TE Bvwg Beschluss 2020/5/18 W109 2228207-1

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Veröffentlicht am 18.05.2020
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Entscheidungsdatum

18.05.2020

Norm

AVG §40
AVG §41 Abs2
AVG §58 Abs1
AVG §61 Abs1
B-VG Art133 Abs4
UVP-G 2000 §19 Abs7
UVP-G 2000 §3 Abs7
UVP-G 2000 §3 Abs7a
UVP-G 2000 §40 Abs1
UVP-G 2000 §40 Abs3
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1
VwGVG §33 Abs1
VwGVG §33 Abs3
VwGVG §7

Spruch

W109 2228207-1/16Z

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. BÜCHELE über die Beschwerden des XXXX und des XXXX , gegen den UVP-Feststellungsbescheid vom 11.12.2019, Zl. IVe-415-6/2016-80, der Vorarlberger Landesregierung betreffend die Feststellung, dass für das Vorhaben "Erweiterung der Schneeanlage Versettla und Valisera durch die Errichtung des Speicherteiches und der Pumpstation Schwarzköpfle sowie Feld- und Transportleitungen im Gemeindegebiet von St. Gallenkirch" der Silvretta Montafon Bergbahnen GmbH, vertreten durch die Thurnher Wittwer Pfefferkorn & Partner Rechtsanwälte GmbH, keine Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem UVP-G durchzuführen ist:

A)

I. Die Anträge auf Wiedereinsetzung werden zurückgewiesen.

II. Die Beschwerden werden als verspätet zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Eingaben vom 31.03.2016 und vom 30.06.2016 beantragte die Silvretta Montafon Bergbahnen GmbH (der mitbeteiligten Partei des Verfahrens des Verwaltungsgerichts) bei der Bezirkshauptmannschaft Bludenz die Erteilung der naturschutz-, der wasser- und der elektrizitätsrechtlichen Bewilligung für die Erweiterung der Schneeerzeugungsanlage Versettla und Valisera mit Erweiterung der Pumpstation Nova Tal sowie die Errichtung des Speicherteichs und der Pumpstation Schwarzköpfle in den Gemeindegebieten Gaschurn und St. Gallenkirch. Diese wurde mit Bescheid vom, 02.02.2017, ZI. BHBL-ll-930-49/2016, sowie vom 03.02.2017, ZI. IVe-415-6/2016-11, erteilt.

Dagegen erhoben u.a. die erst- und zweitbeschwerdeführende Partei Beschwerde beim Landesverwaltungsgericht Vorarlberg.

Mit Schreiben vom 30.08.2018 brachte das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 bei der Vorarlberger Landesregierung einen Feststellungsantrag zur Klärung einer möglichen UVP-Pflicht ein. Eventualiter wurde ausgeführt, es werde auch eine Überprüfung der UVP-Pflicht von Amts wegen angeregt.

Die Vorarlberger Landesregierung leitete als UVP-Behörde ein Feststellungsverfahren zur Klärung der UVP-Pflichtigkeit - ungeachtet der Frage, ob ein Landesverwaltungsgericht nach § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 antragberechtigt ist - von Amts wegen ein. Im Zuge des Verfahrens wurde das Projekt modifiziert.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 11.12.2019 stellte die Vorarlberger Landesregierung fest, es sei für das geplante Vorhaben keine Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem UVP-G 2000 durchzuführen. Dieser Bescheid wurde am 11.12.2019 auf der Internetseite des Landes Vorarlberg kundgemacht.

3.1. Am 24.01.2020 langte die Beschwerde der erstbeschwerdeführenden Partei gegen den UVP-Feststellungsbescheid bei der Vorarlberger Landesregierung, der nunmehr belangten Behörde, ein. Zur "Rechtzeitigkeit der Beschwerde bzw. Wiedereinsetzung" wird ausgeführt, die Kundmachung enthalte keine Rechtsmittelbelehrung. Durch die Hervorhebung der Frist zur möglichen Einsichtnahme bis zum 24.01.2020 sei es zu irreführenden Information zu einer möglichen Beschwerdemöglichkeit gekommen. Die Kundmachung sei daher unzureichend und entfalte keine fristauslösenden Wirkungen. Aufgrund der langwierigen und direkten Verfahrensbeteiligung mit der Behörde habe die beschwerdeführende Partei auf eine direkte Zustellung des Bescheides vertrauen dürfen. Die verwirrende und fehlerhafte Online-Kundmachung könne nicht als ausreichende Zustellung angesehen werden und entfalte keine fristauslösende Wirkung. Auslösendes Ereignis für die Beschwerdefrist sei daher der Zeitpunkt, in dem die beschwerdeführende Partei vom Bescheid Kenntnis erlangt habe, nämlich das E-Mail vom 09.01.2020 der Vorarlberger Naturschutzanwaltschaft.

