TE Vwgh Erkenntnis 1997/12/10 94/20/0244

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Veröffentlicht am 10.12.1997
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §2 Abs2 Z1;
FlKonv Art1 AbschnC Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde des H in W, geboren am 3. Mai 1948, vertreten durch Dr. Wolfgang Golla, Rechtsanwalt in Wien I, Rudolfsplatz 6, dieser vertreten durch Dr. Ines Scheiber, Rechtsanwalt in Wien IV, Karolinengasse 5, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 8. September 1993, Zl. 4.303.375/2-III/13/91, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, ist am 1. Oktober 1990 in das Bundesgebiet eingereist und hat am 2. Oktober 1990 beantragt, daß ihm Asyl gewährt werde. Nach Abweisung seines Asylantrages und Berufung durch den Beschwerdeführer erging der nunmehr angefochtene Bescheid, mit welchem die belangte Behörde die Berufung abwies und den erstinstanzlichen Bescheid bestätigte.

Begründend führte die belangte Behörde insbesondere aus, daß der Beschwerdeführer im Ermittlungsverfahren nicht glaubhaft habe machen können, daß konkrete Verfolgungshandlungen seitens der Behörden seines Heimatstaates aus einem der im Asylgesetz 1991 genannten Gründe vorgelegen seien und er sich überdies erst jüngst unter den Schutz seines Heimatlandes gestellt habe. Er habe nämlich die Gültigkeit seines Reisepasses am 5. Juni 1993 von der türkischen Botschaft in Wien bis zum 10. Juni 1996 verlängert erhalten. Dadurch habe er sich unter den Schutz der Behörden seines Heimatlandes gestellt und es werde festgestellt, daß er unter Art. 1 Abschnitt C Z 1 der Genfer Flüchtlingskonvention falle.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird. Der Beschwerdeführer bekämpft einerseits die Feststellungen der belangten Behörde hinsichtlich der asylrelevanten Verfolgungsmaßnahmen und führt zu der Schlußfolgerung, daß er unter Art. 1 Abschnitt C Z 1 der Genfer Flüchtlingskonvention falle, aus, daß der Umstand, daß die Konsularabteilung der türkischen Botschaft in Wien seinen Reisepaß verlängert habe, nichts an seiner Flüchtlingseigenschaft ändere. Die Verlängerung bedeute keineswegs, daß die Behörden der Türkei bereit seien, ihm in seinem Heimatland jenen Schutz und jene Hilfe zu gewähren, auf die er nach der Menschenrechtskonvention Anspruch habe. Seine Furcht vor weiterer Verfolgung beruhe nicht auf amtlichen Erklärungen der türkischen Regierung, sondern darauf, daß die unmittelbar zuständigen örtlichen Behörden ihm den Schutz vor einer Verfolgung faktisch verweigerten und ihn daher in seinem Heimatland vogelfrei und rechtlos machten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die wiedergegebenen Ausführungen in der Beschwerde zur Frage der Bedeutung einer Paßverlängerung durch den Heimatstaat des Asylwerbers verkennen den Inhalt und die systematische Stellung des gemäß § 2 Abs. 2 Z 1 Asylgesetz 1991 anzuwendenden Art. 1 Abschnitt C Z 1 der Genfer Flüchtlingskonvention, mit dessen Auslegung in Lehre und Rechtsprechung sich der Beschwerdeführer nicht auseinandersetzt.

Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention (und § 1 Z 1 Asylgesetz 1991) setzt die Erlangung der Flüchtlingseigenschaft u.a. voraus, daß der Betroffene nicht in der Lage oder im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung nicht gewillt ist, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen. Nicht nur der Wegfall der wohlbegründeten Furcht vor Verfolgung im Falle einer Rückkehr, sondern schon der Wegfall der mangelnden Fähigkeit oder Bereitschaft, wegen der im Heimatland drohenden Verfolgung auch bloß außerhalb dieses Landes dessen Schutz in Anspruch zu nehmen, läßt die Flüchtlingseigenschaft in der im Art. 1 Abschnitt C Z 1 der Genfer Flüchtlingskonvention geregelten Weise erlöschen. Die erfolgreiche Beantragung eines Passes ist eine typische Form der Unterschutzstellung im Sinne dieser Bestimmung und grundsätzlich ausreichend, um ihren Tatbestand zu erfüllen (vgl. dazu Grahl-Madsen, The Status of Refugees in International Law, Band 1, Seite 379 bis 395; UNHCR, Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, Rz. 120 bis 124). Wenn ein Flüchtling einen Paß seines Heimatlandes "oder auch lediglich die Erneuerung des Passes beantragt und erhält, so läßt dies darauf schließen, daß er die Absicht hat, erneut den Schutz des Landes seiner Staatsangehörigkeit in Anspruch zu nehmen, es sei denn, er kann Beweise vorbringen, die diese Annahme widerlegen" (UNHCR, a.a.O., Rz 121). Der Verwaltungsgerichtshof vertritt daher in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß die Ausstellung oder Verlängerung eines Reisepasses den Tatbestand des § 2 Abs. 2 Z 1 Asylgesetz 1991 i.V.m. Art. 1 Abschnitt C Z 1 der Genfer Flüchtlingskonvention erfüllt, wenn nicht im konkreten Einzelfall ein dieser rechtlichen Beurteilung entgegenstehender Sachverhalt aufgezeigt wird (vgl. dazu die Erkenntnisse vom 5. Juni 1996, Zl. 96/20/0308, oder vom 12. September 1996, Zl. 96/20/0531, oder bereits das Erkenntnis vom 25. November 1994, Zl. 94/19/0032).

Die vom Beschwerdeführer angegebenen Gründe, die gegen die Annahme der belangten Behörde, er habe sich freiwillig wieder unter den Schutz seines Heimatlandes gestellt, sprechen sollen, vermögen keinen Sachverhalt aufzuzeigen, der die Annahme der Unterschutzstellung im Sinne der Ausführungen im Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft des UNHCR widerlegen könnte. Die Ausführungen des Beschwerdeführers, daß seine Furcht vor Verfolgung nicht auf amtlichen Erklärungen der türkischen Regierung beruhe, sondern darauf, daß die unmittelbar zuständigen örtlichen Behörden ihm einen Schutz faktisch verweigerten, können keinen derartigen Sachverhalt aufzeigen. Sie tun nicht dar, daß der Beschwerdeführer etwa nicht freiwillig um die Paßverlängerung angesucht hätte (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 19. Dezember 1995, Zl. 94/20/0838, und vom 12. September 1996, Zl. 96/20/0531, sowie Grahl-Madsen, a. a.O., Seite 384 f).

Da somit die geltend gemachte Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte im Grunde des § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG Abstand genommen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1994200244.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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