TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/18 L511 2224962-1

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Veröffentlicht am 18.06.2020
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Entscheidungsdatum

18.06.2020

Norm

AlVG §24
AlVG §25
AlVG §33
AlVG §36
AlVG §36a
AlVG §38
B-VG Art133 Abs4
Notstandshilfeverordnung §6

Spruch

L511 2224962-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a JICHA als Vorsitzende und die fachkundigen Laienrichter*innen Mag. SIGHARTNER und Mag.a WOLTRAN als Beisitzer*innen über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice XXXX vom 14.08.2019, Zahl: XXXX , nach Beschwerdevorentscheidung vom 04.10.2019, Zahl: XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 24 Abs. 2 und § 25 Abs. 1 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG) teilweise stattgegeben und die Beschwerdevorentscheidung vom 04.10.2019 bestätigt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Verfahrensinhalt

1. Verfahren vor dem Arbeitsmarktservice [AMS]

1.1. Die Beschwerdeführerin bezog soweit verfahrensgegenständlich relevant von 01.02.2017 bis 31.01.2018 mit Bezugsunterbrechungen Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung iHv EUR 29,22 täglich (Ordnungszahl des Gerichtsverfahrensaktes [OZ] 2).

1.2. Mit Bescheid des AMS vom 14.08.2019, Zahl: XXXX , wurde gemäß § 38 iVm § 24 Abs. 2 AlVG der Leistungsbezug für 01.02.2017 bis 31.01.2018 widerrufen bzw. die Bemessung rückwirkend berichtigt und die Beschwerdeführerin gemäß § 25 Abs. 1 AlVG zur Rückzahlung der unberechtigt empfangenen Leistung in der Höhe von EUR 8.240,04 verpflichtet (Aktenzahl der elektronisch übermittelten Aktenteile [im Folgenden: AZ] 3).

Begründend wurde ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe für diese Zeiträume zu Unrecht Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bezogen, da das Einkommen ihres Ehemannes die gesetzliche Freigrenze überstiegen habe.

1.3. Mit Schreiben vom 04.09.2019 erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde [Bsw] gegen den Bescheid des AMS (AZ 4).

Die Beschwerdeführerin führte begründend aus, sie habe die Erklärungen zum Einkommen ihres Ehemannes nach bestem Wissen nach der Einnahmen-Ausgaben-Rechnung gemacht. In Monaten in denen der Ehemann viel verdient habe, sei die Beschwerdeführerin nicht beim AMS gemeldet gewesen (Oktober bis Dezember 2017). Auf die Notstandshilfe sei sie angewiesen, da sie zwei minderjährige Kinder zu versorgen habe und eine Kürzung des Leistungsbezuges die Arbeitssuche auch erschwere, da sie sich die Nachmittagsbetreuung dann nicht mehr leisten könne. Über pfändbares Eigentum verfüge die Familie nicht mehr, da im Juni 2019 ein Abschöpfungsverfahren betreffend den Ehemann eingeleitet worden sei.

1.4. Im Zuge des vom AMS weitergeführten Ermittlungsverfahrens wurde der Beschwerdeführerin unter Einräumung einer Stellungnahmefrist die Sach- und Rechtslage sowie insbesondere die Berechnungsgrundlagen zur Kenntnis gebracht (AZ 7). Bei Beantragung der Notstandshilfe am 03.01.2018 habe die Beschwerdeführerin erstmals angegeben, dass erhöhte Aufwendungen idHv EUR 240,00 monatlich für Alimente vorlägen. Nach der Notstandshilfe-Verordnung [NHVO] sei betreffend das Jahr 2017 vom Nettoeinkommen des Partners die gesetzliche Freigrenze von EUR 1.490,00 (EUR 647,00 für den Partner und je EUR 281,00 pro Kind) bzw. betreffend das Jahr 2018 EUR 1.513,50 (EUR 657,00 für den Partner und je EUR 285,50 pro Kind) abzuziehen. Abzüglich der Freigrenzen verbleibe im Jahr 2017 ein Anspruch idHv EUR 4,21 bzw. im Jahr 2018 EUR 4,96 täglich anstatt der täglich ausbezahlten EUR 29,22. Eine monatliche Einkommensfeststellung bzw. Gewinnermittlung sehe das Einkommensteuergesetz nicht vor, weshalb der Einwand, dass die Beschwerdeführerin in den Monaten Oktober bis Dezember 2017 nicht beim AMS gemeldet gewesen sei, ins Leere gehe. Die Notstandshilfe sei daher rückwirkend zu berichtigen und unter Berücksichtigung der bezahlten Alimente EUR 7.031,07 zurückzufordern.

