, im vorliegenden Fall nicht zur Unzulässigkeit der Revision, da die Revision eine gesonderte Darlegung der Gründe für die Zulässigkeit der Revision im Sinne des§ 28 Abs. 3 VwGG enthält, die sich - auch wenn sie weitschweifig ist und Elemente enthält, die über Ausführungen zur Zulässigkeit hinausgehen - auch nicht bloß in einer im Wesentlichen wortidenten Wiederholung der Revisionsgründe erschöpft, sondern noch hinreichend erkennen lässt, aus welchen Gründen die Revisionswerberin die Revision zur Klärung bestimmter - in den Ausführungen zur Zulässigkeit der Revision auch konkret dargelegter - Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung als zulässig erachtet.

15       Die Ausführungen zur vom Verwaltungsgericht angeblich nicht beachteten Mitwirkungspflicht der mitbeteiligten Partei vermögen die Zulässigkeit der Revision nicht zu begründen. Die Revisionswerberin verweist in diesem Zusammenhang zunächst auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur besonderen Mitwirkungspflicht der Partei im Konzessionsverfahren nach § 14 Abs. 3 KflG (VwGH 17.12.2008, 2006/03/0060), und stützt sich in der Folge auf Rechtsprechung, wonach die Verletzung der Mitwirkungspflicht der Partei zur Folge hat, dass sie eine sich daraus ergebende, zu ihrem Nachteil unvollständige oder unrichtige Sachverhaltsannahme durch die belangte Behörde nicht mehr geltend machen kann (VwGH 6.3.2008, 2007/09/0233) bzw. die sich auf die Auslegung von Willenserklärungen bezieht (VwGH 6.7.2010, 2009/05/0231).

16       Mit diesen Hinweisen verkennt die Revision, dass die mitbeteiligte Partei zwar im Verfahren vor der belangten Behörde nicht mitgewirkt haben mag (in der Revisionsbeantwortung wird dazu von der mitbeteiligten Partei im Übrigen vorgebracht, dass ihr die Aufforderung zur Äußerung nicht ordnungsgemäß zugestellt worden sei), jedoch entsprechendes Vorbringen im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht, in dem kein Neuerungsverbot besteht (was die Fallkonstellation auch von jener unterscheidet, die dem Erkenntnis VwGH 6.3.2008, 2007/09/0233 zu Grunde lag), erstattet hat. Zudem ist die im KflG vorgesehene Mitwirkungspflicht, in deren Rahmen der Behörde (bzw. dem Verwaltungsgericht) Daten zur Verfügung zu stellen sind (vgl. VwGH 17.12.2008, 2006/03/0060), nicht - wovon aber die Revisionswerberin offenbar ausgeht - als eine Form der Willensäußerung anzusehen. Unterlässt es das konkurrierende Verkehrsunternehmen, der Behörde Daten zu übermitteln, so kann dies weder als Zustimmung zum Konzessionsantrag (die rechtlich freilich weder erforderlich noch zureichend wäre) noch als Verzicht auf die Erhebung einer Beschwerde an das Verwaltungsgericht verstanden werden.

17       Auch die Ausführungen zur behaupteten Abweichung des angefochtenen Erkenntnisses von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 7 Abs. 1 Z 4 lit. b KflG lassen - auch abgesehen von der Frage, ob diese Bestimmung überhaupt entscheidungsrelevant ist, was in der Revision allerdings nicht thematisiert wird (siehe dazu aber unten, Rn. 28 ff) - keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung erkennen. Die Revisionswerberin bringt dazu im Wesentlichen vor, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf VwGH 22.10.2012, 2010/03/0095) kein Schutz vor der Konkurrenzierung durch eine weitere Linie bestehe, wenn eine bestehende Kraftfahrlinie bereits ohne Hinzutreten einer weiteren Linie unwirtschaftlich ist; dies sei hier der Fall, da die Linien der mitbeteiligten Partei ohne Mittelzuschuss des VVT (Verkehrsverbund Tirol GmbH) nicht kostendeckend geführt werden könnten.