3.2. Am 23.01.2020 langte die Beschwerde der zweitbeschwerdeführenden Partei vom Vortag bei der Behörde ein. Zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde wird ausgeführt, die öffentliche Auflage des Bescheides sei am 11.12.2019 auf der Internetseite des Landes erfolgt. Die Kundmachungsfrist sei mit 24.01.2020 ohne Hinweis auf eine explizite Beschwerdefrist angeführt worden. Die beschwerdeführende Partei habe deshalb davon ausgehen können, dass bis zu diesem Zeitpunkt die fristgerechte Erhebung einer Beschwerde möglich sei.

3.3. Die Behörde übermittelte den Verfahrensakt sowie die Beschwerden an das Bundesverwaltungsgericht als zuständiges Verwaltungsgericht.

Mit Vorhalt vom 08.02.2020 des Verwaltungsgerichtes wurde den beschwerdeführenden Parteien mitgeteilt, dass nach der Aktenlage vorläufig davon auszugehen sei, dass die Einbringung der Beschwerden verspätet erfolgt sei.

Die beschwerdeführenden Parteien brachten dazu vor, der Bescheid sei irreführend kundgemacht worden. Eine Kundmachung müsse einen Hinweis auf die Fristfolgen beinhalten (unter Verweis auf § 41 Abs. 2 AVG) und es wäre entweder eine vierwöchige Frist oder eine ordentliche Rechtsfolgenbelehrung zu § 40 Abs. 3 UVP-G 2000 notwendig gewesen. Nach Art. 5 Abs. 3 und Art. 9 Abs. 5 Aarhus-Konvention hätten die österreichischen Behörden auch jene Informationen, die eine Anwendung innerstaatlichen Rechts, das die Konvention umsetzt (wie eben eine Rechtmittelfrist) zur Verfügung zu stellen und Hindernisse für den Zugang zu Gerichten zu beseitigen oder zu verringern. Die Mitteilung der Behörde entspreche jedenfalls nicht den Vorgaben der Aarhus-Konvention. Darüber hinaus liege auch aufgrund der sehr herausfordernden Verfahrensführung der Behörde und den vielen getätigten Anfragen und Anträgen, sowie aufgrund einer fehlenden Rechtsvertretung in der Fristversäumung nur einen minderen Grad des Versehens. Dies stelle einen Wiedereinsetzungsgrund dar. Dazu wurde die E-Mail-Korrespondenz der zweitbeschwerdeführenden Partei mit der zuständigen Abteilung des Amtes der Vorarlberger Landesregierung vorgelegt. Schließlich sei der angefochtene Bescheid nie den Beschwerdeführern zugestellt worden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die erstbeschwerdeführende Partei wurde mit Anerkennungsbescheid vom 16.06.2005, BMLFUW-UW.1.4.2/0046-V/1/2005, für den Tätigkeitsbereich Vorarlberg und Tirol als Umweltorganisation gemäß § 19 Abs. 7 UVP-G 2000 anerkannt. Mit Überprüfungsbescheid vom 04.12.2019, BMNT-UW.1.4.2/0185-I/1/2019, wurde die Anerkennung bestätigt.

Die zweitbeschwerdeführende Partei wurde mit Anerkennungsbescheid vom 23.04.2018, BMNT-UW.1.4.2/0033-I/1/2018, für den Tätigkeitsbereich Vorarlberg und Tirol als Umweltorganisation gemäß § 19 Abs. 7 UVP-G anerkannt.

Das Vorhaben der mitbeteiligten Partei soll im Land Vorarlberg errichtet werden.

Der angefochtene Bescheid vom 11.12.2019 wurde am selben Tag auf der Internetseite des Landes Vorarlberg kundgemacht.

Die Kundmachung ist mit 11.12.2019 datiert. Der Text lautet auszugsweise:

"Gemäß § 3 Abs 7 UVP-G 2000 ist der wesentliche Inhalt der Entscheidung einschließlich der wesentlichen Entscheidungsgründe im Amt der Vorarlberger Landesregierung (Abteilung IVe - Umwelt und Klimaschutz, Jahnstraße 13-15, 6900 Bregenz, Zimmer 316, nach vorhergehender Anmeldung) bis einschließlich 24.01.2020 öffentlich einsehbar. Der Bescheid steht überdies unter www.vorarlberg.at zum Download zur Verfügung."

