TE Vwgh Erkenntnis 2020/7/29 Ra 2020/07/0029

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Veröffentlicht am 29.07.2020
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
14/01 Verwaltungsorganisation
40/01 Verwaltungsverfahren
83 Naturschutz Umweltschutz

Norm

AVG §52
AVG §52 Abs1
AVG §52 Abs2
AVG §52 Abs3
AVG §76 Abs1
AVG §8
B-VG Art132 Abs1
UVPG 2000 §12 idF 2009/I/087
UVPG 2000 §24c idF 2009/I/087
UVPG 2000 §3 Abs7
UVPG 2000 §3b Abs1 idF 2016/I/004
UVPG 2000 §3b Abs2 idF 2016/I/004
UVPG 2000 §3b idF 2016/I/004
UVPG 2000 §42 Abs1
UVPG 2000 §42 Abs1 idF 2000/I/089
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §17
VwGVG 2014 §27
VwGVG 2014 §7
VwGVG 2014 §9
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. N. Bachler, Dr. Lukasser, Mag. Haunold und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision der 1. E GmbH in G und 2. V GmbH in W, beide vertreten durch die Onz, Onz, Kraemmer, Hüttler Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schwarzenbergplatz 16, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. April 2019, Zl. W225 2193909-1/20Z, betreffend Vorschreibung von Sachverständigengebühren nach § 3b UVP-G 2000 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Steiermärkische Landesregierung; mitbeteiligte Partei: DI C S in M), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird in seinem Spruchpunkt A) II. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat den revisionswerbenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Mit Bescheid vom 29. Dezember 2017 stellte die belangte Behörde fest, die Wasserkraftanlagen G. und K. - die von der S. GmbH errichtet wurden und in deren Rechte die revisionswerbenden Parteien hinsichtlich der Teilfertigstellungsmeldung eintraten - entsprächen unter Berücksichtigung von nachträglich genehmigten Abweichungen dem UVP-Genehmigungsbescheid der belangten Behörde vom 14. März 2008.

2        Gegen diesen Abnahmebescheid erhoben sowohl der Verein L. als auch A. E. jeweils Beschwerde.

3        Mit Schriftsatz vom 22. Mai 2018 erstatteten die revisionswerbenden Parteien dazu eine Stellungnahme. In dieser führten sie aus, der Verein L. sei keine anerkannte Umweltorganisation und habe daher keine Parteistellung im UVP-Verfahren. A. E. habe in seinem Schreiben nicht vorgebracht, in welchen subjektiven Rechten er sich verletzt erachte. Beiden fehle daher die Berechtigung zur Erhebung der Beschwerden.

4        Mit Beschluss vom 4. September 2018 bestellte das Verwaltungsgericht in der genannten Beschwerdesache die Mitbeteiligte als nichtamtliche Sachverständige für die „UVP-Koordination“ gemäß § 3b Abs. 1 Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 (UVP-G 2000).

5        Mit Verfahrensanordnung vom 12. Februar 2019 beauftragte das Verwaltungsgericht A. E. mit der Verbesserung seiner mangelhaften Beschwerde „binnen einer Woche“.

6        Am 21. Februar 2019 langte außerhalb der Amtsstunden des Verwaltungsgerichts ein Fristerstreckungsantrag des A. E. ein.

7        Mit Schreiben vom 22. Februar 2019 legte die Mitbeteiligte dem Verwaltungsgericht eine Gebührennote für die „Überprüfung der Gutachten auf inhaltliche Plausibilität nach Vorgaben des BVwG für vorgebrachte Beschwerden“ im Ausmaß von 30 Stunden und für eine zweistündige Besprechung mit der erkennenden Richterin samt angefallener Reisekosten und Zeitversäumnis in der Höhe von insgesamt € 3.124,20 vor.

8        Mit Beschluss vom 25. Februar 2019 wies das Verwaltungsgericht die Beschwerden des Vereins L. und des A. E. als unzulässig zurück.

9        Hinsichtlich des Vereins begründete es diese Entscheidung zusammengefasst damit, diesem fehle die bescheidmäßige Anerkennung als Umweltorganisation gemäß § 19 Abs. 7 UVP-G 2000, weshalb ihm keine Parteistellung zukomme.

