TE Lvwg Erkenntnis 2020/8/28 405-6/163/1/13-2020

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.08.2020
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Entscheidungsdatum

28.08.2020

Index

64/03 Landeslehrer

Norm

LDG 1984 §29 Abs2
LDG 1984 §29 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Salzburg hat durch den Richter Mag. Walter Oberascher über die Beschwerde des OLNMS AB AA, AF, AD AE, vertreten durch Rechtsanwälte AG, AI, 5020 Salzburg, gegen das Disziplinarerkenntnis der Leistungsfeststellungs- und Disziplinarkommission (belangte Behörde) vom 24.6.2019, Zahl xx, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung

z u R e c h t e r k a n n t :

I.     Der Beschwerde wird dahingehend Folge gegeben, dass die verhängte Geldstrafe auf das 2,5-fache des Monatsbezuges herabgesetzt wird. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und der Spruch des angefochtenen Bescheides mit der Maßgabe bestätigt, dass in Spruchpunkt I. die Wortfolge "an der Schulter" entfällt.

II.    Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Mit dem angefochtenen Bescheid der Leistungsfeststellungs- und Disziplinarkommission für Landeslehrpersonen wurden dem Beschwerdeführer folgende Dienstpflichtverletzungen zur Last gelegt:

I.   Am 11.6.2018 habe er während des Radausfluges der Klasse 1b der Neuen Mittelschule AQ zum CC im Rahmen des geblockten Turnunterrichtes in der 4.-6. Stunde im Zeitraum 10:15 Uhr bis 13:00 Uhr den Schüler AN AM an der Schulter angestoßen, sodass dieser mit dem Fahrrad umfiel.

II.  Am 1.10.2018 habe er ferner während des Geschichtsunterrichts in der 4. Unterrichtsstunde der Klasse 2a der Neuen Mittelschule AQ die Schülerin CD CE am Bein aus der Klasse gezogen.

III. Außerdem habe er am 19.11.2018 während des Unterrichts Bildnerische Erziehung in der 8. Unterrichtsstunde der Klasse 2a der NMS AQ dem Schüler BE BD einen leichten Schlag auf den Hinterkopf versetzt.

Durch dieses Verhalten habe er schuldhaft seine Dienstpflichten nach § 29 Abs 1 und 2 des Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes - LDG 1984 und § 47 Abs 3 des Schulunterrichtsgesetzes – SchUG verletzt (Spruchpunkt IV.) und wurde deshalb über den Beschwerdeführer gemäß § 70 Abs 1 Z 3 LDG 1984 eine Geldstrafe in Höhe des Vierfachen seines Monatsbezuges, auf den er zum Zeitpunkt der Erlassung des Disziplinarerkenntnisses Anspruch hat, verhängt (Spruchpunkt V.). Von der Verhängung eines Kostenersatzes sah die Behörde gemäß § 86 Abs 2 LDG ab (Spruchpunkt VI.).

Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer durch seine ausgewiesene Rechtsvertretung innerhalb offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde ein, mit der das Disziplinarerkenntnis in den Spruchpunkten I., III., IV. und V. wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und in Folge der Verletzung von Verfahrensvorschriften angefochten und beantragt wurde,

1.  das Disziplinarerkenntnis dahingehend abzuändern, dass der Beschwerdeführer von den Vorwürfen gemäß Faktum I. und Faktum III. freigesprochen und die verhängte Strafe herabgesetzt und ein Verweis oder eine Geldbuße ausgesprochen werde;

in eventu

2.  eine öffentliche mündliche Verhandlung anzuberaumen, die erforderlichen Beweise aufzunehmen und den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass der Beschwerdeführer von den wider ihn erhobenen Vorwürfen in Faktum I. und Faktum III. freigesprochen und die verhängte Strafe herabgesetzt und ein Verweis oder eine Geldbuße ausgesprochen werde;

in eventu

3.  den Bescheid aufzuheben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die belangte Behörde zurückzuverweisen;

in jedem Fall

4.  die verhängte Strafe herabzusetzen und einen Verweis oder eine Geldbuße auszusprechen.

