TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/2 W257 2174886-2

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Veröffentlicht am 02.04.2020
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Entscheidungsdatum

02.04.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §88 Abs1

Spruch

W257 2174886-2/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Herbert MANTLER, MBA als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst GmbH, Wattgasse 48/3, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.12.2019, Zl. 10922441101/VZ 190802885, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 88 Abs. 1 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gem. Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Die Beschwerdeführerin, eine afghanische Staatsangehörige, stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 24.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Bescheid vom 29.09.2017 den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) ab und hinsichtlich der Zuerkennung des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.). Mit Bescheid vom 02.10.2018 wurde die erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 29.09.2020 verlängert.

3. Am 06.08.2019 stellte die Beschwerdeführerin den gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Fremdenpasses, gestützt auf § 88 Abs. 2a Fremdenpolizeigesetz.

§ 88 Abs. 2a Fremdenpolizeigesetz lautet:

"(2a) Fremdenpässe sind Fremden, denen in Österreich der Status des subsidiär Schutzberechtigten zukommt und die nicht in der Lage sind, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen, auf Antrag auszustellen, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen."

Mit Schreiben vom 26.09.2019 teilte das BFA der Beschwerdeführerin das Ergebnis der Beweisaufnahme mit. Die Behörde teilte Ihr mit, dass ihr Mann angegeben hätte, dass sich eine Tatzkira bei seinem Bruder in Afghanistan befände. Weiters würden die afghanischen Botschaften angehalten werden, Reisepässe auszustellen. Dazu würde allerdings eine Tatzkira benötigt werden. Die Botschaften würden auch diesbezüglich den Antragtellern helfen. Zugleich würden die Botschaften die Antragsteller empfehlen, Vertrauenspersonen in Afghanistan zu kontaktieren, welche in Afghanistan die Ausstellung beschleunigen könnten. Die Behörde forderte die Beschwerdeführerin in dem Schreiben auf, gemeinsam mit dem Mann die afghanische Botschaft aufzusuchen und einen Antrag zu stellen. Die Behörde vertrat die Ansicht, dass es der Beschwerdeführerin möglich sei, einen Reisepass zu bekommen und daher wäre die Ausstellung eines Fremdenpasses nicht möglich. Die Behörde teilte ihr mit, dass der Antrag voraussichtlich aus diesem Grund abgelehnt werde.

4. Mit dem im Spruch bezeichneten Bescheid 05.12.2019 wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung eines Fremdenpasses im Interesse der Republik Österreich gem. § 88 Abs. 2a FPG ab. Begründend führte das BFA im Wesentlichen aus, das es der Beschwerdeführerin möglich sei, einen Reisepass zu erlagen und daher sei die Ausstellung eines Fremdenpasses nicht zulässig. Sie könne beim Tatzkira-Amt im Iran über die afghanische Botschaft eine Tatzkira beantragen. Um den Prozess zu beschleunigen könne sie die im Iran lebenden Verwandten ersuchen, die Angelegenheit zu beschleunigen.

5. Dagegen richtet sich die gegenständliche Beschwerde, die im Wesentlichen moniert, dass es der Beschwerdeführerin gerade nicht möglich sei, eine Tatzkira und im weiteren Verlauf einen Reisepass zu beantragen. Es treffe zu, dass sie Verwandte im Iran hat, jedoch sei die Ausstellung der Tatzkira im Iran nicht möglich, sondern nur in Afghanistan selber. Zudem müsse die Tatzkira persönlich abgeholt werden. Dies wäre bei Ihr nicht möglich und stehe ihr deswegen ein Fremdenpass zu. Verwiesen wird auf die Jud des BvWG W231 2017812-2/12E, W148 2111026-1/12E. Die beiden Fälle seien vergleichbar mit dem gegenständlichen Verfahren, denn in beiden Fällen ist dargelegt, das eine Ausstellung einer Tatzkira nur persönlich an den Antragsteller in Afghanistan ausgehändigt werden könne.

6. Am 19.02.2020 wurde seitens des BvWG an die Parteien folgendes Schreiben gesandt:

"Im Rahmen des Parteiengehörs wird Ihnen das angeschlossene Dokument übermittelt. Sie haben die Möglichkeit binnen 14 Tagen ab Zustellung dazu Stellung zu nehmen.