18       In dem von der Revisionswerberin zitierten Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof (zur Rechtslage vor Inkrafttreten der Novelle BGBl. I Nr. 58/2015) ausgesprochen, dass gemäß § 14 Abs. 2 KflG der Ausschlussgrund nach § 7 Abs. 1 Z 4 lit. b KflG (Gefährdung der Erfüllung der Verkehrsaufgaben) dann vorliegt, wenn ein Verkehrsunternehmen „in der Führung seines öffentlichen Verkehrs einschneidend beeinträchtigt ist“, was dann der Fall ist, wenn es „hinsichtlich der gefährdeten Linie einen die wirtschaftliche Betriebsführung sichtlich in Frage stellenden Einnahmenausfall“ erleidet. Daraus ist zum einen der Schluss zu ziehen, dass nicht schon geringfügige wirtschaftlich nachteilige Folgen die Versagung einer weiteren Konzession rechtfertigen können, sondern nur „einschneidende“ Beeinträchtigungen. Zum anderen aber wird daraus deutlich, dass grundsätzlich nur solche Kraftfahrlinien vor der Konkurrenzierung durch eine neue geschützt sind, die - ohne Hinzutreten der neuen Linie - eine wirtschaftliche Betriebsführung gewärtigen lassen. Hingegen liegt der Ausschlussgrund nach § 7 Abs. 1 Z 4 lit. b KflG nicht vor, wenn die bereits bestehende Linie auch ohne Hinzutreten einer neuen langfristig nicht wirtschaftlich geführt werden kann (unabhängig davon, ob sie im Unternehmen durch Querfinanzierung am Leben erhalten werden kann).

19       Dass die Kraftfahrlinie 4 der mitbeteiligten Partei - auf deren Gefährdung die Abweisung des Antrags der Revisionswerberin durch das Verwaltungsgericht abstellt - eine in diesem Sinne langfristig nicht wirtschaftlich zu führende Linie wäre, lässt sich aus den vom Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen, soweit diese der Beurteilung nach § 7 Abs. 1 Z 4 lit. b KflG zu Grunde gelegt werden, nicht eindeutig ableiten. Nach diesen Feststellungen ist die Kraftfahrlinie 4 der mitbeteiligten Partei (bei der es sich allerdings nach den weiters getroffenen Feststellungen um einen nicht-kommerziellen Verkehrsdienst im Sinne des § 3 Abs. 3 ÖPNRV-G handelt) vielmehr derzeit - unter Berücksichtigung von Zusatzbeauftragungen durch die Verkehrsverbundorganisation - eine „Linie mit Gewinn“. Dass die Einnahmen der mitbeteiligten Partei für den Betrieb der Kraftfahrlinie nicht allein aus den Fahrscheinerlösen stammen, sondern auch aus Leistungen der Verkehrsverbundorganisation, die zusätzliche Kurse beauftragt hat, müsste entgegen der Ansicht der Revisionswerberin nicht dazu führen, dass die Linie aus der für eine Beurteilung nach § 7 Abs. 1 Z 4 lit. b KflG maßgeblichen Sicht der Konzessionsinhaberin nicht wirtschaftlich zu führen wäre, vielmehr können gerade derartige Leistungen sicherstellen, dass das Angebot zumindest kostendeckend aufrechterhalten werden kann. Schließlich hat der Verwaltungsgerichtshof - ebenfalls noch zur Rechtslage vor Inkrafttreten der Novelle BGBl I Nr. 58/2015 - auch ausgesprochen, dass sich ein die wirtschaftliche Betriebsführung sichtlich in Frage stellender Einnahmenausfall nicht nur aus Veränderungen bei der Zahl der ausschließlich die jeweilige Kraftfahrlinie nutzenden Fahrgäste ergeben kann, sondern auch aus Veränderungen bei Bestellleistungen oder von Leistungen im Rahmen des Verkehrsverbundes, die im Fall der Stattgebung des Konzessionsantrags zu erwarten sind (VwGH 17.12.2008, 2006/03/0060).