10       Die Beschwerde des A. E. sei mangels Legitimation zu ihrer Erhebung zurückzuweisen, weil sich aus dem allgemein gehaltenen Beschwerdevorbringen keine Verletzung von subjektiven Rechten ergebe und die Beschwerde auch das für deren Erhebung notwendige Begehren vermissen lasse. Dessen Fristerstreckungsantrag sei außerhalb der Amtsstunden und damit erst mit 22. Februar 2019 eingebracht worden. Eine Mängelbehebung durch A. E. sei indes bis zum heutigen Tag nicht erfolgt.

11       Mit Schriftsatz vom 25. März 2019 erstatteten die revisionswerbenden Parteien sodann eine Äußerung zum Gebührenantrag der Mitbeteiligten. In dieser brachten sie vor, den Parteien dürften nur die Kosten für Amtshandlungen, die zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts erforderlich seien, vorgeschrieben werden. Die Bestellung der Mitbeteiligten sei im konkreten Fall nicht erforderlich gewesen, weil die Beschwerden des Vereins L. und des A. E. mangels Erfüllung der Prozessvoraussetzungen zurückzuweisen gewesen seien und daher gar kein Beweisverfahren durchzuführen gewesen sei.

12       Mit dem angefochtenen Beschluss vom 16. April 2019 sprach das Verwaltungsgericht Folgendes aus (Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof, Hervorhebungen im Original):

„A)

I.   Die Gebühren der nichtamtlichen Sachverständigen ... (Mitbeteiligte) ... für den Fachbereich der ,UVP-Koordination‘, die in der Beschwerdesache ,UVP-Abnahmeverfahren Wasserkraftanlagen KW G. und KW K.‘ gemäß UVP-G 2000 im Verfahren entstanden sind, werden mit insgesamt € 3.124,20 (in Worten dreitausendeinhundertvierundzwanzig Euro und zwanzig Cent) bestimmt.

II.  Binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses ist der Betrag von € 3.124,20 (in Worten dreitausendeinhundertvierundzwanzig Euro und zwanzig Cent) von ... (revisionswerbende Parteien) ... , beide vertreten durch Onz, Onz, Kraemmer, Hüttler Rechtsanwälte GmbH, an ... (Mitbeteiligte) ... , auf das Konto lautend auf: (...) zu überweisen. Eine Kopie des Einzahlungsbeleges ist an das Bundesverwaltungsgericht zu übermitteln.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.“

13       Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, § 3b Abs. 1 UVP-G 2000 sehe vor, dass die Beiziehung von nichtamtlichen Sachverständigen auch ohne das Vorliegen der Voraussetzungen des § 52 Abs. 2 bis „4“ (richtig: 3) AVG zulässig sei. „§ 12 Abs. 2“ (richtig: § 3b Abs. 1) UVP-G 2000 statuiere - abweichend vom AVG - keinen grundsätzlichen Vorrang zugunsten des Amtssachverständigen. Das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 52 Abs. 2 bis „4“ (richtig: 3) AVG sei im vorliegenden Fall daher nicht weiter zu prüfen.

14       Im gegenständlichen Verfahren sei besonderes Fachwissen für den Fachbereich der UVP-Koordination erforderlich gewesen, über welches das Verwaltungsgericht nicht verfüge, weshalb die Mitbeteiligte beigezogen worden sei.

15       In der Äußerung vom 25. März 2019 werde die Überwälzung der angefallenen Kosten für den Fachbereich „UVP-Koordination“ als rechtswidrig erachtet. Dem sei entgegenzuhalten, dass dem unmittelbaren Gebührenanspruch ein gerichtlicher Bestellungsauftrag zugrunde liege. Die Mitbeteiligte sei mit Beschluss vom 4. September 2018 für das Fachgebiet „UVP-Koordination“ bestellt worden.

16       Ihre Beiziehung sei im zugrundeliegenden Verfahren notwendig gewesen, um die vorhandenen Gutachten auf deren Vollständigkeit, Aktualität und Plausibilität zu überprüfen.

17       Die revisionswerbenden Parteien seien von der Bestellung der Mitbeteiligten mit Schreiben vom 19. November 2018 in Kenntnis gesetzt worden. Sie hätten die Möglichkeit gehabt, gegen deren Bestellung Einwendungen zu erheben. Eine dahingehende Äußerung sei jedoch nicht erfolgt. Folglich seien sie selbst mit der Beauftragung einverstanden gewesen und hätten sie diese für notwendig erachtet.

