TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/19 W262 2217988-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.06.2020
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Entscheidungsdatum

19.06.2020

Norm

AVG §74 Abs2
BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W262 2217988-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia JERABEK als Vorsitzende und die Richterin Mag. Claudia MARIK sowie die fachkundige Laienrichterin Mag. Bettina PINTER als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , vertreten durch Dr. Wolfgang ULM Rechtsanwalt-GmbH, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 28.02.2019, nach Beschwerdevorentscheidung vom 08.04.2019, OB XXXX , betreffend Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses zu Recht erkannt:

A)       I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und die Beschwerdevorentscheidung bestätigt.

II. Das Kostenbegehren wird gemäß § 17 VwGVG iVm § 74 Abs. 2 AVG als unzulässig zurückgewiesen.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin beantragte am 30.08.2018 beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich (im Folgenden als „belangte Behörde“ bezeichnet), die Ausstellung eines Behindertenpasses und legte aktuelle medizinische Befunde vor.

2. Die belangte Behörde holte in der Folge ein Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin ein. In dem nach persönlicher Untersuchung der Beschwerdeführerin am 13.12.2018 erstatteten Gutachten vom 14.12.2018 wurde auszugsweise Folgendes ausgeführt:

„…

Anamnese:

2013 Z.n. Brunelli Bandplastik rechte Hand, 01/18 Z.n. operativer Sanierung einer scapholunären Bandruptur links, am 31.10.2018 Z.n. Re-OP Scaphoid-Ektomie, Four Corner-Fusion linke Hand, Gipsfixation bis 14.12.2018, außerdem Anpassungsstörung und Hinweis auf Teilleistungsstörung.

Derzeitige Beschwerden:

Einschränkung in der Beweglichkeit in beiden Handgelenken, weniger Kraft in der rechten Hand.

Untersuchungsbefund:

….

Klinischer Status – Fachstatus:

36-jährige Frau kommt gehend in Begleitung ihres kleinen Sohnes in meine Ordination. Caput/Collum: Optomotorik unauffällig, Pupillen rund isocor, reagieren prompt auf Licht, die einsehbaren Schleimhäute gut durchblutet, Zähne saniert. Thorax symmetrisch, Herzaktion rein rhythmisch normocard, Vesikuläratmung, keine pathologischen RGs auskultierbar. Abdomen weich eindrückbar, Leber am Rippenbogen, Milz nicht tastbar. Durchblutung und grob neurologisch unauffällig.

Gesamtmobilität – Gangbild:

Extremitäten: OE: dorsal und palmar blande Narbe im Bereich des rechten Handgelenks, das rechte Handgelenke in der Palmar- und Dorsalflexion mittelgradig eingeschränkt, die Seitwärtsflexion endlagig eingeschränkt, Pro- und Supination frei, Faustschluss beidseits komplett, grobe Kraft beidseits gut, linkes Handgelenk wegen Gipsfixation nicht prüfbar, die übrigen Gelenke der OE und UE altersentsprechend frei beweglich, WS: in allen Ebenen frei beweglich, Finger-Bodenabstand: 0cm. Das Gangbild normalschrittig und flüssig, Einbeinstand, Zehen- und Fersengang beidseits durchführbar.

Status Psychicus: bewusstseinsklar, allseits orientiert, Stimmungslage euthym, Allgemeintempo von normaler Schnelligkeit, Gedächtnis und Konzentration unauffällig

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

Gdb %

1

Zustand nach Bandplastik rechte Hand und zweimaliger Band/Handwurzelknochen-Operation linke Hand

02.06.23

30

2

Anpassungsstörung und Hinweis auf Teilleistungsstörung

1 Stufe über dem unteren Rahmensatz bei regelmäßiger medikamentöser Monotherapie

03.06.01

20


Gesamtgrad der Behinderung          30 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Leiden 1 wird durch Leiden 2 bei fehlender wechselseitiger Leidensbeeinflussung nicht erhöht.

Dauerzustand.

