TE OGH 2016/12/2 7Bs133/16g

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Veröffentlicht am 02.12.2016
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Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Dr. Gföllner als Vorsitzende, Dr. Henhofer und Mag.a Reinberg in der Strafsache gegen Mag. C***** S***** und andere Personen wegen des Vergehens des Förderungsmissbrauchs nach § 153b Abs 1 und Abs 3 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Beschwerde des Mag. C***** S***** gegen den Beschluss der Einzelrichterin des Landesgerichtes Salzburg (im Ermittlungsverfahren) vom 30. August 2016, 28 HR 63/16d-55, in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Bei der Staatsanwaltschaft Salzburg behängt zu 17 St 253/14d ein Ermittlungsverfahren (unter anderem) gegen Mag. C***** S***** wegen der Vergehen des Förderungsmissbrauchs gemäß § 153b Abs 1 und 3 StGB, des schweren Betrugs (erkennbar) nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 fünfte Alternative, Abs 2 StGB, der organisierten Schwarzarbeit (erkennbar) nach § 153e Abs 1 Z 2, Abs 2 StGB, der Untreue (erkennbar) nach § 153 Abs 1 und 3 erster Fall StGB und der Veruntreuung (erkennbar) nach § 133 Abs 1 und 2 erster Fall StGB.

Mit Eingabe vom 6. Juni 2016 (ON 41) erhob Mag. C***** S***** Einspruch wegen Rechtsverletzung gemäß § 106 StPO wegen mehrfacher Verstöße gegen den Objektivitätsgrundsatz durch Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft. Mit der zusammengefassten Begründung, dass der Kriminalbeamte AI A***** F***** voreingenommen ermittle, den Ermittlungsakt einseitig gestalte, negativ Stimmung gegen den Beschuldigten mache, Zeugen beeinflusse, einschüchtere und vorab informiere, sowie aus Ermittlungsergebnissen unobjektive, bedenkliche Schlüsse ziehe und in Bewertungsfragen unzulässige Berechnungen anstelle, verstoße er ebenso gegen jede objektive Ermittlungsführung wie der zuständige Staatsanwalt, welcher dem Einspruchswerber Unterlagen über zu lang zurückreichende Zeiträume abfordere, Unkenntnisse im sozialversicherungsrechtlichen und steuerlichen Bereich aufweise, Schadensbeträge zur Vermeidung einer allfälligen Verjährung willkürlich annehme, bereits ergangene Urteile von Zivilgerichten in dieser Sache nicht berücksichtige, wahrheitswidrige Angaben des Kriminalbeamten nicht nachprüfe und trotz eines bereits länger andauernden Ermittlungsverfahrens nicht unterscheide, welche Handlungen dem Beschuldigten bzw. anderen Rechtspersönlichkeiten zuzuordnen seien. Da eine Rechtsverletzung auch durch Unterlassen begangen werden könne, werde die Feststellung beantragt, dass der Einspruchswerber in einem subjektiven Recht verletzt worden sei; zudem möge ein anderer Sachbearbeiter bei der Kriminalpolizei mit der Ermittlungsfortführung beauftragt werden, dies wegen zu starker Vernetzung des bisherigen Sachbearbeiters mit dem Anzeiger.

Die Staatsanwaltschaft Salzburg äußerte sich ablehnend zu diesem Einspruch (ON 49).

Mit dem angefochtenen Beschluss (ON 55) wies das Erstgericht diesen Einspruch ab.

Dagegen richtet sich die Beschwerde des Mag. C***** S***** (ON 56), jedoch ohne Erfolg.

Gemäß § 106 Abs 1 StPO idgF steht Einspruch wegen Rechtsverletzung im Ermittlungsverfahren jeder Person zu, die behauptet, durch eine (tatsächliche oder rechtliche) Handlung der Staatsanwaltschaft oder eines ihrer Organe im Ermittlungsverfahren in einem subjektiven Recht verletzt zu sein. Als subjektive Rechte sind solche zu verstehen, welche die Voraussetzungen und Bedingungen festlegen, die bei der Ausübung von Zwang gegenüber Betroffenen nach der StPO konkret einzuhalten sind (Abs 1 Z 2) oder welche dem Betroffenen einen Anspruch auf ein bestimmtes Verfahrensrecht nach der StPO einräumen (Abs 1 Z 1). Das Gericht hat ausschließlich die Einhaltung der StPO zu prüfen. Es ist auf die Kontrolle der Rechtmäßigkeit beschränkt; die Zweckmäßigkeit einer Ermittlungshandlung ist nicht zu prüfen. Die Prüfung des Gerichtes hat vom Standpunkt ex ante und nicht ex post zu erfolgen (Fabrizy StPO12 § 106 Rz 2 und 3). Der Einspruchswerber hat darzulegen, durch welche Anordnung oder welchen Vorgang er in einem subjektiven Recht verletzt sei. Er hat auch ein bestimmtes Begehren zu formulieren, in dem auszuführen ist, auf welche Weise der Rechtsverletzung abgeholfen werden soll. Der Antrag kann jedoch auch bloß das Begehren auf Feststellung enthalten, dass durch die zu Grunde liegende Handlung das Gesetz verletzt oder unrichtig angewendet und dadurch ein subjektives Recht des Einspruchswerbers verletzt wurde (Fabrizy aaO Rz 7).

