TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/12 L503 2202541-1

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Veröffentlicht am 12.06.2020
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Entscheidungsdatum

12.06.2020

Norm

ASVG §67 Abs4
B-VG Art133 Abs4

Spruch

L503 2202541-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. DIEHSBACHER als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX GmbH, vertreten durch RA Dr. Georg Peterlunger, gegen den Bescheid der Salzburger Gebietskrankenkasse (nunmehr: Österreichische Gesundheitskasse) vom 12.06.2018, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A.) Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.

B.) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Mit Schreiben vom 27.11.2017 (Titel: "Haftung für Beiträge gem. § 67 Abs 4 ASVG") brachte die (damalige) Salzburger Gebietskrankenkasse (im Folgenden kurz: "SGKK") der nunmehrigen Beschwerdeführerin, der R. Bau GmbH "als Betriebsnachfolger der Firma G. R.", die Bestimmung des § 67 Abs 4 ASVG zur Kenntnis, wonach der Betriebsnachfolger für die Beiträge, die sein Vorgänger im Betrieb zu bezahlen gehabt hätte, für den Zeitraum von höchstens zwölf Monaten vom Tage des Erwerbes zurückgerechnet (Betriebsübernahme am 01.08.2017), hafte. Da die Beiträge trotz Fälligkeit bisher nicht bezahlt worden seien, werde die R. Bau GmbH ersucht, den Rückstand auf dem Beitragskonto mit näher bezeichneter Kontonummer in der Höhe von ? 30.359,11 und weitere Verzugszinsen bis spätestens 15.12.2017 zu begleichen bzw. innerhalb dieser Frist alle Tatsachen vorzubringen, die ihrer Ansicht nach gegen ihre Haftung gemäß § 67 Abs 4 ASVG sprechen. Es werde die Möglichkeit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen eingeräumt und werde die R. GmbH ersucht, den beiliegenden Fragebogen ausgefertigt an die SGKK zu retournieren.

Beigelegt wurden dem Schreiben ein Fragebogen betreffend "Betriebsnachfolgehaftung" sowie eine Rückstandsaufstellung gemäß § 64 ASVG über die von Herrn G. R. zu entrichtenden Beiträge einschließlich der Nebengebühren; Summe der Forderung: ? 30.359,11.

2. Mit Schreiben ihres rechtsfreundlichen Vertreters vom 15.12.2017 gab die R. Bau GmbH eine Stellungnahme ab.

Darin wurde ausgeführt, bei der Adresse K. 24 in Salzburg handle es sich um keinen Betriebsort, sondern lediglich um eine Zustelladresse. Es sei auch gegenüber dem Finanzamt niemals Aufwand hinsichtlich Büromiete etc. geltend gemacht worden. Betriebszweck der R. Bau GmbH sei "naturgemäß" der gleiche wie der des G. R. e.U., weil G. R. nunmehr bei der GmbH gewerberechtlicher Geschäftsführer sei. Der Betrieb sei aber nicht erworben worden. Weder sei etwas bezahlt worden, noch seien Maschinen etc. der Einzelfirma von der R. Bau GmbH übernommen, von dieser gekauft oder sei der R. Bau GmbH etwas geschenkt worden. In diesem Zusammenhang sei auf das Konkursverfahren des LG Salzburg verwiesen. Die Einzelfirma sei nicht weitergeführt worden. Die R. Bau GmbH sei am 4.7.2017 in das Firmenbuch eingetragen worden.

Beiliegend werde ein E-Mail der Steuerberatungskanzlei vom 14.12.2017 übermittelt, aus welchem sich ergebe, wann welcher Mitarbeiter eingetreten sei. Betriebsräumlichkeiten seien nicht vorhanden, weil es sich bei der Anschrift K. 24 um eine Privatwohnung der Gesellschafterin R. R. handle, welche nur eine Zustelladresse darstelle.

Es seien von der R. Bau GmbH bis dato keine Betriebsmittel übernommen worden. Ebenso wenig sei ein Kundenstock übernommen worden, zumal laufend neue Aufträge akquiriert werden müssten. Der Geschäftsführer der R. Bau GmbH, Herr H. G., habe keine Kenntnis darüber, ob Schulden der Einzelfirma G. R. bestanden.

Im Übrigen sei die Forderung SGKK "ohnehin durch das anhängige Konkursverfahren betreffend G. R. gedeckt, weil hier, wie aus beiliegenden Rechnungen ersichtlich, nach wie vor Rechnungen gegen Dl P. E. von ca. EUR 240.000,- offen" seien.

3. Mit weiterem Schreiben an den rechtsfreundlichen Vertreter der R. Bau GmbH vom 20.12.2017 führte die SGKK aus, bezüglich des Vorbringens, dass es sich bei dem Betriebsort lediglich um eine Zustelladresse handelt, werde das Protokoll, welches bei der Einvernahmetagsatzung am 8.8.2017 (Anmerkung des BVwG: im Konkursverfahren von Herrn G. R. beim LG Salzburg) über die Aussagen von Herrn G. R. aufgenommen wurde, herangezogen, in welchem dieser bestätige, dass das Einzelunternehmen an der Adresse K. 24 in Salzburg betrieben worden sei. Wieso dies jetzt mit der GmbH nicht mehr der Fall sein sollte, erschließe sich nicht aus der Darlegung des rechtsfreundlichen Vertreters.

