TE Lvwg Erkenntnis 2020/6/15 VGW-031/007/2893/2020

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Veröffentlicht am 15.06.2020
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Entscheidungsdatum

15.06.2020

Index

90/01 Straßenverkehrsordnung

Norm

StVO 1960 §2 Abs1 Z10
StVO 1960 §8 Abs4
StVO 1960 §23 Abs2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Dr. Köhler über die Beschwerde des A. B. gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien (Magistratsabteilung 67) vom 05.02.2020, Zl. …, betreffend Übertretung des § 8 Abs. 4 StVO, zu Recht erkannt:

I. Gemäß § 50 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG hat der Beschwerdeführer einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von 15,60 Euro (das sind 20 % der verhängten Geldstrafe) zu leisten.

III. Der Antrag, der MA 28 (gemeint: dem Magistrat der Stadt Wien, Straßenverwaltung und Straßenbau [MA 28]) „aufzutragen, die Notwendigkeit der langen Anrampung mittels Schleppkurven für jene Fahrzeuge zu belegen, die folglich auch in der Lage sind, bei der Kurve an der Bahn (bei der C.-straße) rechts abzubiegen“, wird zurückgewiesen.

IV. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof, soweit diese nicht bereits gemäß § 25a Abs. 4 VwGG ausgeschlossen ist, nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Beschwerdegegenstand

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis vom 05.02.2020 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO wegen einer Übertretung des § 8 Abs. 4 StVO am 08.07.2019, um 13:54 Uhr in Wien, D.-straße bestraft, weil er ein Fahrzeug mit allen Rädern auf dem Gehsteig abgestellt habe, welcher hierdurch vorschriftswidrig benützt worden sei, obwohl die Benützung von Gehsteigen, Gehwegen und Schutzinseln mit Fahrzeugen aller Art verboten gewesen sei und die Ausnahmebestimmungen nach § 8 Abs. 4 Z 1 bis 3 StVO nicht vorgelegen seien. Es wurde eine Geldstrafe in Höhe von 78,– Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 18 Stunden) verhängt und ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vorgeschrieben.

(festgestellter) Verfahrensgang

Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die vorliegende (form- und fristgerechte) Beschwerde.

Die belangte Behörde erließ keine Beschwerdevorentscheidung und legte die Beschwerde samt Verwaltungsakt dem Verwaltungsgericht vor.

Mit Schreiben vom 24.04.2020 kündigte das Verwaltungsgericht dem Beschwerdeführer und der belangte Behörde die Durchführung eines Augenscheins an Ort und Stelle (§ 54 AVG iVm § 17 VwGVG) an. Aufgrund der aktuellen Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 könne eine Erörterung im Rahmen einer mündlichen Verhandlung derzeit nicht erfolgen. Bei dem Augenschein gehe es primär um die Ermittlung des in Bezug auf die gegenständliche Übertretung maßgeblichen Sachverhaltes (Übertretung des § 8 Abs. 4 StVO; Qualifikation einer Fläche als Gehsteig iSv § 2 Abs. 1 Z 10 StVO). Hierüber werde auch eine Niederschrift erstellt werden. Den Verfahrensparteien stehe die Teilnahme offen. Es könne dabei auch eine Erörterung der Beschwerdesache stattfinden. Es stehe den Parteien frei, gemeinsam mit einer Verteidigerin zu erscheinen oder zur Verhandlung eine sonstige Vertreterin oder Vertrauensperson beizuziehen. Schließlich wurde aufgefordert, die der Klärung der Sache dienenden Tatsachen rechtzeitig vorzubringen und allfällige Beweismittel zum Augenschein mitzunehmen oder diese so rechtzeitig bekannt zu geben, dass sie beigeschafft werden können.

Das Verwaltungsgericht führte am 25.05.2020 einen Augenschein in Wien, D.-straße, durch. Es erschien der Beschwerdeführer mit Mag. E. als Vertrauensperson (jeweils ausgewiesen durch Führerschein). Der Richter belehrte über Beschuldigtenrechte und erläuterte den Verfahrensgang sowie verfahrensrechtliche Möglichkeiten. Der Beschwerdeführer und seine Vertrauensperson verwiesen im Wesentlichen auf das umfangreiche schriftliche Vorbringen zur Zweifelhaftigkeit und Unklarheit bezüglich Rampe, Bodenbelag, fehlender Markierung, Teerfugen, umliegender Parksituation. Es wurden die Sach- und Rechtslage sowie die am Tatort vorliegenden Verhältnisse und die eingewendeten örtlichen Bedingungen abschließend und umfangreich erörtert.

