TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/15 W275 2207653-1

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Veröffentlicht am 15.05.2020
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Entscheidungsdatum

15.05.2020

Norm

BFA-VG §22a
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
VwGVG §35 Abs1

Spruch

W275 2207653-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Stella VAN AKEN als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Albanien, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.10.2018, Zahl 1209002105/180965051, sowie die Anhaltung in Schubhaft von 10.10.2018 bis 12.10.2018 zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid und die Anhaltung in Schubhaft von 10.10.2018 bis 12.10.2018 wird stattgegeben, der angefochtene Bescheid aufgehoben und die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft von 10.10.2018 bis 12.10.2018 für rechtswidrig erklärt.

II. Der Bund (Bundesminister für Inneres) hat gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG iVm § 1 Z 1 VwG-AufwErsV dem Beschwerdeführer Aufwendungen in Höhe von 737,60 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein albanischer Staatsangehöriger, wurde am 09.10.2018 von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am Flughafen Wien dabei betreten, als er unter Verwendung eines gefälschten italienischen Personalausweises nach Großbritannien auszureisen versuchte und wurde festgenommen. Dabei wurde festgestellt, dass gegen den Beschwerdeführer ein von Frankreich verfügtes, aufrechtes Aufenthaltsverbot im Schengenraum besteht. Zuvor hatte der Beschwerdeführer versucht, am Flughafen München einzureisen, war dort zurückgewiesen worden und konnte während seines Aufenthaltes im Transitraum - unter Zurücklassung seines albanischen Reisepasses - entkommen.

Am 10.10.2018 wurde der Beschwerdeführer dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Einvernahme vorgeführt und zu den Voraussetzungen für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot sowie zur Anordnung der Schubhaft einvernommen.

Mit Bescheid vom 10.10.2018 erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Albanien zulässig sei, erließ ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot und erkannte einer Beschwerde gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung ab.

Mit oben genanntem Mandatsbescheid vom 10.10.2018 ordnete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG über den Beschwerdeführer die Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung an.

Der Beschwerdeführer wurde am 10.10.2018 in Schubhaft genommen und bis zu seiner Abschiebung nach Albanien am 12.10.2018 in Schubhaft angehalten.

Gegen den Mandatsbescheid vom 10.10.2018 und die Anhaltung in Schubhaft erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl legte in der Folge den Verwaltungsakt vor und beantragte, das Bundesverwaltungsgericht möge den Bescheid bestätigen.

Das gegenständliche Verfahren wurde der Gerichtsabteilung W275 aufgrund der Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.04.2020 mit Wirksamkeit vom 24.04.2020 zugewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer ist ein volljähriger Staatsangehöriger Albaniens; seine Identität steht fest. Die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht, er ist in Österreich weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

1.2. Der Beschwerdeführer versuchte am 09.10.2018 unter Verwendung eines gefälschten italienischen Personalausweises vom Flughafen Wien nach Großbritannien auszureisen. Der Beschwerdeführer ist spätestens am 09.10.2018 entgegen eines gegen ihn seitens französischer Behörden verfügten, für den Schengenraum gültigen und im Zeitpunkt seiner Einreise aufrechten Aufenthaltsverbotes und ohne im Besitz seines albanischen Reisepasses zu sein unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet eingereist.

1.3. Der Beschwerdeführer hat in Österreich keinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

1.4. Mit Mandatsbescheid vom 10.10.2018 ordnete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß "§ 76 Absatz 2 Ziffer 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, [...]" über den Beschwerdeführer "die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung" an. Dieser Bescheid wurde vom Beschwerdeführer am 10.10.2018 persönlich übernommen.

1.5. Der Beschwerdeführer wurde am 10.10.2018 in Schubhaft genommen und bis zu seiner Abschiebung nach Albanien am 12.10.2018 in Schubhaft angehalten.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, den Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes, in das Zentrale Fremdenregister, in das Strafregister, in das Zentrale Melderegister und in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres:

2.1. Die Identität und die Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers stehen aufgrund seines albanischen Reisepasses (AS 1 und 107) fest. Anhaltspunkte dafür, dass er die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt oder in Österreich Asylberechtigter oder subsidiär Schutzberechtigter ist, finden sich weder im Verwaltungsakt noch wurde dies vom Beschwerdeführer in seiner Einvernahme am 10.10.2018 oder in der Beschwerde vorgebracht.

2.2. Die Feststellungen zur Ein- bzw. versuchten Ausreise des Beschwerdeführers ergeben sich unzweifelhaft aus dem Akteninhalt, insbesondere dem grenzpolizeilichen E-Mail vom 09.10.2018 und dem Amtsvermerk der Landespolizeidirektion Niederösterreich vom 09.10.2018 (AS 1 bis 9) sowie einer Einsichtnahme in das Zentrale Fremdenregister in Verbindung mit den eigenen Angaben des Beschwerdeführers am 10.10.2018 (AS 16 bis 21).