18       Der Einwand, dass die Notwendigkeit einer Bestellung bei einer zurückweisenden Entscheidung nicht gegeben und die Kostenüberwälzung auf die revisionswerbenden Parteien in solchen Fällen rechtswidrig sei, gehe schon deshalb ins Leere, weil nicht von vornherein ausgeschlossen werden könne, dass es im Laufe eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zum Wegfall von Prozessvoraussetzungen, die zur Zurückweisung einer Beschwerde führten, kommen könne. Dass in solchen Fällen keine Kostentragung zu erfolgen habe, sei „der bisher ergangenen Judikatur“ auch nicht zu entnehmen.

19       Im zugrundeliegenden Fall sei - entgegen den Ausführungen der revisionswerbenden Parteien - insbesondere hinsichtlich des „Zweitbeschwerdeführers“ (offenbar gemeint: des A. E.) nicht von vornherein erkennbar gewesen, dass seine Beschwerde zur Zurückweisung führen werde. Aufgrund seiner sich aus § 20 Abs. 4 iVm. § 19 Abs. 1 Z 1 UVP-G 2000 ergebenden Parteistellung und seines Beschwerdeschriftsatzes sei eine „inhaltliche Prüfung“ seiner Beschwerde und eine „damit einhergehende zeitgleiche Prüfung der betreffenden Gutachten“ durch die Mitbeteiligte geboten gewesen. Lediglich „aus Umsicht keinen zu weitgehenden Spielraum einzuräumen“ und somit „der Gefahr einer unzulässigen Interpretation des Anbringens zu entgehen“, sei letztlich ein Verbesserungsauftrag erteilt worden. Dass die hierfür eingeräumte Frist letztlich ungenutzt verstrichen sei, sei weder im Einflussbereich des Verwaltungsgerichts gelegen, noch absehbar gewesen. Vielmehr sei die Beschwerde bis zu diesem Zeitpunkt als zulässig zu erachten und das Ermittlungsverfahren entsprechend zu führen gewesen.

20       Dass die angegebenen Stunden durch die Mitbeteiligte auch tatsächlich geleistet worden seien, werde von den revisionswerbenden Parteien nicht bestritten.

21       Eine Rechtswidrigkeit der Überwälzung der durch die Bestellung der Mitbeteiligten entstandenen Kosten sei folglich nicht zu erkennen.

22       Die für sie angefallenen Kosten seien als Barauslagen zu qualifizieren, die von den revisionswerbenden Parteien als „Projektwerberin“ im gegenständlichen Verfahren gemäß § 76 Abs. 1 AVG iVm. „§ 12 Abs. 3“ (richtig: § 3b Abs. 2) UVP-G 2000 zu tragen seien.

23       Sohin sei spruchgemäß zu entscheiden und seien die Gebühren der Mitbeteiligten in der im Spruch bestimmten Höhe vorzuschreiben gewesen.

24       Die Revision gegen Spruchpunkt A) sei nicht zulässig, weil im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen gewesen sei, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukomme.

25       Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

26       Die Mitbeteiligte brachte dazu eine schriftliche Stellungnahme ein.

27       Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

28       In der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision wird zusammengefasst ausgeführt, das angefochtene Erkenntnis weiche von der - näher zitierten - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach Sachverständigenkosten nur dann auf die antragstellende Partei überwälzt werden könnten, wenn die Heranziehung eines nichtamtlichen Sachverständigen aufgrund der Besonderheit des Falls notwendig gewesen sei, ab. Das Verwaltungsgericht habe jedoch durch Bestellung einer nichtamtlichen Sachverständigen für die UVP-Koordination Ermittlungsschritte eingeleitet, die mangels Vorliegen der allgemeinen Prozessvoraussetzungen überhaupt nicht erforderlich gewesen seien.

29       Damit richtet sich die Revision erkennbar nur gegen Spruchpunkt A) II. des angefochtenen Beschlusses. Die Revision erweist sich als zulässig; sie ist auch begründet.

30       Die maßgeblichen Bestimmungen des UVP-G 2000 in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 4/2016 lauteten (auszugsweise):

2. ABSCHNITT

Umweltverträglichkeitsprüfung und konzentriertes Genehmigungsverfahren

(...)

