TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/9 W167 2149633-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.05.2020
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Entscheidungsdatum

09.05.2020

Norm

ASVG §67 Abs10
ASVG §83
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W167 2149633-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Daria MACA-DAASE als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid der Wiener Gebietskrankenkasse (nunmehr: Österreichische Gesundheitskasse) in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom XXXX , wegen Haftung für Rückstände der XXXX (Primärschuldnerin) gemäß § 67 Absatz 10 ASVG in Verbindung mit § 58 Absatz 5 ASVG zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Schreiben vom XXXX wurde der Beschwerdeführer von der belangten Behörde über den offenen Rückstand ( XXXX zuzüglich der gesetzlichen Verzugszinsen) der Primärschuldnerin informiert. Der Beschwerdeführer wurde ersucht, den Rückstand zu begleichen bzw. alle Tatsachen vorzubringen, die seiner Meinung nach gegen seine Haftung gemäß § 67 Absatz 10 ASVG sprechen.

2. Der Beschwerdeführer nahm zu dem Schreiben wie folgt Stellung: Er wies darauf hin, dass es der Primärschuldnerin aufgrund der offenen Kundenforderungen und fehlender Geldmittel nicht mehr möglich gewesen sei, der Abgabenschuld nachzukommen. Als Geschäftsführer habe er nicht schadenserhöhend agiert. Es seien auch keine anderen Schulden beglichen worden, da auch keine liquiden Mittel zu Verfügung standen. Er habe als Geschäftsführer die Beiträge nicht infolge schuldhafter Verletzung der Pflichten nicht abgeführt. Alle relevanten Unterlagen seien der Masseverwalterin übergeben worden.

3. Die belangte Behörde ersuchte den Beschwerdeführer mit Schreiben vom XXXX um Übermittlung einer geeigneten Aufstellung aus der sowohl sämtliche Verbindlichkeiten als auch sämtliche Zahlungen (monatliche Gegenüberstellung!) der Primärschuldnerin (mit Ausnahme der belangten Behörde) für den Fälligkeitszeitraum der Beiträge XXXX hervorgingen. Dem Beschwerdeführer wurde zu seiner Information das Prüfprotokoll zum Beitrag "GPLA XXXX " und "GPLA XXXX " übermittelt und Gelegenheit gegeben nachzuweisen, dass ihn an der gegenständlichen GPLA kein Verschulden treffe und wieso ihm eine ordnungsgemäße Meldung nicht möglich war.

Die Frist für die Beibringung der geforderten Nachweise bzw. Erstattung eines geeigneten Gleichbehandlungsnachweises wurde über Ansuchen des Beschwerdeführers erstreckt.

4. Mit Bescheid vom XXXX wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer als ehemaliger Geschäftsführer der Primärschuldnerin gemäß § 67 Absatz 10 ASVG in Verbindung mit § 83 ASVG die zu entrichten gewesen Beiträge s. Nbg. aus den Vorschreibungen für die Zeiträume XXXX von EUR 6.447.97 zuzüglich Verzugszinsen in der sich nach § 59 Absatz 1 ASVG jeweils ergebenden Höhe, das sind ab dem XXXX 3.38 % p.a. aus EUR 5.617,37, schuldet. Der Beschwerdeführer ist verpflichtet, diesen Betrag binnen 14 Tagen ab Zustellung des Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen an die belangte Behörde zu bezahlen.

5. Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid fristgerecht Beschwerde. Sein Verhalten sei insofern nicht schädlich oder Schaden erhöhend gewesen, zumal die Gesellschaft zu diesem Zeitpunkt nicht mehr über liquide Zahlungsmittel verfügt habe und daher keine Zahlungen erfolgt sein. Es seien auch keine anderen Gläubiger bezahlt oder bevorzugt gewesen. Aufgrund des Konkurses sei es ihm bis dato nicht möglich, die zum Beweis erforderlichen Dokumente vorzulegen. Wie auch schon erklärt verfüge er über keine Unterlagen mehr. Diese seien beim Masseverwalter.

