TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/24 W137 2111938-1

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Veröffentlicht am 24.04.2020
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Entscheidungsdatum

24.04.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs1
B-VG Art133 Abs4
Dublin III-VO Art28
FPG §76 Abs2 Z2
VwGVG §35
VwGVG §35 Abs4

Spruch

W137 2111938-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Peter HAMMER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.07.2015, Zl. 1079987300/150958908, sowie die Anordnung der Schubhaft und fortdauernde Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft seit 29.07.2015 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß Art. 28 Dublin III-VO iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG in der damals geltenden Fassung als unbegründet abgewiesen und die Anhaltung von 29.07.2015 bis 14.08.2015 (Fortsetzungsentscheidung) für rechtmäßig erklärt.

II. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenersatz wird gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.

III. Der Beschwerdeführer hat gemäß § 35 VwGVG dem Bund (Bundesminister für Inneres) den Verfahrensaufwand in Höhe von 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

IV. Der Antrag auf Befreiung von der Eingabegebühr wird zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gem. Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

1. Der Beschwerdeführer ist iranischer Staatsangehöriger. Er reiste im Juli 2015 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und wurde am 28.07.2015 im Verlauf einer fremdenpolizeilichen Kontrolle einer Identitätsfeststellung unterzogen. Um 20:15 Uhr wurde er auf Anweisung des Journaldienstes des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 40 Abs. 1 BFA-VG festgenommen. Die Überstellung ins Polizeianhaltezentrum erfolgte um 23:36 Uhr. Im Zuge der Festnahme gab er an, in Österreich keinen Asylantrag stellen sondern in die Niederlande weiterreisen zu wollen, da es dort erlaubt sei, Suchtgift zu konsumieren.

2. Am 29.07.2015 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er zunächst an, keinen Asylantrag in Österreich stellen zu wollen, da er in die Niederlande weiterreisen wolle, um dort Suchtgift zu konsumieren. Erst nachdem dem Beschwerdeführer die Rechtslage dargelegt und ihm zu verstehen gegeben wurde, dass er nicht illegal in die Niederlande weiterreisen werde können, stellte er einen Asylantrag. Dabei gab er an, dass er dies tue, um "freigelassen" zu werden.

3. Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.07.2015 wurde gemäß Art. 28b Abs. 1 und 2 der Dublin-III-VO iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG idgF iVm § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer Anordnung zur Außerlandesbringung sowie zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer sich bereits zwei Asylverfahren entzogen habe und aufgrund seiner Angaben und seines bisherigen Verhalten anzunehmen sei, dass er illegal aus Österreich ausreisen und sich so wieder dem Asylverfahren entziehen werde. Auch bestehe keine familiäre oder berufliche Verankerung in Österreich. Mit der Anordnung des gelinderen Mittels könne auch unter Berücksichtigung der finanziellen Lage des Beschwerdeführers nicht das Auslangen gefunden werden. Insgesamt erweise sich die Schubhaft angesichts der vorliegenden "ultima-ratio-Situation" auch als verhältnismäßig. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am selben Tag durch persönliche Übergabe (gemeinsam mit der Verfahrensanordnung betreffend die Beigabe eines Rechtsberaters) zugestellt.

4. Am 07.08.2015 langte beim Bundesverwaltungsgericht die nunmehr verfahrensgegenständliche Beschwerde (samt Vollmachtsbekanntgabe) ein. Darin wird im Wesentlichen vorgebracht, dass die verhängte Schubhaft insofern rechtswidrig sei, als § 76 Abs. 3 FPG keine Festlegung objektiver Kriterien für die Schubhaft im Sinne des Art. 2 lit. n der Dublin-III-VO enthalte. Der darin enthaltene Katalog von Tatbeständen sei nicht "abschließend", sondern (aufgrund des Wortes "insbesondere") lediglich "deklarativ" - weshalb diese Bestimmung nicht der Forderung von "objektiv gesetzlich festgelegten Kriterien" entspreche. Vielmehr stehe der Behörde ein "erheblicher Ermessensspielraum" für den Entzug der persönlichen Freiheit zur Verfügung.