Umweltverträglichkeitsgutachten

§ 12. (1) Für Vorhaben der Spalte 1 des Anhanges 1 hat die Behörde Sachverständige der betroffenen Fachgebiete mit der Erstellung eines Umweltverträglichkeitsgutachtens zu beauftragen. Im Umweltverträglichkeitsgutachten sind auch abweichende Auffassungen von mitwirkenden Sachverständigen festzuhalten.

(2) Die Beiziehung von nicht amtlichen Sachverständigen ist auch ohne das Vorliegen der Voraussetzungen des § 52 Abs. 2 und 3 AVG zulässig. Es können auch fachlich einschlägige Anstalten, Institute oder Unternehmen als Sachverständige bestellt werden.

(3) Kosten, die der Behörde bei der Durchführung der Verfahren nach diesem Bundesgesetz erwachsen, wie Gebühren oder Honorare für Sachverständige oder Koordinatoren/Koordinatorinnen, sind vom Projektwerber/von der Projektwerberin zu tragen. Die Behörde kann dem Projektwerber/der Projektwerberin durch Bescheid auftragen, diese Kosten nach Prüfung der sachlichen und rechnerischen Richtigkeit durch die Behörde, direkt zu bezahlen.

(...)

3. ABSCHNITT

Umweltverträglichkeitsprüfung für Bundesstraßen und Hochleistungsstrecken

(...)

Umweltverträglichkeitsgutachten

§ 24c. (1) Für Vorhaben, für die eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach diesem Abschnitt durchzuführen ist, hat die nach § 24 Abs. 1 zuständige Behörde Sachverständige der betroffenen Fachgebiete mit der Erstellung eines Umweltverträglichkeitsgutachtens zu beauftragen, sofern nicht ein vereinfachtes Verfahren durchzuführen ist. Im Umweltverträglichkeitsgutachten sind auch abweichende Auffassungen von mitwirkenden Sachverständigen fest zu halten.

(2) Die Beiziehung von nicht amtlichen Sachverständigen oder Koordinatoren/Koordinatorinnen ist auch ohne das Vorliegen der Voraussetzungen des § 52 Abs. 2 und 3 AVG zulässig. Es können auch fachlich einschlägige Anstalten, Institute oder Unternehmen als Sachverständige bestellt werden.

(3) Kosten, die der Behörde bei der Durchführung der Verfahren nach diesem Bundesgesetz erwachsen, wie Gebühren oder Honorare für Sachverständige oder Koordinatoren/Koordinatorinnen, sind vom Projektwerber/von der Projektwerberin zu tragen. Die Behörde kann dem Projektwerber/der Projektwerberin durch Bescheid auftragen, diese Kosten, nach Prüfung der sachlichen und rechnerischen Richtigkeit durch die Behörde, direkt zu bezahlen.

(...)“

31       § 3b UVP-G 2000 in der - im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Beschlusses anzuwendenden - Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 4/2016 lautet:

Sachverständige, Kosten

§ 3b. (1) Die Beiziehung von nicht amtlichen Sachverständigen in Verfahren nach diesem Bundesgesetz ist auch ohne das Vorliegen der Voraussetzungen des § 52 Abs. 2 und 3 AVG zulässig. Es können auch fachlich einschlägige Anstalten, Institute oder Unternehmen als Sachverständige bestellt werden.

(2) Kosten, die der Behörde bei der Durchführung der Verfahren nach diesem Bundesgesetz erwachsen, wie Gebühren oder Honorare für Sachverständige, sind vom Projektwerber/von der Projektwerberin zu tragen. Die Behörde kann dem Projektwerber/der Projektwerberin durch Bescheid auftragen, diese Kosten nach Prüfung der sachlichen und rechnerischen Richtigkeit durch die Behörde, direkt zu bezahlen.“

32       § 42 Abs. 1 UVP-G 2000, in der Fassung BGBl. I Nr. 89/2000, lautet:

Anwendung des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes

§ 42. (1) Soweit in diesem Bundesgesetz nicht besondere Bestimmungen über das Verwaltungsverfahren getroffen werden, ist bei der Durchführung dieses Bundesgesetzes das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) anzuwenden.

(...)“

33       Die maßgeblichen Bestimmungen des AVG haben folgenden Wortlaut:

Sachverständige

§ 52. (1) Wird die Aufnahme eines Beweises durch Sachverständige notwendig, so sind die der Behörde beigegebenen oder zur Verfügung stehenden amtlichen Sachverständigen (Amtssachverständige) beizuziehen.