6. Mit Beschwerdevorentscheidung wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass den Geschäftsführer die Pflicht zum Nachweis der Gleichbehandlung treffe und bis dato keine Unterlagen zum Nachweis der Gleichbehandlung der Sozialversicherungsbeiträge mit sämtlichen anderen Verbindlichkeiten vorgelegt wurden bzw. nicht dargelegt wurde, warum eine ordnungsgemäße Meldung nicht möglich war.

7. Der Beschwerdeführer stellte einen Vorlageantrag.

8. Die belangte Behörde legte die Beschwerde samt Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Das Beitragskonto der Primärschuldnerin war ein Selbstabrechnungskonto. Der Beschwerdeführer war im haftungsrelevanten Zeitraum selbständig vertretungsbefugter handelsrechtlicher Geschäftsführer der Primärschuldnerin.

1.2. Das am XXXX eröffnete Insolvenzverfahren über das Vermögen der Primärschuldnerin wurde nach Verteilung gemäß § 139 IO mit Gerichtsbeschluss vom XXXX (eingetragen in die Insolvenzdatei XXXX ) aufgehoben. Der Insolvenzverwalter (Masseverwalter) und sein Stellvertreter wurden ihres Amtes enthoben. Die Primärschuldnerin wurde am XXXX amtswegig gemäß § 40 FBG infolge Vermögenslosigkeit gelöscht.

1.3. Die Primärschuldnerin schuldet der belangten Behörde Beiträge für XXXX . Der Rückstand beträgt zuzüglich der bis XXXX aufgelaufenen Verzugszinsen in der Höhe von EUR 830,60 insgesamt EUR 6.447,97, ab XXXX 3,38 % p.a. aus EUR 5.617,37.

1.4. Der Beschwerdeführer hat trotz Aufforderung und Anleitung durch die belangte Behörde keinen Nachweis der Gläubigergleichbehandlung erbracht und sich auch nicht zum Prüfbericht und den dort festgehaltenen Meldeverstößen geäußert.

2. Beweiswürdigung:

Zu 1.1.: Die Feststellung zur Art des Beitragskontos ergibt sich unbestritten aus dem Bescheid der belangten Behörde (VwAkt ON 13). Die die Stellung des Beschwerdeführers bei der Primärschuldnerin ergibt sich unbestritten aus dem Firmenbuchauszug (VwAkt ON 1 und historischer Firmenbuchauszug).

Zu 1.2.: Unterlagen zum Insolvenzverfahren liegen im Verwaltungsakt ein (ON 2 Eröffnung, ON 3 Aufhebung), die Löschung ergab aus dem historischen Firmenbuchauszug.

Zu 1.3.: Der Rückstand ergibt sich aus dem Bescheid und dem diesen angefügten Rückstandsausweis vom XXXX (VwAkt ON 11) und blieb der Höhe nach unbestritten.

Zu 1.4. Der Beschwerdeführer hat trotz Aufforderung (VwAkt ON 4 und ON 7) und Fristerstreckungen (VwAkt ON 8 und ON 10) keinen Gleichbehandlungsnachweis erbracht und nur mehrfach auf die Masseverwalterin verwiesen (VwAkt ON 6, 8, 9) Auch in der Beschwerde (VwAkt ON 12) bzw. im Vorlageantrag (VwAkt ON 14) hat er keinen diesbezüglichen Nachweis erbracht. Darüber hinaus wurden ihm von der belangten Behörde die Prüfberichte vom XXXX (VwAkt ON 5) übermittelt und ihm wurde Gelegenheit gegeben nachzuweisen, dass ihn an der gegenständlichen GPLA kein Verschulden trifft oder warum ihm eine ordnungsgemäße Meldung nicht möglich war (VwAkt ON 7). Auch diesbezüglich hat der Beschwerdeführer im Verfahren kein substantiiertes Vorbringen erstattet.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde

3.1. Maßgebliche Bestimmungen des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG):

§ 58 ASVG in der Fassung BGBl. Nr. 189/1955 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 102/2010

(1) Die allgemeinen Beiträge sind am letzten Tag des Kalendermonates fällig, in den das Ende des Beitragszeitraumes fällt, sofern die Beiträge nicht gemäß Abs. 4 vom Träger der Krankenversicherung dem Beitragsschuldner vorgeschrieben werden. Die gemäß Abs. 4 vorgeschriebenen Beiträge sind mit Ablauf des zweiten Werktages nach der Aufgabe der Beitragsvorschreibung zur Post bzw. mit dem Zeitpunkt der Zustellung durch Organe des Trägers der Krankenversicherung fällig. Die Satzung kann, sofern sie einen anderen als den im § 44 Abs. 2 erster Satz bezeichneten Beitragszeitraum bestimmt und für den Fall, daß durch Vereinbarung mit dem Dienstgeber ein abweichender Beitragszeitraum festgelegt wird, vorsehen, daß die Beiträge am letzten Tag des Beitragszeitraumes fällig werden. Die Fälligkeit der Sonderbeiträge wird durch die Satzung des Versicherungsträgers geregelt.

(2) Die auf den Versicherten und den Dienstgeber, bei Heimarbeitern auf den Auftraggeber entfallenden Beiträge schuldet der Dienstgeber (Auftraggeber). Er hat diese Beiträge auf seine Gefahr und Kosten zur Gänze einzuzahlen. Die den Heimarbeitern gleichgestellten Personen (§ 4 Abs. 1 Z 7) schulden die Beiträge selbst und haben die Beiträge auf ihre Gefahr und Kosten zur Gänze selbst einzuzahlen. Bezieher/innen einer beitragspflichtigen ausländischen Rente (§ 73a) schulden die von dieser Rente nach § 73a Abs. 4 und 5 zu entrichtenden Beiträge selbst und haben diese auf ihre Gefahr und Kosten zur Gänze selbst einzuzahlen. Gleiches gilt für Dienstnehmer hinsichtlich eines Beschäftigungsverhältnisses gemäß § 5 Abs. 2 für den auf sie entfallenden Beitragsteil.

(3) Abweichend von Abs. 2 schulden

1. der Dienstgeber (die Gebietskörperschaft),

2. der Dienstnehmer

gemäß § 4 Abs. 4 für Beitragsnachzahlungen, die auf Grund unwahrer oder mangelnder Auskunft gemäß § 43 Abs. 2 zu entrichten sind, die jeweils auf sie entfallenden Beitragsteile. Sie haben die jeweiligen Beitragsteile auf eigene Gefahr und Kosten einzuzahlen.

(4) Der Beitragsschuldner hat die Beiträge von der Gesamtsumme der im Beitragszeitraum gebührenden und darüber hinaus bezahlten Entgelte zu ermitteln (Lohnsummenverfahren) und an den zuständigen Träger der Krankenversicherung unaufgefordert einzuzahlen, sofern dieser die Beiträge nicht vorschreibt. Durch die Satzung kann geregelt werden, dass bestimmten Gruppen von Dienstgebern die Beiträge vorzuschreiben sind. Dienstgebern, in deren Betrieb weniger als 15 Dienstnehmer beschäftigt sind, sind auf Verlangen die Beiträge jedenfalls vorzuschreiben. Für die in der Unfall- und Pensionsversicherung Teilversicherten, für die nur in der Pensionsversicherung Teilversicherten und für die nur in der Unfallversichersicherung gemäß § 7 Z 3 lit. a Teilversicherten sind die Beiträge an den Träger der Krankenversicherung bzw. an den Träger der Pensionsversicherung einzuzahlen, bei dem die Meldungen gemäß § 33 Abs. 2 bzw. § 37a zu erstatten sind.