(sonstige) Feststellungen

Der Beschwerdeführer stellte am 08.07.2019, um 13:54 Uhr in Wien, D.-straße, das Fahrzeug mit dem Kennzeichen W–1 mit allen Rädern auf dem Gehsteig, welcher hierdurch vorschriftswidrig benützt wurde, ab, obwohl die Benützung von Gehsteigen, Gehwegen und Schutzinseln mit Fahrzeugen aller Art verboten ist und die Ausnahmebestimmungen nach § 8 Abs. 4 Z 1 bis 3 StVO am Tatort nicht vorgelegen sind.

Gegenüber der Fahrbahn bestand ein Randstein. Zur gegenständlichen Fläche, die neben einer Einfahrt/Zufahrt liegt, bestand am Randstein eine Rampe, die auch eben bei der Einfahrt/Zufahrt fortlaufend besteht. Es gab keine Bodenmarkierungen um die gegenständliche Fläche. Es waren auf der gegenständlichen Fläche, auf der das Fahrzeug abgestellt war, und auf umliegenden Gehsteigflächen zwei verschiedene Bodenbeläge vorhanden. Zwischen diesen Flächen waren Teerfugen. Die gegenständliche Abstellfläche war für den Fußgängerverkehr uneingeschränkt geöffnet und benutzbar. Bauliche Trennungen, Hindernisse oder sonstige Ausschlussmöglichkeiten zu anderen Gehsteigflächen waren nicht im Ansatz vorhanden.

Die Einfahrt/Zufahrt verbindet die D.-straße mit der C.-straße. Die Einfahrt/Zufahrt ist niveaugleich mit den übrigen Gehsteigflächen. Es verlaufen hier auch (ununterbrochene!) Orientierungslinien für Sehbehinderte. Eine Markierung der Seitenränder erfolgt erst (aus Sicht des Randsteins nach einem breiten Gehsteigband) zurückversetzt, nach einem Schild „Fahrverbot“ (§ 52 Z 1 StVO; Zusatztafel „ausgen. Zufahrt für Ladetätigkeit und Fahrräder“).

Die D.-straße ist – bis zu einem Wendekreis an ihrem Ende – in beide Fahrtrichtungen befahrbar. Es ist in beiden Richtungen ein Radfahrstreifen (§ 2 Abs. 1 Z 7 StVO) vorhanden. Diese Radfahrstreifen sind durch übliche Bodenmarkierungen (weiße unterbrochene Längslinien, Fahrradsymbole, Richtungspfeile) erkennbar. Die F.-straße mündet unmittelbar (in einer Kurve) in die D.-straße. Vor dem Haus F.-straße 1 gibt es Bodenmarkierungen zur Kennzeichnung von Querparkern (§ 9 Abs. 7 StVO). Die „Grenzziehung“ zwischen F.-straße und D.-straße ist durch eine Beschilderung im Straßenverlauf kurz vor, d.h. unmittelbar neben der gegenständlichen Abstellfläche, auf einer Baumscheibe ausgewiesen.

Beweiswürdigung

Das Verwaltungsgericht hat Beweis erhoben mittels Durchführung eines Augenscheins samt Einvernahme des Beschwerdeführers sowie Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt. Die örtlichen Verhältnisse wurden vor Ort in Augenschein genommen und mit dem Beschwerdeführer erörtert. Im mit der Beschwerde vorgelegten Akt des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens waren bereits – in Bezug auf die entscheidungsrelevanten Umstände – aussagekräftige und eindeutige Lichtbilder enthalten. Es wurden anlässlich des Augenscheins weitere Lichtbilder erstellt und zum Akt genommen. Dass die gegenständliche Fläche als Gehsteig zu qualifizieren ist, wurde auch nicht weiter bestritten; die Beschwerde stützte sich vielmehr auf vermeintliche Bodenmarkierungen in Form von Teerfugen und auf Unklarheiten aufgrund einer Rampe/Abschrägung sowie unterschiedlicher Bodenbeläge im Umfeld der gegenständlichen Abstellfläche. Auch die MA 28 – Straßenverwaltung und Straßenbau (Stellungnahme vom 20.01.2020) sowie die Landespolizeidirektion Wien (Stellungnahme vom 28.12.2019) kamen zu derselben Beurteilung bzw. Beschreibung der örtlichen Verhältnisse wie das Verwaltungsgericht.