(2) Wenn Amtssachverständige nicht zur Verfügung stehen oder es mit Rücksicht auf die Besonderheit des Falles geboten ist, kann die Behörde aber ausnahmsweise andere geeignete Personen als Sachverständige (nichtamtliche Sachverständige) heranziehen.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, so kann die Behörde dennoch nichtamtliche Sachverständige heranziehen, wenn davon eine wesentliche Beschleunigung des Verfahrens zu erwarten ist. Die Heranziehung ist jedoch nur zulässig, wenn sie von demjenigen, über dessen Ansuchen das Verfahren eingeleitet wurde, angeregt wird und die daraus entstehenden Kosten einen von dieser Partei bestimmten Betrag voraussichtlich nicht überschreiten.

(4) Der Bestellung zum nichtamtlichen Sachverständigen hat Folge zu leisten, wer zur Erstattung von Gutachten der erforderten Art öffentlich bestellt ist oder wer die Wissenschaft, die Kunst oder das Gewerbe, deren Kenntnis die Voraussetzung der geforderten Begutachtung ist, öffentlich als Erwerb ausübt oder zu deren Ausübung öffentlich angestellt oder ermächtigt ist. Nichtamtliche Sachverständige sind zu beeiden, wenn sie nicht schon für die Erstattung von Gutachten der erforderten Art im allgemeinen beeidet sind. Die §§ 49 und 50 gelten auch für nichtamtliche Sachverständige.

(...)

§ 76. (1) Erwachsen der Behörde bei einer Amtshandlung Barauslagen, so hat dafür, sofern nach den Verwaltungsvorschriften nicht auch diese Auslagen von Amts wegen zu tragen sind, die Partei aufzukommen, die den verfahrenseinleitenden Antrag gestellt hat. Als Barauslagen gelten auch die Gebühren, die den Sachverständigen und Dolmetschern zustehen. Kosten, die der Behörde aus ihrer Verpflichtung nach § 17a erwachsen, sowie die einem Gehörlosendolmetscher zustehenden Gebühren gelten nicht als Barauslagen. Im Falle des § 52 Abs. 3 hat die Partei für die Gebühren, die den nichtamtlichen Sachverständigen zustehen, nur soweit aufzukommen, als sie den von ihr bestimmten Betrag nicht überschreiten.

(2) Wurde jedoch die Amtshandlung durch das Verschulden eines anderen Beteiligten verursacht, so sind die Auslagen von diesem zu tragen. Wurde die Amtshandlung von Amts wegen angeordnet, so belasten die Auslagen den Beteiligten dann, wenn sie durch sein Verschulden herbeigeführt worden sind.

(3) Treffen die Voraussetzungen der vorangehenden Absätze auf mehrere Beteiligte zu, so sind die Auslagen auf die einzelnen Beteiligten angemessen zu verteilen.

(4) Ist eine Amtshandlung nicht ohne größere Barauslagen durchführbar, so kann die Partei, die den verfahrenseinleitenden Antrag gestellt hat, zum Erlag eines entsprechenden Vorschusses verhalten werden.

(5) Die Kosten, die der Behörde aus ihrer Verpflichtung nach § 17a erwachsen, sowie die den Sachverständigen und Dolmetschern zustehenden Gebühren sind - falls hiefür nicht die Beteiligten des Verfahrens aufzukommen haben - von jenem Rechtsträger zu tragen, in dessen Namen die Behörde in der Angelegenheit gehandelt hat.“