Die belangte Behörde teilte der erstbeschwerdeführenden Partei mit E-Mail vom 12.12.2019 mit, dass der angefochtene Bescheid auf ihrer Homepage zu finden sei und übermittelte den diesbezüglichen Link.

Eine Zustellung des Bescheides an die beiden beschwerdeführenden Parteien erfolgte nicht.

Die Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Bescheides lautet auszugsweise:

"Hinweis für anerkannte Umweltorganisationen und Nachbarn/Nachbarinnen:

Hinsichtlich Bescheiden, in denen festgestellt wird, dass für ein Vorhaben keine UVP durchzuführen ist, sind nach § 19 Abs 7 UVP-G anerkannte Umweltorganisationen und Nachbarn/Nachbarinnen iSd § 19 Abs 1 Z 1 UVP-G gemäß § 3 Abs 7a UVP-G berechtigt, Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zu erheben. Die Beschwerde ist binnen vier Wochen ab dem Tag der Veröffentlichung des Bescheides im Internet schriftlich, mit Telefax oder E-Mail beim Amt der Vorarlberger Landesregierung einzubringen."

2. Beweiswürdigung:

Die Anerkennung der beiden Beschwerdeführer als Umweltorganisationen gemäß § 19 Abs. 7 UVP-G 2000 ist unstrittig und war auf der Homepage des Bundesministeriums für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus (bzw. nunmehr des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie) abrufbar.

Der Text der Kundmachung und der Bescheid vom 11.12.2019 samt der Rechtsmittelbelehrung sind auf der Internetseite des Landes Vorarlberg kundgemacht. Dies ist ebenfalls unstrittig.

Die Feststellung zur Mitteilung der belangten Behörde an die erstbeschwerdeführende Partei beruht auf der von dieser Partei mit ihrer Stellungnahme vom 26.02.2020 in Vorlage gebrachten E-Mail-Korrespondenz. Aus dieser geht hervor, dass der erstbeschwerdeführenden Partei mit E-Mail vom 12.12.2020 - bereits einen nach der Erlassung des Bescheides und Kundmachung auf der Internet-Amtstafel des Landes - die Partei von der Behörde darüber informiert wurde, dass der UVP-Feststellungsbescheid auf der Internetseite des Landes abrufbar sei.

Dass eine Zustellung des Bescheides an die erst- und zweitbeschwerdeführende Partei nicht erfolgt ist, ist ebenso unstrittig.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zur Verspätung der Beschwerden:

Gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G hat die Behörde u.a. von Amts wegen festzustellen, ob für ein Vorhaben eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem UVP-G 2000 durchzuführen ist. Bei diesem Verfahren haben der Projektwerber/die Projektwerberin, der Umweltanwalt und die Standortgemeinde Parteistellung und das Recht, Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zu erheben. Die Entscheidung ist von der Behörde in geeigneter Form kundzumachen und der Bescheid jedenfalls zur öffentlichen Einsichtnahme aufzulegen und auf der Internetseite der UVP-Behörde, auf der Kundmachungen gemäß § 9 Abs. 4 erfolgen, zu veröffentlichen; der Bescheid ist als Download für sechs Wochen bereitzustellen.

Nach § 3 Abs. 9 UVP-G ist für den Fall einer Feststellung gemäß § 3 Abs. 7, dass für ein Vorhaben keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist, eine gemäß § 19 Abs. 7 anerkannte Umweltorganisation gemäß § 19 Abs. 1 Z 1 berechtigt, Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zu erheben. Ab dem Tag der Veröffentlichung im Internet ist einer solchen Umweltorganisationen Einsicht in den Verwaltungsakt zu gewähren. Für die Beschwerdelegitimation der Umweltorganisation ist der im Anerkennungsbescheid gemäß § 19 Abs. 7 ausgewiesene Zulassungsbereich maßgeblich.

Die erst- und die zweitbeschwerdeführende Partei sind als Umweltorganisationen gemäß § 19 Abs. 7 UVP-G 2000 für das Land Vorarlberg anerkannt. Sie sind damit nach § 3 Abs. 9 UVP-G berechtigt, Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid an das Bundesverwaltungsgericht zu erheben.