Als Begründung führte der Beschwerdeführer zusammengefasst im Wesentlichen aus, die belangte Behörde habe den entscheidungswesentlichen Sachverhalt unrichtig festgestellt und gegen die Grundsätze der materiellen Wahrheit, des Parteiengehörs und der freien Beweiswürdigung verstoßen. "Zu Faktum I. des Disziplinarerkenntnisses (Vorfall betreffend AN AM)" führte er aus, die Behörde habe sich vor allem auf die Angaben der Schüler AM und AV gestützt, sich aber nicht mit den Angaben des Beschwerdeführers und der Lehrerin BA AZ auseinandergesetzt. Der Beschwerdeführer habe den Vorfall bestritten, BA AZ habe sich an einen derartigen Vorfall nicht erinnern können. Die Beweiswürdigung der Behörde sei weder überprüfbar noch nachvollziehbar.

Beim Vorwurf betreffend BE BD ("Faktum III. des Disziplinarerkenntnisses") habe der Beschwerdeführer zugestanden, dem Schüler in Folge des Versuchs des Griffs in seine Hosentasche einen leichten "Fahrer" über den Hinterkopf gegeben zu haben, es habe sich jedoch um keinen "Schlag" gehandelt. Der Schüler BD sei zur Einvernahme nicht erschienen und die Entscheidung der Behörde unbegründet und nicht nachvollziehbar.

Die Höhe der Disziplinarstrafe (Geldstrafe von vier Monatsbezügen) sei weder schuld- noch tatangemessen. Der Beschwerdeführer habe sich hinsichtlich der Vorfälle betreffend CD CE und BE BD im Wesentlichen geständig gezeigt, wenngleich er einen Schlag bei BD ausdrücklich in Abrede gestellt habe. Die geständige Verantwortung sei jedenfalls zu berücksichtigen. Dem Beschwerdeführer sei bewusst, dass seine Reaktionen in beiden Fällen, in denen nicht unerhebliche Provokationen der Schüler vorausgegangen seien, keine adäquaten gewesen seien und er sich in Folge dieser Vorfälle in eine psychotherapeutische Behandlung begeben habe. Es erschließe sich daher nicht, weshalb aus spezialpräventiven Gründen nahezu der Strafrahmen des § 70 Abs 1 Z 3 LDG zur Gänze ausgeschöpft werden solle. Auch stehe das angefochtene Disziplinarerkenntnis nicht im Einklang mit der höchstgerichtlichen Judikatur und sei die verhängte Disziplinarstrafe deutlich zu hoch. So sei gegen einen Landeslehrer, der einen Schüler im Werkunterricht an den Haaren gezogen habe, ein Verweis ausgesprochen worden (GZ 2003/09/0012) und ein Lehrer, der einen Schüler mit den Händen an dessen T-Shirt und im Nackenbereich sowie am Oberarm erfasst habe und dieser Hämatome am Hinterkopf und am Oberarm sowie zwei Kratzer im Schulterbereich erlitten habe, mit einer Geldstrafe in Höhe von € 1.500 bestraft worden (GZ 2011/09/016).

In dieser Beschwerdesache führte das Landesverwaltungsgericht Salzburg am 18.8.2020 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der der Beschwerdeführer sowie dessen Rechtsvertreter und die Disziplinaranwältin gehört und BA AZ, BG AM, AN AM, AW AV und BE BD zeugenschaftlich einvernommen wurden.

Die Disziplinaranwältin beantragte in ihrer Schlussäußerung die Abweisung der Beschwerde aus generalpräventiven und spezialpräventiven Gründen; es habe sich um mehrere Vorfälle gehandelt und müsse klargestellt werden, dass die Dienstbehörde ein solches Verhalten nicht dulden könne.

Der Vertreter des Beschwerdeführers führte in seiner Schlussäußerung Folgendes aus:

"Die Beschwerde richtete sich nicht nur gegen die Höhe, sondern auch gegen den Vorwurf betreffend den Schüler AN AM. Die zeugenschaftlich einvernommene Lehrerin Frau AZ hat heute bestätigt, dass sie nichts von einem solchen Vorfall wahrgenommen hat. Die Zeugin machte einen sehr akribischen Eindruck und vermittelte glaubwürdig, dass sie umgehend einen solchen Vorfall melden würde. Im Gegensatz dazu erschienen die Zeugen AM und AV wenig glaubwürdig, weil beide bei früheren Befragungen angegeben hatten, dass Frau AZ den Vorfall beobachtet habe. Ebenso schilderte die Zeugin AM den Ablauf des Gespräches wesentlich anders, als dies von der Direktorin, Frau DD, gemacht worden ist. Die Aussage von Frau AM steht auch im Widerspruch zur Aussage von Frau DD. Es wurde nicht einmal ein Protokoll über dieses Gespräch angefertigt. Von einer Empörung der Direktorin kann nicht die Rede sein, diese hat den Vorfall lediglich weitergeleitet und ist die Direktorin wohl eher davon ausgegangen, dass es sich um ein Gerücht handelt. Die am Radausflug teilnehmende Lehrerin hat jedenfalls diesen Vorfall nicht gesehen und ist daher zumindest im Zweifel ein Freispruch zu fällen.

