TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/2 W189 1437565-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.04.2020
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Entscheidungsdatum

02.04.2020

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §54 Abs2
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §55 Abs1
AsylG 2005 §55 Abs2
AsylG 2005 §58 Abs1
AsylG 2005 §58 Abs11
AsylG 2005 §58 Abs7
AsylG 2005 §8
AVG §13 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §52
VwGVG §17
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §31 Abs1
VwGVG §7 Abs2

Spruch

W189 1437565-1/25E

W189 2199841-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

I. Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag. Irene RIEPL als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1.) XXXX , geb. XXXX , 2.) XXXX , geb. XXXX , beide StA. Ukraine, vertreten durch RA Mag. Clemens Lahner, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl 1.) vom 12.08.2013, Zl. 1300.802-BAT, 2.) vom 25.05.2018, Zl. 1139533302-170015905, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 29.05.2019:

A)

Das Verfahren wird wegen Zurückziehung der Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. der angefochtenen Bescheide eingestellt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

II. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Irene RIEPL als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1.) XXXX , geb. XXXX , 2.) XXXX , geb. XXXX , beide StA. Ukraine, vertreten durch RA Mag. Clemens Lahner, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl 1.) vom 12.08.2013, Zl. 1300.802-BAT, 2.) vom 25.05.2018, Zl. 1139533302-170015905, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 29.05.2019, zu Recht:

A)

Gemäß § 9 BFA-VG wird festgestellt, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist, und gemäß §§ 54, 55 und 58 Abs. 1 AsylG 2005 wird XXXX der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" sowie XXXX der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung" für die Dauer von 12 Monaten erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Erstbeschwerdeführerin (in der Folge: BF1), eine Staatsangehörige der Ukraine, stellte nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet am 19.01.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde am 24.01.2013 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt.

2. Am 11.03.2013 wurde die BF1 vor dem Bundesasylamt niederschriftlich einvernommen.

3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesasylamtes vom 12.08.2013 wurde der Antrag auf internationalen Schutz der BF1 bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und des Status der subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Es wurde die Ausweisung der BF1 aus dem Bundesgebiet in die Ukraine erklärt (Spruchpunkt III.).

4. Mit Schriftsatz vom 29.08.2013 erhob die BF1 durch ihren Rechtsvertreter binnen offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde.

5. Mit Schriftsatz vom 21.02.2014 legte die BF1 ein Konvolut an Fotos und medizinischen Unterlagen vor und gab eine Stellungnahme zu den Fluchtgründen ab.

6. Mit Schriftsatz vom 01.06.2015 legte die BF1 zur Bezeugung ihrer Integrationsbemühungen ein Konvolut an Unterstützungsschreiben vor.

7. Mit Schriftsatz vom 08.07.2015 legte die BF1 einen psychiatrischen Befund vor.

8. Am 30.11.2015 erlangte die BF1 eine Gewerbeberechtigung für das Gewerbe "Wartung und Pflege von Kraftfahrzeugen (KFZ-Service)".

9. Die Zweitbeschwerdeführerin (in der Folge: BF2), eine Staatsangehörige der Ukraine und Tochter der BF1, stellte nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet am 04.01.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde am selben Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt.

10. Am 15.05.2018 wurde die BF2 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) niederschriftlich einvernommen.

11. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA vom 25.05.2018 wurde der Antrag auf internationalen Schutz der BF2 bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und des Status der subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel gem. § 57 AsylG wurde nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und die Zulässigkeit der Abschiebung in die Ukraine festgestellt (Spruchpunkt III.), sowie eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt IV.).

12. Mit Schriftsatz vom 25.06.2018 erhob die BF2 durch ihren Rechtsvertreter binnen offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde.

13. Mit Schriftsatz vom 06.07.2018 legte die BF1 ein Konvolut an Integrationsunterlagen vor.

14. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 29.05.2019 eine öffentliche, mündliche Verhandlung unter Beiziehung einer geeigneten Dolmetscherin für die Sprache Russisch durch, an welcher die BF, ihre Rechtsvertretung, sowie der nunmehrige Ehemann der BF1 als Zeuge teilnahmen. Die BF wurden ausführlich zu ihrer Person und den Fluchtgründen befragt, und es wurde ihnen Gelegenheit gegeben, die Fluchtgründe umfassend darzulegen sowie zu den im Rahmen der Verhandlung in das Verfahren eingeführten Länderberichten Stellung zu nehmen. Die BF legten ein Konvolut von Integrationsunterlagen vor (Beilage ./1).