Angeblich sei Herr G. R. lediglich gewerberechtlicher Geschäftsführer, jedoch habe er bei einer persönlichen Vorsprache in der SGKK wegen einer Exekutionsbewilligung die R. Bau GmbH betreffend sich als "richtiger" Geschäftsführer ausgegeben. Dadurch werde "der Tatbestand des § 67 Abs. 5 Z. 2 bzw. 3 ASVG" [richtig wohl: § 67 Abs. 6 Z. 2 bzw. 3, Anmerkung des BVwG] erfüllt. Weiter führte die SGKK wörtlich wie folgt aus: "Darüber hinaus wird Ihnen noch das Schreiben des AKV vom 13.12.2017 zur Kenntnis gebracht, welches klarstellt, dass nicht nur wir der Meinung sind, dass es sich hierbei um eine Betriebsnachfolge handelt. Laut dieser Auskunft werden auch die von Ihnen genannten offenen Forderungen nicht beglichen werden können im Insolvenzverfahren, weshalb sich der Haftungsbetrag lediglich um eine geringe Quote und die Zahlungen des Insolvenzentgeltfonds schmälern wird. Informativ wird Ihnen mitgeteilt, dass es laut der gängigen Rechtsprechung des VwGH beim Kundenstock nicht auf die Anzahl der vom Betriebsnachfolger mitgenommenen Kunden ankommt, sondern darauf, ob bei Fortführung des veräußerten Betriebs die Kunden weiter hätten betreut werden können (VwGH 2009/08/0223, jusIT 2012/109, 230 [Löschnigg]). Im vorliegenden Fall wird angenommen, dass dies so ist."

Es werde eine neuerliche Frist zur Stellungnahme bis zum 24.1.2017 (gemeint: 2018) gewährt.

Im Akt befindet sich diesbezüglich ein Aktenvermerk der SGKK vom 15.11.2017 betreffend die R. Bau GmbH. Demzufolge sei Herr G. R. an diesem Tag erschienen, um sich betreffend eine Exekution die R. Bau GmbH betreffend zu erkundigen, wobei er einen Einzahlungsbeleg in Vorlage gebracht habe. Herr G. R. habe sich als Geschäftsführer ausgegeben, zumal der "richtige" Geschäftsführer "nicht so gut Deutsch" könne. Abschließend wurde im Aktenvermerk wie folgt festgehalten: "Offensichtlich ist der Geschäftsführer im FB wieder nur mal vorgeschoben und Hr. G. R. führt die Geschäfte weiter bei der neuen GmbH".

Im Akt befindet sich diesbezüglich weiters ein Schreiben des Alpenländischen Kreditorenverbands das Insolvenzverfahren von G. R. betreffend an die SGKK vom 13.12.2017. Darin wird ausgeführt, der Schuldner G. R. sei im Baugewerbe tätig gewesen; er habe seine Tätigkeit bereits mit 31.8.2017 eingestellt. Angemerkt werde jedoch, dass eine neugegründete R. Bau GmbH mit identem Firmensitz existiere, "wobei die Gesellschafter und auch der Geschäftsführer aus dem Familienkreis des Schuldners kommen und stellt sich die Frage einer Unternehmensnachfolgehaftung". Das Hauptproblem des Unternehmens von G. R. sei mangelnde Qualität und Gewährleistung gewesen. Im Rahmen des Verwertungsverfahrens werde ein Guthaben von aktuell etwa ? 13.000,00 zu erzielen sein; weiters gebe es eine offene Forderung in der Größenordnung von ca. ? 246.000,00, die voraussichtlich außergerichtlich nicht realisiert werden könne.

4. Mit Schreiben ihres rechtsfreundlichen Vertreters vom 24.1.2018 gab die R. Bau GmbH eine weitere Stellungnahme ab.

Darin wurde wiederholt, dass es sich bei der Anschrift K. 24 in Salzburg tatsächlich um keinen Firmensitz, sondern nur um eine Zustelladresse handle. An dieser Anschrift befinde sich die Wohnung des Ehepaares R. und überreiche der Vertreter in der Anlage neun Fotos über die diesbezügliche Dreizimmerwohnung, aus welchen ersichtlich sei, dass hier keine wie immer gearteten Bürotätigkeiten ausgeübt werden könnten. Eine Vorsprache von Herrn G. R. bei der SGKK sei dem Vertreter der R. Bau GmbH nicht bekannt, tatsächlich sei Herr G. R. nur gewerberechtlicher Geschäftsführer und für diesen Bereich verantwortlich.

Zum Schreiben des AKV sei anzuführen, dass dieser nicht eine Unternehmensnachfolge behaupte, sondern nur feststelle, dass die Gesellschafter und Geschäftsführer aus dem Familienkreis stammen. Dies sei unbestritten, daraus eine Nachfolgehaftung abzuleiten, sei jedoch unzulässig. Unrichtig in diesem Schreiben sei, dass das Hauptproblem des Einzelunternehmens G. R. mangelnde Qualität und Gewährleistung gewesen sei. Diesbezüglich nehme der AKV offenbar auf die Forderungsanmeldung des Architekten E. Bezug, welche jedoch völlig unbegründet sei und offenbar nur dazu diene, sich seinen Zahlungsverpflichtungen gegenüber dem Gemeinschuldner zu entziehen, wobei diesbezüglich nähere Ausführungen getätigt wurden.

Herr G. R. habe dem rechtsfreundlichen Vertreter der R. GmbH mitgeteilt, dass er niemals gegenüber der SGKK behauptet habe, dass er der "richtige" Geschäftsführer der R. Bau GmbH sei.

5. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 12.6.2018 (Titel: "Haftung gemäß §§ 67 Abs 4 und 83 ASVG") sprach die SGKK aus, dass die R. Bau GmbH als Betriebsnachfolger zur ungeteilten Hand für die rückständigen Beiträge und Nebengebühren des Vorgängers, Herrn G. R., aus den Vorschreibungen für die Zeiträume Mai 2017 bis September 2017 in Höhe von ? 30.772,43 zuzüglich Verzugszinsen in der sich nach § 59 Abs 1 ASVG jeweils ergebenden Höhe, das seien ab 12.6.2018 3,38 % p.a. aus ? 29.998,21, hafte. Die R. Bau GmbH sei verpflichtet, diesen Betrag binnen 14 Tagen nach Zustellung des Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen an die SGKK zu bezahlen.