Zum Vorfall betreffend den Schüler BE BD ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer veranschaulicht hat, wie er den Schüler am Kopf berührt hat. Diesem hat die Berührung vielleicht weh getan wegen der von ihm geschilderten Vorverletzung. Man muss jedoch auch betrachten, dass der Schüler vorher Richtung Hosentasche des Beschwerdeführers gegriffen hat und hier in den höchstpersönlichen Lebensbereich des Mandanten eingegriffen hat. Aufgrund dieses Tabubruchs handelte der Beschwerdeführer im Affekt, was ihm leidtue.

Der Beschwerdeführer hat alles unternommen, um derartige Impulsreaktionen in den Griff zu bekommen und er bemüht sich erfolgreich, derartige Verhaltensweisen abzustellen. Auch wenn es zu einer kurzfristigen Häufung von Vorfällen (Vorfall mit CD CE und BE BD) gekommen ist, ist festzuhalten, dass es sich nicht um die übliche Verhaltensweise des Beschuldigten handelt und er sich um Besserung bemüht.

Zur Strafbemessung ist auszuführen, dass die festgesetzte Strafe fernab jeder Angemessenheit liegt. Diesbezüglich ist auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 25.6.2013, Zahl 2011/09/0016, hinzuweisen, wonach bei einem Vorfall, bei dem ein Schüler verletzt worden ist, eine Geldstrafe in Höhe von € 1.500 ausgesprochen worden ist. In einer anderen Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes wurde für das Ziehen an den Haaren eines Schülers ein Verweis ausgesprochen. In beiden Fällen handelte es sich um wesentlich schwerwiegendere Tathandlungen, als sie dem Beschuldigten zur Last gelegt werden. Dennoch hat die Behörde hier fast die Höchststrafe zur Anwendung gebracht und handelt es sich hier keinesfalls um eine schuld- und tatangemessene Strafe. Es wird daher jedenfalls beantragt, die Strafe entsprechend herabzusetzen und in Bezug auf den Vorfall betreffend den Schüler AN AM einen Freispruch auszusprechen."

Das Landesverwaltungsgericht Salzburg hat hiezu in einer gemäß § 2 VwGVG durch einen Einzelrichter zu treffenden Entscheidung Folgendes festgestellt und erwogen:

Der Disziplinarbeschuldigte steht als Lehrer in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Salzburg. Von 1984 bis zu seiner vorläufigen Suspendierung durch die Dienstbehörde am 23.11.2018 unterrichtete er an der Hauptschule bzw Neuen Mittelschule AQ. Seit 17.2.2020 unterrichtet er an der Neuen Mittelschule EE, wo er sich laut schriftlicher Bestätigung des Schulleiters gut in das Kollegium eingefügt und seinen Dienst bislang zur vollsten Zufriedenheit erledigt hat.

Mit Disziplinarverfügung vom 6.3.2018, Zahl yy wurde der Beschuldigte wegen eines Verstoßes gegen die Dienstpflichten des § 29 Abs 1 und 2 LDG 1984 iVm § 47 Abs 3 SchUG mit einer Geldbuße in Höhe von 20 Prozent seines Monatsbezuges belegt, weil er am 12.6.2017 in der Geschichtestunde einen Schüler mit dem Enthefter in das Ohr gezwickt und ihn dadurch verletzt hatte.

