TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/8 W156 2215491-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.05.2020
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Entscheidungsdatum

08.05.2020

Norm

ASVG §4 Abs1 Z1
ASVG §4 Abs2
ASVG §5 Abs1 Z2
ASVG §5 Abs2
ASVG §7 Z3
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W156 2215491-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Alexandra Krebitz als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch Dr. Andreas Öhler, Rechtsanwalt in 1070 Wien, gegen den Bescheid der Wiener Gebietskrankenkasse (nunmehr Österreichische Gesundheitskasse) vom 29.01.2019, Zl. VA-VR XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 27.11.2019 zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird stattgegeben, der angefochtene Bescheid behoben und festgestellt, dass Frau XXXX , VSNR XXXX , aufgrund ihrer Tätigkeit bei XXXX , Inhaber XXXX , in den Zeiträumen von 01.09.2015 bis 11.09.2015, 01.10.2015 bis 30.11.2015, 02.01.2016 bis 31.01.2016, 01.03.2016 bis 20.03.2016, 01.04.2016 bis 24.04.2016, 01.07.2016 bis 31.08.2016, 01.10.2016 bis 31.05.2017, 01.09.2017 bis 31.10.2017, 08.01.2018 bis 31.03.2018, 01.06.2018 bis 29.06.2018 und vom 08.10.2018 bis 26.10.2018 nicht der Vollversicherungspflicht (Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung) gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 in Verbindung mit § 4 Abs. 2 ASVG (Allgemeines Sozialversicherungsgesetz) und der Arbeitslosenversicherungspflicht gemäß § 1 Abs. 1 lit. a AVG (Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977) und in der Zeit vom 01.12.2015 bis 31.12.2015, nicht der Teil(Unfall-) versicherungspflicht gemäß § 5 Abs. 1 Z.2 ASVG in Verbindung mit § 5 Abs.2 ASVG und § 7 Z. 3 lit. a ASVG unterliegt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Wiener Gebietskrankenkasse, nunmehr Österreichische Gesundheitskasse (im Folgenden: belangte Behörde) hat mit Bescheid vom 29.01.2019, Zl. XXXX , festgestellt, dass Frau XXXX (im Folgenden Mitbeteiligte Partei, kurz mbP) aufgrund ihrer Tätigkeit bei XXXX , Inhaber des XXXX , in den Zeiträumen von 01.09.2015 bis 11.09.2015, 01.10.2015 bis 30.11.2015, 02.01.2016 bis 31.01.2016, 01.03.2016 bis 20.03.2016, 01.04.2016 bis 24.04.2016, 01.07.2016 bis 31.08.2016, 01.10.2016 bis 31.05.2017, 01.09.2017 bis 31.10.2017, 08.01.2018 bis 31.03.2018, 01.06.2018 bis 29.06.2018 und vom 08.10.2018 bis 26.10.2018 der Vollversicherungspflicht (Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung) gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 in Verbindung mit § 4 Abs. 2 ASVG (Allgemeines Sozialversicherungsgesetz) und der Arbeitslosenversicherungspflicht gemäß § 1 Abs. 1 lit. a AVG (Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977) und in der Zeit vom 01.12.2015 bis 31.12.2015, der Teil(Unfall-) versicherungspflicht gemäß § 5 Abs. 1 Z.2 ASVG in Verbindung mit § 5 Abs.2 ASVG und § 7 Z. 3 lit. a ASVG unterliegt.

2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 27.02.2019 fristgerecht Beschwerde.

3. Mit Schreiben vom 28.02.2019 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt dem bezughabenden Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor und wurde das Verfahren der Gerichtsabteilung W156 zugewiesen.

4. Am 27.11.2019 fand im Beisein des Beschwerdeführers, der mbP und der belangten Behörde eine mündliche Verhandlung statt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist Inhaber des Tanzstudios " XXXX " in XXXX Wien. Das Tanzstudio bietet verschiedene Tanz- und Gymnastikkurse an. Die Tanz- oder Gymnastiklehrer bewerben sich beim Tanzstudio oder werden von diesem gesucht.