15. Mit Schriftsatz vom 24.06.2019 legten die BF ein Konvolut an Integrationsunterlagen vor, brachten eine Stellungnahme zu ihrem Privat- und Familienleben ein und zogen ausdrücklich die Beschwerden hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. der angefochtenen Bescheide zurück.

16. Mit Schriftsatz vom 08.08.2019 legte die BF1 eine fachärztliche Bescheinigung vor.

17. Mit Schriftsatz vom 17.09.2019 informierten die BF über das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs zum Verfahren der Mutter der BF1, Ra 2019/18/0250-7, wonach das abweisende Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 06.05.2019, W103 2196145-1/4E, behoben wurde.

18. Mit Schriftsatz vom 20.02.2020 übermittelten die BF die Geburtsurkunde sowie den Staatsbürgerschaftsnachweis des Sohnes der BF1 und ihres Ehemannes, ein Zeugnis über die bestandene Integrationsprüfung auf dem Niveau A2 der BF1 und eine Schulnachricht der BF2.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

1.1. Zur Person der BF1

Die BF1 ist ukrainische Staatsangehörige, gehört der Volksgruppe der Ukrainer an und ist katholischen Glaubens. Sie ist volljährig und im erwerbsfähigen Alter. Sie spricht Ukrainisch und Russisch. Sie hat elf Jahre die Grundschule und vier Jahre ein juristisches Kolleg besucht. Die BF1 verfügt über Deutschkenntnisse.

Die BF1 ist in XXXX , Distrikt Ivano-Frankivsk, Ukraine geboren und hat dort den Großteil ihres Lebens verbracht. Sie hatte dort ein Schuhgeschäft. Ihre Tochter (BF2) und ihre Mutter XXXX leben als Asylwerber in Wien. Ihr Vater lebt in der Ukraine, ihre Schwester in der Russischen Föderation. Die BF1 hat keine weitere Verwandtschaft in der Ukraine. Der Ehemann der BF1, XXXX , ist österreichischer Staatsbürger und lebt in Wien. Am 05.09.2019 wurde der gemeinsame Sohn der BF1 und ihres Ehemanns geboren, der ebenfalls österreichische Staatsbürgerschaft innehat.

Die BF1 ist im Jänner 2013 illegal in Österreich eingereist und stellte am 19.01.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Die BF1 leidet an einem Zervikalsyndrom, Hypotonie, Hypoglykämie, einem Harnwegsinfekt, Kopfschmerzen mit migränoider Charakteristik, einer Ceftrixonallergie, sowie weiters einer posttraumatischen Belastungsstörung, Anpassungsstörung, rezidivierender Depression, nichtorganischer Insomnie, Albträumen, generalisierter Angststörung, Panikstörung, somatoformer Schmerzstörung und Epilepsie.

Die BF1 ist strafrechtlich unbescholten.

1.2. Zur Person der BF2

Die BF2 ist ukrainische Staatsangehörige, gehört der Volksgruppe der Ukrainer an und ist christlich-orthodoxen Glaubens. Sie ist minderjährig. Sie spricht Ukrainisch und Russisch, sowie ein wenig Englisch und Polnisch. Sie geht in die Schule. Die BF2 kann sich selbständig auf Deutsch ausdrücken.

Die BF2 ist in XXXX , Distrikt Ivano-Frankivsk, Ukraine geboren und hat dort den Großteil ihres Lebens verbracht. Ihre Mutter (BF1) und ihre Großmutter leben als Asylwerber in Wien. Ihr leiblicher Vater lebt in der Ukraine, es besteht jedoch kein Kontakt. Die BF2 hat keine weitere Verwandtschaft in der Ukraine. Der Stiefvater und Stiefbruder der BF2 sind österreichische Staatsbürger und leben in Wien.

Die BF2 ist im Jänner 2017 legal in Österreich eingereist und stellte am 04.01.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Die BF2 leidet an chronisch spontaner Urtikaria mit Angioödemen, Hausstaubmilben-Allergie und eingeschränkter Lungenfunktion (Asthma).