2.3. Dass der Beschwerdeführer in Österreich keinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ergibt sich aus einer Einsichtnahme in das Zentrale Fremdenregister; eine Antragstellung wurde auch weder vom Beschwerdeführer in seiner Einvernahme noch in der Beschwerde behauptet.

2.4. Die Feststellungen zum Mandatsbescheid vom 10.10.2018 sowie dessen persönlicher Übernahme durch den Beschwerdeführer ergeben sich aus dem im Verwaltungsakt einliegenden Mandatsbescheid selbst (AS 27 und 54).

2.5. Die Feststellungen zur Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft sowie seiner Abschiebung ergeben sich aus einer Einsichtnahme in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres sowie dem im Verwaltungsakt einliegenden Abschiebebericht vom 12.10.2018 (AS 113).

Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchteil A) - Spruchpunkt I. - Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft von 10.10.2018 bis 12.10.2018:

3.1.1. Gesetzliche Grundlagen:

Der zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Schubhaftbescheides geltende § 76 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG; idF BGBl. I Nr. 56/2018) lautet:

"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c.es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."

Der mit "Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft" betitelte § 22a BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) lautet:

"§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig."

3.1.2. Im vorliegenden Fall wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.10.2018 über den Beschwerdeführer die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl führte als Rechtsgrundlage "§ 76 Absatz 2 Ziffer 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl I Nr. 100/2005 (FPG) idgF" an.

In der im Zeitpunkt der Bescheiderlassung geltenden Fassung ist allerdings in § 76 Abs. 2 Z 1 FPG normiert, dass die Schubhaft angeordnet werden darf, wenn dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist.

Mit dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2018 - FrÄG 2018, BGBl I Nr. 56/2018, ist § 76 Abs. 2 FPG geändert worden; die Novellierung dieser Bestimmung trat gemäß § 126 Abs. 2 2 FPG idF BGBl I Nr. 56/2018 mit 01.09.2018 in Kraft. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl stützte den angefochtenen Bescheid vom 10.10.2018, dem Beschwerdeführer zugestellt am selben Tag, in Spruch und Begründung auf § 76 Abs. 2 Z 1 FPG (gemeint offenbar in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017, sohin unter Außerachtlassung der genannten Novelle).

Da der Beschwerdeführer in Österreich keinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, hat sich das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bei Erlassung des angefochtenen Bescheides demnach zu Unrecht auf § 76 Abs. 2 Z 1 FPG gestützt.

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Schubhaftbescheid mit Rechtswidrigkeit belastet, wenn er auf die falsche Rechtsgrundlage gestützt ist, weshalb sich der angefochtene Schubhaftbescheid als rechtswidrig erweist.

War der Schubhaftbescheid rechtswidrig, so muss das auch für die gesamte Zeit der auf ihn gestützten Anhaltung gelten (vgl. VwGH vom 11.06.2013, 2012/21/0114).

Der Beschwerde ist daher stattzugeben.

3.2. Zu Spruchteil A) - Spruchpunkt II. - Kostenersatz:

3.2.1. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG siehe VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).

3.2.2. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.

3.2.3. Der belangten Behörde gebührt als unterlegener Partei kein Kostenersatz; ein solcher wurde auch nicht geltend gemacht.

Der Beschwerdeführer ist aufgrund der Beschwerdestattgabe obsiegende Partei und hat Anspruch auf Kostenersatz; er hat diesen auch beantragt.

§ 1 Z 1 VwG-AufwErsV bestimmt die Höhe des zu ersetzenden Schriftsatzaufwandes des Beschwerdeführers als obsiegende Partei mit EUR 737,60.

3.2.4. Gemäß § 35 Abs. 4 VwGVG gelten als Aufwendungen gemäß Abs. 1 die Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat, die Fahrtkosten, die mit der Wahrnehmung seiner Parteirechte in Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht verbunden waren, sowie die durch Verordnung des Bundeskanzlers festzusetzenden Pauschalbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand. Den Ersatz der Eingabegebühr sieht § 35 VwGVG nicht vor, weshalb der diesbezügliche Antrag des Beschwerdeführers zurückzuweisen ist.

3.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt aufgrund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen. Der Beschwerde wird stattgegeben; seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht beantragt.

3.4. Zu Spruchteil B) - Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Weder in der Beschwerde noch in der Stellungnahme der belangten Behörde findet sich ein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben. Die Entscheidung folgt überdies der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Rechtsgrundlage Rechtswidrigkeit Schubhaft

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W275.2207653.1.00

Im RIS seit

04.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

04.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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