TE Bvwg Beschluss 2020/2/10 W129 2139768-1

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Veröffentlicht am 10.02.2020
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Entscheidungsdatum

10.02.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
GehG §12 Abs5
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

W129 2139768-1/22E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter DDr. Markus GERHOLD als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX . , vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Martin RIEDL in 1010 Wien, Franz Josefs Kai 5, gegen den durch die Beschwerdevorentscheidung vom 17.10.2016, Zl. 90090923, geänderten Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung:

A) Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang

1. Mit Wirksamkeit vom 01.03.2013 wurde die Beschwerdeführerin zur Richteramtsanwärterin ernannt. Mit Wirksamkeit vom 01.07.2016 wurde die Beschwerdeführerin zur Richterin ernannt.

2. Mit Bescheid vom 03.08.2016 wurden für die Ermittlung des Besoldungsdienstalters gemäß § 12 Abs. 2 und 3 GehG Vordienstzeiten in der Dauer von 1 Jahr 6 Monaten und 8 Tagen angerechnet.

Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Sachverhaltes und des Verfahrensganges aus, dass sich zuzüglich der im Dienstverhältnis als Richteramtsanwärterin verbrachten, für die Vorrückung wirksamen Zeiten im Gesamtausmaß von 3 Jahren und 4 Monaten somit ein für die erstmalige Einstufung zum 01.07.2016 sowie die weitere Vorrückung relevantes Besoldungsdienstalter von 4 Jahren 10 Monaten und 8 Tagen ergebe.

Nach dem Wortlaut des § 211b RStDG wären Zeiten der Gerichtspraxis anrechenbar, soweit sie die Dauer nach § 5 Abs. 2 RPG (fünf Monate) überschreiten würden. Dies ergebe Vordienstzeiten im Ausmaß von 1 Jahr und 2 Monaten.

Die Zeit der Tätigkeit bei einem Rechtsanwalt (01.07.2007 bis 30.06.2011, 8 Wochenstunden) werde nur im Ausmaß von insgesamt 2 Monaten angerechnet, da sich aus dem Dienstzeugnis lediglich eine gehobene Sekretariatstätigkeit ergebe.

Das viereinhalb Monate umfassende Praktikum bei der Wissenschaftsagentur der Universität Salzburg sei zu kurz, um einen signifikanten Mehrwert für die Tätigkeit als Richterin anzunehmen.

Die Tätigkeit als Studienassistentin an der Universität Salzburg werde im Ausmaß von 2 Monaten und 8 Tagen als Vordienstzeit berücksichtigt.

Die (im Detail) angeführten Ferialtätigkeiten ließen überwiegend kein Naheverhältnis zur Tätigkeit einer Richterin erkennen.

Das zusätzlich absolvierte Bachelorstudium "Recht und Wirtschaft" stelle keine einschlägige Berufstätigkeit dar.

3. Mit fristgerecht eingebrachter Beschwerde monierte die Beschwerdeführerin - hier auf das Wesentlichste zusammengefasst und sinngemäß - folgende Aspekte:

Sie habe bereits am 07.12.2013 einen rechtskräftigen Bescheid zur Festsetzung des Vorrückungsstichtages erhalten, welcher ihrem Beginn des Dienstverhältnisses Vordienstzeiten im Ausmaß von 8 Jahren, 10 Monaten und 17 Tagen vorangestellt habe. Diese Zeiten seien auch für das Besoldungsdienstalter anzuerkennen. Somit habe die belangte Behörde (verfassungs-)rechtswidrig einen rechtskräftigen Bescheid aufgehoben und abgeändert. Auch sei verfassungswidrig, dass nur jene Zeiten der Gerichtspraxis anerkannt worden seien, welche über fünf Monate hinausgingen.

Von den Zeiten als Rechtsanwaltsassistentin sei zumindest ein Fünftel anzuerkennen, damit rund 12 Monate und nicht nur 2 Monate.

Ihr Praktikum bei der Wissenschaftsagentur habe ihr Kenntnisse und Fähigkeiten bei Interviewführung und Interviewleitung verschafft und hätten größere Arbeitserfolge bei der Verhandlungsführung vermittelt.

Für die Zeiten der Tätigkeit als Tutorin an der Universität Salzburg sei es aufgrund eines Rechenfehlers nur zur Anrechnung von zwei Monaten gekommen, es seien aber über drei Monate anzurechnen (540 Gesamtarbeitsstunden).