Zur Akteneinsicht:

20       Mit den Ausführungen zur Verweigerung der Akteneinsicht zeigt die Revisionswerberin allerdings auf, dass das Verwaltungsgericht dadurch, dass es seiner Entscheidung tragend ein von der mitbeteiligten Partei beigebrachtes Beweismittel zu Grunde gelegt, der Revisionswerberin die Einsicht in dieses Beweismittel aber verweigert hat, von der - in der Revision auch zitierten - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf VwGH 25.9.2014, 2011/07/0006) abgewichen ist. Damit erweist sich die Revision als zulässig und begründet.

21       Das Verwaltungsgericht hat seine Beurteilung, die Erteilung der Konzession an die Revisionswerberin sei geeignet, die Erfüllung der Verkehrsaufgaben durch die mitbeteiligte Partei im Hinblick auf die von dieser betriebenen Linie 4 ernsthaft zu gefährden, wesentlich auf Zahlenmaterial gestützt, das von der mitbeteiligten Partei vorgelegt wurde (im angefochtenen Erkenntnis in der Darlegung des Verfahrensganges als „Fahrgeldeinnahmen und das Ergebnis der Linie 4 für die Jahre 2016 bis 2019“, in der Beweiswürdigung als „Bilanzzahlen für die Jahre 2016 bis 2019“, und in den rechtlichen Ausführungen als „Bilanzzahlen der Linie 4“ bzw. „Ergebniszahlen für die Linie 4“ bezeichnet). Diese Zahlen wurden von der mitbeteiligten Partei als Beilage zu einem Schriftsatz vom 28. Oktober 2019 vorgelegt; zugleich beantragte die mitbeteiligte Partei, diese Beilage von der Akteneinsicht auszunehmen. Das Verwaltungsgericht gewährte der Revisionswerberin keine Akteneinsicht in diese Beilage, stützte dies auf § 17 Abs. 3 AVG und führte aus, dass eine Schädigung wirtschaftlicher Interessen der mitbeteiligten Partei hinsichtlich der „Bilanzzahlen der Linie 4“ aus den von der mitbeteiligten Partei vorgebrachten Gründen realistisch und nachvollziehbar sei.

22       Die Revision macht dazu zutreffend geltend, dass sich ein rechtsstaatlich geordnetes Verfahren grundsätzlich auf keine geheimen Beweismittel stützen darf (vgl. VwGH 25.9.2014, 2011/07/0006; 25.2.2004, 2002/03/0273; 17.6.2004, 2003/03/0157).

23       Die Revisionsbeantwortung wendet sich gegen diese Auffassung und verweist dazu zunächst auf Rechtsprechung des EuGH (14.2.2008, C-450/06, Varec), die zu der - im vorliegenden Fall nicht einschlägigen - Bestimmung des Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 89/665/EWG zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge (in der Fassung der Richtlinie 92/50/EWG) in Verbindung mit Art. 15 Abs. 2 der Richtlinie 93/36/EWG über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge (in der Fassung der Richtlinie 97/52/EG) ergangen ist. Weiters verweist die mitbeteiligte Partei auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 10. Oktober 2019, E 1025/2018, wonach es zur Wahrung der Grundrechte „erforderlich sein muss“ (richtig: „kann“), den Parteien bestimmte Informationen vorzuenthalten, solange sichergestellt sei, dass sowohl die Behörde als auch das gegen deren Entscheidung angerufene Verwaltungsgericht über alle entscheidungserheblichen Unterlagen vollumfänglich verfüge.