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerde stützt sich darauf, dass im Beschwerdefall die Ausnahmebestimmung des § 23 Abs. 2 StVO einschlägig wäre. Es sei zwar richtig, dass eine Bodenmarkierung an besagter Gehsteigfläche fehle, diese sei aber laut StVO für die Abgrenzung von unterschiedlichen Straßenräumen nicht unbedingt erforderlich. Die gegenständliche Fläche sei durch einen anderen Bodenbelag (gemeint wohl; als auf umliegenden Gehsteigflächen) gekennzeichnet. Unterschiedliche Bodenbeläge/Umrandungen reichten daher aus, um eine taugliche Abgrenzung zwischen einer Gehsteigfläche, die dem Fußgängerverkehr diene und solchen, auf welchen ein Fahrzeug abgestellt werden dürfte, zu schaffen. Die gegenständliche Gehsteigfläche befinde sich überdies im Bereich einer Einfahrt zu einer Privatstraße. Es sei davon auszugehen, dass dies eine gekennzeichnete Stelle zum Abstellen von Fahrzeugen am Gehsteig wäre. Eine Verkehrssituation müsse so gestaltet sein, dass für einen durchschnittlich informierten und verständigen Autofahrer sofort erkennbar sei, wie er sich an der Örtlichkeit zu verhalten habe. Dies sei an der besagten Gehsteigfläche gerade nicht der Fall. Die Annahme, dass auf diesem Teil des Gehsteiges geparkt werden dürfe, sei durchaus vertretbar. Eindeutige Hinweise auf die unerlaubte Nutzung würden fehlen, beispielsweise in Form einer Zickzacklinie. Das Anbringen solcher Hinweise wäre durchaus zumutbar und würde Klarheit verschaffen. Die ständige Rechtsprechung zu Verkehrszeichen lege klar fest, dass es zulasten der Behörde gehe, wenn ein Verkehrszeichen eine mehrfache Deutung zulasse. Diese Rechtsprechung sei analog auf den Beschwerdefall anwendbar. Die zweifelhafte Verkehrslage sei daher der Behörde zuzurechnen.

Dass es sich bei der gegenständlichen Fläche um einen Gehsteig handelt, wurde beim Augenschein an 25.05.2020 gar nicht weiter bestritten. Es wurde vielmehr dargelegt, dass aus den vorgefundenen Bodenbelägen sowie der vorhandenen Rampe am Randstein, d.h. zwischen Fahrbahn und Gehsteig eine unklare Verkehrssituation bzw. sogar die Erlaubnis zum Fahrzeugabstellen resultieren. Es würde sich bei Teerbändern bzw. Fugen um Bodenmarkierungen handeln, die das Abstellen von Fahrzeugen am Gehsteig erlauben würden. Die vorliegende Situation am Tatort sei unklar bzw. undeutlich. Es würden die Voraussetzungen für eine Ermahnung vorliegen.

Nach § 8 Abs. 4 StVO ist die Benützung von Gehsteigen mit Fahrzeugen aller Art verboten. Gegen diese Anordnung verstößt etwa jemand, der sein Fahrzeug am Gehsteig parkt (VwGH 08.11.1995, 95/03/0149), hält (VwGH 25.09.1991, 91/02/0051), es dort abstellt (VwGH 10.04.1991, 90/03/0162, 0199) oder ihn befährt (VwGH 18.01.1989, 88/03/0209; 24.07.2019, Ra 2018/02/0163). Im Beschwerdefall wurde ein Abstellen vorgeworfen.

Eine Landfläche, die vorwiegend dem Fußgängerverkehr dient, ist infolge einer Abgrenzung zur Fahrbahn – etwa durch Randsteine – ein Gehsteig iSv § 2 Abs. 1 Z 10 StVO (VwGH 31.10.1990, 90/02/0081; 30.06.1993, 93/02/0009; 19.12.2003, 2003/02/0090).