34       Die Materialien zu § 3b UVP-G 2000 (ErläutRV 626 BlgNR 25. GP 8) lauten:

„Die Möglichkeit zur Beiziehung von nicht amtlichen Sachverständigen besteht für das UVP-Verfahren seit der Stammfassung des Gesetzes (vgl. § 11 Abs. 2 UVP-G, BGBl Nr. 697/1993), da mit dem konzentrierten Genehmigungsverfahren und den umfassenden und integrativen Fragestellungen der UVP die vielfältigen Fachgebiete durch Amtssachverständige allein oft nicht abgedeckt werden können. Das Beiziehen von externen Sachverständigen trägt auch zur Verfahrensbeschleunigung bei. Mit dem UVP-G 2000 wurde die Bestimmung in § 12 Abs. 2 überführt. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 23.8.2012, 2010/05/0204) ist diese Bestimmung im 2. Abschnitt jedoch nur für UVP-Genehmigungsverfahren anwendbar, nicht aber etwa für das Feststellung- bzw. Vorverfahren, die weiterhin an die Grenzen des § 52 AVG gebunden sind. Für den 3. Abschnitt finden sich zum Teil Sonderbestimmungen. Es hat sich für das UVP-Verfahren jedoch gezeigt, dass die Heranziehung von unterschiedlichen Sachverständigen für das UVP-Feststellungs-, UVP-Vor- und UVP-Genehmigungsverfahren sowie den nachgelagerten Verfahren zur Abnahmeprüfung und Nachkontrolle in der Praxis Probleme bereitet. Die Heranziehung derselben Sachverständigen erleichtert für die Behörde die Beurteilung des Vorhabens. Aufgrund der Einführung des Vorantragsabschnitts für PCI ist die Beiziehung von nicht amtlichen Sachverständigen, fachlich einschlägiger Anstalten, Instituten oder Unternehmen als Sachverständige auch über das eigentliche Genehmigungsverfahren hinaus notwendig. Die Bestimmung wird daher in einen neuen § 3b im 1. Abschnitt des UVP-G 2000 verschoben und findet damit generell auf die Verfahren des UVP-G 2000 Anwendung. Mit der Möglichkeit zur Beiziehung von nicht amtlichen Sachverständigen geht auch die Regelung der Kostentragung und Direktverrechnung für den Projektwerber in § 12 Abs. 3 einher und wird ebenso in § 3b Abs. 2 übernommen. Koordinatoren/Koordinatorinnen stellen auch Sachverständige dar und müssen, entgegen dem ursprünglichen Wortlaut, nicht nochmals eigens genannt werden. Die in § 12 Abs. 4 bis 8 verbleibenden Absätze werden als Abs. 2 bis 6 neu nummeriert. In § 12a entfällt der Querverweis für § 12 Abs. 2 und 3. Die gleichlautende Bestimmung des § 24c Abs. 2 und 3 im 3. Abschnitt sowie die Querverweise darauf in den §§ 24d, 24f Abs. 8 und 24h Abs. 7 entfallen, da nunmehr die generelle Bestimmung in § 3b des 1. Abschnitts Anwendung findet.“

35       Der gegenständlichen Entscheidung ist voranzustellen, dass § 12 Abs. 2 und 3 UVP-G 2000 sowie § 24c Abs. 2 und 3 UVP-G 2000, jeweils in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 4/2016, in Zusammenhang mit der Erstellung von Umweltverträglichkeitsgutachten bereits die Zulässigkeit der Beiziehung nichtamtlicher Sachverständiger bzw. fachlich einschlägiger Anstalten, Institute oder Unternehmen als Sachverständige auch ohne das Vorliegen der Voraussetzungen des § 52 Abs. 2 und 3 AVG sowie eine Regelung über die Kostentragung des Projektwerbers/der Projektwerberin und Direktverrechnung vorsahen.

36       Aufgrund des Wortlauts bzw. der systematischen Einordnung der genannten Bestimmungen im UVP-G 2000 waren diese aber lediglich in ordentlichen Genehmigungsverfahren nach dem zweiten und dritten Abschnitt des Gesetzes anzuwenden. Aus diesem Grund sprach der Verwaltungsgerichtshof in seinem zu § 12 UVP-G 2000 (alt) ergangenen Erkenntnis vom 23. August 2012, 2010/05/0204, aus, dass die Heranziehung von nichtamtlichen Sachverständigen in Feststellungsverfahren nach § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 52 Abs. 3 und 4 AVG zulässig sei.

37       Im Zuge der Novelle BGBl. I Nr. 4/2016 nahm der Gesetzgeber des UVP-G 2000 diese Entscheidung zum Anlass, § 3b leg. cit. ins Gesetz einzufügen. Damit ist nunmehr klargestellt, dass die Beiziehung nichtamtlicher Sachverständiger bzw. fachlich einschlägiger Anstalten, Institute oder Unternehmen als Sachverständige auch ohne das Vorliegen der Voraussetzungen des § 52 Abs. 2 und 3 AVG (§ 3b Abs. 1 UVP-G 2000) in sämtlichen Verfahren nach dem UVP-G 2000 (arg. „in Verfahren nach diesem Bundesgesetz“) zulässig ist, und es wurde dafür eine Regelung über die Kostentragung des Projektwerbers/der Projektwerberin und Direktverrechnung (§ 3b Abs. 2 leg. cit) getroffen (vgl. dazu auch Lampert, UVP-G [2020] § 3b Rz 6).