Bei einem Radausflug der Klasse 1b der Neuen Mittelschule AQ im Rahmen des Unterrichtsfachs Bewegung und Sport am 11.6.2018 zum CC, bei dem der Beschwerdeführer für die Buben zuständig war (für die Mädchen nahm die Lehrerin BA AZ teil), fuhr der Schüler AN AM freihändig mit dem Fahrrad. Nach dem Anhalten wies der Beschwerdeführer den Schüler an, dieses Verhalten zu unterlassen, sagte zu ihm, sonst könne "das" passieren, und gab dem Schüler einen Stoß, sodass dieser mit dem Fahrrad umfiel. Bei dem Sturz wurde der Schuler nicht verletzt.

Am 19.11.2018 versetzte der Beschwerdeführer dem Schüler BE BD während des Unterrichts im Fach Bildnerische Erziehung einen Schlag mit der flachen Hand auf den Hinterkopf. Zuvor hatte der Lehrer das Mobiltelefon eines anderen Schülers eingezogen und kam der Schüler BD auf den Beschwerdeführer zu und griff diesem auf die Hosentasche, in der er das Handy eingesteckt hatte.

Dieser Sachverhalt war aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens als erwiesen anzusehen und stützen sich die Feststellungen zum einen auf die im Akt der belangten Behörde befindlichen und insoferne unbedenklichen Unterlagen sowie insbesondere auf die glaubwürdigen Aussagen der in der öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung einvernommenen Zeugen AN AM, BG AM, AW AV und BE BD.

In beweiswürdigender Hinsicht ist auszuführen, dass der Zeuge AN AM in der Verhandlung ausdrücklich angab, vom Beschuldigten mit den Worten "Sonst kann das passieren" umgestoßen worden und daraufhin mit dem Fahrrad umgefallen zu sein. Der Zeuge AW AV, der sich in unmittelbarer Nähe befunden hatte, bestätigte diesen Vorfall ausdrücklich. Darüber hinaus gab die Mutter des umgestoßenen Schülers, BG AM, glaubwürdig an, den Beschwerdeführer in einem Gespräch am 14.11.2018, an dem auch die Direktorin der Schule teilgenommen hatte, auf den Vorfall beim Radausflug angesprochen und gefragt zu haben, ob dieser stimme, und der Beschwerdeführer dabei diesen Vorfall ausdrücklich mit "Ja" bestätigt habe. Diese Aussage deckt sich auch mit der Angabe der Direktorin DB DD, welche bei der Zeugenbefragung durch die belangte Behörde am 12.6.2019 angegeben hat, Frau AM habe den Beschwerdeführer gefragt, ob es stimme, dass ihr Sohn beim Radausflug freihändig gefahren sei und der Beschwerdeführer daraufhin auf ihren Sohn zugekommen und ihn mit dem Fahrrad umgestoßen habe, und der Beschwerdeführer die Frage mit "Ja" beantwortet habe.

Im Gegensatz zu den sich inhaltlich deckenden und glaubwürdigen Angaben der Zeugen war das Vorbringen des Beschuldigten, der angab, er könne sich "exakt an so einen Vorfall nicht erinnern" und vorbrachte, seine Bejahung habe sich lediglich auf die von Frau AM zum Ausdruck gebrachte Forderung, sie müsse sich darauf verlassen können, dass ihr Kind unbeschadet von einem Radausflug zurückkomme, bezogen, als Schutzbehauptung zu werten. Auch konnte der Beschwerdeführer mit dem Vorbringen, die Zeugin BA AZ habe von dem Vorfall nichts bekommen, nichts für seine Position gewinnen, zumal die Zeugin, die bei diesem Radausflug als Lehrerin für die Mädchen der Klasse zuständig gewesen ist, weder eine konkrete Erinnerung an den Radausflug noch eine Erinnerung daran hatte, dabei einen derartigen Vorfall wahrgenommen zu haben. Darüber hinaus war aufgrund der Angaben des Zeugen AW AV davon auszugehen, dass sich die Schüler AM und AV im Zeitpunkt des Vorfalles am Ende der Gruppe befunden haben, die Lehrerin AZ jedoch die Gruppe von rund 20 Schülerinnen und Schülern anführte und sich daher am Anfang der Radgruppe befunden hat. Dass die Zeugin AZ keine Erinnerung hatte, den Vorfall wahrgenommen zu haben, vermag somit die konkreten Angaben der unter Wahrheitspflicht stehenden Zeugen AN und BG AM sowie AW AV nicht zu widerlegen.