…“

3. Die Beschwerdeführerin erstattete im Rahmen des Parteiengehörs zu diesem Gutachten eine als „Einspruch“ bezeichnete Stellungnahme und führte aus, dass ihre linke Hand zum Zeitpunkt der Untersuchung eingegipst gewesen sei, weshalb sie nicht begutachtet habe werden können, und legte medizinische Unterlagen ihres behandelnden Arztes bei.

4. In der Folge holte die belangte Behörde eine Stellungnahme der bereits befassten Ärztin für Allgemeinmedizin vom 27.02.2019 ein:

„…

Frau XXXX erklärt sich mit dem Ergebnis vom 01.02.2019 (GdB 30%) nicht einverstanden, da bei der klinischen Untersuchung die linke Hand im Gipsverband war.

Ein Ambulanzbericht (zwar unvollständig, aber vermutlich vom KH XXXX , Unfallchirurgie) vom 01.02.2019 wird nachgereicht: ‚Patientin ist in Ruhe und bei leichter Belastung schmerzfrei. Die Palmarflexion ist noch deutlich eingeschränkt. Die Dorsalextension recht gut, ebenso die Radial- und Ulnarduktion. Empfehle Fortsetzung der Physiotherapie. Zunehmende Belastungssteigerung.‘

Die oben angeführte Funktionseinschränkung im linken Handgelenk ist mit der im Gutachten getroffenen Positionsnummer 02.06.23 ‚Funktionseinschränkung im Handgelenk mittleren Grades beidseitig‘ gut vereinbar.

Daher wird eine Änderung der Gesamteinschätzung nicht vorgeschlagen, da die relevanten objektivierbaren Gesundheitsschädigungen und Funktionsbehinderungen in der Beurteilung nach dem BBG entsprechend berücksichtigt und bewertet wurden.“

5. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 28.02.2019 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß §§ 40, 41 und 45 BBG abgewiesen. Begründend stützte sich die belangte Behörde auf die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens, welche einen Grad der Behinderung von 30 v.H. ergeben habe. Das Sachverständigengutachten vom 14.12.2018 und die Stellungnahme vom 27.02.2019 wurden der Beschwerdeführerin als Beilagen zum Bescheid übermittelt.

6. Gegen diesen Bescheid erhob die nunmehr anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde und führte zusammengefasst aus, ihre linke Hand sei bei der Untersuchung eingegipst gewesen und habe nicht untersucht werden können. Darüber hinaus fehle es der linken Hand an Grifffestigkeit und Kraft; diese schwelle bei Anstrengungen an und beginne zu zittern. Darüber hinaus sei ihre Lernschwäche zu wenig berücksichtigt worden. Der Beschwerde wurden diverse medizinische Unterlagen und ein Abschlusszeugnis einer allgemeinen Sonderschule beigelegt. Abschließend beantragte die Beschwerdeführerin, den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass ein Grad der Behinderung von 50 v.H. festgestellt werde, in eventu den angefochtenen Bescheid aufzuheben. Weiters wurde der Zuspruch von Kostenersatz beantragt.

7. Die belangte Behörde holte in der Folge ein Sachverständigengutachten einer bisher noch nicht befassten Ärztin für Allgemeinmedizin ein. In dem nach persönlicher Untersuchung der Beschwerdeführerin am 08.04.2019 erstatteten Gutachten vom selben Tag wurde auszugsweise Folgendes ausgeführt:

„…

Anamnese:

Beschwerdevorentscheidung  

Beschwerde, da die linke Hand aufgrund der Gipsversorgung nicht untersucht werden konnte. Die Beschwerdeführerin kann mit der linken Hand kaum mehr manipulieren. In der rechten Hand wurde ein Metallteil eingesetzt, es bestehen zwar keine Schmerzen, allerdings fehlen die Grifffestigkeit und die Kraft in der rechten Hand

Weiters besteht eine Lernschwäche; unter anderem aufgrund ihrer Legasthenie hat sie die Allgemeine Landes-Sonderschule III für körperbehinderte Kinder im XXXX besucht.  