24       Der Verfassungsgerichtshof hat in dem in der Revisionsbeantwortung zitierten Erkenntnis ausgesprochen, dass im Verwaltungsverfahren bzw. im verwaltungsgerichtlichen Verfahren das Zugangsrecht zu entscheidungsrelevanten Informationen gegen das Recht anderer Verfahrensparteien auf Schutz ihrer vertraulichen Angaben und ihrer Geschäftsgeheimnisse abzuwägen ist. Nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes bedeutet der Umstand, dass einzelne Aktenbestandteile nach § 17 Abs. 3 AVG von der Akteneinsicht ausgenommen werden, vor diesem Hintergrund noch nicht zwingend, dass damit eine Verletzung des Rechts auf Parteiengehör im Sinne des § 45 Abs. 3 AVG einhergeht, wenn die Behörde die entsprechenden Aktenteile dennoch heranzieht. Zwar stelle es den Grundsatz jedes rechtsstaatlich geordneten behördlichen Verfahrens dar, dass es keine geheimen Beweismittel geben dürfe; in „bestimmten, außergewöhnlichen Fällen“ könne es aber zur Wahrung der Grundrechte eines Dritten bzw. anderer Verfahrensbeteiligter oder zum Schutz wichtiger Interessen der Allgemeinheit erforderlich sein, den Parteien bestimmte Informationen vorzuenthalten, solange sichergestellt sei, dass sowohl die Behörde als auch das im Rechtsmittelweg angerufene Verwaltungsgericht über alle entscheidungserheblichen Unterlagen vollumfänglich verfügten (wobei sich auch der Verfassungsgerichtshof auf das zu vergaberechtlichen Bestimmungen ergangene EuGH-Urteil Varec bezieht).

25       Es kann dahingestellt bleiben, ob im vorliegenden Verfahren, in dem es nicht um eine vergaberechtliche Angelegenheit geht, sondern um den Antrag auf eine Konzession für eine kommerzielle Kraftfahrlinie (die auch nicht nach der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße vergeben wird), die vom Verfassungsgerichtshof unter Bezugnahme auf vergaberechtliche Judikatur des EuGH entwickelten Überlegungen heranzuziehen sind. Denn auch nach § 17 AVG sind die den Verfahrensparteien vorenthaltenen Informationen auf das unbedingt notwendige Ausmaß zu beschränken und alle Möglichkeiten auszuschöpfen, die Entscheidungsgrundlagen so zu begrenzen, dass vorzuenthaltende Informationen zur Entscheidungsfindung nicht herangezogen werden müssen. Die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht haben dabei für jeden Einzelfall die ihrer Vorgangsweise zugrunde liegende Abwägung zwischen Geheimhaltungsanspruch und Recht auf Akteneinsicht und damit Transparenz der Entscheidungsgrundlage nachvollziehbar zu begründen, sodass die Verfahrensparteien diese zum Gegenstand verwaltungsgerichtlicher Kontrolle bzw. eines an einen Gerichtshof des öffentlichen Rechts gerichteten Rechtsmittels machen können (vgl. dazu VfGH 10.10.2019, E 1025/2018, Rn. 54). Eine Geheimhaltung hat dabei auf das unbedingt Erforderliche beschränkt zu bleiben (vgl. EuGH 4.6.2013, C-300/11, Z 7).

26       Diesen Anforderungen wird das angefochtene Erkenntnis schon deshalb nicht gerecht, weil es die nach dieser Rechtsprechung erforderliche Abwägung nicht näher begründet, sondern bloß auf die behauptete Schädigung wirtschaftlicher Interessen der mitbeteiligten Partei hingewiesen hat. Damit hat es das Verwaltungsgericht unterlassen, diesem wirtschaftlichen Interesse der mitbeteiligten Partei das Interesse der Revisionswerberin auf Transparenz der Entscheidungsgrundlage gegenüberzustellen und eine nachvollziehbare Abwägung durchzuführen. Das Verwaltungsgericht hat somit das angefochtene Erkenntnis mit einem wesentlichen und relevanten Verfahrensmangel belastet, da nicht auszuschließen ist, dass die Revisionswerberin - entweder in Kenntnis der vorgelegten Zahlen oder schon bei Durchführung einer ordnungsgemäßen Abwägung im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes - in der Lage gewesen wäre, substantiierte Einwände gegen die Heranziehung der in den Unterlagen aufscheinenden Zahlen vorzubringen.