Ob der Stoß des Beschwerdeführers gegen die Schulter des Schülers erfolgt ist, konnte nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden. Der Zeuge AN AM sagte aus, er habe einen Stoß "glaublich gegen die Schulter" erhalten, jedenfalls sei er aber vom Lehrer umgestoßen worden.

Zur Wertung der Berührung des Schülers BE BD als "leichten Schlag" ist in beweiswürdigender Hinsicht auszuführen, dass sich sowohl aus der Schilderung des Vorganges durch den Beschwerdeführer selbst als auch aus den schlüssigen und sehr glaubwürdigen Angaben des zeugenschaftlich einvernommenen Schülers BE BD ergibt, dass der Beschwerdeführer ihm einen Schlag auf den Kopf mit der flachen Hand versetzt hat. Der Zeuge beschrieb den Schlag als "nicht so fest" und mit dem Wort "mittelmäßig". Darüber hinaus gab der Schüler an, dass der Schlag ihm weh getan habe, wenngleich er bereits zuvor eine Verletzung am Kopf gehabt habe. Für das erkennende Gericht besteht somit kein Zweifel, dass es sich – so wie von der belangten Behörde festgestellt – jedenfalls um einen leichten Schlag gehandelt hat.

Der unter Spruchpunkt II. angeführte Vorwurf, der Beschwerdeführer habe am 1.10.2018 während des Geschichteunterrichts die Schülerin CD CE am Bein aus der Klasse gezogen, wurde vom Disziplinarbeschuldigten nicht bestritten und waren diesbezüglich daher keine weiteren Beweisaufnahmen erforderlich.

Rechtlich ist dazu Folgendes auszuführen:

Gemäß § 29 Abs 1 Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz – LDG 1984, BGBl Nr 302/1984, ist der Landeslehrer verpflichtet, die ihm obliegenden Unterrichts-, Erziehungs- und Verwaltungsaufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen. Nach Abs 2 dieser Bestimmung hat der Landeslehrer in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.

Das Schulunterrichtsgesetz regelt zur Erfüllung der Aufgabe der österreichischen Schule die innere Ordnung des Schulwesens als Grundlage des Zusammenwirkens von Lehrern, Schülern und Erziehungsberechtigten als Schulgemeinschaft (vgl § 2 SchUG). Nach der Bestimmung des § 47 Abs 1 SchUG, BGBl Nr 472/ 1986 idF BGBl I Nr 48/2014, hat der Lehrer im Rahmen der Mitwirkung der Schule an der Erziehung der Schüler in seiner Unterrichts- und Erziehungsarbeit die der Erziehungssituation angemessenen persönlichkeits- und gemeinschaftsbildenden Erziehungsmittel anzuwenden, die insbesondere Anerkennung, Aufforderung oder Zurechtweisung sein können. Gemäß Abs 3 leg cit sind körperliche Züchtigung, beleidigende Äußerungen und Kollektivstrafen verboten.

Landeslehrer, die schuldhaft ihre Dienstpflichten verletzen, sind gemäß § 69 LDG 1984 nach den Bestimmungen des 7. Abschnitts dieses Gesetzes zur Verantwortung zu ziehen.

Gemäß § 70 Abs 1 LDG 1984, BGBl Nr 302/1984 idF BGBl I Nr 65/2015, sind Disziplinarstrafen

1.   der Verweis,

2.   die Geldbuße bis zur Höhe eines halben Monatsbezuges,

3.   die Geldstrafe in der Höhe von einem Monatsbezug bis zu fünf Monatsbezügen,

4.   die Entlassung.

Nach Abs 2 dieser Bestimmung ist in den Fällen des Abs 1 Z 2 und 3 von dem Monatsbezug auszugehen, der dem Landeslehrer auf Grund seiner besoldungsrechtlichen Stellung im Zeitpunkt der Fällung des Disziplinarerkenntnisses bzw im Zeitpunkt der Verhängung der Disziplinarverfügung gebührt; allfällige Kürzungen des Monatsbezuges sind bei der Strafbemessung nicht zu berücksichtigen.

Die Bestimmung des § 71 LDG 1984, BGBl Nr 302/1984 idF BGBl I Nr 147/2008, lautet wie folgt:

"Strafbemessung

(1) Das Maß für die Höhe der Strafe ist die Schwere der Dienstpflichtverletzung. Dabei ist darauf Rücksicht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafe erforderlich ist, um den Landeslehrer von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten oder der Begehung von Dienstpflichtverletzungen durch andere Landeslehrer entgegenzuwirken. Die nach dem Strafgesetzbuch für die Strafbemessung maßgebenden Gründe sind dem Sinne nach zu berücksichtigen; weiters ist auf die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Landeslehrers Bedacht zu nehmen.