Zugleich wird das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ersucht, das Ergebnis der Staatendokumentation vom 18.01.2018 dem VwG zu übersenden. In dem Bescheid wird auf eine Stellungnahme der Staatendokumentation vom 18.01.2019 verwiesen, die dem Akt nicht beiliegt.

Zugleich wird die Beschwerdeführerin ersucht, dem VwG nachweislich die Versuche und Bemühungen in der afghanischen Botschaft in Österreich oder im Iran durch die Verwandten vorzulegen, um den Beweis zu führen, dass sie tatsächlich keinen Reisepass oder Tatzkira bekommt."

Die erwähnte Beilage war folgendes Dokument:

"ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation Anfragebeantwortung zum Iran: Möglichkeit für illegal im Iran lebende afghanische Personen, Dokumente von der afghanischen Botschaft in Teheran zu erhalten [a-10351-v2]"

7. Am 26.02.2020 langte eine Stellungnahme der Behörde ein. Sie brachte vor, dass die seitens des BvWG übersandten Berichte veraltet seien. Laut dem neueren Dokument, aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 11.10.2019 geht hervor, dass im Iran zwei afghanische Vertretungen Tatzkiras direkt (Bericht der Schweizer Behörden vom 05.10.2018) ausstellen würden.

Die Behörde brachte somit folgendes Dokument in das Verfahren ein:

"Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Afghanistan, Tatzkira im Ausland, Anfragende Stelle: BFA RD Wien, vom 11.10.2019"

Die BF ersuchte um Fristerstreckung bis zum 25.03.2020, dem seitens des Gerichts zugestimmt wurde. Bis zum heutigen Tag langte keine Stellungnahem der BF ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin ist afghanische Staatsangehörige, die sich der sich seit Oktober 2015 in Österreich aufhält. Sie hat eine Mutter und sieben Geschwister im Iran.

Mit Bescheid vom 29.09.2017 wurde ihr erstmalig die subsidiäre Schutzberechtigung zuerkannt. Mit Bescheid vom 02.10.2018 wurde die erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 29.09.2020 verlängert.

Die BF könnte sich einen Tatzkira im Iran beschaffen. Damit könnte sie sich einen afgh. Reisepass bei der Vertretungsbehörde in Wien besorgen.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem Akteninhalt und der gerichtlich durchgeführten Erhebung (sh dazu Punkt 0). Insbesondere geht aus dem Bericht "Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Afghanistan, Tatzkira im Ausland, Anfragende Stelle: BFA RD Wien, vom 11.10.2019" hervor, dass es den Verwandten im Iran - die sie besitzt - möglich ist, eine Tatzkira für die Beschwerdeführerin ausstellen zu lassen. Damit ist es ihr möglich, sich einen Reisepass ausstellen zu lassen.

Die Beschwerdeführerin hat ab dem 19.02.2020 bis zum heutigen Tag dem Verwaltungsgericht keinen Nachweis darüber vorgelegt, dass sie sich in irgendeiner Weise bemüht hätte einen Reisepass zu bekommen, obgleich ihr auch eine Fristerstreckung bis zum 25.03.2020 zugebilligt wurde.

Die Ausstellung eines Fremdenpasses im Interesse der Republik wurde nicht begründet. Die Ausstellung ergeht alleine aus persönlichen Gründen, wobei ihr der Beweis nicht gelungen ist, nachzuweisen, dass sie keinen Reisepass bekommen kann. Der seitens der Behörde eingebrachte Bericht zeigt, dass es den Verwandten im Iran möglich ist eine Tatzikar für sie zu erlangen. Damit könnte sie danach bei der afgh. Vertretungsbehörde in Österreich einen Reisepass beantragen. Nachdem sie keinerlei Bemühungen nachweisen konnte, dass sie diesen Weg gegangen ist, muss davon ausgehen, dass sie lediglich einen Antrag gestellt hat. Es ist ihr somit nicht gelungen nachzuweisen, dass sie keinen afgh. Reisepass erhält.