Semesterkurse beinhalten auf die vorangegangene Stunde aufbauende Inhalte, monatlich stattfindende Kurse umfassen einen monatlich wiederkehrenden gleichen Inhalt.

Der Stundenplan ist auf der Homepage des Studios veröffentliche, einen Zuteilung der Lehrer ist daraus nicht ersichtlich.

Die Lehrer sind auf der Homepage aufgeführt, jeweils mit deren Unterrichtsthemen.

Die MbP ist ausgebildete Tanz- und Ballettpädagogin und unterrichtet im verfahrensgegenständlichen Zeitraum Ballett, Modern, Pilates und Floor Barre.

Eine schriftliche Vereinbarung zwischen der mbP und dem BF liegt nicht vor.

Die generellen Kurszeiten sowie Kursinhalte wurden zwischen der mbP auf deren Vorschlag hin und dem BF vereinbart, die Räumlichkeiten wurden täglich vom Tanzstudio den Kursen zugewiesen. Eine fixe Raumzuteilung gab es nicht, die Kunden erfuhren erst vor der Stunde, in welchem Raum diese stattfindet. Eine Verlegung der einzelnen Stunden durch die mbP war aus organisatorischen Gründen daher nicht möglich.

Die Inhalte der Stunden wurden von der mbP eigenständig bestimmt, der BF hatte keinerlei Einfluss auf die Inhalte. Fanden Kurse nicht statt oder wurde ein Kurs wegen Abwesenheit der mbP nicht abgehalten, wurde der Kurs abgesagt und die mbP erhielt kein Honorar. Erreichte ein Kurs nicht die notwendige Teilnehmeranzahl wurde dieser durch die mbP abgesagt. Allfällige Sanktionen waren damit nicht verbunden.

Im Vorhinein absehbare Vertretungen wurden von der mbP durch externe Personen organisiert, kurzfristige Ausfälle führten in der Regel zum Entfall der Stunden. In diesem Fall gab die mbP lediglich ihre Abwesenheit bekannt. Allfällige Sanktionen waren damit nicht verbunden.

Die Vertretungen wurden von der mbP bezahlt. Sofern eine direkte Zahlung des Studios an die Vertretung erfolgt, wurde diese erst nach Bestätigung der mbP an das Studio über die Höhe geleistet. Wie die Verrechnung erfolgte, wurde zwischen der mbP und der jeweiligen Vertretung vereinbart. Die mbP benötigte keine Zustimmung des BF zu externen Vertretungen und konnte dieser eine derartige Vertretung auch nicht ablehnen.

Sollte eine Vertretung durch das Studio gestellt werden, erfolgt die Bezahlung auch über das Studio. Eine interne Vertretung der mbP kam im verfahrensgegenständlichen Zeitraum nicht vor.

Eine Anwesenheitserfassung der mbP durch den BF gab es nicht, ebenso wenig eine verpflichtende Anwesenheit zu den einzelnen Stunden.

Arbeitsanweisungen an die mbP durch den BF gab es nicht.

Die Kunden bezahlen an der Rezeption des Tanzstudios die jeweilige Stunde.

Das Honorar wurde zwischen der mbP und dem BF vereinbart und im Rahmen von monatlich gelegten Honorarnoten oder im Anschluss an die Stunde in bar ausbezahlt. Fahrt- oder Reisekosten wurden nicht ersetzt.

Das Tanzstudio stellte die Räumlichkeiten, den Strom sowie den Verstärker für das IPad der mbP zur Verfügung. Die mbP verwendete für ihre Stunden ihre eigene Musik, die sie aus dem Internet entgeltlich auf ihr Tablet oder Mobiltelefon lud.

Die mbP hatte im verfahrensgegenständlichen Fall in den Jahren 2017 und 2018 Räume für Privatstunden vom BF angemietet. Die Miete in Höhe von 10 ? hiefür wurde von der mbP im Vorhinein an der Rezeption entrichtet.