Gemäß § 40 Abs. 3 UVP-G 2000 sind unter anderem in Verfahren über Beschwerden nach § 3 Abs. 9 UVP-G 2000 die §§ 7, 8 und 16 VwGVG nicht anzuwenden. Beschwerden nach § 3 Abs. 9 UVP-G sind binnen vier Wochen ab dem Tag der Veröffentlichung des Bescheides im Internet schriftlich bei der Behörde einzubringen.

Nachdem die Kundmachung des Bescheides im Internet das fristauslösende Element darstellt, hat die Kundmachung die Angabe zu enthalten, zu welchem Zeitpunkt der Feststellungsbescheid online gestellt wurde (Ennöckl in Ennöckl/Raschauer/Bergthaler [Hrsg], UVP-G: Kommentar3 [2013] § 3. UVP-G 2000 Rz 60).

Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren wurde der angefochtene Bescheid am 11.12.2019 von der Behörde auf ihrer Homepage kundgemacht. In der Kundmachung wurde in Entsprechung der Vorgabe des § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 eine Frist zur Einsichtnahme bis zum 24.01.2020 - von sechs Wochen und zwei Tagen - angegeben. Die Kundmachung enthält auch den Kundmachungszeitpunkt. Die Kundmachung der Behörde entspricht damit den gesetzlichen Vorgaben. Die Beschwerde war somit gemäß § 40 Abs. 3 UVP-G 2000 binnen vier Wochen ab dem Tag der Veröffentlichung des Bescheides im Internet, sohin bis einschließlich 08.01.2020, bei der Behörde einzubringen. Die Beschwerde der erstbeschwerdeführenden Partei ist mit 21.01.2020 datiert und langte am 24.01.2020 bei der Behörde ein. Die Beschwerde der zweitbeschwerdeführenden Partei ist mit 22.01.2020 datiert und langte am 23.01.2020 bei der Behörde ein.

Die Beschwerdelegitimation anerkannter Umweltorganisationen iSd § 19 Abs. 7 UVP-G 2000 wurde mit der UVP-G-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 77/2020, in Form eines Antrages auf Überprüfung der Einhaltung von Vorschriften über die UVP-Pflicht an den Umweltsenat zur Abwendung eines Vertragsverletzungsverfahren wegen Verstoßes gegen die Verpflichtung nach Art. 10a UVP-RL 85/337/EWG (nunmehr Art. 11 UVP-RL 2011/92/EU) als § 3 Abs. 7a UVP-G 2000 eingefügt (ErläutRV 1809 BlgNR XXIV. GP 5). Mit der UVP-G-Novelle 2013, BGBl. I Nr. 95/2013, erfolgte die Anpassung der Bestimmung im Zuge der Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Das Antragsrecht zur Überprüfung wurde durch eine Beschwerdelegitimation gegen Bescheide, wonach ein für Vorhaben keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist, an das Bundesverwaltungsgericht ersetzt (ErläutRV 2252 BlgNr XXIV. GP 4). Mit der UVP-G-Novelle 2018, BGBl. I Nr. 80/2018 erhielt der bisherige § 3 Abs. 7a UVP-G 2000 schließlich die Bezeichnung § 3 Abs. 9 UVP-G 2000.

Das Übereinkommen von Aarhus über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten samt Erklärung (Aarhus-Konvention) regelt die Parteistellung für bestimmte Umweltorganisationen, um so eine breite und effektive Beteiligung der Öffentlichkeit zu gewährleisten. Mit Art. 10a UVP-RL 85/337/EWG (nunmehr Art. 11 UVP-RL 2011/92/EU) wurde die Aarhus-Konvention in das Unionsrecht, insbesondere Art. 6 und 9, bzw. in Österreich mit der UVP-G-Novelle 2004, BGB. I Nr. 153/2004, umgesetzt (vgl. Rundschreiben UVP-G 2000, Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft Umwelt und Wasserwirtschaft vom 10.7.2015, 10; Madner, Umweltverträglichkeitsprüfung in Holoubek/Potacs [Hrsg.], Öffentliches Wirtschaftsrecht4 II [2019] 1247).