Die BF2 ist strafrechtlich unbescholten.

1.3. Zur Situation der BF in Österreich

Die BF1 befindet sich seit Jänner 2013 im Bundesgebiet. Sie bezieht seit Mai 2019 keine Leistungen aus der Grundversorgung. Die BF1 führte von 30.11.2015 bis 20.06.2016 ein Gewerbe im Bereich KFZ-Service. Die BF1 arbeitet seit 20.06.2016 unentgeltlich im Bereich Eventmanagement. Sie verfügt seit 03.06.2019 über eine Einstellungszusage im Bereich Sachbearbeitung/Kundenmanagement ab Ende der Karenzzeit. Die BF1 spricht ein wenig Deutsch, hat einen Deutschkurs auf dem Niveau A1 und einen Deutschkurs auf dem Niveau A2 besucht. Sie hat eine Integrationsprüfung auf dem Niveau A2 bestanden. Sonstige Kurse oder Ausbildungen besucht die BF1 derzeit nicht.

Die BF2 befindet sich seit Jänner 2017 in Österreich. Sie bezieht Leistungen aus der Grundversorgung. Sie besucht die Schule in Wien. Die BF2 besucht weiters eine Tennisschule und absolvierte einen Jugend-Ausbildungslehrgang zur Sporttrainerin im Bereich Motorsport/Nachwuchs. Die BF2 kann sich selbständig auf Deutsch ausdrücken und hat Schulzeugnisse als außerordentliche Schülerin der sechsten und achten Schulstufe, eine Aufnahmebestätigung für die neunte Schulstufe, sowie eine Schulnachricht als ordentliche Schülerin der neunten Schulstufe an einem Gymnasium vorgelegt. Sonstige Kurse oder Ausbildungen besucht die BF2 derzeit nicht.

Die BF1 heiratete am 08.02.2019 einen österreichischen Staatsbürger. Die BF1 und die BF2 leben seit 27.05.2019 im gemeinsamen Haushalt mit dem Ehemann der BF1, der weitgehend für die Lebenserhaltungskosten aufkommt. Am 05.09.2019 kam der gemeinsame Sohn der BF1 und ihres Ehemannes, welcher ebenso österreichischer Staatsbürger ist, auf die Welt. Es besteht eine enge familiäre Bindung zwischen den BF, dem Ehemann der BF1 und deren gemeinsamen Sohn. Die Mutter der BF1 lebt ebenfalls als Asylwerberin in Wien und es besteht eine familiäre Bindung der BF zu dieser. Weiters bestehen freundschaftliche und bekanntschaftliche Anknüpfungspunkte der BF. Darüber hinaus bestehen keine weiteren familiären oder sonstig verwandtschaftlichen bzw. familienähnlichen sozialen Bindungen im Bundesgebiet.

Im Übrigen üben die BF derzeit keine ehrenamtlichen Tätigkeiten aus und sind nicht Mitglied in einem Verein, einer religiösen Gruppe oder einer sonstigen Gruppe.

Es bestehen keine weiteren, substantiellen Anknüpfungspunkte im Bereich des Privatlebens in Österreich.

2. Beweiswürdigung

2.1. Zur Person der BF1

2.1.1. Die Identität der BF1 steht aufgrund der Vorlage eines Inlandspasses und eines Führerscheins aus der Ukraine fest. Ein Abruf des Zentralen Fremdenregisters ergab, dass diese Dokumente echt sind.

Die Feststellungen zur Staats-, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit der BF1 gründen sich im Übrigen auf ihre insoweit glaubhaften Angaben in den bisherigen Befragungen sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht bzw. ihren Kenntnissen der ukrainischen und russischen Sprache. Die Feststellungen über den Besuch der Grundschule und des juristischen Kollegs ergeben sich ebenso aus ihren glaubhaften Angaben. Die Feststellung über ihre Deutschkenntnisse ist Folge ihrer Aussage in der mündlichen Verhandlung und des vorgelegten Zeugnisses der Integrationsprüfung auf dem Niveau A2.

Die Feststellung zum Geburts- und Wohnort der BF1, ihrer Erwerbstätigkeit, den Aufenthalten ihrer Tochter, Eltern und Verwandtschaft, sowie zu ihrer Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger und dem gemeinsamen Kind stützen sich gleichfalls auf ihre glaubhaften Angaben, den Verfahrensakt der Mutter sowie die vorgelegte Heiratsurkunde und die vorgelegte Geburtsurkunde.