Mit Stellungnahme vom 27.09.2019 (AZ 6) gab die Beschwerdeführerin an, dass bei der Berechnung auch die Versicherungsbeiträge 2017 idHv EUR 9.384,84 zu berücksichtigen seien. Diese seien in der Einnahmen-Ausgaben-Rechnung nicht beinhaltet gewesen, da der Versicherungsbeitrag von der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft [SVA]erst später nachverrechnet worden sei. Es ergebe sich somit ein jährliches Nettoeinkommen iHv EUR 17.636,26.

1.5. Mit Bescheid vom 04.10.2019, Zahl: XXXX , zugestellt am 16.08.2019, gab das AMS im Rahmen einer Beschwerdevorentscheidung [BVE] gemäß § 14 VwGVG iVm § 56 AlVG der Beschwerde teilweise statt und berichtigte die Notstandshilfe und setzte den Rückforderungsbetrag auf EUR 7.031,07 herab (AZ 12).

Das AMS führte begründend aus wie bereits im Parteiengehör. Ergänzend wurde darauf hingewiesen, eine Berücksichtigung der Sozialversicherungsbeiträge sei nicht möglich, da die SVA die Beiträge nachverrechnet habe und sie somit nicht als Aufwendungen im Jahr 2017 angefallen seien.

1.6. Mit Schreiben vom 21.10.2019 beantragte die Beschwerdeführerin fristgerecht die Vorlage der Beschwerde (AZ 9).

2. Die belangte Behörde legte am 31.10.2019 dem Bundesverwaltungsgericht [BVwG] Auszüge aus dem Verwaltungsakt, in elektronischer Form vor (OZ 1 [=AZ 1-12]).

2.1. Das BVwG ersuchte das AMS und die Beschwerdeführerin um Vorlage weiterer Aktenteile (OZ 2-4).

II. Zu A) Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. entscheidungswesentliche Feststellungen

1.1. Die Beschwerdeführerin bezog in den verfahrensgegenständlich betroffenen Zeiträumen 2017 und 2018 von 01.02.2017 bis 06.04.2017, von 14.04.2017 bis 18.10.2017 und von 03.01.2018 bis 31.01.2018 unter Berücksichtigung des angegebenen vorläufigen Partnereinkommens Notstandshilfe iHv EUR 29,22 täglich (OZ 2).

1.2. Der Ehemann der Beschwerdeführerin war im Jahr 2017 durchgehend selbständig erwerbstätig, wobei der laufende Umsatz des Ehemannes der Beschwerdeführerin im Laufe des Jahres 2017 Schwankungen unterlag (AZ 4).

1.3. Der Einkommensteuerbescheid des Ehemannes für das Jahr 2017 datiert vom 19.12.2018 und weist Einkünfte aus Gewerbebetrieb iHv EUR 35.622,10, ein Einkommen nach Abzug der Sonderausgaben iHv EUR 34.382,10 sowie eine Einkommensteuer iHv EUR 7.370,00 auf (AZ 1; OZ 4).

1.4. Bei der Einnahmen-Ausgaben-Rechnung 2017 wurden die Sozialversicherungsbeiträge noch nicht berücksichtigt, da diese von der SVA zu einem späteren Zeitpunkt nachverrechnet wurden (AZ 6; OZ 4).

1.5. Die Beschwerdeführerin lebt mit ihrem Ehemann und zwei minderjährigen Kindern im gemeinsamen Haushalt. Für ein weiteres nicht haushaltszugehöriges Kind leistete der Ehemann im Jahr 2017 monatliche Unterhaltszahlungen (AZ 2).

2. Beweisaufnahme und Beweiswürdigung

2.1. Die Beweisaufnahme erfolgte durch Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsverfahrensakt, aus dem sich auch der unter I. dargelegte Verfahrensgang ergibt (OZ 1 [=AZ 1-12]). Zur Entscheidungsfindung wurden vom BVwG insbesondere folgende Unterlagen herangezogen:

* Bescheid, Parteiengehör und Beschwerdevorentscheidung des AMS (AZ 3, 7)

* Beschwerde, Stellungnahme und Vorlageantrag der Beschwerdeführerin (AZ 4, 6, 9)

* Einkommensteuerbescheid 2017 und Sozialversicherungsunterlagen betreffend den Ehemann der Beschwerdeführerin (AZ 1; OZ 4)

* Kontoauszug hins. Unterhaltszahlungen des Ehemannes (AZ 2)

* Leistungsmitteilung des AMS vom 07.12.2018 (OZ 2)

* Datenauszug des AMS hinsichtlich der erfolgten Auszahlungen an die Beschwerdeführerin (OZ 2)

2.2. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich unmittelbar ohne weitere Interpretation aus den jeweils zitierten Aktenteilen, wobei weder die Beschwerdeführerin noch das AMS diesen entgegengetreten sind.

