TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/6 W101 2186032-1

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Veröffentlicht am 06.03.2020
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Entscheidungsdatum

06.03.2020

Norm

AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §35
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §11
FPG §11a

Spruch

W101 2186032-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Christine AMANN als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Österreichisches Rotes Kreuz, gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft Islamabad vom 12.09.2017, GZ.: Islamabad-ÖB/KONS/3094/2016, nach Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung vom 07.12.2017 zu Recht erkannt:

A)

Bezüglich der o.a. Beschwerdeführerin wird der Beschwerde gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG mit der Maßgabe Folge gegeben, dass ihr in Einhaltung des Art. 8 EMRK ein Visum zur Einreise zu erteilen ist, und die Beschwerdevorentscheidung behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin, StA. Afghanistan, stellte durch ihren Rechtsvertreter am 30.08.2016 per E-Mail bei der Österreichischen Botschaft Islamabad (im Folgenden: "ÖB Islamabad") unter Anschluss diverser Unterlagen einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl, BGBl. I Nr. 100/2005, (in der Folge AsylG). Begründend führte sie aus, ihr Ehemann, XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, sei seit 1982 in Österreich aufhältig und habe am 23.03.1988 in Österreich Asyl erhalten.

Gleichzeitig legte die Beschwerdeführerin folgende Unterlagen als Beweismittel vor:

- Kopie des Reisepasses der Beschwerdeführerin

- Heiratsurkunde (Original und beglaubigte Übersetzung)

- Personalausweis/Geburtsurkunde (Tazkira) (Original und beglaubigte Übersetzung)

- Schreiben des BFA vom 28.07.2016

- Meldezettel der Bezugsperson

- Kopie des Koventionspasses der Bezugsperson

2. Daraufhin führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) in seiner Mitteilung nach § 35 Abs. 4 AsylG vom 02.06.2017 aus, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten nicht wahrscheinlich sei, da die Ehe zwischen der Beschwerdeführerin und der Bezugsperson zum Zeitpunkt der Einreise der Bezugsperson in Österreich keinen Bestand hatte.

Begründend führte es in seiner Stellungnahme dazu Folgendes aus: Die Bezugsperson sei im Jahr 1982 nach Österreich gekommen, habe als Maschinenschlosser gearbeitet und habe am 23.03.1988 den Status des Asylberechtigten zuerkannt bekommen. 1989 sei er freiwillig nach Afghanistan zurückgekehrt und habe dort als Maschinenschlosser gearbeitet, 1998 geheiratet und eine Familie gegründet. Aus dieser Ehe mit der Beschwerdeführerin seien sieben Kinder hervorgegangen. Im November 2015 sei die Bezugsperson erneut in Österreich eingereist und habe einen Asylantrag gestellt. Da sein Asylantrag aufrecht sei, sei es zu keinem neuerlichen Verfahren gekommen. Die Flüchtlingseigenschaft der Bezugsperson sei daher seit 23.03.1988 rechtskräftig. Zumal die Ehe mit der Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Statuszuerkennung noch nicht bestanden habe und keine Nachkommen aus dieser Ehe hervorgegangen seien, sei bei der Beschwerdeführerin die Eigenschaft als Familienangehörige iSd § 35 Abs. 5 AsylG sowie die Voraussetzung zur Durchführung eines Familienverfahrens nicht gegeben.

3. Mit Schreiben vom 06.06.2017 war der Beschwerdeführerin die Möglichkeit zur Stellungnahme (Parteiengehör) innerhalb der Frist von einer Woche eingeräumt worden. Sie war davon in Kenntnis gesetzt worden, dass das BFA nach Prüfung mitgeteilt habe, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten aufgrund der Mitteilung des BFA vom 02.06.2017 nicht wahrscheinlich sei. Daraus ergebe sich, dass der Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 26 Bundesgesetz über die Ausübung der Fremdenpolizei, die Ausstellung von Dokumenten für Fremde und die Erteilung von Einreisetitel, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG), iVm § 35 Abs. 4 AsylG abzulehnen sei. Die oben beschriebene Stellungnahme des BFA lag dem Schreiben bei.