2.1.2. Die Feststellung über die illegale Einreise der BF1 im Jänner 2013 ergibt sich aus ihren glaubhaften Aussagen.

2.1.3. Die Feststellung über die Krankheiten der BF1 ergeben sich aus ihren glaubhaften Aussagen und den vorgelegten ärztlichen Befunden.

2.1.4. Die Feststellung, dass die BF1 strafrechtlich unbescholten ist, beruht auf einem aktuellen Strafregisterauszug.

2.2. Zur Person der BF2

2.2.1. Die Identität der BF2 steht aufgrund der Vorlage eines Kinderreisepasses und einer Geburtsurkunde aus der Ukraine fest.

Die Feststellungen zur Staats-, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit der BF2 gründen sich im Übrigen auf ihre insoweit glaubhaften Angaben in den bisherigen Befragungen sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht bzw. ihren Kenntnissen der ukrainischen und russischen Sprache. Die Feststellung über den Besuch der Grundschule ergibt sich aus ihren glaubhaften Angaben. Die Feststellung, dass die BF2 sich selbständig auf Deutsch ausdrücken kann, ist Folge ihrer Aussage in der mündlichen Verhandlung und den vorgelegten österreichischen Schulzeugnissen.

Die Feststellung über den Geburts- und Wohnort der BF2, den Aufenthalt ihrer Mutter, Großmutter, ihres leiblichen Vaters sowie zu ihrem österreichischen Stiefvater und Stiefbruder stützen sich gleichfalls auf ihre glaubhaften Aussagen, den Verfahrensakt der Großmutter und die von der BF1 vorgelegte Heiratsurkunde und vorgelegte Geburtsurkunde.

2.2.2. Die Feststellung über die legale Einreise der BF2 im Jänner 2017 ergibt sich aus ihren glaubhaften Aussagen und dem vorgelegten gültigen Schengenvisum.

2.2.3. Die Feststellung über die Krankheiten der BF2 ergeben sich aus ihren glaubhaften Aussagen und den vorgelegten ärztlichen Befunden.

2.2.4. Die Feststellung, dass die BF2 strafrechtlich unbescholten ist, beruht auf einem aktuellen Strafregisterauszug.

2.3. Zur Situation der BF in Österreich

2.3.1. Die Feststellungen über die Einreise und den Aufenthalt der BF im Bundesgebiet ergeben sich aus den unter Punkt 1.1. und 1.2. enthaltenen Feststellungen über die Person der BF und der damit verbundenen Beweiswürdigung unter Punkt 2.1. und 2.2.

2.3.2. Die Feststellung, dass die BF1 seit Mai 2019 keine Leistungen aus der Grundversorgung bezieht bzw. die BF2 weiterhin Grundversorgung in Anspruch nimmt, ergibt sich aus einem eingeholten Grundversorgungsauszug. Die Feststellungen über die bisherigen Erwerbstätigkeiten der BF1 sowie ihre Einstellungszusage ergeben sich aus ihren glaubhaften Aussagen in der mündlichen Verhandlung und den vorgelegten Bestätigungen (Niederschrift der mündlichen Verhandlung (in der Folge: NSV), S. 7f; Beilage ./1; OZ 9, OZ 20). Die Feststellung über den Schulbesuch, den Besuch einer Tennisschule und der Absolvierung des Jugend-Ausbildungslehrgangs der BF2 ergeben sich gleichfalls aus den glaubhaften Aussagen der BF2 in der mündlichen Verhandlung und den vorgelegten Bestätigungen (NSV, S. 11f; Beilage ./1; AS 115, AS 267; OZ 24).