Sie habe im Zeitraum 16.08.2005 und 31.03.2006 als Nachhilfelehrerin für Rechnungswesen und Bilanzierung bzw. BWL und VWL gearbeitet. Die dabei erworbenen Softskills seien hinsichtlich der richterlichen Ausbildungspflicht von Rechtspraktikanten und Richteramtsanwärtern von Bedeutung.

Das Zweitstudium sei einer einschlägigen Berufstätigkeit gleich zu halten; das erworbene fundierte Fachwissen stelle eine Erleichterung des Arbeitsalltages dar.

Es sei unsachlich und altersdiskriminierend, wenn Richter, die im oder vor Februar 2015 ernannt worden seien, eine Wahrungszulage erhalten, jene, die danach ernannt worden seien, aber nicht. Dies verstoße gegen den Gleichheitssatz und sei verfassungswidrig.

Daher rege sie auch den Antrag eines Gesetzesprüfungsverfahrens an.

4. Mit Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom 17.10.2016 wurde der angefochtene Bescheid dahingehend geändert, dass nunmehr Vordienstzeiten im Ausmaß von 1 Jahr, 7 Monaten und 3 Tagen angerechnet wurden.

Diese Änderung ergab sich durch die Korrektur eines Berechnungsfehlers bei den Zeiten als Tutorin an der Universität Salzburg. Die dort absolvierten 540 Gesamtarbeitsstunden wurden im Ausmaß von nunmehr drei Monaten und drei Tagen als Vordienstzeit berücksichtigt.

5. Mit Schriftsatz vom 25.10.2016 brachte die Beschwerdeführerin das Rechtsmittel des Vorlageantrages ein.

Mit Begleitschreiben vom 08.11.2016 legte die belangte Behörde das Rechtsmittel dem Bundesverwaltungsgericht vor.

6. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 31.07.2017 wurde das Beschwerdeverfahren gem. § 17 VwGVG iVm § 38 AVG bis zur Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union über das ihm mit Beschluss des BVwG vom 30.06.2017, Zl. W128 2148285-1/2Z, vorgelegte Vorabentscheidungsersuchen ausgesetzt.

7. In weiterer Folge erhob die Beschwerdeführerin das Rechtsmittel der außerordentlichen Revision und brachte - hier auf das Wesentlichste zusammengefasst - vor, dass aus dem vor dem Gerichtshof der Europäischen Union anhängigen Verfahren keine rechtlichen Schlüsse für das gegenständliche Verfahren gezogen werden könnten.

8. Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 02.07.2018, Zl. Ra 2017/12/0110-5, wurde der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 31.07.2017 aufgehoben.

9. Am 30.10.2018 führte das Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Beschwerdeverhandlung durch, in welcher die Sach- und Rechtslage umfassend mit der Beschwerdeführerin und ihrer rechtsfreundlichen Vertretung erörtert wurde.

10. Mit Schreiben vom 20.11.2018 legte die Beschwerdeführerin ein Dienstzeugnis sowie eine eidesstattliche Erklärung des Arbeitsgebers vor, wonach sie bei Rechtsanwalt XXXX im Zeitraum 01.11.2007 bis 30.06.2011 als Rechtsanwaltsassistentin (mit näher angeführten Aufgaben) beschäftigt war.

11. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.06.2019, Zl. W129 2139768-1/16E, wurde der Beschwerde teilweise Folge gegeben und der angefochtene Bescheid in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung dahingehend abgeändert, dass gem. § 12 Gehaltsgesetz 1956 für das Besoldungsdienstalter Vordienstzeiten im Ausmaß von 2 Jahren, 1 Monat und 27 Tagen angerechnet werden. Im Übrigen wurde die Beschwerde abgewiesen.

Begründend wurde unter anderem ausgeführt, dass bereits die belangte Behörde hinsichtlich der Tätigkeit in einer Rechtsanwaltskanzlei angenommen habe, dass diese Tätigkeit zu einem erheblich höheren Arbeitserfolg bei der Verwendung als Richteramtsanwärterin oder Richterin führte. Eine Anerkennung sei jedoch nur in einem Gesamtausmaß von 2 Monaten erfolgt, da das Vorliegen tatsächlich berufseinschlägiger Tätigkeiten zum damaligen Zeitpunkt nur eingeschränkt festgestellt werden konnte. Aufgrund der nachgereichten unbedenklichen eidesstattlichen Erklärung des Dienstgebers, wonach die Beschwerdeführerin auch die in den Feststellungen angeführten rechtlichen Aufgabengebiete zu betreuen hatte, sei nunmehr uneingeschränkt davon auszugehen, dass die Assistenztätigkeit zu einem erheblich höheren Arbeitserfolg geführt habe. Aufgrund der Teilzeitbeschäftigung (8 Stunden/Woche) und des pro-rata-temporis-Prinzips sei eine Anerkennung lediglich im Ausmaß von 8 Monaten und 24 Tagen möglich.

12. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 06.11.2019, Ra 2019/12/0045-6, wurde über die außerordentliche Revision der Präsidentin des Oberlandesgerichtes Linz dahingehend abgesprochen, dass das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben wurde. Begründend wurde unter anderem ausgeführt, dass das Bundesverwaltungsgericht einerseits Feststellungen zu den von der Beschwerdeführerin in den ersten sechs Monaten nach ihrem Eintritt in das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis zu verrichtenden Tätigkeiten und zu deren jeweiligem prozentuellen Anteil an der Gesamttätigkeit zu treffen gehabt hätte, andererseits auch Feststellungen zu den konkreten Tätigkeiten als Rechtsanwaltsassistentin. Auch wäre zu ermitteln gewesen, in welchem Ausmaß eine durch die Vortätigkeit bewirkte Überschreitung des regulären Arbeitserfolges vorgelegen sei, wobei diese Überschreitung in einer Gesamtbetrachtung an qualitativen und quantitativen Aspekten zu ermitteln gewesen wäre. Zuletzt hätte geprüft werden müssen, ob insgesamt ein "erheblich" höherer Arbeitserfolg im Sinne der Rechtsprechung vorgelegen sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin steht als Richterin in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund.

Im Zeitraum 01.11.2007 bis 30.06.2011 war die Beschwerdeführerin bei Rechtsanwalt XXXX als Rechtsanwaltsassistentin beschäftigt (8 Stunden pro Woche). Der Aufgabenbereich umfasste unter anderem auch die Bearbeitung von Rechtsfragen und die Erstellung von Schriftsatzentwürfen, weiters der Einsatz des elektronischen Rechtsverkehrs, speziell die Einbringung von Klagen und die Durchführung von Exekutionsverfahren sowie die Einholung von Grundbuchs- und Firmenbuchauszügen, die Prüfung und Ausarbeitung von Rechtsfragen zur Vorbereitung zivilrechtlicher und exekutionsrechtlicher Verfahren, das selbständige Verfassen zivilrechtlicher Klagen, Schriftsätze und auch Rechtsmittelausführungen sowie das selbständige Betreuen von besachwalterten Betroffenen inklusive Erledigung sämtlicher dabei anfallenden Agenden.

Die Gerichtspraxis der Beschwerdeführerin dauerte vom 01.08.2011 bis zum 28.02.2013. Mit Wirksamkeit vom 01.03.2013 wurde die Beschwerdeführerin zur Richteramtsanwärterin ernannt. Mit Wirksamkeit vom 01.07.2016 wurde die Beschwerdeführerin zur Richterin ernannt.

Seitens der belangten Behörde wurden insbesondere keine Ermittlungen zu den als Rechtsanwaltsassistentin erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten und keine Ermittlungen zu den von der Beschwerdeführerin in den ersten sechs Monaten nach ihrem Eintritt in das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis zu verrichtenden Tätigkeiten und zu deren jeweiligem prozentuellen Anteil an der Gesamttätigkeit getätigt. Auch wurde nicht ermittelt, in welchem Ausmaß eine durch die Vortätigkeit bewirkte Überschreitung des regulären Arbeitserfolges vorgelegen ist, wobei diese Überschreitung in einer Gesamtbetrachtung an qualitativen und quantitativen Aspekten zu ermitteln gewesen wäre. Auch wurde nicht geprüft, ob insgesamt ein "erheblich" höherer Arbeitserfolg im Sinne der Rechtsprechung vorgelegen ist.

2. Beweiswürdigung

Die angeführten Feststellungen ergeben sich zweifelsfrei aus dem vorgelegten Bescheid und dem Akteninhalt des Verfahrens vor der belangten Behörde.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. In § 135a Abs. 2 BDG 1979 ist vorgesehen, dass bei Ruhestandsversetzungen von Amts wegen (§ 14 BDG 1979) die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch einen Senat zu erfolgen hat. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG haben die Verwaltungsgerichte die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß Abs. 2 leg.cit. hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden nach Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

3.2. Gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Zu A) Zurückverweisung an die belangte Behörde

3.3. § 12 Gehaltsgesetz normiert:

Besoldungsdienstalter

§ 12. (1) Das Besoldungsdienstalter umfasst die Dauer der im Dienstverhältnis verbrachten für die Vorrückung wirksamen Zeiten zuzüglich der Dauer der anrechenbaren Vordienstzeiten, soweit die Dauer all dieser Zeiten das Ausmaß eines allfälligen Vorbildungsausgleichs übersteigt.