Im Übrigen bedarf ein Gehsteig keiner Kennzeichnung (etwa durch Straßenverkehrszeichen) und auch keiner Bodenmarkierungen. Randsteine, Bodenmarkierungen und dergleichen dienen lediglich als Abgrenzung von Gehsteigen gegenüber der Fahrbahn (VwGH 17.06.1992, 92/02/0142; siehe auch explizit § 2 Abs. 1 Z 10 StVO).

Erforderlich ist lediglich, dass die dem Fußgängerverkehr dienende Landfläche von einer (angrenzenden) Fahrbahn etwa baulich abgegrenzt ist (VwGH 19.12.2003, 2003/02/0090). Beispielsweise kann eine „bauliche Erhöhung“ als Unterbrechung/Abgrenzung von Flächen angesehen werden (VwGH 16.06.2003, 2002/02/0299), ebenso ein Randstein und unterschiedliche Höhen von Flächen (VwGH 30.06.1993, 93/02/0009).

Eine vermeintliche – neben dem Randstein – weitere optische Abgrenzung etwa durch eine Asphalt- oder Teerfuge oder unterschiedliche Bodenbeläge ist nicht relevant, wenn und weil solche Elemente keine Abgrenzung des Nutzerkreises ermöglichen/bewirken. Eine bauliche Trennung oder eine sonstige relevante Abgrenzung/Aussperrung lag gegenständlich nicht vor. Im Beschwerdefall gab es eine klare Abgrenzung der Fläche zur Fahrbahn durch Randsteine.

Die rechtliche Qualifikation eines Straßenteiles als Gehsteig hängt somit von solchen tatsächlichen Gegebenheiten ab, aus denen sich die Bestimmung für den Fußgängerverkehr und eine Abgrenzung gegenüber der Fahrbahn entsprechend der angeführten demonstrativen Aufzählung ergibt (VwGH 27.06.1990, 89/03/0230). Wesentlich für die Qualifikation eines Straßenteiles als Gehsteig ist (also auch) die erkennbare Abgrenzung von der Fahrbahn, die eben in unterschiedlicher Weise erfolgen kann (VwGH 13.04.1988, 87/03/0120).

Die Bestimmung eines Teiles der Straße für den Fußgängerverkehr richtet sich ausschließlich nach den äußeren Merkmalen, die für jedermann deutlich erkennbar sind (VwGH 15.05.1990, 89/02/0108; 17.06.1992, 92/02/0142; 21.10.1992, 92/02/0218). Bei einer deutlich gegenüber der Fahrbahn abgegrenzten Fläche kann es sich grundsätzlich nur um einen für den Fußgängerverkehr bestimmten Teil der Straße handeln (VwGH 20.12.1984, 84/02/0137; 15.05.1990, 89/02/0108; 27.05.1992, 92/02/0113).

Die Tatsache der Abschrägung einer Randsteinkante vermag der durch diese Kante begrenzten Fläche nicht die Eigenschaft eines Gehsteiges zu nehmen (VwGH 20.12.1984, 84/02B/0137). Am Charakter einer Verkehrsfläche als Gehsteig würde unter anderem zu zweifeln sein, wenn die strittige Fläche wenigstens zum Teil auf gleichem Niveau wie die Fahrbahn gelegen wäre (VwGH 20.02.1986, 85/02/0244; 22.03.1989, 88/18/0378).

Die im Beschwerdefall vorhandene Rampe ist aufgrund des Randsteines (der sich optisch sowie durch seine Erhöhung deutlich von der Fahrbahn abhebt) unbeachtlich. Für die Qualifikation einer dahinter liegenden Fläche als Gehsteig ist die Rampe im Beschwerdefall ohne Bedeutung, weil jedenfalls auch aus einer Gesamtbetrachtung der örtlichen Gegebenheiten eine Fläche für den Fußgängerverkehr, also Gehsteig vorliegt.