Begründend führte die SGKK aus, die im angeschlossenen Rückstandsausweis vom 12.6.2018 ausgewiesenen Beiträge samt Nebengebühren seien bisher trotz Fälligkeit und Mahnung nicht entrichtet worden. Wenn ein Betrieb übereignet wird, hafte gemäß § 67 Abs 4 ASVG der Erwerber für Beiträge, die sein Vorgänger zu zahlen gehabt hätte, unbeschadet der fortdauernden Haftung des Vorgängers sowie der Haftung des Betriebsnachfolgers nach § 1409 ABGB unter Bedachtnahme auf § 1409a ABGB und der Haftung des Erwerbers nach § 38 ff UGB für den Beitragszeitraum von höchstens zwölf Monaten vom Tag des Erwerbes zurückgerechnet.

Der VwGH habe unter anderem in seinen Erkenntnissen vom 30.3.1978 zu Zl. 1832/77 und vom 16.5.1978 zur Zl. 1833/77 den Begriff Betrieb definiert. Betrieb im Sinne des § 67 Abs 4 ASVG sei die durch den Tätigkeitsbereich bestimmte, die Beschäftigten, die Betriebsmittel, die Geschäftsbeziehungen, die Erfahrungen, die Kundschaft und die Absatzgelegenheit zusammenfassende organisatorische Einheit als Objekt im Rechtsverkehr. Eine solche Einheit sei von G. R. am 1.8.2017 an die R. Bau GmbH übergegangen, wobei es nach dem Erkenntnis des VwGH vom 30.11.1983, Zl. 82/08/0021, nur auf den Übergang jener Betriebsmittel ankomme, die die (nach Betriebsart und Betriebsgegenstand) wesentliche Grundlage des Betriebes des Betriebsvorgängers gebildet haben und den Betriebsnachfolger in die Lage versetzen, den Betrieb fortzuführen. Nun sei es im Gegensatz zur früheren Rechtsprechung des VwGH nicht mehr entscheidend, ob der Betrieb tatsächlich fortgeführt wird und ob im Falle der Betriebsfortführung der Betriebsgegenstand und die Betriebsart gleich blieben.

Der auf das Schreiben vom 27.11.2017 erfolgte Schriftverkehr mit dem Vertreter der R. Bau GmbH "bestätigte, dass es sich im vorliegenden Fall um eine Betriebsnachfolgehaftung handelt." Bei dem Betriebsort der R. Bau GmbH handle es sich nicht lediglich um eine Zustelladresse; im Protokoll, welches bei der Einvernahmetagsatzung am 8.8.2017 über die Aussagen von Herrn G. R. aufgenommen wurde, werde bestätigt, dass das Einzelunternehmen in der K. 24 betrieben worden sei. Abschließend wurde wörtlich wie folgt ausgeführt: "Wieso dass jetzt mit der GmbH nicht mehr der Fall sein sollte, konnte vom Vertreter nicht erklärt werden. Angeblich sei Herr G. R. lediglich gewerberechtlicher Geschäftsführer, jedoch hat er bei einer persönlichen Vorsprache in der Salzburger Gebietskrankenkasse wegen einer Exekutionsbewilligung die R. Bau GmbH betreffend sich als ?richtiger' Geschäftsführer ausgegeben. Dadurch wird der Tatbestand des § 67 Abs. 5 Z. 2 bzw. 3 ASVG erfüllt. Darüber hinaus wird das Schreiben des AKV vom 13.12.2017 als Beweis herangezogen, welches klarstellt, dass nicht nur die Salzburger Gebietskrankenkasse der Meinung ist, dass es sich hierbei um eine Betriebsnachfolge handelt. Laut der gängigen Rechtsprechung des VwGH kommt es beim Kundenstock nicht auf die Anzahl der vom Betriebsnachfolger ?mitgenommenen Kunden' an, sondern darauf, ob bei Fortführung des veräußerten Betriebs die Kunden weiter hätten betreut werden können (VwGH 2009/08/0223, jusIT 2012/109, 230 [Löschnigg]). Im vorliegenden Fall wird angenommen, dass dies so ist. Nach Rücksprache mit dem Masseverwalter geht dieser davon aus, dass die Prozesskostenhilfe nicht gewährt wird und die Gläubiger die Kosten für eine Klage gegenüber dem Architekten Hr. E. zu tragen hätten. Ein weiteres Zuwarten ist seitens der Salzburger Gebietskrankenkasse nicht mehr möglich, da keine weiteren Vorbringen zu erwarten sind, welche gegen eine Betriebsnachfolgehaftung sprechen."

Sonstige Ausführungen wurden im Bescheid nicht getätigt.

6. Mit Schriftsatz ihres rechtsfreundlichen Vertreters vom 9.7.2018 erhob die R. Bau GmbH fristgerecht Beschwerde gegen den Bescheid der SGKK vom 12.6.2018. Darin führte die R. Bau GmbH zusammengefasst wiederum aus, sie habe das Einzelunternehmen von Herrn G. R. nicht rechtsgeschäftlich erworben, sondern sei die R. Bau GmbH durch Gesellschaftsvertrag vom 3.5.2017 neu gegründet worden. Die R. Bau GmbH habe weder Betriebsräumlichkeiten, noch Betriebsmittel von Herrn G. R. erworben und handle es sich bei der von der SGKK erwähnten Adresse um eine bloße Zustelladresse, nämlich die Privatwohnung des Ehepaares R. Darüber hinaus sei der seitens der SGKK im Bescheid erwähnte Rückstandsausweis nur eine Rückstandsaufstellung und ergebe sich nicht, für welche Mitarbeiter die Beiträge abzuführen gewesen wären. Was im Übrigen die Argumentation der SGKK anbelange, Herr G. R. habe einmal bei der SGKK als "richtiger" Geschäftsführer der R. Bau GmbH vorgesprochen, so sei dabei in keiner Weise erörtert worden, ob G. R. nun handelsrechtlicher oder - was ja zutreffend sei - gewerberechtlicher Geschäftsführer ist. Der (handelsrechtliche, Anmerkung des BVwG) Geschäftsführer der R. Bau GmbH, Herr H. G., habe keine Kenntnis hinsichtlich der Schulden von G. R. gehabt. Das von der SGKK erwähnte Schreiben des Alpenländischen Kreditorenverbandes könne schließlich nicht als Entscheidungsgrundlage oder Beweis herangezogen werden, zumal darin nur die Frage einer Unternehmensnachfolge aufgeworfen werde und es sich beim Alpenländischen Kreditorenverband nicht um eine staatliche Behörde mit Entscheidungsbefugnis handle.