(5) Die VertreterInnen juristischer Personen, die gesetzlichen VertreterInnen natürlicher Personen und die VermögensverwalterInnen (§ 80 BAO) haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Beiträge jeweils bei Fälligkeit aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

(6) bis (8) [...]

§ 64 ASVG BGBl. Nr. 189/1955 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 62/2010

(2) Der Versicherungsträger, der nach § 58 Abs. 6 berufen ist, die Beitragsforderung rechtlich geltend zu machen, hat zur Eintreibung nicht rechtzeitig entrichteter Beiträge einen Rückstandsausweis auszufertigen. Dieser Ausweis hat den Namen und die Anschrift des Beitragsschuldners, den rückständigen Betrag, die Art des Rückstandes samt Nebengebühren, den Beitragszeitraum, auf den die rückständigen Beiträge entfallen, allenfalls vorgeschriebene Verzugszinsen, Beitragszuschläge und sonstige Nebengebühren sowie den Vermerk des Versicherungsträgers zu enthalten, daß der Rückstandsausweis einem die Vollstreckbarkeit hemmenden Rechtszug nicht unterliegt. Der Rückstandsausweis ist Exekutionstitel im Sinne des § 1 der Exekutionsordnung. Im Rückstandsausweis können, wenn dies aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung angezeigt erscheint, die Beiträge zur Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung sowie alle sonstigen von den Krankenversicherungsträgern einzuhebenden Beiträge und Umlagen als einheitliche Summe und die darauf entfallenden Verzugszinsen und Nebengebühren ebenfalls als einheitliche Summe ausgewiesen werden.

§ 67 ASVG in der Fassung BGBl. Nr. 189/1955 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 86/2013

(10) Die zur Vertretung juristischer Personen oder Personenhandelsgesellschaften (offene Gesellschaft, Kommanditgesellschaft) berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haften im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Vermögensverwalter haften, soweit ihre Verwaltung reicht, entsprechend.

§ 68 ASVG BGBl. Nr. 189/1955 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 58/2010

(1) Das Recht auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen verjährt bei Beitragsschuldnern und Beitragsmithaftenden binnen drei Jahren vom Tag der Fälligkeit der Beiträge. Hat der Dienstgeber Angaben über Versicherte bzw. über deren Entgelt nicht innerhalb der in Betracht kommenden Meldefristen gemacht, so beginnt die Verjährungsfrist erst mit dem Tage der Meldung zu laufen. Diese Verjährungsfrist der Feststellung verlängert sich jedoch auf fünf Jahre, wenn der Dienstgeber oder eine sonstige meldepflichtige Person (§ 36) keine oder unrichtige Angaben bzw. Änderungsmeldungen über die bei ihm beschäftigten Personen bzw. über deren jeweiliges Entgelt (auch Sonderzahlungen im Sinne des § 49 Abs. 2) gemacht hat, die er bei gehöriger Sorgfalt als notwendig oder unrichtig hätte erkennen müssen. Die Verjährung des Feststellungsrechtes wird durch jede zum Zwecke der Feststellung getroffene Maßnahme in dem Zeitpunkt unterbrochen, in dem der Zahlungspflichtige hievon in Kenntnis gesetzt wird. Die Verjährung ist gehemmt, solange ein Verfahren in Verwaltungssachen bzw. vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechtes über das Bestehen der Pflichtversicherung oder die Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen anhängig ist.

§ 83 ASVG BGBl. Nr. 189/1955 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 588/1991

Die Bestimmungen über Eintreibung und Sicherung, Haftung, Verjährung und Rückforderung von Beiträgen gelten entsprechend für Verzugszinsen und Verwaltungskostenersätze bei zwangsweiser Eintreibung.