27       Zudem ist Folgendes anzumerken: Nach Ausweis der vorgelegten Verfahrensakten enthält die mit Schriftsatz vom 28. Oktober 2019 von der mitbeteiligten Partei dem Verwaltungsgericht vorgelegte, gegenüber der Revisionswerberin von der Akteneinsicht ausgenommene Beilage jedenfalls keine „Bilanzzahlen“, sondern beschränkt sich auf zwei Zahlenreihen für die Jahre 2016 bis 2019, von denen eine mit „Fahrgeldeinnahmen“ und eine mit „Ergebnis“ bezeichnet ist, und die sich nach der weiteren Beschriftung auf die „Linie 4 S“ beziehen. Diese ohne weitere Erläuterung vorgelegten Zahlen stellen, so wie sie vorgelegt wurden, reine Behauptungen dar, die sich einer näheren Prüfung auf innere Schlüssigkeit oder gar Richtigkeit entziehen, zumal weder dargelegt wird, wie sich das „Ergebnis“ errechnet (etwa welche Kosten nach welchem Schlüssel der konkreten Linie zugerechnet werden), noch wie sich die „Fahrgeldeinnahmen“ zusammensetzen (etwa ob darin Einnahmen aus den von der Verkehrsverbundorganisation bestellten Zusatzkursen enthalten sind, oder welche Ticketpreise und welche Fahrgastzahlen zu Grunde gelegt wurden). Vor diesem Hintergrund ist nicht nachvollziehbar, wie eine Einsichtnahme in diese Zahlenreihen wirtschaftliche Interessen der mitbeteiligten Partei schädigen könnte; es ist aber auch nicht nachvollziehbar, wie sich diese Zahlenreihen dazu eignen könnten, „einen die wirtschaftliche Betriebsführung sichtlich in Frage stellenden Einnahmenausfall“ im Sinne des § 14 Abs. 2 KflG, von dem das Verwaltungsgericht ausgeht (siehe aber zur Rechtsgrundlage sogleich in Rn. 28 ff), im Fall der Konzessionserteilung an die Revisionswerberin zu belegen.

Zur herangezogenen Rechtsgrundlage:

28       Die Revision macht geltend, dass das Verwaltungsgericht zu Unrecht den Ausschließungsgrund nach § 7 Abs. 1 Z 4 lit. b KflG als gegeben erachtet habe, da nach dieser Bestimmung kein Schutz vor der Konkurrenzierung durch eine weitere Linie bestehe, wenn eine bestehende Kraftfahrlinie bereits ohne Hinzutreten der weiteren Linie unwirtschaftlich sei (was nach Ansicht der Revisionswerberin bei der Linie der mitbeteiligten Partei der Fall sei).

29       Ebenso wie das Verwaltungsgericht übersieht die Revisionswerberin dabei, dass es sich bei der Linie der mitbeteiligten Partei, auf deren Gefährdung sich die Abweisung des Konzessionsantrags der Revisionswerberin durch das Verwaltungsgericht stützt, nach den vom Verwaltungsgericht ausdrücklich getroffenen Feststellungen um einen nicht-kommerziellen Verkehrsdienst im Sinne des § 3 Abs. 3 ÖPNRV-G handelt.

30       Gemäß § 7 Abs. 1 Z 4 KflG in der im Revisionsfall maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 58/2015 ist die Konzession zu erteilen, wenn die Erteilung einer Konzession auch sonst öffentlichen Interessen nicht zuwiderläuft. Dieser Ausschließungsgrund liegt nach lit. b und c dieser Bestimmung insbesondere dann vor, wenn

„b)  der beantragte Kraftfahrlinienverkehr die Erfüllung der Verkehrsaufgaben durch die Verkehrsunternehmen, in deren Verkehrsbereich (§ 14 Abs. 1, 2 und 4) die beantragte Linie ganz oder teilweise fällt, ernsthaft zu gefährden geeignet ist; dies gilt nicht im Falle der Gefährdung eines Kraftfahrlinienverkehrs, der im Wesentlichen touristischen Zwecken dient, und die Entscheidung über dessen Gefährdung alleine aufgrund der Angaben des konkurrenzierten Verkehrsunternehmens wegen der geminderten Rentabilität dieses Kraftfahrlinienverkehrs erfolgen würde, oder

c)   der beantragte Kraftfahrlinienverkehr die Erfüllung der Verkehrsaufgaben nicht-kommerzieller Verkehrsdienste (§ 3 Abs. 3 ÖPNRV-G 1999), in deren Verkehrsbereich (§ 14 Abs. 1, 3 und 5) er ganz oder teilweise fällt, ernsthaft beeinträchtigen würde, [...]“