4. Am 31.08.2017 brachte die Beschwerdeführerin durch ihren Rechtsvertreter nach gewährter Fristerstreckung eine Stellungnahme ein. Darin führte sie im Wesentlichen Folgendes aus: Die Bezugsperson sei am 18.11.2015 in Österreich eingereist und habe am 18.11.2015 den Asylantrag gestellt. In diesem Asylantrag habe er die Gründe für seine neuerliche Flucht angeführt und Angaben zu seinem Familienleben gemacht. Die Begründung des BFA über kein Bestehen der Ehe im Herkunftsstaat könne somit nicht geltend gemacht werden. Sowohl die Ehe als auch das Familienleben habe vor dem Zeitpunkt der neuerlichen Flucht, der Einreise nach Österreich und der Einbringung des Asylantrages bestanden. Des Weiteren sei die Trennung der Familie nicht freiwillig erfolgt, sondern aufgrund neuer Lebensumstände, die die Bezugsperson in seinem neuen Asylantrag hervorgebracht habe.

5. Diese Stellungnahme war dem BFA zur neuerlichen Beurteilung der Prognoseentscheidung weitergeleitet worden. Nach deren Prüfung teilte das BFA am 07.09.2017 mit, dass das BFA auch unter Berücksichtigung dieser Stellungnahme der Beschwerdeführerin an seiner negativen Prognoseentscheidung festhalte.

6. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 12.09.2017, dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin am 12.09.2017 zugestellt, GZ.: Islamabad-ÖB/KONS/3094/2016, verweigerte die ÖB Islamabad die Erteilung des Einreisetitels gemäß § 26 FPG iVm § 35 AsylG.

Begründend führte die ÖB Islamabad im Wesentlichen aus: Das BFA habe nach Prüfung der Stellungnahme der Beschwerdeführerin abermals mitgeteilt, dass durch das Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht unter Beweis gestellt werden hätte können, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status der Asylberechtigten oder der subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich sei.

7. Gegen diesen Bescheid richtete sich die am 18.09.2017 bei der ÖB Islamabad eingelangte, fristgerechte Beschwerde, in welcher der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin im Wesentlichen die Ausführungen der Stellungnahme vom 30.08.2017 wiederholte und dabei begründend insbesondere Folgendes angab: Der gegenständliche Fall stelle unbestrittenermaßen nicht den Regelfall der Anwendung des § 35 Abs. 5 AsylG dar, da der Bezugsperson hier bereits vor 30 Jahren Asyl gewährt worden sei, diese nach Asylgewährung in ihren Herkunftsstaat zurückgekehrt sei, dort ihre familiären Bindungen gegründet habe und 25 Jahre später erneut habe flüchten müssen. Die Behörden hätten von einer Aberkennung des Status abgesehen und festgestellt, dass der Bezugsperson die Flüchtlingseigenschaft nach wie vor zukomme. Insofern habe die Ehe zwar nicht vor der ersten Einreise in den 1980er Jahren, sehr wohl aber vor der neuerlichen Einreise 2015 bestanden. Da die Ehe unbestrittenermaßen vor der neuerlichen Flucht 2015 bestanden habe, entspreche sie bei grundrechtskonformer Anwendung den Erfordernissen des § 35 Abs. 5 AsylG, weshalb der Beschwerdeführerin die Einreise hätte gewährt werden müssen.

8. Mit Verbesserungsauftrag vom 12.10.2017 forderte die ÖB Islamabad den Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin auf, die vorgelegten Personalausweise/Geburtsurkunden (Tazkira) unter Anschluss einer Übersetzung in die deutsche Sprache innerhalb einer Woche ab Zustellung dieses Schreibens vorzulegen. Sollte dies nicht innerhalb der gesetzten Frist geschehen, werden die Beschwerde ohne weiteres Verfahren zurückgewiesen.