3.2. Judikatur zur Geschäftsführerhaftung:

Die Haftung des Geschäftsführers nach § 67 Abs. 10 ASVG ist ihrem Wesen nach eine dem Schadenersatzrecht nachgebildete Verschuldenshaftung, die den Geschäftsführer deshalb trifft, weil er seine gesetzliche Verpflichtung zur rechtzeitigen Entrichtung von Beiträgen schuldhaft (leichte Fahrlässigkeit genügt) verletzt hat. Eine solche Pflichtverletzung kann darin liegen, dass der Geschäftsführer die fälligen Beiträge (ohne rechtliche Grundlage) insoweit schlechter behandelt als sonstige Gesellschaftsschulden, als er diese bedient, jene aber unberichtigt lässt, bzw. - im Falle des Fehlens ausreichender Mittel - nicht für eine zumindest anteilige Befriedigung auch der Forderungen der Gebietskrankenkasse Sorge trägt. Der Geschäftsführer wäre nur dann exkulpiert, wenn er entweder nachweist, im fraglichen Zeitraum, in dem die Beiträge fällig geworden sind, insgesamt über keine Mittel verfügt und daher keine Zahlungen geleistet zu haben, oder zwar über Mittel verfügt zu haben, aber wegen der gebotenen Gleichbehandlung mit anderen Gläubigern die Beitragsschuldigkeiten - ebenso wie die Forderungen aller anderen Gläubiger - nicht oder nur zum Teil beglichen zu haben, die Beitragsschuldigkeiten also nicht in Benachteiligung der Gebietskrankenkasse in einem geringeren Ausmaß beglichen zu haben als die Forderungen anderer Gläubiger (vgl. das zu § 25a BUAG ergangene Erkenntnis vom 29. Jänner 2014, 2012/08/0227, mwN). (VwGH 12.10.2017, Ra 2017/08/0070).

Die Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG setzt die Uneinbringlichkeit der Beiträge, die Stellung des Haftenden als Vertreter, eine Pflichtverletzung des Vertreters und dessen Verschulden an der Pflichtverletzung, deren Ursächlichkeit für die Uneinbringlichkeit sowie den Rechtswidrigkeitszusammenhang voraus (vgl. VwGH 29.1.2014, 2012/08/0227, zur Parallelbestimmung des § 25a Abs. 7 BUAG). (VwGH 11.04.2018, Ra 2015/08/0038)

Durch das SRÄG 2010 wurde der Anwendungsbereich des § 67 Abs. 10 ASVG dahingehend erweitert (vgl. zur vorangehenden Rechtslage VwGH (verstärkter Senat) 12.12.2000, 98/08/0191, VwSlg. 15528 A/2000), dass durch die Einfügung des § 58 Abs. 5 ASVG den dort angeführten Vertretern (u.a. von juristischen Personen) die Erfüllung der sozialversicherungsrechtlichen Verpflichtungen der von ihnen Vertretenen übertragen wurde. Eine Verletzung der diesbezüglichen Pflichten ist daher nunmehr Anknüpfungspunkt der Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG (vgl. VwGH 15.11.2017, Ro 2017/08/0001). Eine solche die Haftung begründende Pflichtverletzung kann insbesondere darin bestehen, dass der Vertreter die fälligen Beitragsschulden (ohne rechtliche Grundlage) schlechter behandelt als sonstige Verbindlichkeiten, indem er diese bedient, jene aber unberichtigt lässt bzw. im Fall des Fehlens ausreichender Mittel nicht für eine zumindest anteilsmäßige Befriedigung Sorge trägt (vgl. VwGH 7.10.2015, Ra 2015/08/0040). In subjektiver Hinsicht reicht für die Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG leichte Fahrlässigkeit aus (vgl. VwGH 12.10.2017, Ra 2017/08/0070). (VwGH 11.04.2018, Ra 2015/08/0038)

Leichte Fahrlässigkeit ist schon dann anzunehmen, wenn der Geschäftsführer keine Gründe anzugeben vermag, wonach ihm die Erfüllung seiner Verpflichtung, für die Beitragsentrichtung zu sorgen, unmöglich war (vergleiche VwGH 29.06.1999, 99/08/0075).

Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH trifft ungeachtet der grundsätzlichen amtswegigen Ermittlungspflicht den Vertreter die besondere Verpflichtung darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung der Verpflichtungen unmöglich war, widrigenfalls eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden kann. Stellt er dabei nicht bloß ganz allgemeine, sondern einigermaßen konkrete sachbezogene Behauptungen auf, so ist er zur weiteren Präzisierung und Konkretisierung des Vorbringens aufzufordern, wenn auf Grund dessen - nach allfälliger Durchführung eines danach erforderlichen Ermittlungsverfahrens - die Beurteilung des Bestehens einer Haftung möglich ist. Kommt er dieser Aufforderung nicht nach, so bleibt die Behörde zur Annahme berechtigt, dass er seiner Pflicht schuldhaft nicht entsprochen hat (vgl. VwGH 26.5.2004, 2001/08/0043; 26.1.2005, 2002/08/0213; 25.5.2011, 2008/08/0169). Der Vertreter haftet dann für die Beitragsschulden zur Gänze, weil ohne entsprechende Mitwirkung auch der durch sein schuldhaftes Verhalten uneinbringlich gewordene Anteil nicht festgestellt werden kann (vgl. VwGH 21.9.1999, 99/08/0065). (VwGH 11.04.2018, Ra 2015/08/0038)

Es ist jedem Vertreter, der fällige Abgaben der Gesellschaft nicht (oder nicht zur Gänze) entrichten kann, schon im Hinblick auf seine mögliche Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger zumutbar, sich - spätestens dann, wenn im Zeitpunkt der Beendigung der Vertretungstätigkeit fällige Abgabenschulden unberichtigt aushaften - jene Informationen zu sichern, die ihm im Fall der Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger die Erfüllung der Darlegungspflicht im oben beschriebenen Sinn ermöglichen. Diese Darlegungspflicht trifft nämlich auch solche Haftungspflichtige, die im Zeitpunkt der Feststellung der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Gesellschaft nicht mehr deren Vertreter sind. (VwGH 28.10.1998, 97/14/0160)

Zwischen der Haftung des Primärschuldners und der des Vertreters nach § 67 Abs. 10 ASVG muss ein Zusammenhang bestehen. Dieser ergibt sich unmittelbar aus den Voraussetzungen für die Vertreterhaftung; vor allem das Tatbestandsmoment der Uneinbringlichkeit der Beitragsforderung beim Primärschuldner zeigt zweierlei: zum einen, dass die Verjährungsfrist für den haftungspflichtigen Vertreter (zumindest) nicht früher ablaufen kann, als die Haftung entstanden ist, dh. als feststeht, dass die Uneinbringlichkeit der Beitragsforderung eingetreten ist. Von Uneinbringlichkeit der Beitragsforderung in dem in § 67 Abs. 10 ASVG gemeinten Sinne kann aber zum anderen nur dann gesprochen werden, wenn im Zeitpunkt der Feststellbarkeit der Uneinbringlichkeit (frühestens also mit deren objektivem Eintritt) die Beitragsforderung gegenüber dem Primärschuldner nicht verjährt (und damit schon wegen Fristablaufs uneinbringlich geworden) ist. (VwGH 26.05.2004, 2001/08/0209)

3.3. Für den Beschwerdefall bedeutet das:

Im Beschwerdefall sind die Voraussetzungen der Haftung gemäß § 67 Absatz 10 ASVG unter Beachtung der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH) erfüllt:

Die Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG setzt die Uneinbringlichkeit der Beiträge, die Stellung des Haftenden als Vertreter, eine Pflichtverletzung des Vertreters und dessen Verschulden an der Pflichtverletzung, deren Ursächlichkeit für die Uneinbringlichkeit sowie den Rechtswidrigkeitszusammenhang voraus.

Die Vertreterhaftung ist eine reine Ausfallshaftung, d.h. bei Uneinbringlichkeit von Beitragsverbindlichkeiten bei der Primärschuldnerin (Dienstgeberin) zum Zeitpunkt der Erlassung des Haftungsbescheids. Im Insolvenzfall wird diese Voraussetzung spätestens mit Beendigung des Insolvenzverfahrens bzw. mit der Annahme eines Sanierungs- bzw. Zahlungsplans eintreten (Müller in der SV-Komm, 110. Lieferung, § 67, Rz 129).

