TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/19 W173 2151676-2

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Veröffentlicht am 19.03.2020
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Entscheidungsdatum

19.03.2020

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AVG §71
BFA-VG §16 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W173 2151676-2/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Margit MÖSLINGER-GEHMAYR als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung Diakonie Flüchtlingsdienst gem GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.6.2017, Zl. XXXX , nach der Durchführung von mündlichen Verhandlungen zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und dieser Spruchpunkt behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer XXXX (in der Folge BF) reiste im Juli 2015 illegal in Österreich ein und stellte am 16.7.2015 einen Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz.

2. Am 17.7.2015 wurde eine Erstbefragung durch ein Organ der Landespolizeidirektion Burgenland durchgeführt. In der Folge berichtigte der BF sein Geburtsdatum vom XXXX auf XXXX .

3. Nach der am 15.2.2017 erfolgten Einvernahme des BF durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA) wurde mit Bescheid vom 23.2.2017, Zl. XXXX , der Antrag des BF sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 leg.cit. abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde dem BF nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) erlassen. Schließlich wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Es wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise des BF mit 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass das Fluchtvorbringen des BF nicht glaubhaft gewesen sei. Der BF sei im arbeitsfähigen Alter und habe in Afghanistan als Landarbeiter gearbeitet. Seine Familie lebe in XXXX und Kabul. Er könne in Afghanistan einer Erwerbstätigkeit nachgehen und es sei aufgrund der obigen Umstände in einer Gesamtschau davon auszugehen, dass der BF bei seiner Rückkehr nach Afghanistan nicht in eine Notlage entsprechend Art. 2 bzw. Art. 3 EMRK gelangen würde. Der BF habe in Österreich bloß recht oberflächliche private Interessen, weswegen die Rückkehrentscheidung zulässig sei.

4. Mit Beschwerde vom 27.3.2017 wurde der Bescheid vom 23.2.2017 vollumfänglich angefochten. Im Hinblick auf die zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides geltende zweiwöchige Beschwerdefrist wurde in eventu ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 AVG gegen den Bescheid vom 23.2.2017 in Verbindung mit einem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung eingebracht.

5. Der in eventu gestellt Antrag auf Wiedereinsetzung wurde von der belangten Behörde mit Bescheid vom 14.6.2017, Zl. XXXX , unter Spruchpunkt I. abgewiesen und unter Spruchpunkt II. die aufschiebende Wirkung zuerkannt. Gegen Spruchpunkt I. des Bescheides vom 14.6.2017 wurde mit Schreiben vom 18.7.2017 Beschwerde erhoben. Es wurden gravierende verfassungsrechtliche Bedenken gegen die abweichende Regelung der Beschwerdefristen in § 16 Abs. 1 BFA-VG geltend gemacht. Zudem liege ein minderer Grad des Versehens vor.

6. Am 20.7.2017 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

7. Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 26.9.2017 zu G 134/2017-12, G207/2017-8 wurde die Wortfolge "2, 4 und" sowie der Satz "Dies gilt auch in den Fällen des § 3 Abs. 2 Z 1, sofern die Entscheidung mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbunden ist" in § 16 Abs. 1 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl I Nr. 24/2016, als verfassungswidrig aufgehoben. Der Verfassungsgerichtshof machte von der Ermächtigung gemäß Art. 140 Abs. 7 B-VG Gebrauch und sprach eine erweitere Anlassfallwirkung aus. Diese wurde im BGB. I Nr. 140/2017 kundgemacht.

8. Mit Schreiben vom 16.10.2017 wurde vom BF ausdrücklich auf das oben zitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes und dessen erweiterte Anlassfallwirkung hingewiesen. Ebenso wurde in der am 8.5.2019 durchgeführten mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht eingangs darauf Bezug genommen und die Behebung des angefochtenen Bescheides zur Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung beantragt. Die Beschwerde sei fristgerecht eingebracht worden. Eine weitere Verhandlung fand am 10.3.2020 statt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.Feststellungen und Beweiswürdigung

Der Sachverhalt zum Antrag auf Wiedereinsetzung ergibt sich aus dem vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsakt und ist unbestritten.

2. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu Spruchpunkt A)

Schon vor dem Hintergrund des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 26.9.2017, G 134/2017-12, G207/2017-8, in Verbindung mit der Kundmachung vom 16.10.2018, BGBl I 140/2017, war die Beschwerde gegen den Bescheid vom 23.2.2017 nicht als verspätet, sondern als fristgerecht eingebracht zu werten. Der angefochtene Bescheid vom 14.6.2017 zur Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung unter Spruchpunkt I. war zu beheben.

Zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (vgl. die oben im Rahmen der rechtlichen Beurteilung zu Spruchteil A angeführten zahlreichen Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes), noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Das Bundesverwaltungsgericht kann sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung Beschwerdefrist Rechtsanschauung des VwGH Rechtzeitigkeit Wiedereinsetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W173.2151676.2.01

Im RIS seit

19.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

19.08.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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