9. Am 19.10.2017 übermittelte der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin fristgerecht die entsprechenden Übersetzungen.

10. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 07.12.2017, Zl. Islamabad-OB/KONS/30948/2016, wies die ÖB Islamabad die Beschwerde gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG ab, wiederholte begründend im Wesentlichen die Ausführungen der bisherigen Stellungnahmen, und betonte dabei insbesondere, dass sie die Ansicht des BFA teile.

11. Am 18.12.2017 brachte der einschreitende Rechtsvertreter dagegen bei der ÖB Islamabad einen Vorlageantrag gemäß § 15 VwGVG ein.

12. Mit Schreiben vom 12.02.2018 legte das Bundesministerium für Inneres dem Bundesverwaltungsgericht den Vorlageantrag samt den bezughabenden Verwaltungsakten zur Entscheidung vor.

13. Das Bundesverwaltungsgericht hatte mit Erkenntnis vom 11.07.2018 den angefochtenen Bescheid und die Beschwerdevorentscheidung bezüglich der o.a. Beschwerdeführerin gemäß § 28 Abs. 1 und Abs. 2 VwGVG behoben. Dieses Erkenntnis hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 28.01.2020, Ra 2018/20/0464, allerdings wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes auf.

Nunmehr hat das Bundesverwaltungsgericht eine Ersatzentscheidung zu treffen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin stellte - gemeinsam mit ihren Kindern - am 30.08.2016 bei der ÖB Islamabad einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 Abs. 1 AsylG.

Als Bezugsperson wurde XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, als Ehemann genannt. Die Bezugsperson ist im Jahr 1982 nach Österreich gekommen und hat am 23.03.1988 in Österreich Asyl erhalten. 1989 ist die Bezugsperson nach Afghanistan zurückgekehrt, hat dort am 27.04.1998 die Beschwerdeführerin geheiratet und dort mit ihr eine Familie gegründet. Aus dieser Ehe sind folgende sieben Kinder hervorgegangen:

1. XXXX , geb. XXXX , 2. XXXX , geb. XXXX , 3. XXXX , geb. XXXX , 4. XXXX , geb. XXXX , 5. XXXX , geb. XXXX , 6. XXXX , geb. XXXX , und 7. XXXX , geb. XXXX , alle StA. Afghanistan.

Am 18.11.2015 ist die Bezugsperson wieder in Österreich eingereist.

Die Eheschließung zwischen der Beschwerdeführerin und der Bezugsperson am 27.04.1998 erfolgte nach der (ersten) Einreise der Bezugsperson in Österreich im Jahr 1982.

Als maßgebend steht daher fest, dass die Ehe zwischen der Beschwerdeführerin und der in Österreich asylberechtigten Bezugsperson nicht bereits vor dessen (ersten) Einreise im Jahr 1982 bestanden hat, sodass sie keine Familienangehörige iSd Legaldefinition des AsylG ist.

Das Bundesverwaltungsgericht hat bezüglich der o.a. sieben Kinder der Beschwerde stattgegeben und den angefochtenen Bescheid sowie die Beschwerdevorentscheidung behoben. Dies hat zur Rechtsfolge, dass den Beschwerdeführern als Familienangehörige der in Österreich asylberechtigten Bezugsperson jeweils ein Visum zur Einreise zu erteilen ist.

Da die Beschwerdeführerin die Mutter der o.a. sieben Kinder ist, steht aber als maßgebend weiters fest, dass sie in Einhaltung des Art. 8 EMRK auch zur Einreise nach Österreich berechtigt ist.

2. Beweiswürdigung:

Dass die Bezugsperson 1982 nach Österreich gekommen ist und am 23.03.1998 den Status des Asylberechtigten erlangt hat, ergibt sich aus dem Bescheid der BPD Wien vom 23.03.1998, Zl. I-422.504-FrB/88, sowie aus dem Schreiben des BFA vom 28.07.2016 und ist unstrittig.