Die mbP machte für ihre Stunden Werbung auf Facebook, bzw. kamen Kunden über Mundpropaganda oder wegen den auf der Homepage des Studios bekannt gegebenen Kursangebote. Weitere Werbemaßnahmen gab es weder von Seiten der mbP noch des Studios.

Die mbP unterliegt keinem Konkurrenzverbot.

2. Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt, insbesondere en Angaben des BF und der mbP in der mündlichen Verhandlung.

Es wurde insbesondere den Angaben der mbP und des BF in der mündlichen Verhandlung Glauben geschenkt, da diese im Wesentlichen übereinstimmend und widerspruchsfrei abgegeben wurden.

Die Möglichkeit zu sanktionslosen Ablehnung von übernommenen Stunden und die Möglichkeit, sich ohne Zustimmung des BF durch von der mbP gewählte Personen vertreten zu lassen, ergibt sich aus den übereinstimmenden Angaben des BF und der mbP in der mündlichen Verhandlung.

Auch die Angaben betreffend Anwesenheit, Verrechnung der geleisteten Stunden, Betriebsmittel und Honorar waren im Wesentlichen übereinstimmend und glaubhaft.

Dass der BF zwar die Höhe des Honorars vorgegeben hat, wird durch die mbP nicht in Abrede gestellt, jedoch hat sie angegeben, dass sie es nicht versucht habe, über das angebotene Honorar zu verhandeln. Daraus vermag das ernennende Gericht aber nicht zu schließen, dass eine Verhandlung nicht möglich gewesen wäre, sondern ergibt sich daraus lediglich, dass die mbP mit dem Anbot zufrieden war.

Sofern die Angaben in der mündlichen Verhandlung insbesondere zur Organisation der Stunden und Kurse im Widerspruch zu den Angaben vor der belangten Behörde zu stehen scheinen, ist anzumerken, dass die mbP und der BF in der mündlichen Verhandlung auch detailliert hiezu befragt wurden. Relevante Abweisungen zu den Angaben vor der belangten Behörde konnte nicht erblickt werden, zumal die mbP zur Organisation lediglich im Allgemeinen befragt wurde. Sofern die mbP angab, dass es einen Stundenplan gegeben habe, an den sie sich zu halten habe, hat sich in der mündlichen Verhandlung ergeben, dass die Stunden zwar in einen Stundenplan verzeichnet wurden, daraus sich aber keine direkte Zuordnung zu den Lehrern ergeben habe und sie ihre Stunden mit dem BF individuell vereinbart habe. Auch die Antwort der mbP auch die Frage der belangten Behörde, wie lange im Voraus denn die Einteilung der Kurse gemacht werde, lässt nicht auf die individuellen Umstände der Zusammenarbeit der mbP mit dem BF schließen, da die mbP lediglich die allgemeine Vorgangsweise der Planung erläuterte.

Sowohl der Behördenvertreter als auch die Vertretung des BF hatten ausreichend Gelegenheit, in der mündlichen Verhandlung offene Fragen zu klären. Sowohl der BF als auch die mbP waren dabei im Wesentlichen widerspruchsfrei, sodass es keinen Anlass gibt, an deren Angaben zu zweifeln.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Materiellrechtliche Bestimmungen:

Gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 ASVG in der anzuwendenden Fassung sind auf Grund dieses Bundesgesetzes die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung versichert (vollversichert), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß den §§ 5 und 6 ASVG von der Vollversicherung ausgenommen ist, noch nach § 7 ASVG nur eine Teilversicherung begründet.