38       In diesem Zusammenhang erachtete es der Gesetzgeber - anders als noch in den §§ 12 und 24c UVP-G 2000 in der Fassung vor der Novelle BGBl I. Nr. 4/2016 - nicht mehr für geboten, die sogenannten „UVP-Koordinatoren“ explizit in § 3b UVP-G 2000 zu nennen, weil diese Sachverständige seien (vgl. dazu die Materialien zu § 3b UVP-G 2000). Demnach ist die Beiziehung von nichtamtlichen UVP-Koordinatoren auch ohne das Vorliegen der Voraussetzungen des § 52 Abs. 2 und 3 AVG zulässig (vgl. Lampert, UVP-G [2020] § 3b Rz 10).

39       Jedoch ist gemäß § 42 Abs. 1 UVP-G 2000 „bei der Durchführung dieses Bundesgesetzes“ - sofern dieses keine Sonderverfahrensvorschriften enthält - subsidiär das AVG anzuwenden.

40       § 3b Abs. 1 UVP-G 2000 erklärt die Beiziehung von nichtamtlichen Sachverständigen zwar auch ohne das Vorliegen der Voraussetzungen des § 52 Abs. 2 und 3 für zulässig. Jedoch ist (auch) in einem Verfahren nach dem UVP-G 2000 zunächst zu beurteilen, ob die Beweisaufnahme durch einen nichtamtlichen Sachverständigen überhaupt „notwendig“ im Sinn des § 52 Abs. 1 AVG ist. Ein Sachverständigenbeweis ist demnach dann aufzunehmen, wenn dies in den Verwaltungsvorschriften vorgesehen ist oder wenn zur Erforschung der materiellen Wahrheit besondere Fachkenntnisse nötig sind (vgl. dazu VwGH 27.6.2019, Ra 2019/15/0054; 21.3.2018, Ra 2017/18/0474 bis 0479; 25.5.2000, 99/07/0003, mwN).

41       Die Überwälzung von Gebühren eines nichtamtlichen Sachverständigen auf den Projektwerber/die Projektwerberin ist gemäß § 3b Abs. 2 UVP-G 2000 daher nur dann zulässig, wenn der Beweis durch Sachverständige im Sinn des § 52 Abs. 1 AVG notwendig war. Ist dies nicht der Fall, kann im Sinn des § 76 Abs. 1 AVG nicht mehr davon ausgegangen werden, dass der Behörde bzw. dem Verwaltungsgericht Barauslagen - worunter auch die Gebühren eines nichtamtlichen Sachverständigen fallen (vgl. dazu die Nachweise bei Hengstschläger/Leeb, AVG [2009] § 76 Rz 4) - „erwachsen“ sind, für die der Projektwerber/die Projektwerberin aufzukommen hat (vgl. dazu allgemein die Judikatur zu § 76 AVG: VwGH 30.4.2020, Ra 2019/12/0082; ferner VwGH 17.3.2005, 2004/11/0140; 27.06.2002, 2002/07/0055, jeweils mwN).

42       Es ist vorauszuschicken, dass der einleitende Hinweis des Verwaltungsgerichts, der Bestellung der Mitbeteiligten liege ein gerichtlicher Bestellungsauftrag zu Grunde, die Notwendigkeit der Beiziehung derselben für das gegenständliche Verfahren betreffend die UVP-Abnahmeprüfung und somit die Rechtmäßigkeit der Überwälzung der Gebühren der Mitbeteiligten auf die revisionswerbenden Parteien nicht zu begründen vermag. Auch kann daraus, dass die revisionswerbenden Parteien keine Einwendung gegen die Bestellung der Mitbeteiligten erhoben haben, - entgegen der Meinung des Verwaltungsgerichts - nicht abgeleitet werden, sie wären mit deren Bestellung „einverstanden gewesen“ und hätten diese für „notwendig erachtet“.

