TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/27 L511 2183487-1

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Veröffentlicht am 27.04.2020
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Entscheidungsdatum

27.04.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
GSVG §2 Abs1 Z4
GSVG §4 Abs1 Z6

Spruch

L511 2183487-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a JICHA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch bpv HÜGEL Rechtsanwälte GmbH, gegen den Bescheid der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, Landesstelle Oberösterreich, vom 06.09.2017, Zahl: XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 iVm § 4 Abs. 1 Z 6 Gewerbliches Sozialversicherungsgesetz (GSVG) abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Verfahrensinhalt

1. Verfahren vor der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft [SVA]

1.1. Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid vom 06.09.2017, Zahl: XXXX , zugestellt am 12.10.2017, stellte die SVA fest, dass die Beschwerdeführerin gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 iVm § 4 Abs. 1 Z 6 sowie § 6 Abs. 4 Z 1 und § 7 Abs. 4 Z 1 GSVG aufgrund der Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit jedenfalls im Zeitraum von 01.01.2015 bis 31.12.2015 der Pflichtversicherung in der Pensions- und Krankenversicherung nach dem GSVG unterlegen sei (Aktenzahl der elektronisch übermittelten Aktenteile [im Folgenden: AZ] 90).

Begründend führt die SVA aus, aus dem im Zuge des Datenaustausches gemäß § 229a GSVG der SVA übermitteltem Einkommenssteuerbescheid der Beschwerdeführerin für das Jahr 2015 ergäben sich Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von EUR 5 070,11. Die Beschwerdeführerin sei Komplementärin einer KG, welche über keine aufrechte Gewerbeberechtigung verfüge. Persönlich haftende Gesellschafter seien stets als selbständig erwerbstätig anzusehen, da sie ein wesentliches Unternehmerrisiko trügen. Auch die Finanzbehörden haben eine Einordnung der betrieblichen Einkünfte in § 23 EStG vorgenommen, woran der Sozialversicherungsträger gebunden sei. Da für diese Einkünfte aus Gewerbebetrieb auch keine andere Pflichtversicherung vorliege, lägen zusammenfassend alle Tatbestandsmerkmale für die Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG vor.

1.2. Mit Schriftsatz vom 07.11.2017 erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde gegen den Bescheid der SVA (AZ 116-134).

Darin wird im Wesentlichen unter Hinweis auf VwGH-Judikatur ausgeführt, die betriebliche Tätigkeit sei eingestellt und die KG seit der Veräußerung des Apothekenbetriebes ausschließlich vermögensverwaltend tätig. Es handle sich ausschließlich um Zinserträge, die von Vermögenswerten, welche in der KG geblieben seien, abgeworfen würden. Es sei auch nicht entscheidend, dass es sich um eine unbeschränkt haftende Gesellschafterin handle. Entscheidungsrelevant sei nur die Frage, ob die betriebliche Tätigkeit unterbrochen oder eingestellt worden sei. Dass die KG über den Geschäftszweig Handel verfüge sei noch kein Hinweis auf eine betriebliche Tätigkeit.

2. Die belangte Behörde legte dem Bundesverwaltungsgericht [BVwG] am 18.01.2018 Auszüge aus dem Verwaltungsakt, in durchnummerierter elektronischer Form vor (Ordnungszahl des hg Gerichtsaktes [im Folgenden:] OZ 1 - 5 [=AZ 1-134]).

II. ad A) Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. entscheidungswesentliche Feststellungen

1.1. Am 20.04.2017 wurde der SVA im Wege des Datenaustauschs gemäß § 229a GSVG der rechtskräftige Einkommensteuerbescheid 2015 auf elektronischem Weg übermittelt, wonach im Jahr 2015 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in der Höhe von [idHv] EUR 20.046,60 sowie Einkünfte aus Gewerbebetrieb idHv EUR 5.070,11 und Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung idHv EUR -43.110,74 vorlagen (AZ 12, 36).

1.2. Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb stammen aus der Beteiligung an der XXXX [Z] KG, Firmenbuchnummer XXXX , an der die Beschwerdeführerin vom 07.09.2006 bis zum 05.10.2017 als (unbeschränkt haftende) Komplementärin beteiligt war.

1.3. Die Z KG verfügte im Jahr 2015 über keine aufrechte Gewerbeberechtigung und ist kein Mitglied der Kammer der gewerblichen Wirtschaft. Die Z KG war bis zur Veräußerung mit Kaufvertrag vom 17.01.2013 Betreiberin einer Apotheke. Am 28.02.2013 wurde (ua) der Geschäftszweig der Z KG von "Betrieb einer öffentlichen Apotheke" in "Handel" geändert. In der Z KG befand sich laut Bilanz zum 31.12.2015 (ua) Forderungen aufgrund von Darlehen idH von EUR 285.0000, welche ca. 1/4 der vorhandenen Aktiva ausmachten. Die Zinserträge stellen die einzigen Einnahmen dar, wobei jene aus Darlehen ca. doppelt so hoch waren, wie jene aus Bankguthaben. Die Zinserträge aus Bankguthaben wurden steuerlich berücksichtigt, so dass die Einkünfte aus Gewerbebetrieb ausschließlich aus den Erträgen aus der Darlehensgewährung stammen (AZ 16-24).