Der anerkannten Umweltorganisation gemäß § 19 Abs. 7 UVP-G 2000 kommt im Feststellungsverfahren vor der UVP-Behörde nach § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 keine Parteistellung iSd § 8 AVG zu, ihr wird durch § 3 Abs. 9 UVP-G 2000 als "verfahrensrechtlicher Sonderfall" eine Beschwerdelegitimation hinsichtlich negativer Feststellungsbescheide eingeräumt (ErläutRV 2252 BlgNr XXIV. GP 4-5). Anspruch auf förmliche Mitteilung des das Verfahren abschließenden Bescheides durch mündliche Verkündung oder Zustellung einer schriftlichen Ausfertigung kommt gemäß § 62 Abs. 1 und 3 AVG nur den Parteien eines Verfahrens zu (Hengstschläger/Leeb, AVG § 62 [Stand 01.07.2005, rdb.at] Rz 6-7). Eine spezielle Regelung zur Zustellung des Bescheides nach § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 an anerkannte Umweltorganisationen nach § 19 Abs. 7 UVP-G ist nicht vorgesehen.

Nach der Regelung des § 40 Abs. 3 UVP-G 2000 ist die Bestimmung des § 7 VwGVG - auf den die erstbeschwerdeführende Partei mit ihren Ausführungen, die Beschwerdefrist laufe erst ab dem Zeitpunkt, in dem sie tatsächlich Kenntnis vom Bescheid erlangt habe - nicht anzuwenden.

Dem Vorbringen der beschwerdeführenden Partei, die Kundmachung sei verwirrend und irreführend, somit unzureichend und nicht fristauslösend, ist entgegenzuhalten, dass die Kundmachung der Behörde den gesetzlichen Vorgaben entspricht. Von der sechswöchigen Frist für die Kundmachung gemäß § 3 Abs. 7 zehnter Satz UVP-G - die sich im Übrigen nicht nur an anerkannte Umweltorganisationen gemäß § 19 Abs. 7 UVP-G 2000 richtet - ist die in § 40 Abs. 3 UVP-G 2000 gesondert vorgesehene vierwöchige Beschwerdefrist für anerkannte Umweltorganisationen nach §§ 3 Abs. 9 und 40 Abs. 3 UVPG-G 2000 zu unterscheiden.

Vor dem Hintergrund der vorgesehenen sechswöchigen Kundmachungsfrist ist auch die von der Behörde gewählte Kundmachungsfrist bis 24.01.2020 rechtmäßig. Das Vorbringen der beschwerdeführenden Parteien eines achtwöchigen Kundmachungszeitraumes ist in diesem Zusammenhang nicht nachvollziehbar. Das Vorbringen, die Kundmachungsfrist sei an die vierwöchige Beschwerdefrist anzugleichen, widerspricht der gesetzlichen Vorgaben des § 40 Abs. 3 UVP-G 2000.

Der ins Treffen geführte § 41 Abs. 2 AVG sieht für die Kundmachung der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung einen Hinweis auf die Folgen gemäß § 42 AVG (Verlust der Parteistellung, wenn nicht rechtzeitig Einwendungen erhoben werden) vor. Der Behörde ist zuzustimmen, wenn sie ausführt, die Rechtsbelehrung habe im Bescheid selbst und nicht in der Kundmachung zu erfolgen. So hat gemäß § 58 Abs. 1 AVG jeder Bescheid eine Rechtsmittelbelehrung zu enthalten. Gemäß § 61 Abs. 1 AVG hat die Rechtsmittelbelehrung anzugeben, ob gegen den Bescheid ein Rechtsmittel erhoben werden kann, bejahendenfalls welchen Inhalt und welche Form dieses Rechtsmittel haben muss und bei welcher Behörde und innerhalb welcher Frist es einzubringen ist. Der Bescheid enthält unter der Überschrift "Hinweis für anerkannte Umweltorganisationen und Nachbarn/Nachbarinnen" eine dementsprechende Rechtsmittelbelehrung zur Beschwerdelegitimation nach § 19 Abs. 7 UVP-G 2000 anerkannter Umweltorganisationen. Auch ergibt sich aus dem Text der Kundmachung klar, dass die gewährte Frist sich lediglich auf die Möglichkeit zur Einsichtnahme bezieht, sowie darauf, dass der Bescheid zum Download bereitsteht (§ 3 Abs. 7 zehnter Satz UVP-G 2000). Damit suggeriert auch die Kundmachung nicht, dass den beschwerdeführenden Parteien eine von § 40 Abs. 3 UVP-G abweichende Beschwerdefrist zur Verfügung steht. Richtig ist zwar, dass die Kundmachung weder einen Hinweis auf die Beschwerdefrist nach § 40 Abs. 3 UVP-G 2000 noch eine Rechtsmittelbelehrung enthält. Dies ist jedoch gesetzlich nicht vorgesehen und erscheint vor dem Hintergrund dessen, dass im Verwaltungsverfahren gemäß §§ 58 Abs. 1 und 61 Abs. 1 AVG jeder Bescheid eine Rechtsmittelbelehrung zu enthalten hat, auch nicht erforderlich. Insofern hat der ins Treffen geführte § 41 Abs. 2 AVG eine völlig andere, spezifische Konstellation im Blick.