Die Rechtsprechung zur Verständlichkeit der Angaben und Zeichen auf Zusatztafeln (VwGH 24.04.2015, 2013/02/0188) oder zu mehrfachen Deutungsvarianten hinsichtlich eines Vorschriftszeichens (VwGH 14.06.2005, 2005/02/0047) ist für das gesetzliche Verbot des § 8 Abs. 4 StVO generell und im Beschwerdefall nicht einschlägig, weil keine Zeichen (oder auch Bodenmarkierungen) erforderlich sind und auch nicht vorhanden waren.

Weder bedarf ein Gehsteig, noch Bedarf das Verbot des § 8 Abs. 4 StVO einer Kennzeichnung. Die StVO beinhaltet schließlich eine Vielzahl von Geboten und Verboten, die nicht allesamt „eindeutiger Hinweise“ für ihre aktuelle Geltung an Ort und Stelle bedürften.

§ 54 Abs. 2 StVO normiert ein Gebot der leichten Verständlichkeit, das ebenso nicht auf jegliche Verkehrssituation umgelegt werden kann. Schließlich richten sich diese Vorschriften/Gebote an normative Anordnungen (im Wesentlichen Verordnungen), die in einer der StVO entsprechenden Form kundzumachen sind. Der Tatbestand des § 8 Abs. 4 StVO setzt aber gerade keinen weiteren normativen Akt (Verordnung oder sonstige Anordnung; und eben auch keine Kennzeichnung voraus). Das gegenständliche Verbot ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz.

Nach § 23 Abs. 2 letzter Satz StVO kann das Abstellen von Fahrzeugen auf Gehsteigen durch Bodenmarkierungen vorgesehen werden. Sind solche – gleichgültig aus welchen Gründen – nicht (oder nicht mehr) vorhanden, ist entsprechend dem nach § 8 Abs. 4 StVO geltenden grundsätzlichen Benützungsverbot von Gehsteigen durch Fahrzeuge das Aufstellen derselben dort verboten (VwGH 29.04.2003, 2002/02/0298).

Zu Bodenmarkierungen ist generell festzuhalten, dass grundsätzlich durch Bodenmarkierungen das Halten und/oder Parken von Fahrzeugen geregelt werden können (§ 9 Abs. 7 StVO) und eben das Aufstellen von Fahrzeugen auf Gehsteigen durch Bodenmarkierungen im Einzelfall vorgesehen, d.h. erlaubt sein kann (§ 23 Abs. 2 StVO).

§ 44 Abs. 1 StVO definiert als Bodenmarkierungen zur Kundmachung von in § 43 StVO bezeichneten Verordnungen „Markierungen, die ein Verbot oder Gebot bedeuten, wie etwa Sperrlinien, Haltelinien vor Kreuzungen, Richtungspfeile, Sperrflächen, Zickzacklinien, Schutzwegmarkierungen oder Radfahrerüberfahrtmarkierungen“. § 55 Abs. 1 StVO normiert, dass zur Sicherung, Leitung und Ordnung des fließenden und des ruhenden Verkehrs auf der Straße Bodenmarkierungen angebracht werden können; sie können als Längsmarkierungen, Quermarkierungen, Richtungspfeile, Schraffen, Schriftzeichen, Symbole udgl. ausgeführt werden. Bodenmarkierungen, ausgenommen die Darstellung von Verkehrszeichen, sind gemäß § 55 Abs. 6 StVO in weißer Farbe auszuführen. Bodenmarkierungen können gemäß § 55 Abs. 7 StVO dem jeweiligen Stand der Wissenschaft und Technik entsprechend durch Beschichten der Fahrbahn, durch Aufbringen von Belägen, durch den Einbau von Kunst- oder Natursteinen oder von Formstücken, durch Aufbringen von Fahrstreifenbegrenzern udgl. dargestellt werden.

Eine Bodenmarkierung zur Darstellung einer Regelung kann jedoch nicht in bloß willkürlich verwendeten Materialien und offenbar bloß zufällig gewählten Materialien oder vorhandenen Teerfugen o.Ä. bestehen. Im Beschwerdefall bestehen um die gegenständliche Fläche – sowie im angrenzenden Umfeld (Einfahrt/Zufahrt, Gehsteigfläche, Zugänge zu [Büro-]Gebäuden) Teerfugen und unterschiedliche Beläge. Eine normative Anordnung kann in den vorgefundenen Formen nicht erkannt werden. Eine normative Bedeutung der vorgefundenen Elemente ist für das Verwaltungsgericht nicht erkennbar. Jenseits einer vorhandenen Baumscheibe befinden sich an anderen Stellen in der gegenständlichen Straße – „übliche“, d.h. in weißer Farbe und in der gängigen Form/Größe aufgebrachte– Markierungen zur Kennzeichnung von Querparkern (§ 9 Abs. 7 StVO) und Bodenmarkierungen eines Radfahrstreifens (§ 2 Abs. 1 Z 7 StVO).

