TE Vwgh Beschluss 1997/12/10 97/13/0212

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Veröffentlicht am 10.12.1997
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
27/01 Rechtsanwälte;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

BAO §103 Abs2;
BAO §213;
RAO 1868 §8 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
ZustG §9 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, in der Beschwerdesache der A GesmbH in Liquidation in W, vertreten durch Dr. Rudolf Jirovec, Rechtsanwalt in Wien I, Bauernmarkt 24, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat IV) vom 21. September 1995, Zl 11-90/2314/08, betreffend Umsatzsteuer 1988, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Die beschwerdeführende GmbH erhob gegen die im Spruch angeführte Berufungsentscheidung Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof, wobei sie ua die Prozeßerklärung abgab, daß der angefochtene Bescheid der Liquidatorin der Beschwerdeführerin am 11. Oktober 1995 zugestellt worden sei. Dem zustellungsbevollmächtigten Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin gemäß § 9 Abs 1 ZustellG sei der angefochtene Bescheid am 18. Oktober 1995 zugekommen. In einer von der belangten Behörde zur Beschwerde erstatteten Gegenschrift wies diese daraufhin, daß die verfahrensgegenständliche Berufungsentscheidung laut Rückschein am Mittwoch, dem 11. Oktober 1995, der Liquidatorin als der gesetzlichen Vertreterin der Beschwerdeführerin zugestellt worden sei. Der Rechtsvertreter habe in einer Eingabe vom 29. Mai 1995 unter Berufung auf die erteilte Vollmacht erklärt, die Beschwerdeführerin werde "in steuerlichen und wirtschaftlichen Angelegenheiten" vertreten. Auf der Eingabe vom 12. Juli 1995 sei der Vermerk "Vollmacht erteilt" angebracht worden. Eine Erklärung hinsichtlich einer Zustellungsbevollmächtigung gemäß § 103 Abs 2 BAO sei nicht abgegeben worden. Auch vor dem Finanzamt sei keine Zustellungsbevollmächtigung im Sinne des § 103 Abs 2 BAO erklärt worden. Die Zustellungen seien daher dementsprechend - unbeanstandet - an die Liquidatorin als gesetzliche Vertreterin der Beschwerdeführerin erfolgt. Die sechswöchige Frist zur Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof habe daher entgegen dem Beschwerdevorbringen nach Auffassung der belangten Behörde am Mittwoch, dem 22. November 1995, geendet. Laut Eingangsstempel des Verfassungsgerichtshofes sei die Postaufgabe der Beschwerde jedoch erst am 29. November 1995 erfolgt.

Hiezu äußerte sich die Beschwerdeführerin, gestützt auf § 9 Abs 1 ZustellG und ua das hg Erkenntnis vom 1. Dezember "1996" (gemeint wohl 1986), 85/15/0149, dahin, daß für den Fall, daß eine an sich unbeschränkte Vollmacht keine Einschränkung in bezug auf Zustellungen enthalte, davon auszugehen sei, daß sie auch die Ermächtigung zur Empfangnahme von Schriftstücken einschließe. Eine Einschränkung dieser allgemeinen Bevollmächtigung zur Vertretung in bezug auf Zustellungen sei der Behörde nicht mitgeteilt worden. Der einschreitende Rechtsvertreter sei daher ab 29. Mai 1995 Zustellungsbevollmächtigter im Sinne des § 9 ZustellG gewesen. Die Verfassungsgerichtshof-Beschwerde vom 29. November 1995 (Postaufgabe) sei somit rechtzeitig erfolgt.

Mit Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 8. Oktober 1997, B 3674/95-9, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der - ausdrücklich nicht auf das Vorliegen aller Prozeßvoraussetzungen geprüften - Beschwerde ab und trat sie gemäß Art 144 Abs 3 B-VG antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof ab.