(2) Hat der Landeslehrer durch eine Tat oder durch mehrere selbständige Taten mehrere Dienstpflichtverletzungen begangen und wird über diese Dienstpflichtverletzungen gleichzeitig erkannt, so ist nur eine Strafe zu verhängen, die nach der schwersten Dienstpflichtverletzung zu bemessen ist, wobei die weiteren Dienstpflichtverletzungen als Erschwerungsgrund zu werten sind."

Die Entwicklung der Anlagen der Jugend im Sinne des § 2 des Schulorganisationsgesetzes – SchOG erfolgt nach den §§ 17 Abs 1, 43 Abs 1 und 47 Abs 1 und 3 SchUG 1986 durch ein Zusammenwirken von Lehrern und Schülern. Seine durch die ihm übertragenen Aufgaben zukommende besondere Verantwortung gebietet dem Lehrer bei seiner Tätigkeit, die in § 2 SchOG normierte Aufgabe der Schule in seinem gesamten Verhalten zu wahren und von Handlungen und Vorgangsweisen Abstand zu nehmen, die diese Ziele gefährden oder in Frage stellen (vgl VwGH vom 6.6.2001, 97/09/0222). Der Pflicht der Lehrer, die Unterrichtsarbeit vorzunehmen, entspricht eine Pflicht der Schüler, die Unterrichtsarbeit durch ihre Mitarbeit und ein entsprechendes Verhalten zu fördern. Ein Schüler, der durch sein Verhalten den Unterricht maßgeblich stört, beeinträchtigt nicht nur den Erfolg seiner eigenen Teilnahme am Unterricht, sondern auch den seiner Mitschüler (zB VwGH vom 16.9.2010, 2009/09/0181). Dennoch bedarf es nach dem klaren Inhalt des § 47 Abs 3 SchUG keiner weiteren Begründung, dass auch in jenen Fällen, in denen von einem massiven Fehlverhalten eines Schülers auszugehen wäre oder in denen dieses Fehlverhalten aufgeklärt werden soll, dem Verbot der körperlichen Züchtigung uneingeschränkt Geltung zukommt (vgl zB VwGH vom 25.6.2013, 2011/09/0016; 2.10.2003, 2003/09/0012; 25.4.2018, Ra 2018/09/0037).

Unter Züchtigung ist die Anwendung körperlicher Gewalt zur Bestrafung von Personen, die dem jeweiligen Herrschaftsrecht unterworfen sind, zu verstehen (vgl dazu VwGH vom 2.10.2003, 2003/09/0012, unter Hinweis auf Brockhaus, Die Enzyklopädie, 20. Auflage, 24. Band, 1996, S 630). Selbst unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die vom Beschwerdeführer angewendete körperliche Gewalt nicht auf eine Bestrafung der Schüler gerichtet gewesen ist, sind die verfahrensgegenständlichen Handlungen des Beschwerdeführers, der als Lehrer ein "Herrschaftsrecht" in einem auf die Schule zu übertragenden Sinn über die ihm anvertrauten Kinder und Jugendlichen ausübt, im Hinblick auf die Art der körperlichen Gewaltanwendungen (Umstoßen eines Schülers mit dem Fahrrad, Ziehen einer Schülerin am Bein aus der Klasse, Versetzen eines Schlages auf den Hinterkopf eines Schülers) jedenfalls als nach § 47 Abs 3 SchUG verpönte Maßnahme zu beurteilen. Wie der Verwaltungsgerichtshof in der oben zitierten Entscheidung ausführte, wird dieses Verständnis auch durch den Gesamtzusammenhang des § 47 Abs 3 SchUG bestätigt, der nicht nur die Anwendung körperlicher Gewalt, sondern auch lediglich verbale Übergriffe verbietet, sowie durch die Umschreibung der nach § 47 Abs 1 SchUG anzuwendenden "angemessenen" Erziehungsmittel bestärkt. Daher ist es auch nicht relevant, ob das Verhalten des Beschwerdeführers einem Schüler Schmerzen bereitete.