Die obigen Feststellungen betreffend die Eheschließung am 27.04.1998 ergeben sich aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin und den von ihr vorgelegten Unterlagen, insbesondere aus der "Heiratsurkunde" sowie aus dem Identitätsnachweis/der Geburtsurkunde (Tazkira) der Beschwerdeführerin.

Es wurde nachvollziehbar dargelegt und ist daher glaubhaft, dass die Bezugsperson während seines Aufenthaltes in Afghanistan von 1989 bis 2015 die Beschwerdeführerin geheiratet und mit ihr eine Familie gegründet hat.

Hinsichtlich der o. als 2. bis 7. angeführten Kindern hatte das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 11.07.2018 den angefochtenen Bescheid und die Beschwerdevorentscheidung bezüglich der o.a. Beschwerdeführerin gemäß § 28 Abs. 1 und Abs. 2 VwGVG behoben. Dieses Erkenntnis war vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 28.01.2020, Ra 2018/20/0465, bestätigt worden. Hinsichtlich der o. als 1. angeführten (ältesten) Tochter wird das Bundesverwaltungsgericht inhaltlich dasselbe entscheiden.

Da die Beschwerdeführerin die Mutter der o.a. sieben Kinder ist und diese in naher Zukunft als Familienangehörige der asylberechtigten Bezugsperson in Österreich einreisen dürfen, müsste sie als einiges Familienmitglied in Afghanistan verbleiben, was allerdings eine Verletzung des Art. 8 EMRK darstellen würde. Daraus folgt, dass sie in Einhaltung des Art. 8 EMRK auch zur Einreise nach Österreich berechtigt ist bzw. ihr auch ein Einreisetitel zu erteilen ist.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013 (BVwGG), entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels materienspezifischer Sonderregelung besteht gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 (VwGVG), geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

3.2. Zu A)

3.2.1. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

3.2.2. § 2 Abs. 1 Z 22 Asylgesetz 2005 (AsylG) idF BGBl. I Nr. 145/2017 lautet:

"§ 2. (1) Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist (...)

22. Familienangehöriger: wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat, sowie der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat;"

§ 34 AsylG idF BGBl. I Nr. 145/2017 lautet:

34. (1) Stellt ein Familienangehöriger von

1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;

2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder

3. einem Asylwerber

einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist und

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).

(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist;

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und

4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.

(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.

(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:

1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;

2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind;

3. im Fall einer Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 NAG)."

§ 35 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 145/2017 lautet:

"§ 35. (1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen. Erfolgt die Antragstellung auf Erteilung eines Einreisetitels mehr als drei Monate nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 zu erfüllen.

(2) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 frühestens drei Jahre nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der Vertretungsbehörde stellen, sofern die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind. Diesfalls ist die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.

(2a) Handelt es sich beim Antragsteller um den Elternteil eines unbegleiteten Minderjährigen, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, gelten die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 als erfüllt.

(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 oder Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde auf die Vollständigkeit des Antrages im Hinblick auf den Nachweis der Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 hinzuwirken und den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.

(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden aufgrund eines Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn

1. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9),

2. das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht und

3. im Falle eines Antrages nach Abs. 1 letzter Satz oder Abs. 2 die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind, es sei denn, die Stattgebung des Antrages ist gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten.

Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.

(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat."