Rechtliche Beurteilung

Dem gesamten Einspruchs- und nunmehr Beschwerdevorbringen ist eine behauptete mehrfache Verletzung des in § 3 Abs 2 StPO normierten Objektivitätsgebotes wegen Voreingenommenheit und Parteilichkeit zu entnehmen. Allerdings fehlt es an einem im Wege des Einspruchs wegen Rechtsverletzung geltend zu machenden subjektiven Recht, weil ein solches auf Enthaltung eines befangenen Organs der Staatsanwaltschaft (oder der Kriminalpolizei) von der Tätigkeit im Ermittlungsverfahren und auf Ablehnung eines solchen Organs durch einen Verfahrensbeteiligten im Gesetz nicht vorgesehen ist. Dies folgt schon aus dem Wortlaut des § 47 Abs 2 StPO, wonach selbst tatsächlich befangene Organe – sofern sie nicht gegen sich selbst oder einen Angehörigen einzuschreiten hätten – im Falle der Nichtverfügbarkeit einer Vertretung unaufschiebbare Amtshandlungen vorzunehmen haben. Für das Nichtbestehen eines subjektiven Rechts spricht auch die Tatsache, dass eine weitere Tätigkeit befangener Organe (vgl § 47 Abs 2 StPO) – anders als bei Richtern – vom Gesetz nicht mit absoluter Nichtigkeit sanktioniert wird. Begründet wird dies damit, dass an ermittelnde Organe nicht gleich strenge Maßstäbe anzulegen sind wie an entscheidende, und, dass die von jenen – mitunter ohne die Möglichkeit eines Aufschubs – aufgenommenen Beweise richterlicher Nachprüfung unterliegen (vgl OLG Linz 7 Bs 175/12s; OLG Graz 10 Bs 24/10w mwN). Von einem Rechtsschutzdefizit kann somit nicht ausgegangen werden. Auf die vorgebrachten Argumente ist daher inhaltlich nicht weiter einzugehen.

Überdies kommt dem Gericht nach dem Gesetz keine Entscheidungskompetenz zu, über die Befangenheit eines Organs der Staatsanwaltschaft oder der Kriminalpolizei zu entscheiden: Gemäß § 47 Abs 3 StPO hat über die Befangenheit der Leiter der jeweiligen Behörde, über dessen Befangenheit der Leiter der übergeordneten Behörde zu entscheiden und allenfalls die Vertretung zu veranlassen (vgl § 5 Abs 2 DV-StAG; Fabrizy aaO § 47 Rz 4; 13 Os 55/13g; vgl Lässig, WK-StPO § 47 Rz 9; vgl Pilnacek/Pleischl, Das neue Vorverfahren § 47 Rz 171). Ein Einspruch wegen Rechtsverletzung steht nicht zu, wenn das Gesetz – wie in § 47 Abs 3 StPO – ein eigenes Prozedere zur Effektuierung einer Vorschrift vorsieht. Schon deshalb kann daraus kein Anspruch resultieren, die betreffenden Organwalter gleichsam abzulehnen und andere Organwalter mit deren Aufgaben befassen zu lassen. Zusammenfassend gilt daher, dass die behauptete Befangenheit eines Organs der Staatsanwaltschaft (oder der Kriminalpolizei) nicht vom Gericht zu beurteilen ist und dessen Sachentscheidung infolge der Möglichkeit gerichtlicher Nachprüfung der aufgenommenen Beweise nicht tangiert (vgl RIS-Justiz RS0127031; auch 15 Os 106/10t).

Weil die Voraussetzungen für einen Einspruch wegen Rechtsverletzung wegen des Nichtvorliegens eines sich aus der StPO ergebenden, mit dem Einspruch jedoch eingeforderten subjektiven Rechts auf Enthaltung der Befangenheit bezichtigter Organe der Staatsanwaltschaft und der Kriminalpolizei von Tätigkeiten im Ermittlungsverfahren und für deren Ablehnung nicht vorlagen, hätte das Erstgericht den Einspruch als unzulässig zurückzuweisen gehabt (Pilnacek/Pleischl aaO Das neue Vorverfahren § 106 Rz 432, 433 und 443). Demgegenüber war die Beschwerde gemäß § 87 StPO zulässig, aus den dargelegten Gründen jedoch nicht berechtigt.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu.

Textnummer

EL0000293

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OLG0459:2016:0070BS00133.16G.1202.000

Im RIS seit

08.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

08.09.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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