Gemäß § 4 Abs. 2 ASVG ist Dienstnehmer im Sinne dieses Bundesgesetzes, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen. Als Dienstnehmer gelten jedenfalls Personen, die mit Dienstleistungsscheck nach dem Dienstleistungsscheckgesetz (DLSG), BGBl. I Nr. 45/2005, entlohnt werden. Als Dienstnehmer gilt jedenfalls auch, wer nach § 47 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 EStG 1988 lohnsteuerpflichtig ist, es sei denn, es handelt sich um

1. Bezieher von Einkünften nach § 25 Abs. 1 Z 4 lit. a oder b EStG 1988 oder

2. Bezieher von Einkünften nach § 25 Abs. 1 Z 4 lit. c EStG 1988, die in einem öffentlich-rechtlichen Verhältnis zu einer Gebietskörperschaft stehen.

(Anm.: Abs. 3 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 139/1997)

Gemäß § 4 Abs. 4 ASVG stehen den Dienstnehmern im Sinne dieses Bundesgesetzes Personen gleich, die sich auf Grund freier Dienstverträge auf bestimmte oder unbestimmte Zeit zur Erbringung von Dienstleistungen verpflichten, und zwar für

1. einen Dienstgeber im Rahmen seines Geschäftsbetriebes, seiner Gewerbeberechtigung, seiner berufsrechtlichen Befugnis (Unternehmen, Betrieb usw.) oder seines statutenmäßigen Wirkungsbereiches (Vereinsziel usw.), mit Ausnahme der bäuerlichen Nachbarschaftshilfe,

2. eine Gebietskörperschaft oder eine sonstige juristische Person des öffentlichen Rechts bzw. die von ihnen verwalteten Betriebe, Anstalten, Stiftungen oder Fonds (im Rahmen einer Teilrechtsfähigkeit),

wenn sie aus dieser Tätigkeit ein Entgelt beziehen, die Dienstleistungen im wesentlichen persönlich erbringen und über keine wesentlichen eigenen Betriebsmittel verfügen; es sei denn,

a) dass sie auf Grund dieser Tätigkeit bereits nach § 2 Abs. 1 Z 1 bis 3 GSVG oder § 2 Abs. 1 BSVG oder nach § 2 Abs. 1 und 2 FSVG versichert sind oder

b) dass es sich bei dieser Tätigkeit um eine (Neben-)Tätigkeit nach § 19 Abs. 1 Z 1 lit. f B-KUVG handelt oder

c) dass eine selbständige Tätigkeit, die die Zugehörigkeit zu einer der Kammern der freien Berufe begründet, ausgeübt wird oder

d) dass es sich um eine Tätigkeit als Kunstschaffender, insbesondere als Künstler im Sinne des § 2 Abs. 1 des Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetzes, handelt.

3.2 Zu A) Stattgabe der Beschwerde:

Zur Auslegung des Dienstnehmerbegriffs gemäß § 4 Abs. 2 ASVG besteht umfangreiche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 26. August 2014, 2012/08/0100, mwN). So hängt die Beantwortung der Frage, ob bei der Erfüllung einer übernommenen Arbeitspflicht (also der Beschäftigung) die Merkmale persönlicher Abhängigkeit einer Person vom Arbeitsempfänger gegenüber jenen persönlicher Unabhängigkeit überwiegen, davon ab, ob nach dem Gesamtbild der konkret zu beurteilenden Beschäftigung die Bestimmungsfreiheit des Beschäftigten durch die Beschäftigung weitgehend ausgeschaltet oder - wie bei anderen Formen einer Beschäftigung (zB aufgrund eines Werkvertrages oder eines freien Dienstvertrages) - nur beschränkt ist (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 10. Dezember 1986, VwSlg. 12.325 A).

Unterscheidungskräftige Kriterien dieser Abgrenzung sind nur die Bindung des Beschäftigten an Ordnungsvorschriften über den Arbeitsort, die Arbeitszeit, das arbeitsbezogene Verhalten sowie die sich darauf beziehenden Weisungs- und Kontrollbefugnisse, während das Fehlen anderer (im Regelfall freilich auch vorliegender) Umstände (wie zum Beispiel die längere Dauer des Beschäftigungsverhältnisses oder ein das Arbeitsverfahren betreffendes Weisungsrecht des Empfängers der Arbeit) dann, wenn die unterscheidungskräftigen Kriterien kumulativ vorliegen, persönliche Abhängigkeit nicht ausschließt.