1.4. Die Versicherungsgrenze bei zusätzlichen Einkünften aus unselbständiger Erwerbstätigkeit betrug im Jahr 2015 gemäß § 25 Abs. 4 Z2b GSVG idF BGBl. II Nr. 288/2014 EUR 4.871,76.

1.5. Für das Jahr 2015 lag weder eine Versicherungserklärung, noch eine Anzeige der Überschreitung der Versicherungsgrenze durch die Beschwerdeführerin vor. Eine Pflichtversicherung nach einem anderen Bundesgesetz ist für diese Tätigkeit beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger nicht erfasst (OZ 1).

2. Beweisaufnahme und Beweiswürdigung

2.1. Der gesamte entscheidungswesentliche Sachverhalt ergibt sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt (OZ 1) und ist zwischen den Verfahrensparteien unbestritten. Bestritten wird gegenständlich ausschließlich die sich aus dem Sachverhalt ergebende Rechtsfrage der Sozialversicherungspflicht für das Jahr 2015 (siehe dazu unter Rechtliche Beurteilung).

2.2. Die Versicherungsgrenze (Pkt. 1.4) ergibt sich aus dem Gesetz.

3. Entfall der mündlichen Verhandlung

3.1. Der Anspruch einer Partei auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist kein absoluter (§ 24 VwGVG unter Hinweis auf Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, [EMRK] noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 [GRC]). Nach der Rechtsprechung des EGMR und ihm folgend des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt unumstritten und nur eine Rechtsfrage zu entscheiden ist oder wenn die Sache keine besondere Komplexität aufweist (vgl. dazu für viele EGMR 12.11.2002, Döry / S, Rn37; VfGH 20.02.2015, B1534; sowie jüngst VwGH 18.12.2018, Ra 2018/03/0132, jeweils mwN).

3.2. Im gegenständlichen Fall ergab sich klar aus der Aktenlage, dass von einer mündlichen Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten war, da der zu Grunde liegende Sachverhalt im Verwaltungsverfahren unstrittig blieb und weder ergänzungsbedürftig war, noch in entscheidenden Punkten als nicht richtig erschien.

4. Rechtliche Beurteilung

4.1.1. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts und die Entscheidung durch Einzelrichterin ergeben sich aus § 6 Bundesgesetz über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes [BVwGG] iVm § 194 Gewerbliches Sozialversicherungsgesetz [GSVG] und § 414 Abs. 1 und Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz [ASVG]. Das Verfahren des Bundesverwaltungsgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) geregelt. Verfahrensgegenständlich sind demnach neben dem VwGVG auch die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, sowie jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen sinngemäß anzuwenden, die die SVA im erstinstanzlichen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (§ 17 VwGVG).

4.1.2. Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig.

4.1.3. Das Bestehen oder Nichtbestehen der Sozialversicherungspflicht ist nicht nur hinsichtlich der maßgeblichen Sachlage, sondern auch hinsichtlich der Rechtslage zeitraumbezogen zu beurteilen (VwGH 20.12.2001, 98/08/0062 mwN). Verfahrensgegenständlich kommt daher sowohl für die Versicherungspflicht, als auch für die Beitragshöhe das GSVG in der Fassung für 2015 zur Anwendung.

4.2. Abweisung der Beschwerde

4.2.1. Verfahrensgegenständlich ist strittig, ob die Tätigkeit der Beschwerdeführerin als vertretungsbefugte unbeschränkt haftende Gesellschafterin der S KG als Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Z4 GSVG anzusehen ist.

4.2.2. Die Kriterien für die Anwendung des § 2 Abs. 1 Z4 GSVG werden damit umschrieben, dass es sich um selbständig erwerbstätige Personen handelt, die auf Grund einer betrieblichen Tätigkeit bestimmte Arten von Einkünften im Sinn des EStG 1988 (über der maßgeblichen Versicherungsgrenze) beziehen, ohne dass auf Grund der jeweiligen Tätigkeit bereits eine Pflichtversicherung besteht (vgl. VwGH 11.09.2008, 2006/08/0243).

4.2.3. Zur selbständigen betrieblichen Tätigkeit von persönlich haftenden Gesellschaftern hat bereits der Gesetzgeber bei der Einführung von § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG in den Materialien zur 23. GSVG-Novelle, BGBl. I Nr. 139/1998 (RV 1235 dB. XX GP S18), wie folgt ausgeführt: "Erwerbstätigkeit setzt generell eine ?Tätigkeit', also eine aktive Betätigung voraus, die auf einen Erwerb, dh auf Einkünfte gerichtet ist [...] Wer hingegen nur ?sein Kapital arbeiten lässt', soll daraus keinen Sozialversicherungsschutz erlangen und daher auch nicht versicherungspflichtig sein [...]. Im Unterschied zu den Gesellschaftern von Kapitalgesellschaften sind die persönlich haftenden Gesellschafter von Personenhandelsgesellschaften (OHG, KG) und von eingetragenen Erwerbsgesellschaften (OEG, KEG) typischerweise persönlich unternehmerisch tätig, um den Gesellschaftszweck zu erreichen. Es ist daher folgerichtig, dass diese Personen, die auf Grund ihrer Haftung auch das wesentliche Unternehmerrisiko tragen, in die Sozialversicherungspflicht einbezogen werden [...] Etwas anders ist die Situation bei den Kommanditisten einer KG oder KEG [...]."