Auch die im Verfahren vor der belangten Behörde zur Stellungnahme aufgeforderte MA 28 – Straßenverwaltung und Straßenbau (Stellungnahme vom 20.01.2020) sowie die Landespolizeidirektion Wien (Stellungnahme vom 28.12.2019) kamen zu dieser Beurteilung bzw. Beschreibung der örtlichen Verhältnisse.

Insbesondere hat auch die MA 28 – Straßenverwaltung und Straßenbau klar festgehalten, dass eine normative Anordnung oder Bodenmarkierung am Tatort nicht gewollt war. Die in § 55 Abs. 7 StVO implizit vorausgesetzte Deutlichkeit/Absichtlichkeit einer Markierung lag am Tatort nicht vor und sollte auch nicht vorliegen. Teerfugen zwischen verschiedenen Flächen mit unterschiedlichen Bodenbelägen hatten bloß bautechnische Ursachen, jedoch keinen straßenpolizeilichen Anordnungscharakter. Daran kann objektiv betrachtet kein Zweifel bestehen.

Es handelte sich bei der gegenständlichen Fläche um einen Gehsteig und das Abstellen eines Fahrzeugs auf dieser Fläche war rechtswidrig. Das Abstellen von Fahrzeugen auf diesem Gehsteig war nicht durch Bodenmarkierungen gestattet oder vorgesehen. Das Fahrzeug des Beschwerdeführers war zum Tatzeitpunkt am Tatort auf einem Gehsteig abgestellt, womit § 8 Abs. 4 StVO verletzt wurde.

Der Beschwerdeführer hat das objektive Tatbild der ihm vorgehaltenen Verwaltungsübertretung erfüllt.

Zur subjektiven Tatseite ist auszuführen, dass es sich bei der dem Beschwerdeführer angelasteten Verwaltungsübertretung um ein Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG handelt. Demzufolge genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Dass ihn kein Verschulden treffen würde, hat der Beschwerdeführer nicht glaubhaft machen können.

Das Vertrauen in eine übliche bzw. weitverbreitete und vermeintliche nicht beanstandete Nutzung der gegenständlichen Fläche als Stellplatz (in der Vergangenheit durch den Beschwerdeführer oder auch andere Fahrzeuglenker) ist nicht beachtlich.

Gemäß § 19 Abs. 1 VStG sind Grundlagen für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat. Gemäß § 19 Abs. 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 – 46 VStG) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechts sind die Bestimmungen der §§ 32 – 35 StGB sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Die Unbescholtenheit des Beschwerdeführers wurde durch die belangte Behörde bereits als mildernd berücksichtigt, erschwerend hingegen kein Umstand. Angesichts des Strafrahmens von 726,– Euro, wurde durch die belangte Behörde eine vergleichsweise niedrige Strafe in Höhe von 78,– Euro verhängt. Eine Herabsetzung der Strafe kam daher aus general- und spezialpräventiven Erwägungen – auch im Hinblick auf die zumindest früher offenbar weit verbreitete Nutzungspraxis an der gegenständlichen Fläche – nicht in Betracht, zumal der Beschwerdeführer auch von einer Tatwiederholung abgehalten werden soll. Der Beschwerdeführer hat auch nicht nachgewiesen, dass er ungünstige wirtschaftliche Verhältnisse hat; er hat hierzu während des gesamten Verfahrens keine Angaben gemacht.

Die Erteilung einer Ermahnung schied ebenfalls schon aus dem Grund aus, da die Bedeutung des durch die verletzte Bestimmung der StVO geschützten Rechtsgutes im Beschwerdefall nicht gering ist. Es scheint sich vielmehr nach den Angaben des Beschwerdeführers um eine wiederholte Nutzung der Fläche handeln.