Siehe auch VGA vom 13.12.2018: Zustand nach Bandplastik rechte Hand und zweimaliger Band-Handwurzelknochen-Operation linke Hand 30%, Anpassungsstörung und Hinweis auf Teilleistungsstörung 20%, Gesamt-GdB 30%

Derzeitige Beschwerden:

Wie ich das letzte Mal hier war, hatte ich auf der linken Hand noch einen Gips, der ist im Dezember entfernt worden. Ich mache noch physikalische Therapie mit der linken Hand. Im Jänner 2018 hatte ich eine Sehnenoperation, weil ich einen Sehnenriss hatte. Mir wurden Sachen im Gelenk gelassen, die schon entfernt werden hätten sollen, wie das Kahnbein. Im August ist mir ein Farbkübel auf die linke Hand gefallen. Ich müsste dann wieder im 10/2018 operiert werden. Die Hand ist noch immer angeschwollen und auch blau, die Kraft ist noch nicht da. Die rechte Hand ist auch schon versteift worden, weil ich auch einen Sehnenriss hatte. Mit der rechten Hand habe ich keine Beschwerden. Ich bin hier wegen der linken Hand, da habe ich eine Platte mit 8 Schrauben bekommen.

Untersuchungsbefund:

Klinischer Status – Fachstatus:

36 Jahre, Haut/Farbe: rosig sichtbare Schleimhäute gut durchblutet, Caput: Visus: unauffällig Hörvermögen nicht eingeschränkt, keine Lippenzyanose, Sensorium: altersentsprechend, HNA frei, Collum: SD: schluckverschieblich, keine Einflussstauung, Lymphknoten: nicht palpabel, Thorax. Symmetrisch, elastisch, Cor: Rhythmisch, rein, normfrequent, Pulmo: Vesikuläratmung, keine Atemnebengeräusche, keine Dyspnoe, Abdomen: Bauchdecke: weich, kein Druckschmerz, keine Resistenzen tastbar, Hepar am Ribo, Lien nicht palp. Nierenlager: Frei. Pulse: Allseits tastbar.

Obere Extremität: Symmetrische Muskelverhältnisse. Nackengriff und Schürzengriff bds. uneingeschränkt durchführbar, grobe Kraft links mittelgradig vermindert, Faustschluss und Spitzgriff bds. durchführbar. Handgelenke: reaktionlose Narben beidseits, beide HG verplumpt, rechts geringgradige Flexion und Extension möglich, links: Geringgradige Extention möglich, Flexion nicht möglich, die übrigen Gelenke altersentsprechend frei beweglich. Sensibilität wird unauffällig angegeben.

Untere Extremität: Zehenspitzen und Fersenstand sowie Einbeinstand bds. durchführbar, beide Beine von der Unterlage abhebbar, grobe Kraft bds. nicht vermindert, freie Beweglichkeit in Hüftgelenken und Kniegelenken, bandstabil, kein Erguss, symmetrische Muskelverhältnisse, Sensibilität wird unauffällig angegeben keine Varikositas, keine Ödeme bds.

Wirbelsäule: Kein Klopfschmerz, Finger-Bodenabstand im Stehen: 0cm.

Rotation und Seitwärtsneigung in allen Ebenen frei beweglich.

Gesamtmobilität – Gangbild:

Normales Gangbild.

Status Psychicus: bewusstseinsklar, orientiert, kein kognitives-mnestisches Defizit, Gedankenstruktur: geordnet, kohärent, keine Denkstörung, Konzentration ungestört, Antrieb unauffällig, Stimmungslage ausgeglichen, gut affizierbar, Affekte angepasst, keine produktive Symptomatik.

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

Gdb %

1

Hochgradige Funktionseinschränkung beider Handgelenke.

02.06.25

40

2

Anpassungsstörung und Hinweis auf Teilleistungsstörung.

1 Stufe über dem unteren Rahmensatz bei regelmäßiger medikamentöser Monotherapie.

03.06.01

20

Gesamtgrad der Behinderung  40 v.H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Weil der führende GdB unter der Position 1 durch Leiden 2 nicht erhöht wird, da keine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung vorliegt.