2.3.3. Die BF1 hat Teilnahmebestätigungen für Deutschkurse auf dem Niveau A1 und A2 (AS 221f; Beilage ./1) sowie ein positives Integrationsprüfungszeugnis für das Niveau A2 vorgelegt (OZ 24). Das Gericht konnte sich im Übrigen von den geringen Deutschkenntnissen der BF1 im Rahmen der mündlichen Verhandlung selbst überzeugen (NSV, S. 5). Die BF2 hat Schulzeugnisse als außerordentliche Schülerin der sechsten und achten Schulstufe, eine Aufnahmebestätigung für die neunte Schulstufe und eine Schulnachricht als ordentliche Schülerin der neunten Schulstufe in einem Bundesgymnasium vorgelegt (AS 101; Beilage ./1; OZ 24). Das Gericht konnte sich im Übrigen im Rahmen der mündlichen selbst überzeugen, dass die BF2 sich selbständig auf Deutsch ausdrücken kann (NSV, S. 12). Dass die BF keine sonstigen Kurse oder Ausbildungen besuchen, ergibt sich aus ihren Angaben (NSV, S. 7) bzw. dem Unterbleiben gegenteiliger Behauptungen.

2.3.4. Dass die BF1 am 08.02.2019 einen österreichischen Staatsbürger heiratete, folgt aus der vorgelegten Heiratsurkunde (Beilage ./1). Dass am 05.09.2010 das gemeinsame Kind der BF1 und ihres Ehemannes auf die Welt kam, folgt aus der vorgelegten Geburtsurkunde (OZ 24). Die Feststellungen über den gemeinsamen Haushalt der BF, dem Ehemann der BF1 und dem gemeinsamen Kind, dass dieser weitgehend für die Lebenserhaltungskosten aufkommt, sowie zur engen familiären Bindung stützen sich auf die glaubhaften Aussagen der BF1 und ihres Ehemanns als Zeugen in der mündlichen Verhandlung (NSV, S. 6, 9, 10f) sowie einem eingeholten Melderegister- und Grundversorgungsauszug. Auch die familiäre Bindung der BF zur Mutter der BF1 bzw. Großmutter der BF2 ergibt sich aus den glaubhaften Angaben im Rahmen der mündlichen Verhandlung (NSV, S. 11), ebenso wie das Bestehen freundschaftlicher und bekanntschaftlicher Anknüpfungspunkte (NSV, S. 9).

2.3.5. Dass die BF im Übrigen derzeit keinen ehrenamtlichen Tätigkeiten nachgehen und nicht Mitglied in einem Verein oder sonstigen Organisation sind, ist ebenso Folge ihrer Aussagen in der mündlichen Verhandlung (NSV, S. 7) bzw. dem Unterbleiben gegenteiligen Vorbringens.

3. Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. A)

3.1. Zu den Beschwerden gegen die Spruchpunkte I. und II. der angefochtenen Bescheide

§ 7 Abs. 2 VwGVG normiert, dass eine Beschwerde nicht mehr zulässig ist, wenn die Partei nach Zustellung oder Verkündung des Bescheides ausdrücklich auf die Beschwerde verzichtet hat. Eine Zurückziehung der Beschwerde durch den BF ist in jeder Lage des Verfahrens ab Einbringung der Beschwerde bis zur Erlassung der Entscheidung möglich (Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, § 7 VwGVG, K 6). Dasselbe folgt sinngemäß aus § 17 VwGVG iVm § 13 Abs. 7 AVG.

Die Annahme, eine Partei ziehe die von ihr erhobene Beschwerde zurück, ist nur dann zulässig, wenn die entsprechende Erklärung keinen Zweifel daran offen lässt. Maßgebend ist daher das Vorliegen einer in dieser Richtung eindeutigen Erklärung (vgl. zB VwGH 22.11.2005, 2005/05/0320 uvm. zur insofern auf die Rechtslage nach dem VwGVG übertragbaren Judikatur zum AVG).

Eine solche Erklärung lag im gegenständlichen Fall zweifelsfrei vor; die BF haben die Zurückziehung der Beschwerden gegen die Spruchpunkte I. und II. der angefochtenen Bescheide durch Schriftsatz ihres Rechtsvertreters vom 24.06.2019 eindeutig zum Ausdruck gebracht.

Gem. § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder einzustellen ist.

Da die BF die Beschwerden gegen die Spruchpunkte I. und II. zurückgezogen haben, war das Beschwerdeverfahren insoweit gem. § 28 Abs. 1 iVm § 31 Abs. 1 VwGVG einzustellen.

Zu Spruchpunkt II. A)

3.2. Zu den Beschwerden gegen die Spruchpunkte III. und IV. der angefochtenen Bescheide

3.2.1. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird.

Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen, wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt (Z 1), wenn dies zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel notwendig ist (Z 2) oder wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist (Z 3).