Eine Missachtung des in § 47 Abs 3 SchUG enthaltenen Verbotes wie im verfahrensgegenständlichen Fall steht der von § 29 Abs 1 LDG 1984 geforderten gewissenhaften Aufgabenerfüllung des Beschwerdeführers entgegen und ist zweifelsohne geeignet, das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben zu erschüttern (§ 29 Abs 2 LDG 1984).

Die dem Disziplinarbeschuldigten in den Spruchpunkten I. bis III. angelasteten Tathandlungen (Umwerfen eines Schülers mit dem Fahrrad, Ziehen einer Schülerin am Bein aus der Klasse, Versetzen eines leichten Schlages auf den Hinterkopf eines Schülers) stellen somit ohne Zweifel gemäß den angeführten Bestimmungen verpönte Verhaltensweisen dar. Der Beschuldigte hat körperliche Gewalt gegen die ihm anvertrauten Schüler angewendet und dadurch schuldhaft Dienstpflichtverletzungen nach § 29 Abs 1 (nicht rechtmäßige Erfüllung von Unterrichts- und Erziehungsaufgaben) und Abs 2 leg cit (Störung des Vertrauens in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben als Lehrer) des Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes jeweils in Verbindung mit § 47 Abs 3 des Schulunterrichtsgesetzes begangen. Die Schuldsprüche durch die belangte Behörde erfolgten somit zu Recht und waren diese mit der zulässigen Korrektur bei Spruchpunktes I. des angefochtenen Disziplinarerkenntnisses zu bestätigen.

Zur Strafbemessung ist auszuführen:

Das Maß für die Höhe der Strafe ist gemäß § 71 Abs 1 LDG 1984 die Schwere der Dienstpflichtverletzung unter Berücksichtigung des Zweckes der Spezial- und Generalprävention sowie der Milderungs- und Erschwerungsgründe und der persönlichen Verhältnisse und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Landeslehrers.

Bei der Bestimmung des spezialpräventiv notwendigen Strafens sind die Warnungs-, Besserungs- und Sicherungsfunktion der Strafe zu beachten, wobei eine Prognose über das zukünftige Verhalten des Täters anzustellen ist (vgl Kucsko-Stadlmayer, Disziplinarrecht der Beamten, 4. Auflage, 2010, S 105).

Bei Beurteilung der Schwere einer Dienstpflichtverletzung fällt als gravierend ins Gewicht, wenn ein Beamter wie im verfahrensgegenständlichen Fall durch die ihm vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen gerade jene Werte verletzt, deren Schutz ihm in seiner Stellung oblag (VwGH vom 20.11.2001, 2000/09/0021; 16.9.2009, 2009/09/0180; 15.12.2011, 2011/09/0105; 31.5.2012, 2011/09/0187). Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, inwieweit Eignung und Vertrauenswürdigkeit des Beamten in Hinblick auf seine Stellung (VwGH vom 14.1.1977, 833/76; 22.6.2005, 2003/09/0087; 21.9.2005, 2002/09/0135) und wie erheblich das Standesansehen oder der Dienstbetrieb beeinträchtigt worden sind (zB VwGH vom 14.1.1980, 1725/79).

Bei den gegenständlich zu beurteilenden Taten handelt es sich auch angesichts der Vorbildfunktion des Beschwerdeführers als Lehrer einer Neuen Mittelschule für die ihm anvertrauten Kinder und Jugendlichen (vgl VwGH vom 23.3.1994, 93/09/0391; 6.6.2001, 97/09/0222) um schwerwiegende Dienstpflichtverletzungen. Der Unrechtsgehalt der Taten ist erheblich, zumal der Beschuldigte körperlich gegen ihm anvertraute Schüler tätig geworden ist und diese dabei nicht nur einer erheblichen Verletzungsgefahr ausgesetzt hat (insbesondere das Umstoßen eines auf dem Fahrrad sitzenden Schülers ist als außerordentlich rücksichtslos zu bewerten und kann zu schwerwiegenden Verletzungen führen), sondern den Handlungen des Beschwerdeführers auch eine die Schüler herabsetzende und demütigende Komponente innewohnt (vgl zB VwGH vom 16.9.2010, 2009/09/0181). Die Vertrauenswürdigkeit des Beamten wurde in Hinblick auf seine Stellung schwer beeinträchtigt und stellte das Verhalten des Beschuldigten auch ein äußerst schlechtes Beispiel für andere Lehrpersonen dar. Das Ausmaß des Verschuldens des Beschuldigten ist ebenfalls als erheblich anzusehen.