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Anhebung des Leidens Position 1, da hochgradige Funktionseinschränkung beidseits. Gleichbleiben von Leiden 2.

Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:

Anhebung des GdB um 1 Stufe.

Dauerzustand.

…“

8. Mit Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom 08.04.2019 wurde die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid vom 28.02.2019 gemäß §§ 40, 41 und 46 BBG iVm § 14 VwGVG abgewiesen und festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 40 v.H. nicht vorliegen. Begründend wurde auf die Ergebnisse des im Zuge der Ergänzung des Ermittlungsverfahrens eingeholten Sachverständigengutachtens vom 08.04.2019 verwiesen. Dieses wurde der Beschwerdeführerin als Beilage zur Beschwerdevorentscheidung übermittelt.

9. Die Beschwerde, der Vorlageantrag und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 25.04.2019 vorgelegt.

10. Das Bundesverwaltungsgericht holte in der Folge ein Sachverständigengutachten einer bisher noch nicht befassten Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin ein. In dem nach persönlicher Untersuchung der Beschwerdeführerin am 11.07.2019 erstellten Gutachten vom 19.07.2019 wurde auszugsweise Folgendes ausgeführt (ergänzt um die Fragestellungen des Bundesverwaltungsgerichtes):

„…

Derzeitige Beschwerden:

‚Habe keine Kraft in den Händen, kann nicht mehr schwer arbeiten, Schmerzen bei Wetterumschwung. Ab 05.08.2019 ist eine 20h-Tätigkeit XXXX geplant.‘

STATUS:

Allgemeinzustand gut, Ernährungszustand gut.

Größe 168 cm, Gewicht 94 kg, 37 Jahre.

Caput/Collum: klinisch unauffälliges Hör- und Sehvermögen Thorax: symmetrisch, elastisch.

Atemexkursion seitengleich, sonorer Klopfschall, VA. HAT rein, rhythmisch. Abdomen: klinisch unauffällig, keine pathologischen Resistenzen tastbar, kein Druckschmerz.

Integument: unauffällig.

Schultergürtel und beide oberen Extremitäten:

Rechtshänder. Der Schultergürtel steht horizontal, symmetrische Muskelverhältnisse. Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Die Benützungszeichen sind seitengleich vorhanden.

Handgelenk beidseits: mäßige Umfangsvermehrung und Verbreiterung der Silhouette, Narbe dorsal 10 cm beidseits, Faustschluss beidseits komplett möglich, Opponensfunktion kraftvoll möglich, Unterarmdrehung nicht eingeschränkt.

Sämtliche weiteren Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Aktive Beweglichkeit: Schultern, Ellbogengelenke, Unterarmdrehung frei, Handgelenke S beidseits 10/0/20, F beidseits 5/0/20, Daumen und Langfinger seitengleich frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Der Faustschluss ist komplett, Fingerspreizen beidseits unauffällig, die grobe Kraft in etwa seitengleich, Tonus und Trophik unauffällig.

Nacken- und Schürzengriff sind uneingeschränkt durchführbar.

Becken und beide unteren Extremitäten:

Freies Stehen sicher möglich, Zehenballengang und Fersengang beidseits ohne Anhalten und ohne Einsinken durchführbar.

Der Einbeinstand ist ohne Anhalten möglich. Die tiefe Hocke ist möglich.

Die Beinachse ist im Lot. Symmetrische Muskelverhältnisse. Beinlänge ident. 

Die Durchblutung ist ungestört, keine Ödeme, keine Varizen, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Die Beschwielung ist in etwa seitengleich. Sämtliche Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Aktive Beweglichkeit: Hüften, Knie, Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich.

Das Abheben der gestreckten unteren Extremität ist beidseits bis 60° bei KG 5 möglich.

Wirbelsäule:

Schultergürtel und Becken stehen horizontal, in etwa im Lot, regelrechte Krümmungsverhältnisse. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet, kein Hartspann, kein Klopfschmerz über der Wirbelsäule.

Aktive Beweglichkeit:

HWS: in allen Ebenen frei beweglich.