2.2.1.1. Das BVwG bezweifelt die Angaben der Beschwerdeführerin nicht, wonach der Umsatz ihres Ehemannes im Laufe des Jahres 2017 Schwankungen unterlag. Zumal sich jedoch weder daraus, noch sonst aus dem Verfahrensakt, Hinweise auf eine Unterbrechung der selbständigen Erwerbstätigkeit des Ehemannes ergeben, ist eine durchgehende selbständige Erwerbstätigkeit festzustellen.

2.2.1.2. Dass die Sozialversicherungsbeiträge für 2017 in der Einnahmen-Ausgaben-Rechnung 2017 keine Berücksichtigung gefunden haben, lässt sich zwar mit den vorliegenden Unterlagen nicht nachvollziehen, begegnet aber auch keinen Bedenken (OZ 4).

3. Entfall der mündlichen Verhandlung

3.1. Der Anspruch einer Partei auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist kein absoluter (§ 24 VwGVG unter Hinweis auf Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, [EMRK] noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 [GRC]). Nach der Rechtsprechung des EGMR und ihm folgend des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt unumstritten und nur eine Rechtsfrage zu entscheiden ist oder wenn die Sache keine besondere Komplexität aufweist (vgl. dazu für viele EGMR 12.11.2002, Döry / S, Rn37; VfGH 20.02.2015, B1534; sowie jüngst VwGH 18.12.2018, Ra 2018/03/0132, jeweils mwN).

3.2. Im gegenständlichen Fall ergab sich klar aus der Aktenlage, dass von einer mündlichen Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten war. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich zur Gänze aus den den Verfahrensparteien bekannten vorliegenden Aktenteilen und war weder ergänzungsbedürftig noch erschien er in entscheidenden Punkten als nicht richtig.

4. Rechtliche Beurteilung

4.1.1. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung fachkundiger Laienrichter ergeben sich aus §§ 6, 7 Bundesgesetz über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes [BVwGG] iVm § 56 Abs. 2 AlVG (vgl. VwGH vom 07.09.2017, Ra2017/08/0081). Das Verfahren des Bundesverwaltungsgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) geregelt. Verfahrensgegenständlich sind demnach neben dem VwGVG auch die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, sowie jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen sinngemäß anzuwenden, die das AMS im erstinstanzlichen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (§ 17 VwGVG).

4.1.2. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die an die Stelle des Ausgangsbescheides getretene Beschwerdevorentscheidung, wobei der Ausgangsbescheid Maßstab dafür bleibt, ob die Beschwerde berechtigt ist oder nicht, da sich diese gegen den Ausgangsbescheid richtet und ihre Begründung auf diesen beziehen muss (VwGH 20.05.2015, Ra2015/09/0025; 17.12.2015, Ro2015/08/0026).

4.1.3. Die Beschwerde und der Vorlageantrag sind rechtzeitig und auch sonst zulässig.

4.2. Teilweise Stattgabe der Beschwerde

4.2.1. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist (auf Grund der teilweisen Stattgabe der Beschwerde mit der Beschwerdevorentscheidung nur mehr) die Berichtigung des Leistungsbezuges für die Zeiträume 01.02.2017 bis 06.04.2017, von 14.04.2017 bis 18.10.2017 und von 03.01.2018 bis 31.01.2018, sowie die Verpflichtung zur Rückzahlung der unberechtigt empfangenen Leistung in der Höhe von EUR 7.031,07.

4.2.2. Da Ansprüche auf Leistungsbezug aus der Arbeitslosenversicherung zeitraumbezogen zu beurteilen sind (VwGH 07.04.2016, Ro2014/08/0037 mwN), kommt verfahrensgegenständlich das AlVG in der anzuwendenen Fassung BGBl I Nr. 157/2017 [AlVG] sowie die Notstandshilfeverordnung [NHVO] zur Anwendung, wonach das Einkommen des Ehepartners bei der Berechnung der Notstandshilfe noch zu berücksichtigen war.

Gemäß § 33 Abs. 2 AlVG ist Voraussetzung für die Gewährung der Notstandshilfe unter anderem, dass sich der Arbeitslose in einer Notlage iSd § 33 Abs. 3 AlVG befindet. Nach § 33 Abs. 3 AlVG liegt Notlage vor, wenn dem Arbeitslosen die Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse unmöglich ist. Gemäß § 36 Abs. 2 AlVG sind bei der Beurteilung der Notlage die gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitslosen selbst, sowie des mit dem Arbeitslosen im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehepartners, Lebensgefährten oder eingetragenen Partners zu berücksichtigen.