Dem Vorbringen in Bezug auf Art. 5 Abs. 3 und Art. 9 Abs 5 Aarhus-Konvention ist entgegenzuhalten, dass die für die beschwerdeführenden Parteien zur fristgerechten Beschwerdeerhebung erforderlichen Informationen rechtskonform in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Bescheides im Internet zur Verfügung standen und auch die analoge Einsichtnahme in den Bescheid bis zum 24.01.2020 möglich war. Der Zugang zu den erforderlichen Informationen war damit in ausreichendem Maß sichergestellt. Inwiefern das Unionsrecht bzw. im österreichischen Recht Defizit zur Umsetzung der Aarhus-Konvention vorliegen soll, ist nicht ersichtlich.

Die Beschwerden der erst- und zweitbeschwerdeführenden Partei sind somit als verspätet zurückzuweisen.

3.2. Zu den Wiedereinsetzungsanträgen:

Die erstbeschwerdeführende Partei stellt ihre Ausführungen zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde unter die Überschrift "Rechtzeitigkeit der Beschwerde bzw. Wiedereinsetzung". Diese Ausführungen könnten als Antrag auf Wiedereinsetzung verstanden werden, dazu wird jedoch nichts Weiteres vorgebracht. Das Verwaltungsgericht hielt mit Schreiben vom 08.02.2020 den beiden beschwerdeführenden Parteien vor (zum Verspätungsvorhalt vgl. zuletzt VwGH 01.08.2019, Ra 2019/02/0114), es gehe vorläufig davon aus, die Einbringung der Beschwerden sei verspätet. Erst in ihrer am 03.03.2020 eingelangten Stellungnahme führt die erstbeschwerdeführende Partei aus, sie sehe in der Fristversäumung nur einen minderen Grad des Versehens, der einen Wiedereinsetzungsgrund darstelle. Die zweitbeschwerdeführende Partei führt in ihrer am 27.02.2020 eingelangten Stellungnahme ebenso aus, sie sehe in der Fristversäumung nur einen minderen Grad des Versehens, der einen Wiedereinsetzungsgrund für die Beschwerde darstelle. Damit wurden die - allfälligen - Anträge auf Wiedereinsetzung durch beschwerdeführenden Parteien erst mit den Stellungnahmen am 03.03.2020 bzw. 27.02.2020 gestellt.

Gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dies ist beispielsweise der Fall, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Gemäß § 33 Abs. 3 VwGVG ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in den Fällen des Abs. 1 dieser Bestimmung bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann mit einem Vorbringen, das die Versäumung einer Rechtsmittelfrist in Frage zu stellen sucht, ein Wiedereinsetzungsgrund nicht begründet werden (VwGH 17.11.2015, Ra 2015/01/0083). Ein solch unschlüssiger Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist zurückzuweisen (Hengstschläger/Leeb, AVG § 72 [Stand 1.1.2020, rdb.at] Rz 23).

Die beschwerdeführenden Parteien beschränken sich beinahe ausschließlich auf die Darlegung der Rechtzeitigkeit ihrer Beschwerden, weswegen die Anträge auf Wiedereinsetzung zurückzuweisen sind.

4. Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG abhängt. Das Bundesverwaltungsgericht folgt der klaren Rechtslage sowie der unter Punkt II.3. referierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Aarhus - Konvention Beschwerdefrist Beschwerdelegimitation Beschwerderecht Bewilligungsantrag Erweiterung Feststellungsantrag Feststellungsbescheid Feststellungsverfahren Fristablauf Fristüberschreitung Fristversäumung Kundmachung minderer Grad eines Versehens Rechtsmittelfrist Umweltauswirkung Umweltverträglichkeitsprüfung UVP-Pflicht Versehen verspätete Beschwerde Verspätung Wiedereinsetzungsantrag Zurückweisung Zustellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W109.2228207.1.00

Im RIS seit

27.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

27.08.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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