§ 75 Abs. 24 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 145/2017 lautet:

"(24) Auf Fremde, denen der Status des Asylberechtigten bereits vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 zuerkannt wurde und auf Fremde, die einen Antrag auf internationalen Schutz vor dem 15. November 2015 gestellt haben, sind die §§ 2 Abs. 1 Z 15, 3 Abs. 4 bis 4b, 7 Abs. 2a und 51a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 nicht anzuwenden. Für diese Fremden gilt weiter § 2 Abs. 1 Z 15 in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016. §§ 17 Abs. 6 und 35 Abs. 1 bis 4 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 sind auf Verfahren, die bereits vor dem 1. Juni 2016 anhängig waren, nicht anzuwenden. Auf Verfahren gemäß § 35, die bereits vor dem 1. Juni 2016 anhängig waren, ist § 35 Abs. 1 bis 4 in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 weiter anzuwenden. Handelt es sich bei einem Antragsteller auf Erteilung des Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 um den Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten bereits vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 rechtskräftig zuerkannt wurde, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 nicht zu erfüllen, wenn der Antrag auf Erteilung des Einreisetitels innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 gestellt wurde. § 22 Abs. 1 gilt für Verfahren, die mit Ablauf des 31. Mai 2018 bereits anhängig waren, auch noch nach dem 31. Mai 2018 weiter."

§ 11 Abs. 1 bis 3 und § 11a und § 26 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idF BGBl. I Nr. 145/2017 lauten:

"Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11. (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. In Verfahren zur Erteilung eines Visums gemäß § 20 Abs. 1 Z 9 sind Art. 9 Abs. 1 erster Satz und Art. 14 Abs. 6 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragssteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.

(2) Partei in Verfahren vor der Vertretungsbehörde ist ausschließlich der Antragssteller.

(3) Die Ausfertigung bedarf der Bezeichnung der Behörde, des Datums der Entscheidung und der Unterschrift des Genehmigenden; an die Stelle der Unterschrift kann das Siegel der Republik Österreich gesetzt werden, sofern die Identität des Genehmigenden im Akt nachvollziehbar ist. Die Zustellung hat durch Übergabe in der Vertretungsbehörde oder, soweit die internationale Übung dies zulässt, auf postalischem oder elektronischem Wege zu erfolgen; ist dies nicht möglich, so ist die Zustellung durch Kundmachung an der Amtstafel der Vertretungsbehörde vorzunehmen."

"Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11a. (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.

(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.

(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des § 76 AVG.

(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt."

Visa zur Einbeziehung in das Familienverfahren nach dem AsylG 2005

"§ 26 Teilt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist, ist dem Fremden ohne Weiteres zur einmaligen Einreise ein Visum mit viermonatiger Gültigkeitsdauer zu erteilen."

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG an die Mitteilung des Bundesasylamtes (nunmehr: des Bundeamtes für Fremdenwesen und Asyl) über die Prognose einer Asylgewährung bzw. Gewährung subsidiären Schutzes gebunden, und zwar auch an eine negative Mitteilung. Diesbezüglich kommt ihr keine eigene Prüfungskompetenz zu (vgl. VwGH 16.12.2014, Ro 2014/22/0034, unter Hinweis auf VwGH 17.10.2013, Zl. 2013/21/0152; VwGH 19.06.2008, Zl. 2007/21/0423).

Nach dieser Rechtsprechung ist zur Frage des Prüfungsumfangs der österreichischen Vertretungsbehörde bei der Entscheidung über den Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels im Sinne des § 35 Abs. 1 letzter Satz AsylG auf die Gesetzesmaterialien zur Stammfassung der Vorgängerbestimmung (§ 16 AsylG 1997) zurückzugreifen.