Die Schubhaftverhängung sei auch unverhältnismäßig, weil der Beschwerdeführer sich erst kurz in Österreich aufhalte, einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt und durchgehend wahre Angaben zu seiner Herkunft, seinen bisherigen Aufenthalten in Europa und seinem "ursprünglichen Reiseziel" gemacht habe. Selbst bei Bejahung eines Sicherungsbedarfes hätte mit der Anwendung des gelinderen Mittels das Auslangen gefunden werden können.

Abschließend wurde ausgeführt, dass das hohe Kostenrisiko einer Überprüfung der Haft im Sinne des Art. 6 GRC diese in ihrer Effektivität unterlaufen würde. Das Gericht möge daher zu dem Schluss kommen, dass die Bestimmungen des § 35 VwGVG iVm § 1 Z 3 bis 5 VwG-Aufwandersatzverordnung in Schubhaftverfahren nicht anzuwenden seien. Unabhängig davon werde im Sinne dieser Verordnung Schriftsatzaufwand und gegebenenfalls Verhandlungsaufwand im Falle des Obsiegens beantragt.

Beantragt wurde daher a) eine mündliche Verhandlung durchzuführen; b) den angefochtenen Bescheid zu beheben und festzustellen, dass die Schubhaft rechtswidrig gewesen sei; c) den Beschwerdeführer von den Eingabegebühren zu befreien; d) dem Beschwerdeführer die Aufwendungen zu ersetzen; sowie e) in eventu jeweils die ordentliche Revision zuzulassen.

5. Am 07.08. und 10.08.2015 langte der Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht ein. Mit der Beschwerdevorlage verwies das Bundesamt im Wesentlichen auf das Vorverhalten des Beschwerdeführers und führte aus, dass mit Vorliegen der Zustimmung und durchführbaren Anordnung zur Außerlandesbringung die Überstellung nach Ungarn vorgesehen sei.

Beantragt wurde die Abweisung der Beschwerde; die Feststellung, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen; sowie den Beschwerdeführer zum Ersatz der angeführten Kosten zu verpflichten.

6. Mit Erkenntnis vom 14.08.2015, W137 2111938-1/6E, hat das Bundesverwaltungsgericht festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Diese Entscheidung wurde dem Beschwerdeführer noch am selben Tag rechtswirksam zugestellt. Ein Rechtsmittel (an die Höchstgerichte) wurde dagegen nicht eingebracht.

Aufgrund der Aktenlage wird folgender Sachverhalt der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt:

Die Identität des Beschwerdeführers ist nicht geklärt; er verfügt über kein Personaldokument. Der Beschwerdeführer wurde in Griechenland wegen Suchtmitteldelikten strafrechtlich verurteilt und verbüßte in den Jahren 2009 - 2015 eine Freiheitsstrafe. Er stellte 2015 sowohl in Griechenland als auch in Ungarn Anträge auf internationalen Schutz, verließ diese Staaten jedoch ohne deren Entscheidungen abzuwarten.

Der Beschwerdeführer wurde wenige Tage nach seiner illegalen Einreise ins österreichische Bundesgebiet am 28.07.2015 festgenommen. Am selben Tag stellte er keinen Asylantrag, da er in die Niederlande weiterreisen wollte, um dort Suchtgift zu konsumieren.

Am 29.07.2015 stellte der Beschwerdeführer erst nachdem er vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl darauf hingewiesen wurde, dass sein Plan, illegal in die Niederlande zu reisen um dort Suchtgift zu konsumieren, nicht realisierbar sein wird, einen Asylantrag. Der Beschwerdeführer hat kein tatsächliches Interesse, sich einem Asylverfahren in Österreich zu stellen. Es ist davon auszugehen, dass er nach einer Entlassung aus der Schubhaft erneut in die Illegalität abgetaucht wäre.

Der Beschwerdeführer verfügte bei Anordnung der Schubhaft in Österreich weder über familiäre noch über soziale Anknüpfungspunkte. Er verfügte bei Anordnung der Schubhaft über rund 480 ? jedoch über keine Unterkunft.

Der Beschwerdeführer ist gesund und haftfähig.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Beweiswürdigung:

1.1. Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes zur Zl. 1079987300/150958908 sowie den vorliegenden Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes.