Erlaubt im Einzelfall die konkrete Gestaltung der organisatorischen Gebundenheit des Beschäftigten in Bezug auf Arbeitsort, Arbeitszeit und arbeitsbezogenes Verhalten keine abschließende Beurteilung des Überwiegens der Merkmale persönlicher Abhängigkeit, so können im Rahmen der vorzunehmenden Beurteilung des Gesamtbildes der Beschäftigung auch diese an sich nicht unterscheidungskräftigen Kriterien ebenso wie die Art des Entgelts und der Entgeltleistung (§ 49 ASVG), die an sich in der Regel wegen des gesonderten Tatbestandscharakters des Entgelts für die Dienstnehmereigenschaft nach § 4 Abs. 2 ASVG für das Vorliegen persönlicher Abhängigkeit nicht aussagekräftig sind, von maßgeblicher Bedeutung sein (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Juni 2014, 2012/08/0157, mwN).

Vorab ist festzuhalten, dass keine selbständige Tätigkeit im Rahmen eines zwischen dem BF und der mbP bestehenden Werkvertragsverhältnisses vorliegt, da sich die getroffene Vereinbarung über die regelmäßige Abhaltung von Kursstunden nicht auf die entgeltliche Herstellung eines Werkes als in sich geschlossene Einheit einer individualisierten, konkretisierten und gewährleistungstauglichen Leistung bezieht (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 31. Juli 2014, 2012/08/0253, mwN), sondern die mbP vielmehr ein dauerndes Bemühen geschuldet hat, was ebenfalls gegen einen Werkvertrag spricht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. November 2010, 2007/08/0129).

Bestritten wird das Vorliegen einer Beschäftigung in persönlicher Abhängigkeit.

Essentielles Merkmal der Dienstnehmereigenschaft im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG ist die Erbringung der Tätigkeit in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit.

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist die Frage, ob die Dienstleistungen im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG eher das Gepräge persönlicher Abhängigkeit aufgewiesen oder ob die Merkmale persönlicher Unabhängigkeit überwogen haben (vgl. dazu und zum folgenden das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. März 1984, Slg. 11361/A), danach zu beantworten, in welche Richtung vor allem die dafür entscheidungskräftigen Kriterien deuten, nämlich, ob eine weitgehende Ausschaltung der Bestimmungsfreiheit des Erstmitbeteiligten durch seine Bindung an Ordnungsvorschriften über den Arbeitsort, die Arbeitszeit, das arbeitsbezogene Verhalten und die sich darauf beziehenden Weisungs- und Kontrollbefugnisse, sowie die (damit eng verbundene) persönliche Arbeitspflicht vorliegt, bzw. ob dies nicht der Fall ist. Das Fehlen anderer (im Regelfall freilich auch vorliegender) Umstände (wie z.B. die längere Dauer des Beschäftigungsverhältnisses oder ein das Arbeitsverfahren betreffendes Weisungsrecht des Arbeitsempfängers) schließt dann, wenn die unterscheidungskräftigen Kriterien kumulativ vorliegen, persönliche Abhängigkeit nicht aus. Erlaubt allerdings im Einzelfall die konkrete Gestaltung der organisatorischen Gebundenheit des Beschäftigten in Bezug auf Arbeitsort, Arbeitszeit und arbeitsbezogenes Verhalten keine abschließende Beurteilung des Überwiegens der Merkmale persönlicher Abhängigkeit, so können im Rahmen der vorzunehmenden Beurteilung des Gesamtbildes der Beschäftigung auch diese an sich nicht unterscheidungskräftigen Kriterien von maßgebender Bedeutung sein (VwGH 25.09.1990, 89/08/0334, vgl. dazu auch das grundlegende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Dezember 1957, Slg. Nr. 4495/A, sowie das Erkenntnis vom 19. März 1984, Slg. Nr. 11361/A).