Zudem brachten die Beschwerdeführerin bei der Antragstellung hinsichtlich der Frage, warum sie keinen eigenen Reisepass bekommen könne lediglich an, dass sie keine Verwandten in Afghanistan habe und keine Tatzkira. Jedoch könnte sie - wie angegeben - durch die Verwandten im Iran eine solche Tatzkira beantragen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A):

§ 88 FPG lautet:

§ 88. (1) Fremdenpässe können, sofern dies im Hinblick auf die

Person des Betroffenen im Interesse der Republik gelegen ist, auf Antrag ausgestellt werden für

1. Staatenlose oder Personen ungeklärter Staatsangehörigkeit, die kein gültiges Reisedokument besitzen;

2. ausländische Staatsangehörige, die über ein unbefristetes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet verfügen und nicht in der Lage sind, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen;

3. ausländische Staatsangehörige, die nicht in der Lage sind, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen und bei denen im Übrigen die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels ?Daueraufenthalt - EU' (§ 45 NAG) gegeben sind;

4. ausländische Staatsangehörige, die nicht in der Lage sind, sich das für die Auswanderung aus dem Bundesgebiet erforderliche Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen oder

5. ausländische Staatsangehörige, die seit mindestens vier Jahren ununterbrochen ihren Hauptwohnsitz im Bundesgebiet haben, sofern der zuständige Bundesminister oder die Landesregierung bestätigt, dass die Ausstellung des Fremdenpasses wegen der vom Fremden erbrachten oder zu erwartenden Leistungen im Interesse des Bundes oder des Landes liegt.

(2) Fremdenpässe können auf Antrag weiters ausgestellt werden für Staatenlose, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, oder Personen ungeklärter Staatsangehörigkeit, die kein gültiges Reisedokument besitzen und sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten.

(2a) Fremdenpässe sind Fremden, denen in Österreich der Status des subsidiär Schutzberechtigten zukommt und die nicht in der Lage sind, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen, auf Antrag auszustellen, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen.

(3) Die Gestaltung der Fremdenpässe wird entsprechend den für solche Reisedokumente international üblichen Anforderungen durch Verordnung des Bundesministers für Inneres bestimmt. Im Übrigen hat die Verordnung den für Reisepässe geltenden Regelungen des Paßgesetzes 1992, BGBl. Nr. 839, zu entsprechen.

(4) Hinsichtlich der weiteren Verfahrensbestimmungen über die Ausstellung eines Fremdenpasses, der Bestimmungen über die Verarbeitung und Löschung von personenbezogenen Daten und der weiteren Bestimmungen über den Dienstleister gelten die Bestimmungen des Passgesetzes entsprechend."

Der Umstand, der Fremdenpass werde benötigt, damit der Fremde reisen könne, bildet nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes keinen Grund, der ein öffentliches Interesse dartun könnte (vgl. VwGH 02.09.1999, 96/18/0137, VwGH 19.11.2003, 2003/21/0053).

Die Regelung des § 88 Abs. 1 FPG hält an der bisherigen Systematik fest, dass die Ausstellung eines Fremdenpasses nicht nur im Interesse des Betroffenen liegen muss, sondern vielmehr auch ein positives Interesse der Republik Österreich an der Ausstellung vorliegen muss (vgl. die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zu BGBl. I 2009/122 [330 BlgNR XXIV. GP]).

Im Ergebnis kann die Beschwerdeführerin mit dem Vorbringen, sie hätte in Afghanistan keine Verwandten und keine Tatzkiara nichts gewinnen, denn sie könnte sich im Iran eine solche Tatzkira beschaffen.

Das BFA ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführerin der beantragte Fremdenpass gemäß § 88 Absatz 2a FPG nicht auszustellen war.

Zum Entfall der Beschwerdeverhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012, kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint; im Übrigen gilt § 24 VwGVG. Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteienantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen. Im vorliegenden Fall geht der Sachverhalt eindeutig aus den Akten hervor und die mündliche Erörterung lässt eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten.

Zu B) - Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde unter A) wiedergegeben.

Schlagworte

Fremdenpass Mitwirkungspflicht Reisedokument Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W257.2174886.2.00

Im RIS seit

11.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

11.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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