1.2. Die Identität des Beschwerdeführers ist mangels eines Personaldokuments ungeklärt. Die im Spruch angeführten Personaldaten stellen lediglich eine Verfahrensidentität zur Identifizierung des Beschwerdeführers dar.

Die mehrjährige Haftstrafe aufgrund von Suchtmitteldelikten in Griechenland wurde vom Beschwerdeführer selbst im Verlauf seiner Einvernahme vorgebracht; es gibt keinen vernünftigen Grund, an der Richtigkeit dieser Angaben zu zweifeln.

1.3. Die Antragstellungen in Griechenland und Ungarn ergeben sich aus einem Eurodac Abgleich und wurden vom Beschwerdeführer auch bestätigt.

1.4. Die Feststellungen zur Festnahme und zur Antragstellung auf internationalen Schutz ergeben sich aus dem Anhalteprotokoll sowie aus der niederschriftlichen Einvernahme vorm Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl.

1.5. Dass der Beschwerdeführer einen Antrag auf internationalen Schutz stellte, damit er freigelassen wird und anschließend in die Niederlande reisen kann um dort Suchtgift zu konsumieren, konnte aufgrund seiner Angaben festgestellt werden. Der Beschwerdeführer gab sowohl bei der Festnahme als auch bei der niederschriftlichen Einvernahme ausdrücklich an, keinen "Asylantrag" stellen zu wollen. Er führte mehrmals aus, dass es ihm nicht um einen "Asylantrag" gehe, sondern nur um seine Reise in die Niederlande und die dortige Suchtgiftkonsumation. Da der Beschwerdeführer nach der anfänglichen ausdrücklichen Verweigerung der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz plötzlich doch einen solchen stellte und dabei angab: "Ich stelle diesen Antrag damit ich freigelassen werde." war davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer nach einer "Freilassung" umgehend in die Illegalität abgetaucht und in die Niederlande gereist wäre. Da der Beschwerdeführer offenkundig seinen Aufenthalt in Europa nicht nach der Möglichkeit effektiven internationalen Schutz zu erhalten, sondern nach der Möglichkeit des legalen Suchtmittelkonsums (wobei es sich dabei um Suchtmittel handelt, deren Besitz/Handel etwa in Österreich grundsätzlich verboten ist - und nicht etwa um Alkohol, dessen Konsum und die daraus abgeleitete Verfolgung er seinem Antrag auf internationalem Schutz zu Grunde legte) auszuwählen beabsichtigte, konnte ausgeschlossen werden, dass er tatsächlich bereit gewesen wäre, sich einem Verfahren in Österreich zu stellen. Zudem räumte der Beschwerdeführer bei Antragstellung unumwunden ein, dass er den Antrag auf internationalen Schutz nunmehr stelle, um seine "Freilassung" zu erreichen.

1.6. Das Fehlen substanzieller sozialer Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet ergibt sich aus der Aktenlage. Festzuhalten ist, dass nach einem wenige Tage dauernden Aufenthalt unter normalen Umständen keine substanziellen sozialen Anknüpfungspunkte entstanden sein können. Familiäre Beziehungen im Bundesgebiet gab der Beschwerdeführer keine an. Er sei ohnedies nur "auf der Durchreise" in die Niederlande. Dies bestätigt auch die Feststellung, dass er keine Unterkunft in Österreich habe. Es ergaben sich auch keine im Laufe des Verfahrens und wurden in der Beschwerde auch nicht behauptet. Das Vermögen ergibt sich aus den glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers.

1.7. Der Beschwerdeführer gab zu keinem Zeitpunkt an, dass er gesundheitliche Probleme hätte. Festzuhalten ist, dass der Beschwerdeführer bei der Erstbefragung am 30.07.2015 - sohin einen Tag nach Bescheiderlassung - angab, keine Beschwerden oder Krankheiten zu haben. Überdies wurde die Haftfähigkeit bei Einlieferung in das Polizeianhaltezentrum routinemäßig geprüft.