BWS/LWS: FBA: 10 cm, in allen Ebenen frei beweglich, Lasegue bds. negativ, Muskeleigenreflexe seitengleich mittellebhaft auslösbar.

Gesamtmobilität — Gangbild:

Kommt selbständig gehend mit Turnschuhen, das Gangbild hinkfrei und unauffällig. Das Aus- und Ankleiden wird selbständig im Sitzen durchgeführt.

Status psychicus: Allseits orientiert; Merkfähigkeit, Konzentration und Antrieb unauffällig; Stimmungslage ausgeglichen.

STELLUNGNAHME:

ad 1) Einschätzung des Grades der Behinderung

1) Hochgradige Funktionseinschränkung beider Handgelenke 02.06.25 40%

Fixer Richtsatzwert.

2) Anpassungsstörung und Hinweis auf Teilleistungsstörung 03.06.01 20%

1 Stufe über dem unteren Rahmensatz, da unter regelmäßiger Behandlung stabil.

ad 2) Gesamtgrad der Behinderung: 40 %

Leiden 1 wird durch Leiden 2 nicht erhöht, da kein ungünstiges Zusammenwirken vorliegt.

ad 3) Stellungnahme, ab wann der GdB anzunehmen ist: ab Antrag 30.08.2018.

ad 4) Stellungnahme zu den Befunden Abl. 5-25:

Abl. 21 Orthopädie Krankenhaus XXXX 14.02.2017 (SL Dissociation, Zyste im Os trapezium, weitere Untersuchung)

Abl. 20 MRT linkes Handgelenk 08.02.2017 (geringe skapholunäre Dissociatior kleine Zyste im Kahnbein und Os trapezium)

Abl. 19 MRT linkes Schultergelenk 26.04.2016 (unauffällig)

Abl. 15-18 Entlassungsbericht RZ XXXX 02.03.2016 (skapholunäre Bandruptur mit Reruptur, Zustand nach Four Corner Fusion rechtes Handgelenk nach SL Bandriss mit Reruptur einer primären Bandplastik, Arthralgie linkes Handgelenk)

Abl. 12-43 psychiatrische Abteilung XXXX 30.10.2014 (Anpassungsstörung, Hinweise auf Teilleistungsstörung)

Abl. 10-11 Befund Krankenhaus XXXX 04.11.2014 (Zustand nach Brunelli Bandplastik rechts, Dolores rechte Hand, skapholunäre Dissociation rechts)

Stellungnahme: Sämtliche Befunde beschreiben posttraumatische und degenerative Veränderungen im Bereich des Bandapparates und des Handwurzelknochens beidseits, konservative und operative Versorgung, letztlich Teilversteifung rechtes Handgelenk mit unkompliziertem Verlauf und Restbeweglichkeit.

Anpassungsstörung, Hinweise auf Teilleistungsstörung: wird in der Begutachtung berücksichtigt, Hinweis auf höhergradige Defizite konnten nicht objektiviert werden.

ad 5) Stellungnahme zu den Einwendungen und zu den Befunden Abl. 43-47:

Abl. 46 Operationsbericht 31.10. 2018 (Skaphoidektomie, Four Corner Fusion)

Abl. 44-45 Bericht unfallchirurgische Abteilung Krankenhaus Wiener Neustadt 13.01.2018 - 01.03.2019 (unveränderte Stellung der Arthrodese und Lage der Implantate, etwas geschwollen, radial- und Ulnarduktion recht gut möglich, dorsale und Palmarflexion massiv eingeschränkt)

Stellungnahme: Sämtliche Befunde beschreiben posttraumatische und degenerative Veränderungen im Bereich des Bandapparates und des Handwurzelknochens beidseits, konservative und operative Versorgung, letztlich Teilversteifung auch des linken Handgelenks mit unkompliziertem Verlauf und Restbeweglichkeit.

Vorgebracht wird, dass die BF mit der linken Hand nicht mehr manipulieren könne, das Umblättern verursache Schmerzen, Zittern und Anschwellen bei Anstrengung. Außerdem liege eine Lernschwäche vor.