4.2.3. Im vorliegenden Fall ist (nur) strittig, ob bei der Berechnung des anrechenbaren Einkommens des Ehemannes der Beschwerdeführerin die Sozialversicherung für das Jahr 2017 sowie die monatlichen Umsatzschwankungen zu berücksichtigen sind.

Zum anrechenbaren Monatseinkommen des Ehegatten

4.2.4. Das Einkommen des im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehepartners ist nach den Grundsätzen des § 36 Abs. 3 lit. B AlVG iVm § 36a AlVG und der auf dieser Grundlage ergangenen NHVO anzurechnen. Demnach sind vom Einkommen laut Einkommensteuerbescheid - dessen Spruch der Entscheidung über den Widerruf und die Rückforderung eines Notstandshilfebezuges bindend zugrunde zu legen ist (vgl. etwa VwGH 19.10.2011, 2008/08/0210) - vor der Anrechnung nur jene Beträge in Abzug zu bringen, die die jeweils maßgebliche Freigrenze nach § 36 Abs. 3 lit. B sublit. a bis c AlVG nicht überschreiten (VwGH 17.05.2018, Ra2018/08/0082).

Dass das im Einkommensteuerbescheid ausgewiesene Einkommen nicht immer dem tatsächlich liquiden Einkommen entspricht, hat der Verwaltungsgerichtshof dabei in ständiger Judikatur als unbedenklich qualifiziert (vgl. dazu etwa zu einkommensteuerrechtlich auf mehrere Jahre verteilten Veräußerungsgewinnen VwGH 14.03.2013, 2013/08/0022; zu reinen Buchgewinnen VwGH 18.02.2009, 2006/08/0033; zu Sanierungsgewinnen VwGH 30.04.2002, 2002/08/0014).

4.2.4.1. Vor diesem Hintergrund geht daher der Einwand der Beschwerdeführerin, die Sozialversicherungsbeiträge für das Jahr 2017 seien im Steuerbescheid nicht berücksichtigt, ins Leere, da für das AMS eine Bindung an den vorliegenden Einkommensteuerbescheid 2017 besteht. Ergänzend kommt hinzu, dass die Sozialversicherungsbeiträge 2017 laut Angaben der Beschwerdeführerin erst später nachverrechnet worden sind, weshalb diese das Einkommen 2017 auch nicht schmälern konnten.

4.2.5. § 36a Abs. 7 AlVG bestimmt, dass als monatliches Einkommen bei durchgehender selbständiger Erwerbstätigkeit ein Zwölftel des sich ergebenden Jahreseinkommens gilt. Die Zwölftelung des sich aus dem Einkommensteuerbescheid ergebenden Jahreseinkommens hat dann nicht Platz zu greifen, wenn die selbstständige Erwerbstätigkeit bloß vorübergehend ausgeübt wird (VwGH 20.02.2020, Ra2019/08/0109 mwN). Bei einer - wie gegenständlich vorliegend - durchgehenden selbständigen Erwerbstätigkeit kommt es auf die monatliche Einkommenssituation nach Zuflussgesichtspunkten, also auf die monatlichen Schwankungen, nicht an (VwGH E 19.10.2011, 2008/08/0238 mHa 20.11.2002, 2002/08/0032).

4.2.5.1. Die Zwölftelung des Jahreseinkommens zur Berechnung des monatlichen Einkommens unabhängig von Umsatzschwankungen im Jahresverlauf seitens des AMS erweist sich daher als korrekt.

4.2.6. Ausgehend von diesen Erwägungen erweist sich daher auch das vom AMS herangezogene monatliche Einkommen iHv EUR 2.251,01 (EUR 27.012,10 (=34.382,10-7.370,00)/12) als korrekt. Die weitere Berechnung insbesondere die Berücksichtigung der Freigrenzen, für 2017 EUR 647 für den Partner und EUR 843 für die Kinder, für 2018 EUR 657 für den Partner und EUR 856,50 für die Kinder) wurden von der Beschwerdeführerin nicht beanstandet, und ergeben sich auch aus Sicht des Senates keine diesbezüglichen Bedenken.

4.2.6.1. Das anrechenbare Monatseinkommen des Ehepartners der Beschwerdeführerin beträgt somit nach Abzug der Freigrenzen von für Jänner bis Dezember 2017 EUR 761, was einen täglichen Anrechnungsbetrag von EUR 25,01 ergibt, sowie für Jänner 2018 EUR 738, was einen täglichen Anrechnungsbetrag von EUR 24,26 ergibt.