(2) Als Vordienstzeiten auf das Besoldungsdienstalter anzurechnen sind die zurückgelegten Zeiten

1. in einem Dienstverhältnis zu einer Gebietskörperschaft oder zu einem Gemeindeverband eines Mitgliedstaats des Europäischen Wirtschaftsraums, der Türkischen Republik oder der Schweizerischen Eidgenossenschaft;

2. in einem Dienstverhältnis zu einer Einrichtung der Europäischen Union oder zu einer zwischenstaatlichen Einrichtung, der Österreich angehört;

3. in denen die Beamtin oder der Beamte aufgrund des bis 30. Juni 2016 in Geltung gestandenen Heeresversorgungsgesetzes, BGBl. Nr. 27/1964, oder des Heeresentschädigungsgesetzes - HEG, BGBl. I Nr. 162/2015, Anspruch auf eine Beschädigten- oder Versehrtenrente entsprechend einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 90% hatte, sowie

4. der Leistung

a) des Präsenz- oder Ausbildungsdienstes nach dem Wehrgesetz 2001 - WG 2001, BGBl. I Nr. 146/2001, des Zivildienstes nach dem Zivildienstgesetz 1986 - ZDG, BGBl. Nr. 679/1986, eines Dienstes, aufgrund dessen der Beamte nach § 12c Abs. 2 ZDG nicht mehr zur Ableistung des Zivildienstes heranzuziehen ist, sowie die Zeit der Tätigkeit als Fachkraft der Entwicklungshilfe im Sinne des Entwicklungshelfergesetzes, BGBl. Nr. 574/1983, oder

b) eines den in lit. a angeführten Diensten vergleichbaren militärischen Dienstes oder zivilen Ersatzpflichtdienstes in einem Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraums, in der Türkischen Republik oder in der Schweizerischen Eidgenossenschaft.

(3) Über die in Abs. 2 angeführten Zeiten hinaus sind Zeiten der Ausübung einer einschlägigen Berufstätigkeit oder eines einschlägigen Verwaltungspraktikums als Vordienstzeiten anrechenbar. Eine Berufstätigkeit oder ein Verwaltungspraktikum ist einschlägig, insoweit eine fachliche Erfahrung vermittelt wird, durch die

1. eine fachliche Einarbeitung auf dem neuen Arbeitsplatz überwiegend unterbleiben kann oder

2. ein erheblich höherer Arbeitserfolg durch die vorhandene Routine zu erwarten ist.

(4) Ausgeschlossen von einer Anrechnung sind die Zeiten

1. die nach Abs. 2 Z 1 und 2 zu berücksichtigen wären, wenn die Beamtin oder der Beamte aufgrund einer solchen Beschäftigung einen Anspruch auf laufende Pensionsleistungen erworben und diese nicht dem Bund abgetreten hat,

2. in einem Dienstverhältnis nach Abs. 2 Z 1 und 2, soweit sie nach den Vorschriften, die für dieses Dienstverhältnis gegolten haben, für die Vorrückung in höhere Bezüge nicht wirksam gewesen sind, oder

3. welche im Zustand der Ämterunfähigkeit zurückgelegt wurden.

Die Einschränkung der Z 2 gilt nicht für Zeiten, die nur deshalb nicht voll für die Vorrückung in höhere Bezüge wirksam waren, weil sie in einem Beschäftigungsausmaß zurückgelegt wurden, das unter der Hälfte des für eine Vollbeschäftigung vorgeschriebenen Beschäftigungsausmaßes lag. Waren solche Zeiten aus anderen Gründen für die Vorrückung nicht oder nicht voll wirksam (zB wegen eines Karenzurlaubes), ist die Z 2 hingegen anzuwenden.