Die hochgradigen Funktionseinschränkungen im Bereich beider Handgelenke wurden entsprechend den Kriterien der EVO eingestuft; eine höhere Einstufung ist nicht möglich. In Abl. 13 Rückseite wird eine Legasthenie berichtet, weitere Hinweise für höhergradige Teilleistungsstörungen liegen jedoch nicht vor, sodass an getroffener Beurteilung festgehalten wird.

ad 6) Begründung einer allfälligen zum angefochtenen Gutachten 08.04.2019 abweichenden Beurteilung: Keine abweichende Beurteilung.

ad 7) Stellungnahme, ob wann eine Nachuntersuchung erforderlich ist: Dauerzustand. Eine Nachuntersuchung ist nicht erforderlich.“

11. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.08.2019 wurden die Beschwerdeführerin und die belangte Behörde über das Ergebnis der Beweisaufnahme informiert und ihnen in Wahrung des Parteiengehörs Gelegenheit eingeräumt, binnen drei Wochen eine Stellungnahme dazu abzugeben. Weiters wurde in diesem Zusammenhang mitgeteilt, dass das Bundesverwaltungsgericht in Aussicht nehme, über die Beschwerde ohne Abhaltung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung aufgrund der Aktenlage zu entscheiden, sofern eine mündliche Verhandlung vor Gericht nicht ausdrücklich beantragt wird.

Beide Verfahrensparteien ließen dieses Schreiben unbeantwortet.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin stellte am 30.08.2018 bei der belangten Behörde einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses.

Die Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet.

Bei der Beschwerdeführerin bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1) Hochgradige Funktionseinschränkung beider Handgelenke;

2) Anpassungsstörung und Hinweis auf Teilleistungsstörung, unter regelmäßiger medikamentöser Behandlung stabil.

Der Gesamtgrad der Behinderung der Beschwerdeführerin beträgt 40 v.H.

Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin bestehenden Funktionseinschränkungen, ihres Ausmaßes, medizinischer Einschätzung und wechselseitiger Leidensbeeinflussung werden die diesbezüglichen Beurteilungen im Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin vom 19.07.2019 der nunmehrigen Entscheidung zugrunde gelegt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellung zur Antragstellung ergibt sich aus dem Akteninhalt.

2.2. Die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat, ergibt sich aus dem vom Bundesverwaltungsgericht erstellten Auszug aus dem Zentralen Melderegister.

2.3. Der festgestellte Gesamtgrad der Behinderung und die festgestellten Funktionseinschränkungen gründen sich auf das Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin vom 19.07.2019. Darin wird auf die Leiden der Beschwerdeführerin, deren Ausmaß und wechselseitige Leidensbeeinflussung vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen.

Der vorliegende Sachverständigenbeweis wird seitens des Bundesverwaltungsgerichtes als schlüssig erachtet. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf dem im Rahmen einer persönlichen Untersuchung erhobenen Befund, entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen (diesbezüglich wird auch auf die auszugsweise wiedergegebenen Ausführungen im Gutachten verwiesen); die Gesundheitsschädigungen wurden nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung korrekt eingestuft.

Diesbezüglich ist im Lichte der Anlage zur Einschätzungsverordnung festzuhalten, dass hinsichtlich der hochgradigen Funktionseinschränkungen beider Handgelenke (Leiden 1) im Gutachten korrekt die Positionsnummer 02.06.25 unter Heranziehung des fixen Rahmensatzes von 40 v.H. – der höchstmöglichen Einschätzung von Funktionseinschränkungen der Handgelenke – gewählt wurde.

Die Anpassungsstörung samt Hinweis auf Teilleistungsstörung (Leiden 2) wurde unter Heranziehung der Positionsnummer 03.06.01 (Depressive Störung – Dysthymie – leichten Grades bzw. Manische Störung – Hypomanie – leichten Grades) und eines Rahmensatzes von 20 v.H. (eine Stufe über dem unteren Rahmensatz bei einem Rahmensatz bis zu 40 v.H.) mit Blick auf den stabilen Zustand bei regelmäßiger medikamentöser Behandlung unter Berücksichtigung der Legasthenie nachvollziehbar eingestuft.