31       § 14 KflG in der Fassung BGBl. I Nr. 58/2015 lautet:

„Verkehrsbereich

§ 14. (1) Der Verkehrsbereich erstreckt sich so weit, wie sich eine beantragte Kraftfahrlinie auf einen bereits konzessionierten öffentlichen Verkehr ernsthaft gefährdend auswirken (§ 7 Abs. 1 Z 4 lit. b) oder diesen ernsthaft beinträchtigen (§ 7 Abs. 1 Z 4 lit. c) kann.

(2) Eine ernsthafte Gefährdung der Erfüllung der Verkehrsaufgaben liegt dann vor, wenn ein Verkehrsunternehmen bei der Führung seines öffentlichen Verkehrs hinsichtlich der gefährdeten Linie einen die wirtschaftliche Betriebsführung sichtlich in Frage stellenden Einnahmenausfall erleiden würde.

(3) Eine ernsthafte Beeinträchtigung der Erfüllung der Verkehrsaufgaben liegt dann vor, wenn bei der Führung eines nicht-kommerziellen öffentlichen Verkehrs (§ 3 Abs. 3 ÖPNRV-G 1999) hinsichtlich der beeinträchtigen Linie die wirtschaftliche Betriebsführung nur durch zusätzliche Ausgleichszahlungen aus öffentlichen Mitteln gesichert wäre.

(4) Behauptet ein Verkehrsunternehmen, durch die Erteilung einer neuen oder einer hinsichtlich der Streckenführung abzuändernden Konzession eine ernsthafte Gefährdung im Sinne des Abs. 2, so hat es der Aufsichtsbehörde jene zum Teil nur ihm bekannten Daten zu liefern, anhand derer diese beurteilen kann, wie sich der Einnahmenausfall auf die wirtschaftliche Betriebsführung seiner Linie auswirken wird. Sofern dies für die Beurteilung erforderlich ist, hat das Unternehmen auch eine entsprechende betriebswirtschaftliche Kalkulation vorzulegen, aus der das Einnahmenerfordernis für eine wirtschaftliche Betriebsführung hervorgeht.

(5) Ist durch die Erteilung einer neuen oder einer hinsichtlich der Streckenführung abzuändernden Konzession eine ernsthafte Beeinträchtigung im Sinne des Abs. 3 zu erwarten, so hat auch das Verkehrsunternehmen der Aufsichtsbehörde jene zum Teil nur ihm bekannten Daten zu liefern, anhand derer diese beurteilen kann, wie sich der Einnahmenausfall auf die wirtschaftliche Betriebsführung dieser Linie auswirken wird. Sofern dies für die Beurteilung erforderlich ist, hat das Unternehmen auch eine entsprechende betriebswirtschaftliche Kalkulation vorzulegen, aus der das Einnahmenerfordernis sowie das Erfordernis zusätzlicher Ausgleichszahlungen aus öffentlichen Mitteln für eine wirtschaftliche Betriebsführung hervorgeht.

(6) Unter Verkehrsbereich nach § 7 Abs. 1 Z 4 lit. e ist der Bereich zu verstehen, innerhalb dessen die bereits bestehende Kraftfahrlinie das Verkehrsbedürfnis befriedigt.“