Zur Berichtigung gemäß § 24 AlVG

4.2.7. Gemäß § 24 Abs. 2 AlVG ist die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes zu widerrufen oder die Bemessung rückwirkend zu berichtigen, wenn sich die Zuerkennung oder die Bemessung nachträglich als gesetzlich nicht begründet herausstellt.

4.2.8. Zumal gemäß § 6 Abs. 7 iVm § 5 Abs. 1 NH-VO das anrechenbare monatliche Einkommen auf die Notstandshilfe, die im Folgemonat gebührt, anzurechnen ist, ergibt sich der Berichtigungszeitraum von 01.02.2017 bis 31.01.2018 (mit Unterbrechungen).

Ausgehend von den oben festgestellten täglichen Anrechnungsbeträgen erweist sich die Berichtigung durch das AMS als korrekt.

von

bis

Tage

Ausbezahlte NH in EUR

Gebührende NH in EUR

Differenz

Differenz mal Tage in EUR

01.02.2017

06.04.2017

65

29,22

4,21

25,01

1.625,65

14.04.2017

18.10.2017

188

29,22

4,21

25,01

4.701,88

03.01.2018

31.01.2018

29

29,22

4,96

24,26

703,54

Summen

 

 

 

 

7.031,07

 

Zur Rückforderung gemäß § 25 AlVG

4.2.9. Wenn sich auf Grund eines nachträglich vorgelegten Einkommensteuerbescheides ergibt, dass die Leistung nicht oder nicht in diesem Umfang gebührte, so ist der Empfänger der Leistung nach § 25 Abs. 1 dritter Satz AlVG zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen unabhängig davon zu verpflichten, ob ihn ein Verschulden (am unberechtigten Empfang) trifft; der Rückforderungsbetrag darf jedoch das erzielte Einkommen nicht übersteigen. Diese Begrenzung der Rückforderung muss aber wegen des Auseinanderfallens von Einkommensbezieher und Rückzahlungspflichtigem bei der Anrechnung von Partnereinkommen ins Leere gehen. In diesem Fall bedarf es der genannten Begrenzung nicht, weil auszuschließen ist, dass vom Notstandshilfeempfänger mehr zurückgefordert wird, als ihm aus dem Einkommen seines Partners unter Zugrundelegung der Anrechnungsbestimmungen als zu Gute gekommen unterstellt wird (VwGH 14.02.2013, 2010/08/0071 mwN).

4.2.9.1. Vor diesem Hintergrund erweist sich daher die Rückforderung sowohl der Höhe nach als auch dem Grunde nach als korrekt.

4.2.10. Zusammenfassend erweist sich sowohl die in der Beschwerdevorentscheidung vorgenommene Berichtigung des Leistungsbezuges als auch die Rückforderung des unberechtigt Empfangenen als korrekt, weshalb der Beschwerde spruchgemäß teilweise stattzugeben ist.

III. ad B) Unzulässigkeit der Revision:

4.2.11. Die sich aus dem festgestellten Sachverhalt ergebende rechtliche Subsumtion bedurfte angesichts der einheitlichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 24 Abs. 2, § 25 Abs. 1 und § 36 AlVG iVm § 6 NHVO keiner Lösung einer erheblichen Rechtsfrage. Zur zeitraumbezogenen Beurteilung VwGH 07.04.2016, Ro2014/08/0037; zur Bindung an Einkommensteuerbescheide VwGH 17.05.2018, Ra2018/08/0082, zur Zwölftelung des Einkommens bei durchgehender selbständiger Erwerbstätigkeit VwGH 20.02.2020, Ra2019/08/0109 mwN und 19.10.2011, 2008/08/0238; zur Berücksichtigung von Sorgepflichten VwGH 04.05.2017, Ra2017/08/0029; 07.09.2011, 2008/08/0085. Zum Widerruf und zur Rückzahlungsverpflichtung bei Partnereinkommensanrechnung exemplarisch VwGH 14.02.2013, 2010/08/0071 mwN.

Der Entfall der mündlichen Verhandlung steht weder mit der Judikatur der Höchstgerichte noch mit der Judikatur des EGMR in Widerspruch, siehe dazu insbesondere VwGH 26.01.2017, Ra2016/07/0061 mwN, und es ergeben sich auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage, so dass insgesamt die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht vorliegen.

Schlagworte

Anrechnung Berechnung Berichtigung Beschwerdevorentscheidung Ehepartner Einkommenssteuerbescheid Notstandshilfe Rückforderung selbstständig Erwerbstätiger Teilstattgebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L511.2224962.1.00

Im RIS seit

09.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

09.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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