Danach sollten die bei den österreichischen Berufsvertretungsbehörden im Ausland gestellten Asylanträge an die Durchführung eines Vorverfahrens gebunden sein. Bei diesem speziellen Sichtvermerksantrag sollte nämlich ein relativ formalisiertes Ermittlungsverfahren betreffend eine mögliche Asylgewährung stattfinden, in welches das Bundesasylamt einzubinden sei. Treffe das Bundesasylamt die Prognose, dass eine Asylgewährung wahrscheinlich sei, habe die Berufsvertretungsbehörde ohne Weiteres einen entsprechend befristeten Sichtvermerk zur Einreise zu erteilen, worauf das eigentliche Asylverfahren stattzufinden habe. Dieser Mechanismus solle auf der Ebene eines Sichtvermerksverfahrens dazu dienen, die im Hinblick auf eine potentielle Schutzbedürftigkeit heiklen Fälle aus der Vielzahl der Asylanträge im Ausland herauszufiltern, ohne zugleich - im Hinblick auf das relativ formalisierte Verfahren vor der österreichischen Vertretungsbehörde - durch eine negative Asylentscheidung res iudicata zu bewirken und den Asylwerber für immer von einem ordentlichen Asylverfahren auszuschließen. Werde ein Sichtvermerk nicht erteilt, sei der betreffende Asylantrag als gegenstandslos abzulegen (RV 686 BlgNR 20.GP 23).

Schon diese Ausführungen lassen erkennen, dass die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Visumserteilung an die Mitteilung des (nunmehr) BFA über die Prognose einer Schutzgewährung gebunden ist. Das Gesetz stellt nur klar, dass es bei einer positiven Mitteilung über die voraussichtliche Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten keiner weiteren Voraussetzungen für die Visumserteilung bedarf, somit die Erteilungsvoraussetzungen und Versagungsgründe des FPG diesfalls unbeachtet zu bleiben haben. Daraus kann nicht abgeleitet werden, dass die Vertretungsbehörde im Falle einer negativen Mitteilung des Bundesamtes noch einmal eine eigene Beurteilung der Wahrscheinlichkeit einer Asylgewährung vorzunehmen hätte und zu einem gegenteiligen Ergebnis als die zur Entscheidung über Asylanträge sachlich zuständige Behörde kommen könnte. Für diese Auffassung gibt das Gesetz keine ausreichenden Anhaltspunkte. Es würde auch dem Zweck der Erteilung dieses Einreisetitels zuwiderlaufen, dem Familienangehörigen einer schutzberechtigten Ankerperson im Hinblick auf die voraussichtliche Gewährung von Asyl bzw. subsidiären Schutz die Einreise zu ermöglichen, wenn das zur Beurteilung des Schutzantrages zuständige BFA die Stattgebung unter diesem Titel nicht für wahrscheinlich erachtet (vgl. BVwG 12.01.2016, W184 2112510-1 u.a.).

Da es innerhalb des mit dem Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz - FNG, BGBl. I Nr. 87/2012, geschaffenen geschlossenen Rechtsschutzsystems dem Bundesverwaltungsgericht offen steht, auch die Einschätzung des BFA über die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes an den Antragsteller auf ihre Richtigkeit zu überprüfen (VwGH 01.03.2016, Ro 2015/18/0002), kann im vorliegenden Fall nach Ansicht der zuständigen Einzelrichterin des Bundesverwaltungsgerichtes der Prognose des BFA nicht gefolgt werden und führt die Überprüfung daher im Beschwerdefall zu einem anderen Ergebnis:

Im vorliegenden Fall wurde ein Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 AsylG 2005 gestellt und als Bezugsperson der in Österreich Asylberechtigte XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, als Ehemann der Beschwerdeführerin genannt.

Der im gegenständlichen Verfahren anwendbare § 35 Abs. 5 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 145/2017 bestimmt u.a., dass der Ehegatte als Familienangehöriger eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, im Sinne des Abs. 1 leg. cit. zu betrachten ist, sofern die Ehe bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat. Der Nachweis, dass die Ehe zwischen einem Antragsteller und seiner Bezugsperson bereits vor der Einreise bestanden hat, ist daher zwingend geboten.

Wie oben festgestellt und in der Beweiswürdigung ausgeführt, ist maßgebend, dass die Ehe zwischen der Beschwerdeführerin und der in Österreich asylberechtigten Bezugsperson nicht bereits vor dessen (ersten) Einreise im Jahr 1982 bestanden hat. Die Beschwerdeführerin ist daher aus rechtlicher Sicht keine Familienangehörige iSd § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG bzw. § 35 Abs. 5 AsylG. Hervorgehoben wird, dass ihr folglich im Weg des § 34 AsylG der Status einer Asylberechtigten nicht zuerkannt werden kann.