Der Aufenthalt der BF im Bundesgebiet ist nicht im Sinne der soeben dargelegten Bestimmung geduldet bzw. zur Gewährleistung einer Strafverfolgung erforderlich. Sie sind nicht Zeugen oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch keine Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen daher nicht vor und wurden weder im Verfahren noch in der Beschwerde behauptet.

3.2.2. Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

Die BF sind als Staatsangehörige der Ukraine keine begünstigten Drittstaatsangehörige und es kommt ihnen kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu, da durch die Einstellung des Verfahrens über die Spruchpunkte I. und II. der angefochtenen Bescheide das Aufenthaltsrecht nach § 13 AsylG 2005 mit der Erlassung dieser Entscheidung endet. Gegenteiliges wurde von den BF auch nicht vorgebracht.

3.2.3. Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG insbesondere zu berücksichtigen: die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration (Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9).

Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre.

Nach Art 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff in die Ausübung des Rechts auf Privat- und Familienleben nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutze der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa wenn ein gemeinsamer Haushalt vorliegt.

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden schwerer wiegen würden, als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Bei dieser Interessenabwägung sind - wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird - insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren sowie die Frage zu berücksichtigen, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (vgl. VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479).

Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art 8 Abs. 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VwGH vom 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479).

Die BF1 heiratete am 08.02.2019 einen österreichischen Staatsbürger, mit dem sie und die minderjährige BF2 seit 27.05.2019 im gemeinsamen Haushalt leben. Am 05.09.2019 kam der gemeinsame Sohn der BF1 und ihrem Ehemann zur Welt. Der Ehemann der BF1 kommt weitgehend für den Lebensunterhalt der BF und des gemeinsamen Sohnes auf. Lediglich die BF2 bezieht noch Verpflegungs- und Versicherungsleistungen aus der Grundversorgung. Es besteht somit jedenfalls ein intensives Familienleben, das unter den Art. 8 EMRK zu subsumieren ist.

Es ist zwar zu berücksichtigen, dass das gegenständliche Familienleben zu einem Zeitpunkt eingegangen wurde, als der Aufenthaltsstatus der BF unsicher war (vgl. auch etwa EGMR, 28.06.2011, Nunez v. Norwegen, Rs 55597/09, Rz 70 letzter Satz). Eine Fortsetzung des Familienlebens in der Ukraine wäre jedoch nicht möglich. Der Ehemann der BF1 ist österreichischer Staatsbürger und entsprechend sozial und beruflich verwurzelt. Er verfügt mit einem Nettoeinkommen von ungefähr EUR 2.700,- über eine sehr gut bezahlte Arbeit, die es ihm ermöglicht, für den Unterhalt der BF aufzukommen. Zumal der Ehemann der BF1 nicht ukrainisch oder russisch spricht, wäre es ihm nicht zumutbar, seine sonstigen sozialen Anknüpfungspunkte und seine Arbeit aufzugeben und seinen Lebensmittelpunkt in die Ukraine zu verlegen. Darüber hinaus würden mangels Freizügigkeit diesem Schritt zumindest anfänglich rechtliche Hürden entgegenstehen. Ebenso ist das gemeinsame Kind der BF1 und ihres Ehemannes österreichischer Staatsbürger. Ein Verbleib nur des Ehemannes der BF1 und des gemeinsamen Kindes in Österreich würde umgekehrt jedenfalls einen massiven Eingriff in das Familienleben bedeuten und nicht zuletzt auch dem Kindeswohl des gemeinsamen Kindes schwerwiegend widersprechen, zumal sich die BF1 aufgrund der Vollzeitarbeit ihres Ehemanns jedenfalls während der Arbeitszeit hauptsächlich um das Kind kümmern wird (s. dazu auch EGMR 03.10.2014, Jeunesse gg. Niederlande, Appl. no. 12738/10). Im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs würde es der allgemeinen Lebenserfahrung widersprechen, dass ein Kind kurz nach der Geburt ohne Bedenken allein beim Vater verbleiben kann (VfGH 11.06.2012, U 128/12). Gleichfalls würde auch eine Rückkehr der minderjährigen BF2 alleine schwerwiegend in das Familienleben dieser eingreifen, zumal sie keinen Kontakt zu ihrem leiblichen Vater hat. Auch zur Mutter der BF1 bzw. Großmutter der BF2, die seit vielen Jahren in Österreich aufhältig ist, besteht eine enge Beziehung.