Grundvoraussetzung für die Annahme persönlicher Abhängigkeit im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG und damit eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ist die persönliche Arbeitspflicht. Fehlt sie, dann liegt ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht vor. Persönliche Arbeitspflicht ist (u.a.) dann nicht gegeben, wenn demjenigen, dessen Leistungserbringung zu beurteilen ist, eine generelle Vertretungsbefugnis bei Erbringung dieser Leistung eingeräumt ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. April 1991, Zl. 90/08/0117; vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 19. Juni 1990, Zl. 88/08/0200).

3.2.1. Bindung an den Arbeitsort und die Arbeitszeit:

Die belangte Behörde hat die persönliche Abhängigkeit zum einen mit der Gebundenheit der mbP an bestimmte Kurszeiten und den Kursort begründet. Dabei handelt es sich im vorliegenden Fall aber um kein unterscheidungskräftiges Kriterium, weil sich schon aus der Natur der Tätigkeit - der Abhaltung von Kursen für Ballett, Modern, Pilates und Floor Barre - ergibt, dass diese nur zu den vorher festgelegten Zeiten und an den dafür reservierten Orten stattfinden konnten.

Richtet sich die Arbeitszeit nach den bei der Leistungserbringung vorgegebenen Rahmenbedingungen, kann sie kein unterscheidungskräftiges Merkmal sein (vgl. VwGH 2006/08/03179

Es wurde auch nicht festgestellt, dass die mbP in den Betrieb des BF eingegliedert gewesen wäre oder dass eine Berichtspflicht bestanden hätte. Einbindung eines Dienstnehmers in eine Betriebsorganisation hat in der Regel zur Folge, dass dieser den insoweit vorgegebenen Ablauf der Arbeit nicht jederzeit selbst regeln oder ändern kann. Einbindung in eine betriebliche Struktur manifestiert sich etwa durch einen durch die Erfordernisse der betrieblichen Einrichtung vorgegebenes Ablauf, einer gemeinsamen auf einander abgestimmten Tätigkeit mehrere Mitarbeiter oder in der Anwesenheit von Vorgesetzten in der Betriebsstätte. Der mbP war der Ablauf ihrer Tätigkeit nicht vorgegeben, noch musste sie sich mit anderen Lehrern abstimmen und gab es keine vom BF bestimmte und kontrollierte betriebliche Ablauforganisation, die von der mbP zu befolgen gewesen wäre. Die mbP war somit in den Betrieb des BF nicht derart eingebunden, dass dies mit der Erteilung persönlicher Weisungen und entsprechender Kontrollen verbunden gewesen wäre (siehe dazu unter Punkt. 3.2.2.)

3.2.2. Arbeitsbezogenes Verhalten und die sich darauf beziehenden Weisungs- und Kontrollbefugnisse:

Das gegenständliche Ermittlungsverfahren hat weder ergeben noch wurde dies von der belangten Behörde vorgebracht, dass der BF die "faktische Möglichkeit" gehabt habe, das "Arbeitsverhalten (Pünktlichkeit, Freundlichkeit)" der mbP zu überwachen und bei Bedarf "einzuschreiten" noch dass, derartige Kontrollen jemals durchgeführt worden wären, noch dass die mbP irgendwelchen (fachlichen oder persönlichen) Weisungen unterlegen wäre und ihr im Fall weisungswidrigen Verhaltens Sanktionen gedroht hätten. Aus der bloßen abstrakten Möglichkeit, Kontrollen durchzuführen, lässt sich eine persönliche Abhängigkeit aber im vorliegenden Fall nicht ableiten.