7. Am 31.7.2018 legte die SGKK den Akt dem BVwG vor und gab in diesem Zusammenhang eine Stellungnahme ab.

In der Stellungnahme wurde zunächst der bisherige Verfahrensgang dargestellt, wobei darüber hinausgehend - offensichtlich als Replik auf das Beschwerdevorbringen - angemerkt wurde, es sei zweifelhaft, dass der "angebliche Geschäftsführer Hr. H. G. [Anmerkung des BVwG: der im Firmenbuch eingetragene handelsrechtliche Geschäftsführer der R. Bau GmbH] keinerlei Kenntnis über die Schulden der Einzelfirma hatte, ... da es sich bei ihm vermutlich um den Lebensgefährten der Tochter des G. R. handelt (laut ZMR die gleiche Adresse)."

Da "weder bei der persönlichen Vorsprache" (Anmerkung des BVwG: im Akt befinden sich keinerlei Anhaltspunkte für persönliche Vorsprachen - von wem auch immer - das gegenständliche Verfahren betreffend) "noch bei den folgenden Telefonaten" (Anmerkung des BVwG: auch hinsichtlich allfälliger "Telefonate" finden sich im Akt keinerlei Anhaltspunkte) weitere Argumente bzw. Unterlagen, welche die vorgebrachten Argumente belegen würden, vorgebracht worden seien, sei der gegenständliche Haftungsbescheid erlassen worden.

Im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen, die konkret nachverrechneten Beiträge seien nicht nachvollziehbar, wurde darauf hingewiesen, dass es sich bei beiden Unternehmen um selbstabrechnende Betriebe handle bzw. gehandelt habe.

Abschließend wurde zur Frage der Haftung der R. Bau GmbH wortwörtlich wie folgt ausgeführt:

"Richtigerweise ist die Rechtsgrundlage § 67 Abs. 6 Z. 2 ASVG, nicht Abs. 4. Auf Grund der Erhebungen wurde festgestellt, dass Hr. G. R. mit dem Einzelunternehmen in die Insolvenz ging und danach mit der R. Bau GmbH weiter machte, wobei er den vermutlichen Lebensgefährten seiner Tochter vorschiebt. Dieser Verdacht wurde durch das Schreiben des AKV erhärtet. [...] Da sowohl der Betriebsort, der Betriebszweck, das zur Führung der Geschäfte zuständige Organ erheblichen Einfluss auf den Vorgängerbetrieb hatte, der Betriebsname ähnlich geblieben ist und auch ein Anteil der Dienstnehmer nachgefolgt ist, ist von einer Betriebsnachfolge nach § 67 Abs. 6 Z. 2 ASVG auszugehen."

Abschließend wurde beantragt, das BVwG möge die Beschwerde abweisen und den Bescheid der SGKK vollinhaltlich bestätigen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Herr G. R. betrieb als Einzelunternehmer ein Bauunternehmen mit der Firmenadresse K. 24 in Salzburg, wobei es sich dabei um eine (jedenfalls) zu Wohnzwecken genutzte Dreizimmerwohnung in einem Mehrparteienhaus handelt. Sämtliche seiner Dienstnehmer wurden bis spätestens 31.8.2017 von der Sozialversicherung abgemeldet. Mit Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 27.9.2017 wurde über das Vermögen von Herrn G. R. das Konkursverfahren eröffnet.

1.2. Am 4.7.2017 wurde die neu gegründete R. Bau GmbH mit der Geschäftsanschrift K. 24 in Salzburg in das Firmenbuch eingetragen. Gesellschafter sind Frau R. R. (diese hatte ? 26.600 auf die Stammeinlage geleistet) sowie Herr H. G. (dieser hatte ? 8.400 auf die Stammeinlage geleistet). Als handelsrechtlicher Geschäftsführer der R. GmbH ist Herr H. G. im Firmenbuch eingetragen.

Beginnend mit 1.9.2017 wurden von der R. Bau GmbH Dienstnehmer zur Sozialversicherung gemeldet, wobei einige davon zuvor Dienstnehmer von Herrn G. R. waren.

Gewerberechtlicher Geschäftsführer der R. GmbH ist Herr G. R.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes der SGKK sowie ergänzend durch eine Abfrage des Firmenbuches; die getroffenen Feststellungen gehen daraus unmittelbar hervor.

So ist unbestritten, dass Herr G. R. als Einzelunternehmer ein Bauunternehmen mit der Firmenadresse K. 24 in Salzburg betrieb. Die Feststellungen hinsichtlich der An- und Abmeldungen der Dienstnehmer folgen aus im Akt befindlichen Dienstnehmerverzeichnissen. Die Feststellungen zur Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen von G. R. folgen aus dem entsprechenden Edikt. Die Feststellungen zur neu gegründeten R. Bau GmbH folgen aus einer Abfrage des Firmenbuches. Dass G. R. gewerberechtlicher Geschäftsführer der R. Bau GmbH ist, folgt aus dem eigenen Vorbringen des rechtsfreundlichen Vertreters der R. Bau GmbH. Dass es sich bei der Adresse K. 24 in Salzburg um eine Dreizimmerwohnung in einem Mehrparteienhaus handelt, folgt nicht nur aus dem Beschwerdevorbringen, sondern ergibt sich auch aus entsprechendem Online-Kartenmaterial, welches vom BVwG ergänzend abgerufen wurde; dass diese Wohnung (jedenfalls) zu Wohnzwecken genützt wird, folgt aus der - von der SGKK insoweit nicht in Frage gestellten - "Fotodokumentation" seitens des Vertreters der R. Bau GmbH.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Stattgabe der Beschwerde

3.1. Allgemeine rechtliche Grundlagen

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter.

Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache gem. § 28 Abs 1 VwGVG durch Erkenntnis zu erledigen.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idgF, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.2. Rechtliche Grundlagen im ASVG in der anzuwendenden Fassung:

§ 67 ASVG lautet auszugsweise:

[...]

(4) Wird ein Betrieb übereignet, so haftet der Erwerber für Beiträge, die sein Vorgänger zu zahlen gehabt hätte, unbeschadet der fortdauernden Haftung des Vorgängers sowie der Haftung des Betriebsnachfolgers nach § 1409 ABGB unter Bedachtnahme auf § 1409a ABGB und der Haftung des Erwerbers nach § 38 des Unternehmensgesetzbuches (UGB), dRGBl. S. 219/1897, für die Zeit von höchstens zwölf Monaten vom Tag des Erwerbes zurückgerechnet. Im Fall einer Anfrage beim Versicherungsträger haftet er jedoch nur mit dem Betrag, der ihm als Rückstand ausgewiesen worden ist.

[...]

(6) Geht der Betrieb auf

1. einen Angehörigen des Betriebsvorgängers gemäß Abs. 7,

2. eine am Betrieb des Vorgängers wesentlich beteiligte Person gemäß Abs. 8 oder

3. eine Person mit wesentlichem Einfluss auf die Geschäftsführung des Betriebsvorgängers (zB Geschäftsführer, leitender Angestellter, Prokurist)

über, so haftet dieser Betriebsnachfolger ohne Rücksicht auf das dem Betriebsübergang zugrunde liegende Rechtsgeschäft wie ein Erwerber gemäß Abs. 4, solange er nicht nachweist, dass er die Beitragsschulden nicht kannte bzw. trotz seiner Stellung im Betrieb des Vorgängers nicht kennen konnte.

[...]

(8) Eine Person ist an einem Betrieb wesentlich beteiligt, wenn sie zu mehr als einem Viertel Anteil am Betriebskapital hat. Bei der Beurteilung des Anteiles am Betriebskapital ist der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend. Die §§ 22 bis 24 der Bundesabgabenordnung sind sinngemäß anzuwenden.

[...]

3.3. Im konkreten Fall bedeutet dies:

3.3.1. Die SGKK stützte den gegenständlichen Haftungsbescheid seinem Spruch und seiner Begründung nach auf § 67 Abs 4 ASVG, wobei in der Begründung aber auch auf "§ 67 Abs 5 Z 2 bzw. 3 ASVG" (gemeint wohl: § 67 Abs 6 Z 2 bzw. 3 ASVG) verwiesen wurde. Anlässlich der Beschwerdevorlage vom 31.7.2018 korrigierte die SGKK dies insofern, als nunmehr ausschließlich § 67 Abs 6 Z 2 ASVG haftungsbegründend sei (arg. die SGKK in ihrer Beschwerdevorlage: "Richtigerweise ist die Rechtsgrundlage § 67 Abs 6 Z 2 ASVG, nicht Abs 4. ... Da sowohl der Betriebsort, der Betriebszweck, das zur Führung der Geschäfte zuständige Organ erheblichen Einfluss auf den Vorgängerbetrieb hatte, der Betriebsname ähnlich geblieben ist und auch ein Anteil der Dienstnehmer nachgefolgt ist, ist von einer Betriebsnachfolge nach § 67 Abs. 6 Z. 2 ASVG auszugehen").

Folglich ist eine Haftung der R. Bau GmbH nach sämtlichen hier in Betracht kommenden Bestimmungen zu prüfen.

3.3.2. Zu einer allfälligen Haftung nach § 67 Abs 6 Z 2 ASVG

Die Bestimmung des § 67 Abs 6 Z 2 ASVG, auf die sich die SGKK zuletzt (ausschließlich) beruft, lautet wie folgt:

(6) Geht der Betrieb auf [...] eine am Betrieb des Vorgängers wesentlich beteiligte Person gemäß Abs. 8 [...] über, so haftet dieser Betriebsnachfolger ohne Rücksicht auf das dem Betriebsübergang zugrunde liegende Rechtsgeschäft wie ein Erwerber gemäß Abs. 4, solange er nicht nachweist, dass er die Beitragsschulden nicht kannte bzw. trotz seiner Stellung im Betrieb des Vorgängers nicht kennen konnte.

[...]

(8) Eine Person ist an einem Betrieb wesentlich beteiligt, wenn sie zu mehr als einem Viertel Anteil am Betriebskapital hat. Bei der Beurteilung des Anteiles am Betriebskapital ist der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend. Die §§ 22 bis 24 der Bundesabgabenordnung sind sinngemäß anzuwenden.

Zunächst ist zur Haftung nach § 67 Abs 6 ASVG allgemein auszuführen, dass diese - im Unterschied zu jener nach § 67 Abs 4 ASVG (siehe dazu weiter unten) - bei jeglichem Betriebsübergang kraft Rechtsgeschäft (also auch bei Miete, Pacht, Benützungsrecht) eintreten kann (vgl. Müller in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm, [2015], Rz 67 zu § 67 ASVG); siehe diesbezüglich auch den Gesetzeswortlaut "Geht der Betrieb ... über, so haftet dieser Betriebsnachfolger ohne Rücksicht auf das dem Betriebsübergang zugrunde liegende Rechtsgeschäft ...". Nun hat die SGKK gegenständlich aber keinerlei "Rechtsgeschäft" betreffend den von ihr angenommenen Betriebsübergang ins Treffen geführt und befinden sich auch im Akt keine Anhaltspunkte für ein allfälliges Rechtsgeschäft zwischen G. R. und der R. Bau GmbH, sodass schon insofern die Anwendbarkeit von § 67 Abs 6 ASVG fraglich ist, wobei auch etwa auf folgende Entscheidung des VwGH verwiesen sei:

"Wie sich aus dem eindeutigen Wortlaut des § 67 Abs. 6 ASVG ergibt, regelt diese Bestimmung nicht wie § 67 Abs. 4 ASVG eine Erwerberhaftung, sondern eine Betriebsnachfolgehaftung ?ohne Rücksicht auf das dem Betriebsübergang zugrundeliegende Rechtsgeschäft'. Der Erwerber haftet bei einem solchen ?Betriebsübergang' wie ein Erwerber gemäß Abs. 4. Die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse vertritt daher zutreffend die Rechtsauffassung, dass es für die Haftung nach § 67 Abs. 6 ASVG auf das Vorliegen eines Veräußerungsgeschäftes nicht ankommt. Unzutreffend ist allerdings die weitere von der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse vertretene Auffassung, auch ein originärer Erwerb oder eine sonstige Fortführung des Betriebes als organisierter Erwerbsgelegenheit selbst ohne Vorliegen einer RECHTLICHEN Beziehung zwischen Betriebsvorgänger und Betriebsnachfolger könne bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen dieser Haftungsnorm haftungsbegründend sein. Wie der Verwaltungsgerichtshof nämlich in seinem Erkenntnis vom 17. Dezember 1991, Zl. 89/08/0211, ausgeführt hat, ist für die Beitragshaftung nach § 67 Abs. 6 ASVG - im Gegensatz zu § 67 Abs. 4 ASVG - nicht der Erwerb des betreffenden Betriebes auf Grund eines Veräußerungsgeschäftes erforderlich, vielmehr könne auch der Abschluss eines anderen Rechtsgeschäftes als eines Veräußerungsgeschäftes mit dem Betriebsvorgänger zur Begründung der Haftung führen (wobei auf die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage 747 BlgNR 16. GP, 27, hingewiesen wurde). Entscheidend ist freilich, so führte der Verwaltungsgerichtshof weiter aus, dass auf Grund dieses Rechtsgeschäftes (dieser Rechtsgeschäfte) dem nahen Angehörigen jene Betriebsmittel zukommen, die die wesentliche Grundlage des Betriebes des Betriebsvorgängers gebildet haben und den nahen Angehörigen in die Lage versetzen, den Betrieb fortzuführen. Der Verwaltungsgerichtshof ist somit in diesem Vorerkenntnis vor dem Hintergrund des Wortlautes des § 67 Abs. 6 ASVG (?haftet dieser Betriebsnachfolger ohne Rücksicht auf das dem Betriebsübergang zugrundeliegende Rechtsgeschäft wie ein Erwerber gemäß Abs. 4') davon ausgegangen, dass der Gesetzgeber auch bei diesem Haftungstatbestand eine rechtsgeschäftliche Beziehung zwischen Betriebsvorgänger und Betriebsnachfolger als haftungsbegründende Voraussetzung vorgesehen hat. Andernfalls hätte es im Gesetz etwa heißen müssen ?ohne Rücksicht auf die dem Betriebsübergang zugrundeliegenden rechtlichen oder tatsächlichen Vorgänge'." (VwGH vom 1.12.1992, Zl. 88/08/0078)

Selbst wenn man aber im vorliegenden Fall ein derartiges - "verdecktes" - Rechtsgeschäft (welcher Art auch immer, wobei die SGKK diesbezüglich keinerlei Ausführungen tätigte) unterstellen würde, so wäre § 67 Abs 6 Z 2 ASVG dennoch schon seinem übrigen Wortlaut nach nicht auf die hier vorliegende Konstellation anzuwenden:

Diese Bestimmung kommt nämlich nur dann zur Anwendung, wenn der Betrieb auf "eine am Betrieb des Vorgängers wesentlich beteiligte Person übergeht", wobei es darauf ankommt, ob der Betriebsnachfolger nachweisen kann, dass er "die Beitragsschulden nicht kannte bzw. trotz seiner Stellung im Betrieb des Vorgängers nicht kennen konnte". Gerade vor dem Hintergrund der zuletzt genannten, möglichen - persönlichen - Exkulpierung des Betriebsnachfolgers wird deutlich, dass sich diese Bestimmung dem Wortlaut nach nur auf Betriebsnachfolger beziehen kann, die natürliche Personen sind. In diesem Sinne judiziert auch der VwGH in ständiger Rechtsprechung, dass § 67 Abs 6 ASVG nur bei Betriebsübergängen auf physische Personen Anwendung findet (vgl. VwGH 17.10.2012, Zl. 2012/08/0208, VwGH 1.12.1992, Zl. 88/08/0078). Insofern kommt der von der SGKK (anlässlich der Beschwerdevorlage) als haftungsbegründend herangezogene § 67 Abs 6 Z 2 ASVG, zumal es sich beim (vermeintlichen) Betriebsnachfolger um eine GmbH handelt, nicht in Betracht.

Der Vollständigkeit halber sei aber angemerkt, dass selbst dann, wenn man - entgegen der diesbezüglich klaren Rechtsprechung des VwGH - § 67 Abs 6 Z 2 ASVG auch auf juristische Personen als Betriebsnachfolger anwenden würde, diese Bestimmung im gegenständlichen Fall dennoch denkmöglich nicht zur Anwendung gelangen könnte: Aus § 67 Abs 6 Z 2 ASVG folgt nämlich klar, dass die "Person", auf die der Betrieb übergeht, am Betrieb des Vorgängers wesentlich beteiligt gewesen sein muss. Im gegenständlichen Fall bestand zunächst das Einzelunternehmen von G. R. und wurde sodann eine GmbH (neu) gegründet (an der Herr G. R. im Übrigen keine Gesellschafsanteile hält). Die "Person", auf die der Betrieb übergegangen ist, wäre konkret somit - würde man entgegen der dargestellten Rechtsprechung des VwGH versuchen, den Sachverhalt unter § 67 Abs 6 Z 2 ASVG zu subsumieren - die R. Bau GmbH. Allerdings wurde die R. Bau GmbH (und zwar ohne Beteiligung von Herrn G. R. am Stammkapital) erst neu gegründet und könnte somit auch denkmöglich nicht am "Vorgängerbetrieb" von Herrn G. R. wesentlich beteiligt gewesen sein, zumal sie noch nicht existierte. Eine Subsumtion des gegenständlichen Sachverhalts, bei dem ein "Übergang" von einer Einzelperson zu einer neu gegründeten GmbH im Raum steht, würde schlicht keine Deckung im Wortlaut von § 67 Abs 6 Z 2 ASVG finden.