Unter dem Privatleben sind nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. EGMR 16.6.2005, Fall Sisojeva ua, Appl 60.654/00, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang kommt dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

Bei der Beurteilung der Frage, ob die BF in Österreich über ein schützenswertes Privatleben verfügen, spielt die zeitliche Komponente eine zentrale Rolle, da - abseits familiärer Umstände - eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Hervorgehoben wird hierbei, dass im Falle eines bloß auf die Stellung eines Asylantrags gestützten Aufenthalts in der Entscheidung des EGMR (N. gegen United Kingdom vom 27.05.2008, Nr. 26565/05) ein Aufenthalt in der Dauer von zehn Jahren nicht als allfälliger Hinderungsgrund gegen eine Ausweisung unter dem Aspekt einer Verletzung von Art. 8 EMRK thematisiert wurde. Der Verwaltungsgerichtshof geht bei einem dreieinhalbjährigen Aufenthalt im Allgemeinen von einer eher kürzeren Aufenthaltsdauer aus (vgl. Chvosta, ÖJZ 2007/74 unter Hinweis auf VwGH 08.03.2005, 2004/18/0354; 27.03.2007, 2005/21/0378). Im Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/10/0479, argumentierte er, "dass der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren [..] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte". Einem inländischen Aufenthalt von weniger als fünf Jahren kommt für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung hinsichtlich der durchzuführenden Interessenabwägung zu (VwGH 15.03.2016, Ra 2016/19/0031).

Die BF1 ist seit etwas über sieben Jahren, die BF2 seit etwas über drei Jahren in Österreich wohnhaft. Die BF1 hat eine Integrationsprüfung auf dem Niveau A2 erfolgreich absolviert, die BF2 geht seit Anfang 2017 in Österreich in die Schule und wurde zuletzt als ordentliche Schülerin in die neunte Schulstufe eines Bundesgymnasiums aufgenommen. In der mündlichen Verhandlung konnte festgestellt werden, dass die BF1 auf die auf Deutsch gestellten Fragen spontan in einem ansprechenden, aber grammatikalisch noch ausbaufähigen Deutsch, welches jedenfalls dem Niveau A2 entspricht, antworten konnte. Hinsichtlich der BF2 konnten in der mündlichen Verhandlung ihre ausgezeichneten Deutschkenntnisse festgestellt werden. Auch der Ehemann der BF1 gab an, mit den BF nur Deutsch zu sprechen, zumal er nicht Russisch kann. Die BF haben - abgesehen von den oben erwähnten familiären Anknüpfungspunkten - Freunde und Bekannte in Österreich. Die BF1 bezieht seit Mai 2019 keine Leistungen aus der Grundversorgung. Die BF1 hatte zwischen November 2015 und Oktober 2016 ein selbständiges Gewerbe und arbeitet unentgeltlich im Bereich Eventmanagement. Sie verfügt über eine Einstellungszusage im Bereich Sachbearbeitung/Kundenmanagement. Der Ehemann der BF1 kommt weitgehend für den Lebensunterhalt der BF und des gemeinsamen Sohnes auf.

In der Ukraine wiederum haben die BF keine relevanten Anknüpfungspunkte. Zum leiblichen Vater der BF2 besteht kein Kontakt. Auch die Mutter der BF1 bzw. Großmutter der BF2 lebt seit vielen Jahren in Österreich.

Festzuhalten ist, dass die sieben- bzw. dreijährige Verfahrensdauer den BF nicht angelastet werden kann, zumal sie keine verfahrensverzögernden Handlungen setzten (vgl. VfGH 03.10.2013, U 477/2013; VfGH vom 21.02.2014, U 2552/2013; VfGH 06.06.2014, U 145/2014). Gerade der siebenjährigen Aufenthaltsdauer der BF1 kommt iSd. obzitierten Judikatur bereits maßgebliche Bedeutung in der Interessenabwägung zu.

Die BF sind strafrechtlich unbescholten.