Der Milderungsgrund der disziplinarrechtlichen Unbescholtenheit liegt nicht vor. Gegen den Beschwerdeführer wurde bereits mit Disziplinarverfügung vom 6.3.2018 wegen eines Verstoßes gegen die Dienstpflichten gemäß § 29 Abs 1 und 2 LDG 1984 iVm § 47 Abs 3 SchUG eine Geldbuße in Höhe von 20 Prozent seines Monatsbezuges ausgesprochen. Diese auf der gleichen schädlichen Neigung des Beschuldigten beruhende Vorstrafe konnte den Beschwerdeführer offenbar nicht von weiteren gleichartigen Handlungen abhalten und war als erschwerend zu berücksichtigen. Als Erschwerungsgrund war im Sinne des § 71 Abs 2 LDG 1984 zu werten, dass insgesamt drei Dienstpflichtverletzungen vorliegen, über die gleichzeitig erkannt wird.

Andere strafmildernde oder sonstige erschwerende Umstände sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Insbesondere konnte das Gericht auch hinsichtlich der Vorfälle betreffend CD CE und BE BD ein Geständnis des Beschwerdeführers im Sinne des § 34 Z 17 StGB nicht erkennen. Diese Bestimmung nimmt als Milderungsgrund das reumütige Geständnis oder das Geständnis, welches wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen hat, an. Ein reumütiges Geständnis umfasst sowohl das Zugeben der gegen den Täter erhobenen und in der Verurteilung für richtig befundenen Anschuldigung zumindest in ihren wesentlichen Punkten, als auch ein diesbezügliches Schuldbekenntnis, verbunden mit einer nicht bloß intellektuellen, sondern gesinnungsmäßigen Missbilligung der Tat (zB VwGH vom 25.6.1992, 91/16/0054; 18.12.2000, 98/10/0313; 30.1.2015, 2011/17/0081; 25.4.2018, Ra 2017/09/0044; sowie Kunst, Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch, Randziffer 47 zu § 34 StGB).

Zu seiner wirtschaftlichen Situation gab der Beschuldigte an, außer einer Kreditrückzahlung für seine Eigentumswohnung von € 500 pro Monat keine Zahlungsverpflichtungen zu haben.

Im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer sein Bemühen gezeigt hat, sein impulsives Verhalten in derartigen Situationen nachhaltig zu verändern, die Vorfälle sich bereits im Jahr 2018 ereignet haben und der Beschwerdeführer seit Februar 2020 an der Neuen Mittelschule EE zufriedenstellend unterrichtet, erscheint eine Herabsetzung der Geldstrafe auf das 2,5-fache seines Monatsbezuges geboten. Die Geldstrafe in dieser Höhe erscheint in spezialpräventiver Hinsicht noch als ausreichend, um dem Beschuldigten das Unrecht der Taten vor Augen zu führen und ihn in Zukunft von weiteren Dienstpflichtverletzungen abzuhalten.

Die nunmehr festgesetzte Geldstrafe, die in der Mitte des gesetzlichen Strafrahmens liegt, entspricht den gesetzlichen Strafbemessungskriterien. Sie war auch aus generalpräventiven Gründen notwendig, um der Verletzung von Dienstpflichten und der Begehung von gleichartigen Taten durch andere Landeslehrer entgegenzuwirken.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, weil keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Das Verwaltungsgericht hatte - bezogen auf den Einzelfall - zu beurteilen, ob der angefochtene Bescheid materiell- und verfahrensrechtlich rechtmäßig war. Mit seiner Entscheidung weicht das Gericht weder von der dargestellten bisherigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Die zu den maßgebenden Bestimmungen vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist im Übrigen nicht als uneinheitlich zu beurteilen und liegen auch keine sonstigen Hinweise für eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz, Disziplinarverfahren Landeslehrer, Dienstpflichtverletzungen, Geldstrafe, Strafbemessung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGSA:2020:405.6.163.1.13.2020

Zuletzt aktualisiert am

02.09.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Salzburg LVwg Salzburg, https://www.salzburg.gv.at/lvwg
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