3.3.3. Zu einer allfälligen Haftung nach § 67 Abs 6 Z 3 (wie auch Z 1) ASVG

Die SGKK hält in der Begründung des bekämpften Bescheids zudem lapidar fest, dass sich Herr G. R. bei einer persönlichen Vorsprache in der SGKK wegen einer Exekutionsbewilligung die R. Bau GmbH betreffend als "richtiger" Geschäftsführer ausgegeben habe; dadurch werde der Tatbestand des § 67 Abs 6 Z 3 ASVG erfüllt.

Auch diese Bestimmung kann hier denkunmöglich zur Anwendung gelangen: Sie regelt den Fall, dass der Betrieb "auf eine Person mit wesentlichem Einfluss auf die Geschäftsführung des Betriebsvorgängers (z.B. Geschäftsführer, leitender Angestellter, Prokurist)" übergeht. Aus dem Wortlaut geht unmissverständlich hervor, dass es auch hier nur um natürliche Personen als Betriebsnachfolger gehen kann (vgl. wiederum VwGH 17.10.2012, Zl. 2012/08/0208, VwGH 1.12.1992, Zl. 88/08/0078). Dasselbe gilt im Übrigen auch für eine allfällige - von der SGKK nicht ins Spiel gebrachte - Haftung nach § 67 Abs 6 Z 1 ASVG (Betriebsübergang auf Angehörige).

3.3.4. Zu einer allfälligen Haftung nach § 67 Abs 4 ASVG:

Letztlich verbliebe dem Grunde nach nur eine Haftung nach § 67 Abs 4 ASVG, wobei auch die SGKK die R. Bau GmbH im Spruch des bekämpften Bescheids nach dieser Bestimmung in Anspruch genommen hat.

§ 67 Abs 4 ASVG spricht von "Übereignung" und "Erwerb" des Betriebs. Als Betriebsnachfolger gemäß § 67 Abs 4 ASVG ist somit jene Person zu verstehen, die den Betrieb oder einen organisatorisch selbständigen Teilbetrieb des Betriebsvorgängers (Beitragsschuldners) aufgrund eines Veräußerungsgeschäfts bzw. mehrerer Veräußerungsgeschäfte mit ihm erworben hat (vgl. Müller in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm, [2015], Rz 45 zu § 67 ASVG). Ohne ein derartiges "Veräußerungsgeschäft" kann keine Haftung nach § 67 Abs 4 ASVG eintreten (vgl. VwGH 29.3.2000, Zl. 94/08/0109, VwGH 16.2.1984, Zl. 83/08/0154; vgl etwa auch VwGH 26.1.1984, Zl. 81/08/0097: "Als ?Betriebsnachfolger' gem § 67 Abs 4 ASVG (unter dem Gesichtspunkt der Nachfolge unter Lebenden) ist jene Person zu verstehen, die den Betrieb oder einen organisatorisch selbstständigen Teilbetrieb des Betriebsvorgängers (Beitragsschuldners) auf Grund eines Veräußerungsgeschäftes (von Veräußerungsgeschäften) mit ihm erworben hat; die bloße Bestandnahme eines Betriebes (eines Teilbetriebes) begründet daher keine Haftung nach dieser Gesetzesstelle. Zum Betriebserwerb ist es allerdings nicht erforderlich, dass alle zum Betrieb gehörigen Betriebsmittel erworben werden; es genügt vielmehr der Erwerb jener Betriebsmittel, die die (nach Betriebsart und Betriebsgegenstand) wesentliche Grundlage des Betriebes des Betriebsvorgängers gebildet haben und den Erwerber mit ihrem Erwerb in die Lage versetzen, den Betrieb fortzuführen.")

Im vorliegenden Fall ist nun zu betonen, dass die SGKK keinerlei Veräußerungsgeschäft ins Treffen geführt hat und sich auch aus dem Akteninhalt keine diesbezüglichen Anhaltspunkte ergeben. Vielmehr stützt die SGKK den angefochtenen Bescheid lediglich auf den Umstand, dass die seinerzeitige Anschrift des Einzelunternehmers G. R. identisch mit jener der nunmehrigen R. Bau GmbH ist. Dazu hat die R. Bau GmbH vorgebracht, dass es sich nur um eine Zustelladresse handle, und zwar um die Dreizimmerwohnung des Ehepaares R. - ohne Bürobereich -, wobei entsprechende Fotos der gesamten Wohnung in Vorlage gebracht wurden. Auch ergänzende Erhebungen des BVwG in entsprechendem Online-Kartenmaterial haben ergeben, dass es sich dabei um eine Wohnanlage (Mehrparteienhaus) handelt. Wenngleich der Umstand der identischen Adresse wie auch die hier wohl bestehenden familiären Beziehungen zu den Gesellschaftern der R. Bau GmbH zweifellos ein "Naheverhältnis" von G. R. zur R. GmbH indizieren - so räumte die R. Bau GmbH auch selbst ein, dass G. R. gewerberechtlicher Geschäftsführer der R. Bau GmbH sei -, so ändert dies nichts daran, dass die SGKK diesbezüglich einerseits in keiner Weise ein - wie auch immer geartetes - Veräußerungsgeschäft ins Treffen geführt hat und dass andererseits eine bloße - offensichtlich zu Wohnzwecken genutzte - Wohnung auch nicht als wesentliches Betriebsmittel eines Bauunternehmens angesehen werden kann. Zwar ist darüber hinaus, wenn auch nicht aus dem bekämpften Bescheid, so doch aus dem Akteninhalt, ersichtlich, dass zahlreiche (ehemalige) Dienstnehmer von G. R. sodann von der R. GmbH neu (als Arbeiter) zur Sozialversicherung gemeldet wurden. Nach der Rechtsprechung des VwGH gehören Arbeitskräfte aber nur dann zu den wesentlichen Grundlagen eines Betriebes, wenn es sich um hochspezialisierte, für das Funktionieren des Unternehmens unentbehrliche Fachleute oder um Leitpersonal handelt (vgl. konkret zu § 67 Abs 4 ASVG VwGH vom 29.3.2006, Zl. 2004/08/0122, mit weiteren Judiakturhinweisen), was hier offensichtlich nicht der Fall ist, sodass diesem Umstand keine maßgebliche Bedeutung beigemessen werden kann. Auch der von der SGKK ins Treffen geführte - und von der R. Bau GmbH bestrittene - Umstand, Herr G. R. habe sich anlässlich einer Vorsprache vor der SGKK als "richtiger" Geschäftsführer der R. Bau GmbH ausgegeben (obwohl er lediglich gewerberechtlicher Geschäftsführer sei), ist hier nicht von Relevanz.