2. Rechtliche Beurteilung

2.1. Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es gemäß § 27 VwGVG den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs.1 Z 3 und 4 VwGVG) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3 VwGVG) zu überprüfen. Gemäß § 9 Abs. 1 VwGVG hat die Beschwerde u.a. (Z 3) die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, sowie (Z 4) das Begehren zu enthalten. In den erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, wurde zu § 27 VwGVG ausgeführt: "Der vorgeschlagene § 27 legt den Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtes fest. Anders als die Kognitionsbefugnis einer Berufungsbehörde (vgl. § 66 Abs. 4 AVG) soll die Kognitionsbefugnis des Verwaltungsgerichtes durch den Inhalt der Beschwerde beschränkt sein."

2.2. Der mit "Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft" betitelte § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 in der damals gegebenen Fassung, lautet:

"§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig."

Das Bundesverwaltungsgericht ist somit gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG für die Entscheidung der gegenständlichen Beschwerde zuständig.

Zu Spruchteil A)

2.3. Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 in der damals geltenden Fassung, lautet:

"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

2. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen oder Meldeverpflichtungen gemäß §§ 56 oder 71 FPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder 15a AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."

2.4. Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

3. Zur Frage der Vereinbarkeit des § 76 Abs 3 FPG mit Art 2 lit n der Dublin-III-VO

3.1. Artikel 2 lit. n Dublin-III-VO lautet:

"Art. 2) Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck - n) "Fluchtgefahr" das Vorliegen von Gründen im Einzelfall, die auf objektiven gesetzlich festgelegten Kriterien beruhen und zu der Annahme Anlass geben, dass sich ein Antragsteller, ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser, gegen den ein Überstellungsverfahren läuft, diesem Verfahren möglicherweise durch Flucht entziehen könnte."

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 19.02.2015, Ro 2014/21/0075, dazu folgendes ausgeführt:

"Dass die Verordnung aber eine ausdrückliche Festlegung im Gesetz verlangt, ist nach dem eindeutigen, keiner anderen Auslegung zugänglichen Wortlaut des Art. 2 lit. n Dublin III-VO ganz klar, sodass es diesbezüglich auch keiner Befassung des Gerichtshofes der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV bedarf. (Vgl. dazu auch Filzwieser/Sprung, Dublin III-Verordnung, K 48 zu Art. 2, wonach die VO keine Kriterien vorgebe, anhand derer das Vorliegen von Fluchtgefahr beurteilt werden könne, sondern dies vielmehr den Mitgliedstaaten mit der Mindestanforderung überlasse, dass diese Kriterien im nationalen Recht der Mitgliedstaaten festgelegt und sachlich sein müssen.) Art. 2 lit. n Dublin III-VO verlangt - entgegen der Meinung in der Revisionsbeantwortung - unmissverständlich gesetzlich festgelegte Kriterien zur Konkretisierung der im Unionsrecht für die Verhängung von Schubhaft (u.a.) normierten Voraussetzung des Vorliegens von "Fluchtgefahr". Ein Rückgriff auf Kriterien, die der Verwaltungsgerichtshof in seiner bisherigen Judikatur vor allem zum Tatbestand der Z 4 des § 76 Abs. 2 FPG für die Annahme von "Fluchtgefahr" (Gefahr des "Untertauchens") als maßgeblich angesehen hat (vgl. ausgehend vom grundlegenden Erkenntnis vom 30. August 2007, Zl. 2007/21/0043, etwa die Erkenntnisse vom 8. Juli 2009, Zl. 2007/21/0093, vom 22. Oktober 2009, Zl. 2007/21/0068, vom 30. August 2011, Zlen. 2008/21/0498 bis 0501, und zuletzt vom 19. März 2014, Zl. 2013/21/0225, sowie vom 24. Oktober 2007, Zl. 2006/21/0045, und vom 2. August 2013, Zl. 2013/21/0054; siehe schließlich auch das vom BVwG wiederholt ins Treffen geführte Erkenntnis vom 25. März 2010, Zl. 2008/21/0617) reicht daher nicht, um den Vorgaben der Dublin III-VO zu entsprechen. Solche Umstände hätten - was der Revisionswerber schon in der Schubhaftbeschwerde im Ergebnis zutreffend geltend gemacht hatte - gesetzlich determiniert werden müssen. Solange dies nicht der Fall ist, kommt Schubhaft gegen Fremde, die sich in einem Verfahren nach der Dublin III-VO befinden, zwecks Sicherstellung dieses Überstellungsverfahrens nach Art. 28 der Verordnung nicht in Betracht (siehe idS auch den Beschluss des deutschen Bundesgerichtshofes vom 26. Juni 2014, V ZB 31/14)."