Zur Rechtzeitigkeit der Beschwerdeerhebung berief sich die Beschwerdeführerin somit bereits im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof darauf, daß eine an sich unbeschränkte Vollmacht - eine solche habe sie dem Beschwerdevertreter bereits im Verwaltungsverfahren erteilt - auch nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stets die Ermächtigung zur Empfangnahme von Schriftstücken einer Abgabenbehörde miteinschließe. Unter Zitierung des Wortlautes des § 9 Abs 1 ZustellG vertritt die Beschwerdeführerin die Ansicht, daß ihr der angefochtene Bescheid erst am 18. Oktober 1995, das ist der Tag, an welchem dieser dem Rechtsvertreter als Zustellungsbevollmächtigtem tatsächlich zugekommen sei, rechtswirksam zugestellt worden sei. Die Beschwerde sei daher rechtzeitig (durch Postaufgabe am 29. November 1995) eingebracht worden.

Damit übersieht die Beschwerdeführerin aber, daß gemäß § 103 Abs 2 BAO eine Zustellungsbevollmächtigung Abgabenbehörden gegenüber unwirksam ist, wenn sie sich nicht auf alle dem Vollmachtgeber zugedachten Erledigungen erstreckt, die im Zuge eines Verfahrens ergehen oder Abgaben betreffen, hinsichtlich derer die Gebarung gemäß § 213 leg cit zusammengefaßt verbucht wird.

Den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (162 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates, XV. GP, S 12) ist zu entnehmen, daß die gegenüber den sonstigen Bestimmungen des Entwurfes des Zustellgesetzes einschränkende Regelung des § 103 Abs 2 BAO im Hinblick auf die in Massen ergehenden, weitgehend unter Einsatz der EDV-Anlage des Bundesrechenamtes erstellten Erledigungen notwendig erscheint. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl die hg Beschlüsse vom 8. März 1994, 93/14/0174, vom 15. Dezember 1994, 94/15/0110, vom 8. Juni 1995, 93/14/0197, und vom 17. September 1997, 97/13/0014) ist in den Fällen des § 103 Abs 2 BAO die Abgabenbehörde daher nur dann zur Zustellung von Erledigungen an einen (gewillkürten) Vertreter verpflichtet, wenn dieser die ausdrückliche Erklärung abgibt, daß alle dem Vollmachtgeber zugedachten Erledigungen dem Bevollmächtigten zuzustellen sind, die im Zuge eines Verfahrens ergehen oder Abgaben betreffen, hinsichtlich derer die Gebarung gemäß § 213 BAO zusammengefaßt verbucht wird (hier Umsatzsteuer). Dies gilt auch dann, wenn - wie im vorliegenden Fall - ein Rechtsanwalt einschreitet. Auch dieser muß ungeachtet des Umstandes, daß gemäß § 8 Abs 1 letzter Satz RA die Berufung auf die Bevollmächtigung deren urkundlichen Nachweis ersetzt, auf Grund des im Abgabenverfahren anzuwendenden § 103 Abs 2 BAO eine Erklärung hinsichtlich der Zustellungsbevollmächtigung abgeben, ansonsten die Abgabenbehörde nicht verpflichtet ist, Erledigungen dem Bevollmächtigten zuzustellen. Eine solche ausdrückliche Zustellungsbevollmächtigung hat die Beschwerdeführerin weder in der Beschwerde noch in ihrer Äußerung zu den Ausführungen der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift behauptet. Unbestritten geblieben ist auch deren Hinweis, daß die Beschwerdeführerin gegenüber dem Finanzamt keine derartige Zustellungsbevollmächtigung erklärt habe.

Die belangte Behörde war daher nicht verpflichtet, die angefochtenen Bescheide dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin zuzustellen, weshalb die Zustellung am 11. Oktober 1995 rechtswirksam gewesen ist. Die am 29. November 1995 zur Post gegebene Beschwerde war daher infolge Verspätung gemäß § 34 Abs 1 und 3 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluß zurückzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997130212.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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