4.2.4. Soweit die Beschwerdeführerin einwendet, die KG übe keinerlei betriebliche Tätigkeiten aus, sondern verwalte lediglich das Vermögen der KG, und dabei auf VwGH 13.11.2013, 2011/08/0351 und 10.04.2013, 2011/08/0122, verweist, so ist ihr entgegenzuhalten, dass die KG - anders als in den zitierten Erkenntnissen - ihren Betrieb nicht verpachtet hatte, sondern explizit nach Verkauf des Betriebes ihren Geschäftszweig in Handel, somit in eine neue Betriebstätigkeit, geändert hat.

4.2.5. Die Einkünfte der KG im Jahr 2015 basieren auf Erträgen aus gegebenen Darlehen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass von § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG Einkünfte im Sinne der §§ 22 Z 1 bis 3 und 5 und (oder) 23 EStG 1988 umfasst sein sollen. Von § 22 Z 2 EStG sind (ua) Einkünfte aus einer vermögensverwaltenden Tätigkeit umfasst, von § 23 Z2 EStG die Gewinnanteile der Gesellschafter von Gesellschaften, bei denen die Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen sind (wie insbesondere offene Gesellschaften und Kommanditgesellschaften), sowie die Vergütungen, die die Gesellschafter von der Gesellschaft für ihre Tätigkeit im Dienste der Gesellschaft, für die Hingabe von Darlehen oder für die Überlassung von Wirtschaftsgütern bezogen haben. Die Argumentation der Beschwerdeführerin Vermögensverwaltung unterliege der Sozialversicherungspflicht grundsätzlich nicht findet daher keine Deckung.

4.2.6. Verfahrensgegenständlich ist der Unternehmenszweck die Verwaltung des aus dem Verkauf der Apotheke resultierenden Vermögens, und (anders als bei der Überlassung von Patenten, oder der Verpachtung von Betrieben) haftet die Beschwerdeführerin als unbeschränkt haftende Gesellschafterin auch mit ihrem Privatvermögen für etwaige Verluste der KG, beispielsweise für den Fall der Nichteinbringung des gegebenen Darlehens. Nach Ansicht des BVwG liegen daher keine Parallelen zu den in der Beschwerde zitierten Erkenntnissen des VwGH vor.

4.2.7. Ergänzend ist festzuhalten, dass sich die Versicherungspflicht gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG grundsätzlich nach der Einkommensteuerpflicht richtet. Bei Vorliegen eines rechtskräftigen Einkommensteuerbescheides, aus dem (die Versicherungsgrenzen übersteigende) Einkünfte der im § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG genannten Art hervorgehen, besteht nach dieser Bestimmung Versicherungspflicht, sofern die zu Grunde liegende Tätigkeit im betreffenden Zeitraum (weiter) ausgeübt wurde (und auf Grund dieser Tätigkeit nicht bereits die Pflichtversicherung nach anderen Bestimmungen des GSVG oder nach einem anderen Bundesgesetz eingetreten ist). Ob die von der zuständigen Abgabenbehörde getroffene einkommensteuerrechtliche Beurteilung zutreffend ist, ist im Verfahren betreffend die Versicherungspflicht nach dem GSVG nicht (mehr) zu prüfen (VwGH 17.12.2015, 2013/08/0165 mwN).

4.2.8. Verfahrensgegenständlich ging die zuständige Abgabenbehörde von Einkünften aus Gewerbebetrieb über der Versicherungsgrenze von EUR 4.871,76 aus, so dass die Versicherungspflicht gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG zurecht festgestellt wurde.

4.2.9. Zusammenfassend erweisen sich daher der Bescheid der SVA als korrekt, weshalb die Beschwerde spruchgemäß als unbegründet abzuweisen ist.

III. ad B) Unzulässigkeit der Revision

Die gegenständliche Beurteilung erfolgte im Einklang mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG. Zur selbständigen Tätigkeit von Gesellschaftern einer Personengesellschaft VwGH 24.01.2006, 2004/08/0120; zur Bindung an die durch die Abgabenbehörden festgestellte Einkunftsart für viele VwGH 17.12.2015, 2013/08/0165 mwN.

Der Entfall der mündlichen Verhandlung steht weder mit der Judikatur der Höchstgerichte noch mit der Judikatur des EGMR in Widerspruch, siehe dazu insbesondere VwGH 26.01.2017, Ra2016/07/0061 mwN, und es ergeben sich auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage, so dass insgesamt die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht vorliegen.

Schlagworte

betriebliche Tätigkeit Einkommenssteuerbescheid Gesellschaft Vermögensverwaltung Versicherungsgrenze Versicherungspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L511.2183487.1.00

Im RIS seit

04.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

04.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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