Der geltende Abs. 3 des § 76 FPG enthält unstrittig sachliche Kriterien, die als Hinweis auf das Bestehen einer Fluchtgefahr anzusehen sind. Da diese Bestimmung auch ordnungsgemäß kundgemacht worden ist (Gegenteiliges wurde in der Beschwerde im Übrigen nie behauptet), sind diese auch zweifelsfrei "gesetzlich definiert". § 76 Abs. 3 FPG legt nun objektive Kriterien für die Annahme einer Fluchtgefahr fest, die sowohl für Schubhaftverhängungen mit wie auch solche ohne Bezug zur Dublin-III-VO betreffen.

Da Ro 2014/21/0075 - als Auslegung des Art 2 lit. n Dublin-III-VO - aber mit der Neufassung des § 76 FPG keineswegs obsolet geworden ist, sondern nach wie vor unverändert wirkt, steht zweifelsfrei fest, dass in Schubhaftverfahren mit Bezug zur Dublin-III-VO die Fluchtgefahr nur aufgrund von gesetzlich festgelegten (hier also: in §76 Abs. 3 FPG konkret genannten) Kriterien verhängt werden darf. Dass es der Behörde "freistehe" bei der Schubhaftverhängung in Verfahren mit Bezug zur Dublin-III-VO "auch andere, nicht in § 76 Abs. 3 FPG aufgezählte Umstände, zu berücksichtigen" ist daher zweifelsfrei eine Fehlannahme.

Überdies hat das Bundesamt im gegenständlichen Fall die Annahme einer Fluchtgefahr deutlich erkennbar auf die Ziffern 6a, 6b, 6c und 9 des § 76 Abs. 3 FPG gestützt und es gibt keinen Hinweis, dass diesbezüglich irgendwelche anderen Kriterien herangezogen worden wären. Zudem wird in der Beschwerde auch nicht einmal versuchsweise dargelegt, dass die Zugrundelegung dieser - zweifelsfrei gesetzlich definierten und objektiven - Kriterien in Verbindung mit dem gegenständlichen Verfahren unzulässig, weil nicht dem Sachverhalt entsprechend, gewesen wäre.

4. Zur Frage der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides und der Anhaltung in Schubhaft von 29.07.2015 bis 14.08.2015 (Fortsetzungsausspruch):

4.1. Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kann immer nur dann verhältnismäßig sein, wenn mit der Möglichkeit einer Abschiebung auch tatsächlich zu rechnen ist. Ergibt sich, dass diese fremdenpolizeiliche Maßnahme innerhalb der Schubhafthöchstdauer nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden bzw. ist - wenn sich das erst später herausstellt - umgehend zu beenden (VwGH 28.08.2012, 2010/21/0517; vgl. VwGH 19.04.2012, 2009/21/0047).

"Fluchtgefahr" definiert Art. 2 lit. n Dublin III-VO als das Vorliegen von Gründen im Einzelfall, die auf objektiven gesetzlich festgelegten Kriterien beruhen und zu der Annahme Anlass geben, dass sich ein Antragsteller, gegen den ein Überstellungsverfahren läuft, diesem Verfahren möglicherweise durch Flucht entziehen könnte.

Zwar dürfen die Mitgliedstaaten die zum Vollzug von EU-Verordnungen erforderlichen innerstaatlichen Organisations- und Verfahrensvorschriften bereitstellen. Um der einheitlichen Anwendung des Unionsrechts willen ist jedoch der Rückgriff auf innerstaatliche Rechtsvorschriften nur in dem zum Vollzug der Verordnung notwendigen Umfang zulässig. Den Mitgliedstaaten ist es in Bezug auf Verordnungen des Unionsrechts verwehrt, Maßnahmen zu ergreifen, die eine Änderung ihrer Tragweite oder eine Ergänzung ihrer Vorschriften zum Inhalt haben. Es besteht ein prinzipielles unionsrechtliches Verbot der Präzisierung von EU-Verordnungen durch verbindliches innerstaatliches Recht. Eine Ausnahme von diesem Verbot besteht nur dort, wo von der Verordnung eine nähere Konkretisierung selbst verlangt wird (Öhlinger/Potatcs, Gemeinschaftsrecht und staatliches Recht³, 2006,138 f.).