Gesamt betrachtet überwiegt somit das Interesse an der Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens der BF im konkreten Fall die in Art. 8 Abs. 2 EMRK angeführten öffentlichen Interessen, weshalb in Erledigung der Beschwerden gegen die angefochtenen Bescheide die Rückkehrentscheidung für dauerhaft unzulässig zu erklären war.

Es wird nicht verkannt, dass dem Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, insbesondere der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften grundsätzlich ein hoher Stellenwert zukommt, doch überwiegen nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts in diesem vorliegenden Fall vor allen Dingen die familiären, aber auch die privaten Interessen der BF angesichts der erwähnten Umstände in ihrer Gesamtheit die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung zugunsten eines geordneten Fremdenwesens. Eine Rückkehrentscheidung gegen die BF würde sich daher zum maßgeblichen aktuellen Entscheidungszeitpunkt als unverhältnismäßig im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK erweisen. Dabei waren auch die Auswirkungen auf das Privat- und Familienleben des Ehemannes der BF1 und auf das Kindeswohl des gemeinsamen Kindes - beide österreichische Staatsbürger - maßgeblich zu berücksichtigen.

Das Bundesverwaltungsgericht kommt daher aufgrund der vorgenommenen Interessenabwägung unter Berücksichtigung der genannten besonderen Umstände dieses Beschwerdefalles zu dem Ergebnis, dass eine Rückkehrentscheidung gegen die BF unzulässig ist. Des Weiteren ist davon auszugehen, dass die drohende Verletzung des Privat- Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend, sondern auf Dauer sind und es ist daher gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festzustellen, dass die Rückkehrentscheidung gegen die BF auf Dauer unzulässig ist.

Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist (Z 1) und der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 ASVG) erreicht wird (Z 2). Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist gemäß Abs. 2 eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.

In seinem Erkenntnis vom 04.08.2016, Ra 2016/210203, betonte der Verwaltungsgerichtshof, dass hinsichtlich der Beurteilung der Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG (nunmehr §§ 9 ff Integrationsgesetz) eine formalistische Sichtweise anzuwenden sei und die Vorlage eines der in § 9 der Integrationsvereinbarungs-Verordnung (aF) aufgezählten Zertifikate nicht im Rahmen der freien Beweiswürdigung ersetzt werden könne.

Da die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 Abs. 1 AsylG im Fall der BF1 in Folge des Ausspruches der dauerhaften Unzulässigkeit einer sie betreffenden Rückkehrentscheidung gegeben ist, war ihr eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen. Die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 Z 2 AsylG sind gegeben, da die BF1 ein Zeugnis über die Absolvierung der Integrationsprüfung A2 vorlegte.

Die BF2 wiederum erfüllt die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 Abs. 2 AsylG, weshalb ihr eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen war. Die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 Z 2 AsylG sind nicht gegeben. Die BF2 ist zwar minderjährig und besucht eine Sekundarschule, weist jedoch in der zuletzt ausgestellten Schulnachricht keine positive Beurteilung im Unterrichtsgegenstand "Deutsch" auf. Zwar konnte in der mündlichen Verhandlung festgehalten werden, dass die BF2 ausgezeichnet Deutsch spricht, im Sinne der obzitierten Judikatur kann der Nachweis der gesetzlich vorgesehenen Erfüllungsvoraussetzungen jedoch nicht im Rahmen der freien Beweiswürdigung ersetzt werden.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat den BF die Aufenthaltstitel gemäß § 58 Abs. 7 AsylG auszufolgen, die BF haben hieran gemäß § 58 Abs. 11 AsylG mitzuwirken. Die Aufenthaltstitel gelten gemäß § 54 Abs. 2 AsylG zwölf Monate lang, beginnend mit dem Ausstellungsdatum.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt I. und II. B) wegen Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Es liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Im gegenständlichen Fall konnte sich daher das Bundesverwaltungsgericht auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Asylverfahren Aufenthaltsberechtigung Aufenthaltsberechtigung plus Aufenthaltstitel befristete Aufenthaltsberechtigung Beschwerdeverzicht Beschwerdezurückziehung Einstellung Integration Integrationsvereinbarung Interessenabwägung mündliche Verhandlung öffentliche Interessen Privat- und Familienleben private Interessen Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig subsidiärer Schutz Verfahrenseinstellung Zurückziehung Zurückziehung der Beschwerde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W189.1437565.1.00

Im RIS seit

14.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

14.08.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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