Die Uneinbringlichkeit liegt im Beschwerdefall vor, da das Insolvenzverfahren nach Verteilung gemäß § 139 IO aufgehoben wurde. Darüber hinaus wurde die Primärschuldnerin wegen Vermögenslosigkeit aus dem Firmenbuch gelöscht.

Der Beschwerdeführer war als handelsrechtlicher, allein vertretungsbefugter Geschäftsführer zur Vertretung der Primärschuldnerin berufen und gehört damit zum Kreis der nach § 67 Absatz 10 ASVG haftender Personen (vergleiche auch VwGH 11.04.2018, Ra 2015/08/0038).

Eine weitere Voraussetzung ist die schuldhafte Verletzung der den Vertreter/innen auferlegten sozialversicherungsrechtlichen Pflichten. Gemäß § 58 Absatz 5 ASVG haben die gesetzlichen Vertreter/innen von juristischen und natürlichen Personen insbesondere dafür zu sorgen, dass die Beiträge jeweils bei Fälligkeit aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden. Die Pflichten umfassen jedenfalls Melde-, Zahlungs- und Abfuhrpflichten, wobei einige Kernpflichten in § 58 Absatz 4 ASVG geregelt sind. (vergleiche dazu Müller in der SV-Komm, 110. Lfg. zu § 67 ASVG, Rz 107 und 109 sowie 111 bis 114)

Für die Haftung ist das Verschulden an der nicht ordnungsgemäßen, d.h. rechtzeitigen, Beitragsentrichtung entscheidungswesentlich. Daher kommt es auf die Gleichbehandlung der Sozialversicherungsbeiträge mit den anderen Verbindlichkeiten in Bezug auf ihre Bezahlung an (Verbot der Gläubigerbegünstigung bzw. Benachteiligungsverbot und Gleichbehandlungspflicht). Als Schuldform genügt leichte Fahrlässigkeit, welche schon dann anzunehmen ist, wenn der Geschäftsführer keine Gründe anzugeben vermag, wonach ihm die Erfüllung seiner Verpflichtung, für die Beitragsentrichtung zu sorgen, unmöglich war.

Der Vertreter hat die Gläubigergleichbehandlung nachzuweisen, auch die Beendigung der Geschäftsführertätigkeit enthebt ihn nicht von dieser Verpflichtung. Vielmehr trifft ihn im Hinblick auf eine mögliche Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger eine erweiterte Aufbewahrungspflicht um der Darlegungspflicht nachzukommen. Diese Informationssicherung hat spätestens dann zu erfolgen, wenn im Zeitpunkt der Beendigung der Vertretungstätigkeit fällige/rückständige Beitragsschulden unberichtigt aushaften. Allenfalls ist der Vertreter im Verfahren zur Präzisierung und Konkretisierung seines Vorbringens und zu entsprechenden Beweisanboten aufzufordern. Kommt er dieser Aufforderung nicht nach, haftet er dann für die Beitragsschulden zur Gänze. (vergleiche dazu Derntl in Sonntag (Hrsg), ASVG9 (2018) § 67 Rz 80j und 80k mit Judikatur- und Literaturverweisen)