Die "Fluchtgefahr" ist in Österreich entsprechend der oben wiedergegebenen Bestimmung der Dublin-III-VO im § 76 Abs. 3 FPG (oben unter Punkt 2.3. wiedergegeben) gesetzlich definiert.

4.2. Die belangte Behörde begründete die festgestellte Fluchtgefahr im Wesentlichen mit bereits gestellten Asylanträgen in Griechenland und Ungarn welchen er sich entzogen hat. Dabei handelt es sich ebenso um einen von der Beschwerde ins Treffen geführten Fluchtgefahrtatbestand wie dabei, dass der Beschwerdeführer deutlich gemacht hat, dass er in einen anderen Mitgliedstaat weiterreisen wird und in Österreich nur deswegen einen Asylantrag gestellt hat, damit er freikommt und weiterreisen kann. Zudem wurde mit dem Fehlen einer substanziellen sozialen Verankerung im Bundesgebiet argumentiert. Das Bundesamt stütze sich dabei erkennbar auf die Ziffern 6a, 6b und 6c des § 76 Abs 3 FPG und prüfte zudem den Grad sozialer Verankerung in Österreich gemäß Z 9. Der angefochtene Bescheid begründet die angenommene Fluchtgefahr ausführlich und schlüssig. Eine erhebliche Fluchtgefahr liegt, wie im Bescheid ins Treffen geführt und bereits ausgeführt, darin, dass der Beschwerdeführer bereits zwei Asylanträge in anderen Mitgliedsstaaten gestellt, nämlich in Griechenland und Ungarn, und deren Entscheidung nicht abgewartet hat. Zuvor hatte er in Griechenland eine mehrjährige Haftstrafe wegen Suchtmitteldelikten verbüßt. Der Beschwerdeführer hat ausdrücklich erklärt, in die Niederlande weiterreisen zu wollen, weil er dort "legal Suchtgift konsumieren" könne. In Griechenland, Ungarn oder Österreich sei ihm das hingegen nicht möglich. Den Antrag auf internationalen Schutz in Österreich habe er lediglich gestellt um "freigelassen" zu werden. Aufgrund dieses Verhaltens und dieser Ausführungen ist er in hohem Maße nicht vertrauenswürdig. Da er zudem über keinerlei familiäre und auch keine substanziellen sozialen Anknüpfungspunkte (oder substanzielle Geldmittel für einen auch nur mittelfristigen Aufenthalt) verfügt, ist nicht ersichtlich, was den Beschwerdeführer im Falle einer Entlassung aus der Schubhaft von einem erneuten Untertauchen abhalten sollte. Dies insbesondere, weil das aus seiner Sicht wichtigste Kriterium für die Auswahl des (gewünschten) Aufenthaltsstaates - der straffreie Suchtgiftkonsum - in Österreich bis auf weiteres jedenfalls nicht gegeben wäre.

Im gegenständlichen Fall sind unbestritten die Ziffern 6a und 6b des § 76 Abs. 3 erfüllt; für die Annahme von Ziffer 6c gibt es substanzielle (oben dargelegte) Gründe. Hinweise für einen substanziellen Grad der sozialen Verankerung im Sinne der Z 9 leg. cit. sind wie dargelegt im Verfahren nicht hervorgekommen (und wurden auch in der Beschwerde nicht einmal behauptet). Hinsichtlich Z 9 ist überdies festzuhalten, dass schon nach dem Wortlaut der Bestimmung (einzelne) "soziale Anknüpfungspunkte" für sich alleine nicht ausreichen, der Verhängung einer Schubhaft entgegenzustehen. Vielmehr geht es um den "Grad der sozialen Verankerung in Österreich", wobei familiäre Beziehungen, eine legale Erwerbstätigkeit, Existenzmittel und gesicherter Wohnraum exemplarisch genannt werden. Im gegenständlichen Fall werden keinerlei soziale oder familiäre Anknüpfungspunkte dargelegt; der Beschwerdeführer selbst hat deren Vorliegen auch stets verneint. Der Beschwerdeführer war in Österreich nie legal beschäftigt, verfügt über keinen gesicherten Wohnraum und es gibt auch keinen Hinweis aus substanzielle Existenzmittel (nach Verbrauch seiner damaligen Barmittel in Höhe von etwa 480 ? wäre der Beschwerdeführer völlig mittellos gewesen).