(5) Die Beamtin oder der Beamte ist bei Dienstantritt von der Dienstbehörde nachweislich über die Bestimmungen zur Anrechnung von Vordienstzeiten zu belehren. Sie oder er hat sodann alle vor Beginn des Dienstverhältnisses zurückgelegten Vordienstzeiten nach Abs. 2 oder 3 mitzuteilen. Die Dienstbehörde hat aufgrund dieser Mitteilung und bei Vorliegen entsprechender Nachweise die Dauer der anrechenbaren Vordienstzeiten festzustellen, um welche die für die Vorrückung wirksame Dienstzeit bei der Ermittlung der Einstufung zu verlängern ist. Die Feststellung bedarf der Zustimmung der Bundesministerin oder des Bundesministers für öffentlichen Dienst und Sport, wenn das Ausmaß aller anrechenbaren Vordienstzeiten insgesamt die Dauer von zehn Jahren übersteigt.

(6) Teilt die Beamtin oder der Beamte eine Vordienstzeit nicht innerhalb von drei Monaten nach der gemäß Abs. 5 erfolgten Belehrung mit, ist ein späterer Antrag auf Anrechnung dieser Vordienstzeit unzulässig. Der Nachweis über eine Vordienstzeit ist spätestens bis zum Ablauf eines Jahres nach dem Tag der Belehrung zu erbringen. Wird der Nachweis nicht fristgerecht erbracht, ist die Vordienstzeit nicht anrechenbar.

(7) Vordienstzeiten sind jedenfalls anzurechnen, wenn sie bereits im unmittelbar vorangegangenen Bundesdienstverhältnis angerechnet worden sind. Wurde beim unmittelbar vorangegangenen Bundesdienstverhältnis das Besoldungsdienstalter infolge einer Überleitung nach den Bestimmungen des § 169c pauschal bemessen, so unterbleibt eine Ermittlung und die Einstufung hat auf Grundlage des bisherigen pauschal bemessenen Besoldungsdienstalters zu erfolgen.

(8) Die mehrfache Anrechnung ein und desselben Zeitraumes ist nicht zulässig.

3.4. Die Materialien zu § 12 Abs. 3 GehG, idF BGBl. I Nr. 65/2015, RV 585 BlgNR 25. GP, S 8f, lauten auszugsweise wie folgt:

" (...) Darüber hinaus wird klargestellt, dass die Vordienstzeiten nur teilweise anzurechnen sind, wenn sie nur zum Teil einschlägig sind. Im Übrigen bleiben die Kriterien zur Beurteilung, ob eine Berufstätigkeit oder ein Verwaltungspraktikum einschlägig ist, im Vergleich zur Stammfassung der Novelle BGBl. I Nr. 32/2015 unverändert:

- Anrechenbar sind nur Zeiten eines Verwaltungspraktikums oder einer Berufstätigkeit. Es muss sich dabei - abgesehen vom Verwaltungspraktikum - um eine auf Erwerb gerichtete Tätigkeit handeln. Eine Tätigkeit, die überwiegend der Ausbildung dient, ist daher keinesfalls als Berufstätigkeit anrechenbar. Damit sind z. B. die Gerichtspraxis und das Unterrichtspraktikum von einer Anrechnung ausdrücklich ausgeschlossen, diese werden mit dem Einstiegsgehalt bereits pauschal abgegolten.

- Anrechenbar sind nur Zeiten, die nicht ohnehin von der Mehrheit der potentiellen BewerberInnen vorgewiesen werden können oder die gar vorausgesetzte Ausbildungszeiten für den jeweiligen Arbeitsplatz sind. Derartige Qualifikationen sind ebenfalls mit dem Gehaltsansatz für die erste Gehaltsstufe bereits abgegolten. Maßgeblich für die Beurteilung ist nicht der Kreis der tatsächlichen BewerberInnen, sondern jener Personenkreis, auf den eine entsprechende Ausschreibung typischerweise zutreffen würde (objektiver Maßstab). Praktisch geht es daher vor allem um Zeiten, durch welche sich die Bedienstete oder der Bedienstete hinsichtlich ihrer oder seiner Verwendbarkeit deutlich von typischen Berufseinsteigerinnen und -einsteigern abhebt.