Demgegenüber führte die SGKK aber in keiner Weise ins Treffen, dass im konkreten Fall die für ein Bauunternehmen essenziellen Betriebsmittel wie etwa der Fuhrpark, die Baumaschinen, Mischmaschinen, Werkzeuge, Ausrüstung für die Mitarbeiter etc. - aber auch im weiteren Sinn die Kundenbeziehungen oder der Werbeauftritt am Markt - seitens der R. Bau GmbH von G. R. erworben worden wären und finden sich diesbezüglich auch im Akt keinerlei Anhaltspunkte.

Dass die R. Bau GmbH - im Sinne von § 67 Abs 4 ASVG - einen "Betrieb" von G. R. "erworben" hätte, vermochte die SGKK somit nicht darzulegen und ist Derartiges auch aus dem Akt nicht ersichtlich.

Der Vollständigkeit halber sei schließlich angemerkt, dass eine ergänzend durch das BVwG vorgenommene Abfrage beim Firmenbuch - einschließlich einer Einsichtnahme in den Gesellschaftsvertrag der R. Bau GmbH - ergeben hat, dass die R. Bau GmbH weder im Wege einer sogenannten Sachgründung gegründet wurde, noch wurde das ehemalige Einzelunternehmen von G. R. in die R. Bau GmbH eingebracht.

3.4. Zusammengefasst gelangt die Haftungsregelung des § 67 Abs 6 ASVG betreffend den (bloßen) "Betriebsübergang" im gegenständlichen Fall schon dem Grunde nach nicht zur Anwendung und vermochte die SGKK zudem nicht darzulegen - und ist auch aus dem Akteninhalt nicht ersichtlich -, dass die R. Bau GmbH einen "Betrieb" von G. R. "erworben" hat, sodass folglich auch keine Haftung der R. Bau GmbH nach § 67 Abs 4 ASVG in Betracht kommt und ist der Beschwerde somit spruchgemäß stattzugeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufzuheben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gemäß Art 133 Abs 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, da die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Im Hinblick auf die hier zu beurteilende Frage der Haftung für Beitragsschuldigkeiten nach § 67 Abs 4 bzw. § 67 Abs 6 ASVG bestehen klare gesetzliche Regelungen und insbesondere eine einheitliche - in der gegenständlichen Entscheidung exemplarisch dargestellte - Rechtsprechung des VwGH, auf die sich die gegenständliche Entscheidung maßgeblich stützt.

Absehen von einer Beschwerdeverhandlung:

Gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG kann eine Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist, oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist.

Gemäß § 24 Abs 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, [EMRK] noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 [GRC] entgegenstehen.

Die Zulässigkeit des Unterbleibens einer mündlichen Verhandlung ist am Maßstab des Art 6 EMRK zu beurteilen. Dessen Garantien werden zum Teil absolut gewährleistet, zum Teil stehen sie unter einem ausdrücklichen (so etwa zur Öffentlichkeit einer Verhandlung) oder einem ungeschriebenen Vorbehalt verhältnismäßiger Beschränkungen (wie etwa das Recht auf Zugang zu Gericht). Dem entspricht es, wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung für gerechtfertigt ansieht, etwa wenn der Fall auf der Grundlage der Akten und der schriftlichen Stellungnahmen der Parteien angemessen entschieden werden kann (vgl. EGMR 12.11.2002, Döry / S, RN 37). Der Verfassungsgerichtshof hat im Hinblick auf Art 6 EMRK für Art 47 GRC festgestellt, dass eine mündliche Verhandlung vor dem Asylgerichtshof im Hinblick auf die Mitwirkungsmöglichkeiten der Parteien im vorangegangenen Verwaltungsverfahren regelmäßig dann unterbleiben könne, wenn durch das Vorbringen vor der Gerichtsinstanz erkennbar werde, dass die Durchführung einer Verhandlung eine weitere Klärung der Entscheidungsgrundlagen nicht erwarten lasse (vgl. VfGH 21.02.2014, B1446/2012; 27.06.2013, B823/2012; 14.03.2012, U466/11; VwGH 24.01.2013, 2012/21/0224; 23.01.2013, 2010/15/0196).

Im gegenständlichen Fall ergab sich aus der Aktenlage, dass von einer mündlichen Erörterung keine weitere Klärung des Sachverhalts zu erwarten war. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt erweist sich aufgrund der Aktenlage als geklärt.

Schlagworte

Betriebsmittel Betriebsnachfolge Haftung Wohnzwecke

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L503.2202541.1.00

Im RIS seit

04.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

04.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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