Wie im Sachverständigengutachten weiters schlüssig ausgeführt wurde, bewirkt Leiden 2 keine Erhöhung des Gesamtgrades der Behinderung, da keine maßgebliche negative wechselseitige Beeinflussung mit dem führenden Leiden 1 besteht.

Einbezogen wurden von der befassten Sachverständigen die im Verfahren vorgelegten Befunde, die im Übrigen nicht in Widerspruch zur gutachterlichen Beurteilung stehen und kein höheres Funktionsdefizit dokumentieren, als anlässlich der Begutachtung festgestellt werden konnte.

Die Beschwerdeführerin, der es der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zufolge freigestanden wäre, durch Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen ihrer Wahl die getroffene Einschätzung der Sachverständigen zu entkräften (vgl. etwa VwGH 26.02.2008, 2005/11/0210 mwH), tritt dem Sachverständigengutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegen.

Auch die Einwendungen der Beschwerdeführerin im Rahmen der Beschwerde waren nicht geeignet, den vorliegenden Sachverständigenbeweis in Zweifel zu ziehen und eine Änderung des Ermittlungsergebnisses herbeizuführen. Die Beschwerdeführerin vermochte insbesondere nicht darzulegen, wie sich wegen der bei ihr festgestellten – im Rahmen des Gutachtens bereits schlüssig eingeschätzten – Funktionseinschränkungen eine Erhöhung des Gesamtgrades der Behinderung auf über 40 v.H. ergeben sollte, zumal das im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeholte Sachverständigengutachten letztlich unwidersprochen zur Kenntnis genommen wurde.

Die Beschwerdeführerin zeigt somit weder durch entsprechend aussagekräftige Befunde noch durch ein substantiiertes Vorbringen auf, dass eine höhere Einschätzung ihrer Leiden hätte erfolgen müssen.

Seitens des Bundesverwaltungsgerichts bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens. Dieses wird daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung eines fachkundigen Laienrichters ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 45 Abs. 3 und 4 BBG.

Zu A) I. Abweisung der Beschwerde:

3.2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:

„BEHINDERTENPASS

§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.“

„§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hierfür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

(2) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird.

(…)“

„§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

(…)“

„§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluß der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

(…)“

3.3. §§ 2 und 3 der Einschätzungsverordnung, BGBl. II 261/2010 idF BGBl. II 251/2012, sehen Folgendes vor:

„Grad der Behinderung

§ 2. (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.

(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.“

„Gesamtgrad der Behinderung

§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.

Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn

-        sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

-        zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.“

3.4. Zunächst ist festzuhalten, dass der Grad der Behinderung im Beschwerdefall – wie dies auch die belangte Behörde zu Recht annahm – nach der Einschätzungsverordnung einzuschätzen war. Die Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen hat nicht im Wege der Addition der einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen zu erfolgen, sondern es ist bei Zusammentreffen mehrerer Leiden zunächst von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für welche der höchste Wert festgestellt wurde, und dann ist zu prüfen, ob und inwieweit durch das Zusammenwirken aller zu berücksichtigenden Funktionsbeeinträchtigungen eine höhere Einschätzung des Grades der Behinderung gerechtfertigt ist (vgl. den eindeutigen Wortlaut des § 3 Einschätzungsverordnung sowie die auf diese Rechtslage übertragbare Rechtsprechung, VwGH 17.07.2009, 2007/11/0088; 22.01.2013, 2011/11/0209 mwN). Bei ihrer Beurteilung hat sich die Behörde eines oder mehrerer Sachverständiger zu bedienen, wobei es dem Antragsteller freisteht, zu versuchen, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. VwGH 30.04.2014, 2011/11/0098; 21.08.2014, Ro 2014/11/0023).

Den von der Judikatur (und von der Einschätzungsverordnung) aufgestellten Anforderungen ist das im Beschwerdeverfahren eingeholte Gutachten der ärztlichen Sachverständigen – sowohl hinsichtlich der Einschätzung der einzelnen Funktionseinschränkungen als auch hinsichtlich der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung – nachgekommen.