- Eine Berufstätigkeit kann daher im Ergebnis nur dann einschlägig sein, wenn sie zu einer erheblich besseren Verwendbarkeit im Vergleich zu einer durchschnittlichen Berufseinsteigerin oder einem durchschnittlichen Berufseinsteiger führt. Dieser Vergleich ist zur Beurteilung stets anzustellen. Eine bloß fachverwandte Vortätigkeit genügt für sich alleine nicht für eine Anrechnung. Maßgeblich ist vielmehr stets die Frage der besseren Verwendbarkeit. Ein Indiz zur Beurteilung der Verwendbarkeit ist dabei vor allem die Frage, ob die Bedienstete oder der Bedienstete deutlich schlechter verwendbar wäre, wenn man sich die zu beurteilende Vordienstzeit wegdenkt - also ob dann z. B. längere fachliche Einarbeitung und Einschulung auf dem neuen Arbeitsplatz notwendig wäre, oder ob die Bedienstete oder der Bedienstete die Aufgaben für einen beachtlichen Zeitraum mangels Routine nur deutlich langsamer oder deutlich fehleranfälliger erfüllen könnte.

(...)

Die vor Ausübung der Berufstätigkeit abgeschlossene Ausbildung ist für die Anrechenbarkeit nicht unmittelbar von Bedeutung. Jedoch kann das Fehlen einer entsprechenden formellen Ausbildung (z.B. wenn nach Abschluss einer BHS das Hochschulstudium parallel zur Berufstätigkeit betrieben wird und nach Abschluss eine Aufnahme in v1 erfolgt) als deutlicher Hinweis darauf gewertet werden, dass die Berufstätigkeit möglicherweise nicht facheinschlägig ist. Generell wird eine niederwertigere Tätigkeit in der Regel keine ausreichende Erfahrung für einen höherwertigen Arbeitsplatz vermitteln und damit keine Anrechenbarkeit begründen können. Nachdem es aber auf die Beurteilung der früheren Tätigkeit, nicht auf die absolvierte Vorbildung oder gar die frühere Einstufung ankommt, ist eine Anrechenbarkeit bei Prüfung im Einzelfall nicht auszuschließen - wenngleich hier ein strenger Maßstab anzulegen sein wird.

Der Begriff der ?Berufstätigkeit' ist dabei deutlich weitläufiger als jener des ?Dienstverhältnisses', wie er z.B. in Abs. 2 Z 1 gebraucht wird (?Dienstverhältnis zu einer Gebietskörperschaft'). Während der Begriff ?Dienstverhältnis' stets nur ein bestimmtes Rechtsverhältnis auf Grundlage eines Vertrages (Dienstvertrag nach VBG, freier Dienstvertrag) oder auf Grundlage einer Ernennung ins öffentlichrechtliche Dienstverhältnis erfasst, kann eine Berufstätigkeit auch auf selbständiger Grundlage ausgeübt werden, also z.B. auf Grundlage von Werkverträgen oder Lehr- und Forschungsaufträgen."

3.5. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG kommt bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken in Betracht, insbesondere dann, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (VwGH 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063).

Vor diesem Hintergrund ergibt sich nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes fallbezogen folgende Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens:

Seitens der belangten Behörde wurden insbesondere keine Ermittlungen zu den von der Beschwerdeführerin in den ersten sechs Monaten nach ihrem Eintritt in das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis zu verrichtenden Tätigkeiten und zu deren jeweiligem prozentuellen Anteil an der Gesamttätigkeit getätigt. Auch wurde nicht ermittelt, in welchem Ausmaß eine durch die Vortätigkeit bewirkte Überschreitung des regulären Arbeitserfolges vorgelegen ist, wobei diese Überschreitung in einer Gesamtbetrachtung an qualitativen und quantitativen Aspekten zu ermitteln gewesen wäre. Auch wurde nicht geprüft, ob insgesamt ein "erheblich" höherer Arbeitserfolg im Sinne der Rechtsprechung vorgelegen ist.

Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist nicht ersichtlich, zumal es sich bei den in Rede stehenden Ermittlungen zu einem erheblichen Teil auch um solche handelt, die Aspekte aus der Justizverwaltung betreffen, bei der die belangte Behörde besonders "nahe am Beweis" ist (vgl. VwGH 25.01.2017, Ra 2016/12/0109).

Da der maßgebliche Sachverhalt noch nicht feststeht, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Ver-waltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Zwar besteht die grundsätzliche Verpflichtung des Verwaltungsgerichtes zur meritorischen Entscheidung, die gegenständlichen Ermittlungsfehler entsprechen aber einem Unterlassen der Ermittlungstätigkeit in wesentlichen Fragen.

Schlagworte

Anrechnung Besoldungsdienstalter Ermittlungsmangel Ermittlungspflicht Kassation mangelhaftes Ermittlungsverfahren mangelnde Feststellungen mangelnde Sachverhaltsfeststellung Vordienstzeiten Zurückverweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W129.2139768.1.00

Im RIS seit

27.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

27.08.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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