Der Beschwerdeführer als damaliger Geschäftsführer der Primärschuldnerin hätte bei Fälligkeit (vergleiche § 59 ASVG) für die Entrichtung der Beiträge Sorge tragen müssen. Sein bloß allgemeiner Hinweis darauf, dass die Gesellschaft damals über keine liquiden Zahlungsmittel verfügt habe und keine Zahlungen erfolgt seien, reicht nicht aus, zumal der Beschwerdeführer seine Behauptung nicht durch Vorlage entsprechender Unterlagen untermauert hat. Darüber hinaus hat er trotz mehrfacher Aufforderung und Gewährung von Fristerstreckungen auch keine konkreten sachbezogenen Behauptungen gemacht und auch keine Nachweise betreffend die Gläubigergleichbehandlung vorgelegt. Es gab auch keine Hinweise, dass die Beweislast des Beschwerdeführers überspannt wurde. Vielmehr wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer in ihrem Schreiben (Vwakt OZ 7) darauf hin, dass eine Aufstellung sowohl sämtlicher Verbindlichkeiten als auch sämtliche Zahlungen in Form einer monatlichen Gegenüberstellung vorzunehmen ist. Der Beschwerdeführer verwies aber nur pauschal darauf, dass die Primärschuldnerin nicht mehr über liquide Zahlungsmittel verfügt habe und daher keine Zahlungen erfolgt seien. Zudem verwies er auf die seinerzeitige Masseverwalterin, wobei es nach der Judikatur des VwGH Sache des Beschwerdeführers gewesen wäre, sich die erforderlichen Informationen rechtzeitig zu sichern, um seiner Darlegungspflicht im Beschwerdeverfahren nachzukommen.

Da der Beschwerdeführer somit seiner besonderen Mitwirkungspflicht trotz mehrfacher Aufforderung nicht nachgekommen ist, kann im Hinblick auf die zitierte Rechtsprechung des VwGH ohne weitere Ermittlungen eine schuldhafte (fahrlässige) Pflichtverletzung angenommen werden.

Die Kausalität dieser Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit und der Rechtswidrigkeitszusammenhang sind mangels eines substantiierten Vorbringens im Verfahren bzw. mangels gegenteiliger Anhaltspunkte ebenfalls zu bejahen.

Was die ziffernmäßige Bestimmtheit der Höhe des Haftungsbetrags anbelangt, so legte die belangte Behörde ihrem Bescheid einen Rückstandsausweis (VwAkt ON 11) zugrunde, der unbestritten blieb und dessen Aufgliederung in Teilbeträge für bestimmte Zeiträume zuzüglich Verzugszinsen ausreichend ist (vergleiche VwGH 11.04.2018, Ra 2015/08/0038).

Die Haftung umfasst im Hinblick auf §§ 58 Absatz 5 und 83 ASVG auch die Pflicht zur Zahlung von Verzugszinsen nach § 59 Absatz 1 ASVG (vergleiche VwGH 11.04.2018, Ra 2015/08/0038). Daher erfolgte auch der Ausspruch über die Haftung für die aufgelaufenen und noch auflaufenden Verzugszinsen zu Recht.

Daher war die Haftung des Beschwerdeführers zu bejahen.

Im Beschwerdefall wurde nach Konkurseröffnung über das Vermögen der Primärschuldnerin eine Prüfung der beschwerdegegenständlichen Zeiten durch die belangte Behörde durchgeführt (VwAkt ON 5) und dadurch unterbrochen. In weiterer Folge wurde der Konkurs nach Verteilung gemäß § 139 IO aufgehoben. Jedenfalls ab diesem Zeitpunkt war die Schuld der Primärschuldnerin als uneinbringlich zu qualifizieren und der Beschwerdeführer konnte zur Haftung herangezogen werden. Die Information der belangten Behörde an den Beschwerdeführer über die Einleitung des Haftungsverfahrens im Monat danach (VwAkt ON 4) sowie die mehrfache Aufforderung zur (qualifizierten) Stellungnahme erfolgten somit innerhalb der Verjährungsfrist und unterbrachen diese. Verjährung ist somit nicht eingetreten.

Daher ist die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die einschlägige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Geschäftsführerhaftung (siehe oben 3.2.) wurde bei der Entscheidung berücksichtigt.

Schlagworte

Geschäftsführer Gleichbehandlung Haftung Mitwirkungspflicht Nachweismangel Pflichtverletzung Uneinbringlichkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W167.2149633.1.00

Im RIS seit

14.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

14.08.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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