3.5. Wie bereits eingehend ausgeführt wurde, wird der Entscheidung das Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin vom 19.07.2019 zugrunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin 40 v.H. beträgt.

Wie ebenfalls bereits im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt wurde, waren die Einwendungen in der Beschwerde nicht geeignet, den Sachverständigenbeweis zu entkräften, zumal dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Gutachten auch nicht entgegengetreten wurde.

Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, nicht erfüllt.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht kommt.

Zu A) II. Zurückweisung des Antrags auf Kostenersatz:

3.6. Den Ersatz von Verfahrenskosten sieht das VwGVG nur in den besonderen Fällen der Maßnahme- oder Verhaltensbeschwerde vor (§§ 35, 53 VwGVG). Das – in Ermangelung sonstiger Regelungen des VwGVG zum Kostenersatz anzuwendende – AVG (§ 17 VwGVG) normiert als Grundsatz, dass jeder Beteiligte seine Kosten selbst zu tragen hat (§ 74 Abs. 1 AVG). Dieser Grundsatz gilt für sämtliche Parteienkosten, also etwa Anwaltskosten, Kosten für Privatgutachten etc. (VwSlg. 16.636 A/2005 mwN). Von diesem Grundsatz abweichende Regelungen können in den Verwaltungsvorschriften zwar vorgesehen sein (§ 74 Abs. 2 AVG), sind aber für die im Beschwerdefall strittige Materie nicht vorhanden.

Das Kostenersatzbegehren war daher als unzulässig zurückzuweisen.

3.7. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

3.7.1. Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat die beschwerdeführende Partei die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC), ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

3.7.2. Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem im Beschwerdeverfahren eingeholten – vom erkennenden Gericht als schlüssig erachteten – Gutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin, das von den Verfahrensparteien im Rahmen des Parteiengehörs unwidersprochen zur Kenntnis genommen wurde. Die strittigen Tatsachenfragen gehören dem Bereich an, der von Sachverständigen zu beleuchten ist. All dies lässt – gerade auch vor dem Hintergrund des Umstandes, dass eine Verhandlung von der anwaltlich vertretenen Beschwerdeführerin nicht beantragt wurde – die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

3.7.3. Ergänzend ist im Beschwerdefall aus dem Blickwinkel von Art. 6 EMRK (Art. 47 GRC) auf den Umstand hinzuweisen, dass die Beschwerdeführerin vom Bundesverwaltungsgericht bei Einräumung des Parteiengehörs auf die Möglichkeit hingewiesen wurde, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu beantragen, indem ihr seitens des Bundesverwaltungsgerichtes mitgeteilt wurde, dass – sollte sie eine mündliche Verhandlung vor Gericht nicht ausdrücklich beantragen – eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung in Aussicht genommen werde. Die Beschwerdeführerin hat sich diesbezüglich nicht geäußert. Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat die beschwerdeführende Partei die Durchführung einer Verhandlung bereits in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Zu den einen Entfall der Verhandlung nach Art. 6 EMRK rechtfertigenden Umständen gehört auch der (ausdrückliche oder schlüssige) Verzicht auf die mündliche Verhandlung. Nach der Rechtsprechung kann die Unterlassung eines Antrags auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung von der Rechtsordnung unter bestimmten Umständen als (schlüssiger) Verzicht auf eine solche gewertet werden. Die unterbliebene Antragstellung der anwaltlich vertretenen Beschwerdeführerin kann vor diesem Hintergrund als schlüssiger Verzicht im Sinne der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 6 EMRK gewertet werden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu allen Spruchpunkten nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die angewendeten Teile des Bundesbehindertengesetzes und der Einschätzungsverordnung sind – soweit im Beschwerdefall relevant – eindeutig; auch die Zurückweisung des Kostenersatzbegehrens basiert auf einer klaren Rechtslage. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor.

Schlagworte

Behindertenpass Grad der Behinderung Kostenersatz Sachverständigengutachten Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W262.2217988.1.00

Im RIS seit

08.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

08.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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