Die Beschwerdeführerin hat allerdings nachvollziehbar darlegen können, dass sie mit der in Österreich asylberechtigten Bezugsperson während seines Aufenthaltes in Afghanistan von 1989 bis 18.11.2015 eine Familie gegründet hat, aus der sieben Kinder hervorgegangen sind.

Der Verfassungsgerichtshof hat jüngst im Erkenntnis vom 23.09.2019, E 2226-2230/2019, eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes als verfassungswidrig aufgehoben und zu Art. 8 EMRK in einem Visaverfahren der Betroffenen ausgesprochen:

"Das Bundesverwaltungsgericht hat es (...) trotz der festgestellten Glaubhaftmachung der Beschwerdeführer, Familienangehörige der in Österreich asylberechtigten Bezugsperson zu sein, unterlassen, den nach der höchstgerichtlichen Judikatur (vgl. zB VwGH 11.11.2013, 2013/22/0224; 7.5.2014, 2012/22/0084) bei der Beurteilung der Frage, ob ein Eingriff nach Art. 8 EMRK zulässig ist (vgl. zur verpflichtenden Berücksichtigung und Sicherstellung der Einhaltung des Art. 8 EMRK in Verfahren nach § 35 AsylG 2005 VfGH 6.6.2014, B 369/2013; 23.11.2015, E 1510/2015 ua.; 27.11.2017, E 1001/2017 ua.; 11.6.2018, E 3362/2017 ua.), maßgeblichen Aspekten Beachtung zu schenken, ob eine Fortsetzung des Familienlebens außerhalb Österreichs möglich ist und ob eine aus Asylgründen bedingte Trennung der Familie den Eingriff in das Familienleben als unzulässig werten lassen könnte."

Da die Beschwerdeführerin - wie oben festgestellt - die Mutter der sieben Kinder ist, erfordert das Gebot der verfassungskonformen Interpretation im obigen Sinne, dass sie in Einhaltung des Art. 8 EMRK auch zur Einreise nach Österreich berechtigt ist bzw. ihr auch ein Einreisetitel zu erteilen ist. Ansonsten müsste sie als einziges Mitglied der Familie mit sieben Kindern in Afghanistan verbleiben, was eine Verletzung des Art. 8 EMRK darstellen würde.

3.2.3. Der gegenständliche Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels wurde am 30.08.2016 und damit innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten des § 35 AsylG idF BGBl. I Nr. 24/2016 am 01.06.2016 eingebracht. Der Bezugsperson wurde der Status des Asylberechtigten bereits am 23.03.1988, somit vor Inkrafttreten des BGBl. I Nr. 24/2016, zuerkannt. Gemäß der Übergangsbestimmung § 75 Abs. 24 AsylG waren daher die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 nicht zu erfüllen.

3.2.4. Das Bundesverwaltungsgericht hält daher fest, dass dem angefochtenen Bescheid aus den dargelegten Gründen eine Rechtswidrigkeit iSd Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG anlastet. Bezüglich der o.a. Beschwerdeführerin wird in der Folge der Beschwerde gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG mit der Maßgabe Folge gegeben, dass der Beschwerdeführerin in Einhaltung des Art. 8 EMRK ein Visum zur Einreise zu erteilen ist, und die Beschwerdevorentscheidung behoben.

3.2.5. Der Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung steht der klare Wortlaut des § 11a Abs. 2 FPG entgegen.

3.3. Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (siehe oben unter 3.2.2. und 3.2.3. zit. Judikatur), noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Ehe Einreisetitel Familienbegriff Familieneinheit Familienleben Privat- und Familienleben

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W101.2186032.1.00

Im RIS seit

14.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

14.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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