Schließlich ist zum Grad des Verschuldens anzumerken, dass wie bereits dargelegt, das gegenständliche Verbot sich unmittelbar aus dem Gesetz ergibt und gegenständlich keine Unklarheitenregel oder sonstiges greift. Bei objektiver Betrachtung konnten die örtlichen Gegebenheiten und diverse straßenbauliche Elemente nicht anders verstanden werden. Die Erlaubnis, hier ein Fahrzeug abzustellen, war daher auch im Zweifel nicht anzunehmen. Es handelt sich insofern um einen vorwerfbaren Rechtsirrtum. Die entsprechende Rechtskenntnis kann bei Inhabern eines Führerscheins angenommen werden (VwGH 27.05.1992, 92/02/0167; 24.05.2013, 2010/02/0120).

Die Beschwerde war somit als unbegründet abzuweisen.

Für eine Aufhebung und Zurückverweisung der Beschwerdesache bestand weder eine inhaltliche Berechtigung noch eine verfahrensrechtliche Grundlage (§ 50 VwGVG). Der Zusatzantrag, das Verwaltungsgericht solle der MA 28 (gemeint: dem Magistrat der Stadt Wien, Straßenverwaltung und Straßenbau [MA 28]) einen Auftrag erteilen um straßenpolizeiliche Maßnahmen zu prüfen, entbehrt einer Grundlage in Bezug auf Prüf- und Entscheidungsbefugnisse der Verwaltungsgerichte. Auch hierfür würde zudem eine inhaltliche/faktische Berechtigung oder Veranlassung nicht vorliegen. Durch die im Verfahren vor der belangten Behörde erfolgte Einbindung der Landespolizeidirektion sowie eben auch der MA 28 scheinen ohnehin alle von dem Sachverhalt betroffenen Stellen informiert zu sein.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG. Aus der bestätigten Strafe in Höhe von 78,– Euro ergibt sich der verwaltungsgerichtliche Kostenbeitrag von 15,60 Euro (20 %).

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 44 Abs. 3 und 4 VwGVG abgesehen werden, da mit der Beschwerde lediglich eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wurde und kein neues Sachverhaltsvorbringen erstattet wurde, mit dem angefochtenen Bescheid keine 500,– Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde und wegen der eindeutigen und im Wege eines Augenscheins unter Beteiligung des Beschwerdeführers samt Begleitung durch eine rechtskundige Begleitperson erörterte Sach- und Rechtslage. Eine mündliche Erörterung könnte keine weitere Klärung der Beschwerdesache ergeben. Nachdem der Augenschein eine umfassende und abschließende Erörterung ermöglichte (örtliche Verhältnisse im Umkreis der gegenständlichen Fläche: Anrampung, Trennung zur Fahrbahn, Bodenbeläge [teilweise Riffelung, teilweise Pflasterung], Baumscheibe, Bodenmarkierungen auf anderen Flächen), konnte eine Erörterung in einem Verhandlungssaal keine weiteren Erkenntnisse liefern.

Gemäß § 25a Abs. 4 VwGG ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof wegen Verletzung in Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) ausgeschlossen, wenn in einer Verwaltungsstrafsache 1. eine Geldstrafe von bis zu 750,– Euro und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und 2. im Erkenntnis eine Geldstrafe von maximal 400,– Euro verhängt wurde. § 99 Abs. 3 lit. a StVO sieht einen Strafrahmen von bis zu 726,– Euro und nur eine Ersatzfreiheitsstrafe (von bis zu zwei Wochen) und es wurde gegenständlich auch nur eine Geldstrafe in der Höhe von 78,– Euro verhängt.

Im Übrigen ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil keine Rechtsfrage zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Dies gilt vorliegendenfalls insbesondere für die Amtspartei (Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG). Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Die Rechtslage ist aufgrund der zitierten Gesetzeslage klar und durch die ständige Rechtsprechung (hier durch zahlreiche Zitate belegt) geklärt. Der gegenständlich vorgenommenen Würdigung kommt keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu. Schließlich liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor.

Schlagworte

Gehsteig; Benützung; Fahrzeug; Abstellen; Bodenmarkierung; Kennzeichnung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2020:VGW.031.007.2893.2020

Zuletzt aktualisiert am

15.09.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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