4.3. Auf Grund dieser Erwägungen ging das Bundesamt im Ergebnis zutreffend davon aus, dass im Falle des Beschwerdeführers insgesamt Fluchtgefahr in einem die Anhaltung in Schubhaft rechtfertigenden Ausmaß bestand.

4.4. Auf Grund der festgestellten Fluchtgefahr konnte auch nicht mit der Anwendung gelinderer Mittel das Auslangen gefunden werden: Dem Bundesamt ist darin beizupflichten, dass sich im Falle des Beschwerdeführers weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen. Der Beschwerdeführer hat sich insbesondere durch sein vor Anordnung der Schubhaft gezeigtes kriminelles Verhalten in Griechenland sowie aufgrund der Angaben hinsichtlich seines Weiterreiseplans als nicht vertrauenswürdig erwiesen - was aber Voraussetzung für die Anordnung des gelinderen Mittels ist. Auf Grund dieser Umstände und der Fluchtgefahr, überwogen daher - wie im angefochtenen Bescheid richtig dargelegt - die öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und eines geordneten Fremdenwesens die Interessen des Beschwerdeführers an der Abstandnahme von der Verhängung der Schubhaft und ist diese als ultima-ratio-Maßnahme notwendig.

4.5. Das Bundesamt konnte aus den oben dargelegten Gründen zudem davon ausgehen, dass die Überstellung des Beschwerdeführers nach Ungarn nicht nur in zumutbarer, sondern sogar binnen relativ kurzer Frist möglich ist. Auch die absehbare Dauer der Schubhaft war nicht unverhältnismäßig: Mit der Durchführung der Überstellung war tatsächlich und innerhalb der gesetzlichen Fristen zu rechnen. Außerlandesbringungen nach Ungarn finden statt. Überdies gab es bei Anordnung der Schubhaft keine erkennbaren Hinweise auf eine Haftunfähigkeit des Beschwerdeführers und wurde sie auch im Beschwerdeverfahren nicht behauptet.

4.6. Aus diesen Gründen ist die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid und die Anhaltung in Schubhaft abzuweisen.

5. Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen. Für die Klärung der aufgeworfenen Rechtsfragen erwies sich eine Verhandlung ebenfalls als nicht erforderlich.

6. Kostenersatz

6.1. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).

6.2. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

Die belangte Behörde hat als (vollständig) obsiegende Partei Anspruch auf Kostenersatz im beantragten Umfang. Dem Beschwerdeführer gebührt als unterlegener Partei hingegen kein Kostenersatz.

6.3 Eingabegebühr

Ein solcher Antrag ist jedoch gesetzlich nicht vorgesehen - es gibt dementsprechend keine rechtliche Grundlage für eine solche Befreiung bzw. einen solchen Zuspruch. Die Eingabegebühr ist zudem in § 35 Abs. 4 VwGVG nicht als Aufwendung definiert und insofern auch nicht ersatzfähig. Im Übrigen kann eine finanzielle Belastung iHv 30 Euro auch nicht als unüberwindliche oder unverhältnismäßige Hürde zur Wahrnehmung eines Rechtsmittels angesehen werden.

Der Antrag auf Befreiung von der Eingabegebühr war daher zurückzuweisen.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Dies liegt im gegenständlichen Fall nicht vor. Die Berücksichtigung eines unstrittigen oder zweifelsfrei belegten Vorverhaltens entspricht der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Außerlandesbringung Fluchtgefahr Mitgliedstaat Schubhaft Sicherungsbedarf Straffälligkeit Untertauchen Verfahrensentziehung Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W137.2111938.1.00

Im RIS seit

28.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.08.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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