43       Die revisionswerbenden Parteien wiesen vielmehr in ihrer Stellungnahme vom 22. Mai 2018 auf die fehlende Beschwerdelegitimation des Vereins L. und des A. E. hin. Bereits dieser Einwand hätte das Verwaltungsgericht veranlassen müssen, zunächst die Beschwerdelegitimation zu prüfen. Dennoch bestellte es mit Beschluss vom 4. September 2018 die Mitbeteiligte als nichtamtliche Sachverständige für die „UVP-Koordination“. Dieser Verfahrensschritt erweist sich als nicht nachvollziehbar, folgte das Verwaltungsgericht doch in seinem Beschluss vom 25. Februar 2019 letztlich der Rechtsansicht der revisionswerbenden Parteien und wies die Beschwerden mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung als unzulässig zurück.

44       Die Frage nach der Legitimation zur Erhebung einer Bescheidbeschwerde stellt aber im vorliegenden Fall eine anhand der Beschwerden zu prüfende Rechtsfrage dar, zu deren Lösung es keines Fachwissens einer Sachverständigen bedarf. Eine solche Rechtsfrage ist aber stets durch das Verwaltungsgericht selbst zu beantworten (vgl. dazu allgemein etwa VwGH 16.10.2019, Ro 2019/02/0009, mwN).

45       Vor diesem Hintergrund brachten die revisionswerbenden Parteien in ihrem Schriftsatz vom 25. März 2019 - wie auch nunmehr in der vorliegenden Revision - zutreffend vor, dass die Beweisaufnahme durch die Mitbeteiligte im gegenständlichen Verfahren nicht notwendig war. Eine Prüfung der dem Verfahren betreffend die UVP-Abnahmeprüfung zu Grunde liegenden Gutachten „auf deren Vollständigkeit, Aktualität und Plausibilität“ durch die Mitbeteiligte war daher auf Grund der Unzulässigkeit der Beschwerden entbehrlich.

46       Ebenso wenig ergibt sich eine Erforderlichkeit aus der Ausführung des Verwaltungsgerichts, die Parteistellung des A. E. sei erst „im Laufe“ des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens „weggefallen“. Wie die revisionswerbenden Parteien dazu zutreffend aufzeigen, erfolgte die Bestellung der Mitbeteiligten bereits am 4. September 2018 und damit vor Erteilung des an A. E. gerichteten Verbesserungsauftrags vom 12. Februar 2019. Damit hat das Verwaltungsgericht das Beweisverfahren noch vor der abschließenden Beurteilung der Prozessvoraussetzungen des Beschwerdeverfahrens eröffnet. Dies erwies sich jedoch aufgrund der fehlenden Beschwerdelegitimation des Vereins L. und des A. E. als verfehlt.

47       Eine Notwendigkeit der Beiziehung der Mitbeteiligten zum Verfahren betreffend die UVP-Abnahmeprüfung lag damit nicht vor, weshalb eine Überwälzung der Gebühren der Mitbeteiligten auf die revisionswerbenden Parteien nicht in Betracht kam.

48       Ein Bescheid (bzw. ein Beschluss), mit dem Kosten eines Sachverständigen festgesetzt werden, betrifft zwar allein das Verhältnis zwischen Behörde (bzw. Verwaltungsgericht) und Sachverständigen und es kommt der Partei, die im Allgemeinen gemäß § 76 Abs. 1 AVG für Barauslagen aufzukommen hat, in dem Verfahren betreffend die Festsetzung der Kosten eines Sachverständigen keine Parteistellung zu. Sie kann ihre Rechte jedoch umfassend in dem Verfahren betreffend die Vorschreibung von Barauslagen gemäß § 76 AVG geltend machen (vgl. etwa VwGH 28.1.2016, 2013/07/0134, mwN). Dieser Grundsatz gilt - unabhängig von einem an den Projektwerber/die Projektwerberin gerichteten Auftrag zur direkten Bezahlung an den Sachverständigen - auch in einem Verfahren nach § 3b Abs. 2 UVP-G 2000.

49       Der angefochtene Beschluss war daher im Umfang seines Spruchpunktes A) II. gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufzuheben.

50       Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 29. Juli 2020

Schlagworte

Allgemein Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Besondere Rechtsgebiete Gebühren Kosten Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 Parteibegriff Parteistellung strittige Rechtsnachfolger Zustellung Sachverständiger Entfall der Beiziehung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020070029.L00

Im RIS seit

30.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

30.09.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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