3.2.2. Honorar:

Für die Erbringung der Leistungen der mbP wurde ein dafür von BF stundenbezogenes zu leistendes Honorar vereinbart. Dazu ist festzuhalten, dass es auch im Rahmen eines abhängigen Dienstverhältnisses im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG zu einer leistungsbezogenen Entlohnung kommen kann. Eine derartige Entlohnung bedeutet keineswegs den Ausschluss eines Dienstverhältnisses nach § 4 Abs. 2 ASVG, da die Entgeltlichkeit nicht selbst Merkmal der persönlichen Abhängigkeit ist, sondern als weitere Voraussetzung für das Eintreten der Pflichtversicherung zu dieser hinzutritt (vgl. z.B. VwGH vom 25. April 2007, Zl. 2005/08/0084, m.w.N.).

3.2.4. Vertretungsbefugnis:

In seinem Erkenntnis vom 10.10.2018, Zl. Ra 2015/08/0130, führt der Verwaltungsgerichtshof aus, dass Grundvoraussetzung für die Annahme persönlicher Abhängigkeit im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG und damit eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses stets die persönliche Arbeitspflicht ist. Fehlt sie, dann liegt ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis schon deshalb nicht vor. Die persönliche Arbeitspflicht ist dann nicht gegeben, wenn dem zur Leistung Verpflichteten entweder ein "generelles Vertretungsrecht" zukommt (er also jederzeit nach Gutdünken beliebige Teile seiner Verpflichtung auf Dritte überbinden kann), oder wenn ihm ein "sanktionsloses Ablehnungsrecht" zukommt (er also die Leistung bereits übernommener Dienste jederzeit nach Gutdünken ganz oder teilweise sanktionslos ablehnen kann) (vgl. VwGH 26.8.2014, 2012/08/0100).

Ein "generelles Vertretungsrecht" der Beschäftigten liegt nur dann vor, wenn diese jederzeit nach Gutdünken beliebige Teile ihrer Verpflichtung auf Dritte überbinden können. Sie müssen - unbeschadet einer allfälligen Pflicht, ihren Vertragspartner zu verständigen - berechtigt sein, irgendeinen geeigneten Vertreter zur Erfüllung der von ihr übernommenen Arbeitspflicht heranzuziehen bzw. eine Hilfskraft beizuziehen. Die bloße Befugnis, sich im Fall der Verhinderung in bestimmten Einzelfällen vertreten zu lassen (z.B. im Fall einer Krankheit oder eines Urlaubs; bei bestimmten Arbeiten innerhalb der umfassenderen Arbeitspflicht), oder eine wechselseitige Vertretungsbefugnis mehrerer vom selben Vertragspartner beschäftigter Personen (Vertretungsregelungen und Mitspracherechte im Rahmen einer flexiblen Diensteinteilung bzw. Dienstplanerstellung) stellt keine generelle Vertretungsbefugnis dar (VwGH vom 09.11.2017, Zl. Ra 2017/08/0115).

Im gegenständliche Fall hat das Ermittlungsverfahren ergeben, dass die mbP sanktionslos bereits übernommen Stunden ablehnen konnte, bzw. nicht erfüllen musste und es ihr zustand, sich generell durch externe Personen ohne Zustimmung des BF vertreten zu lassen.

Daher sprechen all diese Merkmale gegen die Beschäftigung der mbP in persönlicher Anhängigkeit und für ihre persönliche Unabhängigkeit.

Die belangte Behörde ist daher zu Unrecht vom Merkmal der persönlichen Abhängigkeit im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG und der persönlichen Arbeitspflicht ausgegangen und liegt mangels persönlicher Arbeitspflicht kein nach dem ASVG sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vor.

3.5. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht hat sich bei der entscheidenden Rechtsfrage der Versicherungspflicht nach dem ASVG an der einschlägigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes orientiert. Das Bundesverwaltungsgericht hatte daher die ordentliche Revision für unzulässig zu erklären.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Arbeitszeit Dienstnehmereigenschaft persönliche Abhängigkeit Pflichtversicherung Versicherungspflicht Vertretungsbefugnis Weisungsfreiheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W156.2215491.1.00

Im RIS seit

14.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

14.08.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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