32       Das Verwaltungsgericht hat - ungeachtet der Feststellung, dass es sich bei der Linie 4 der mitbeteiligten Partei um einen nicht-kommerziellen Verkehrsdienst im Sinne des § 3 Abs. 3 ÖPNRV-G handle - den Konzessionsausschlussgrund des § 7 Abs. 1 Z 4 lit. b KflG (in Verbindung mit § 14 Abs. 2 KflG) geprüft. Durch die Novelle BGBl. I Nr. 58/2015 hat der Gesetzgeber jedoch gesonderte Regeln für die Konkurrenzierung nicht-kommerzieller Verkehrsdienste geschaffen. Demnach ist zu prüfen, ob der beantragte Kraftfahrlinienverkehr die Erfüllung der Verkehrsaufgaben nicht-kommerzieller Verkehrsdienste (§ 3 Abs. 3 ÖPNRV-G 1999), in deren Verkehrsbereich (§ 14 Abs. 1, 3 und 5 KflG) er ganz oder teilweise fällt, „ernsthaft beeinträchtigen“ würde (während bei kommerziellen Verkehrsdiensten darauf abzustellen ist, ob der beantragte Kraftfahrlinienverkehr die Erfüllung der Verkehrsaufgaben durch die [kommerziellen] Verkehrsunternehmen in seinem Verkehrsbereich, „ernsthaft zu gefährden geeignet“ ist). Dementsprechend legt § 14 KflG auch unterschiedliche Kriterien fest, die bei kommerziellen (§ 14 Abs. 2 KflG) oder nicht-kommerziellen (§ 14 Abs. 3 KflG) Verkehrsdiensten zu prüfen sind.

33       Ausgehend von der Rechtsansicht, es sei der Konzessionsausschlussgrund des § 7 Abs. 1 Z 4 lit. b KflG zu prüfen, hat das Verwaltungsgericht (wie schon zuvor die belangte Behörde) auch die Vorgaben des § 14 Abs. 5 und § 7 Abs. 2 KflG nicht beachtet. Nach § 14 Abs. 5 KflG ist das Unternehmen, das einen möglicherweise durch die beantragte Kraftfahrlinie beeinträchtigten nicht-kommerziellen Verkehrsdienst erbringt, auch zur Vorlage bestimmter Unterlagen verpflichtet (unter anderem, sofern dies für die Beurteilung erforderlich ist, auch „eine entsprechende betriebswirtschaftliche Kalkulation“, aus der das Einnahmenerfordernis sowie das Erfordernis zusätzlicher Ausgleichszahlungen aus öffentlichen Mitteln für eine wirtschaftliche Betriebsführung hervorgeht). Und schließlich hat die Aufsichtsbehörde (im Fall einer Beschwerde das Verwaltungsgericht) gemäß § 7 Abs. 2 KflG zur Feststellung des Vorliegens des Ausschließungsgrundes gemäß Abs. 1 Z 4 lit. c KflG „alle relevanten Informationen bei den gemäß Art. 2 lit. b der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 zuständigen Behörden oder nach dem 31. Dezember 2015 auch bei den gemäß § 30a ÖPNRV-G 1999 benannten Stellen einzuholen“.

Ergebnis

34       Das Verwaltungsgericht ist zum Ergebnis gekommen, dass ein Konzessionsausschlussgrund nach § 7 Abs. 1 Z 4 lit. b KflG vorliegt. Ausgehend von den getroffenen Feststellungen, wonach es sich bei den Linien der mitbeteiligten Partei um nicht-kommerzielle Verkehrsdienste handle, wäre es jedoch geboten gewesen, die Frage eines möglichen Ausschlussgrundes nach § 7 Abs. 1 Z 4 lit. c KflG zu prüfen. Das Verwaltungsgericht hat damit das angefochtene Erkenntnis auch mit - vorrangig aufzugreifender - inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, sodass es nach § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

35       Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 22. Juli 2020

Gerichtsentscheidung

EuGH 62006CJ0450 Varec VORAB
EuGH 62011CJ0300 ZZ VORAB

Schlagworte

Akteneinsicht Begründungspflicht Manuduktionspflicht Mitwirkungspflicht Parteiengehör Parteiengehör Allgemein Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht Verfahrensgrundsätze im Anwendungsbereich des AVG Offizialmaxime Mitwirkungspflicht Manuduktionspflicht VwRallg10/1/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019030163.L00

Im RIS seit

29.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

29.09.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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