TE Vwgh Erkenntnis 2020/7/20 Ra 2020/04/0039

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Veröffentlicht am 20.07.2020
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Index

27/01 Rechtsanwälte
40/01 Verwaltungsverfahren
50/01 Gewerbeordnung

Norm

AVG §10 Abs3
GewO 1994 §136 Abs3
GewO 1994 §136 Abs3 Z1
GewO 1994 §136 Abs3 Z2
GewO 1994 §136 Abs3 Z3
GewO 1994 §29
RAO 1945 §8 Abs1
RAO 1945 §8 Abs2
RAO 1945 §8 Abs3

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger, die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Mayr, die Hofrätin Mag. Hainz-Sator sowie Hofrat Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa, über die Revision des Mag. H F in K, vertreten durch Holzer Kofler Mikosch Kasper Rechtsanwälte OG in 9020 Klagenfurt am Wörthersee, Bahnhofstraße 51/DG, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Kärnten vom 28. Jänner 2020, Zl. KLVwG-23/2/2020, betreffend Nichtzulassung eines Vertreters gemäß § 10 Abs. 3 AVG in einem Verwaltungsstrafverfahren nach der GewO 1994 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Feldkirchen), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Mit Straferkenntnis vom 27. November 2019 legte die Bezirkshauptmannschaft Feldkirchen (belangte Behörde) N.N. zur Last, dass er zu näher genannten Tatzeitpunkten auf einem näher genannten Standort näher beschriebene Verladetätigkeiten von Holz vorgenommen und dadurch ohne Genehmigung eine gemäß § 74 Abs. 1 und 2 GewO 1994 genehmigungspflichtige Betriebsanlage für die Erzeugung und Lagerung von Brennholz errichtet und betrieben habe, und verhängte gegen N.N. wegen des Verstoßes gegen § 366 Abs. 1 Z 2 iVm § 74 Abs. 2 GewO 1994 eine Geldstrafe in der Höhe von € 350,-- (Ersatzfreiheitsstrafe ein Tag und zwölf Stunden).

2        Dagegen erhob N.N., vertreten durch den Revisionswerber, einen Unternehmensberater, fristgerecht mit Schriftsatz vom 24. Dezember 2019 Beschwerde. Bereits in dem als „Vertretungs- und Vollmachtsbekanntgabe, Beschuldigtenverantwortung“ titulierten Schreiben des Revisionswerbers vom 3. Jänner 2019 wurde der belangten Behörde die Beauftragung und Bevollmächtigung des Revisionswerbers durch N.N. mit dessen Vertretung in diesem Verwaltungsstrafverfahren mitgeteilt und um Kenntnisnahme des Auftrags- und Bevollmächtigungsverhältnisses ersucht. Auf der Frontseite dieses Schreibens war ebenso wie auf der vom Revisionswerber verfassten Beschwerde der vom Revisionswerber unterfertigte Stempelaufdruck „Vollmacht gem. § 10 AVG iVm § 136 (3) GewO erteilt“ angebracht.

3        Nach Vorlage der Beschwerde durch die belangte Behörde sprach das Landesverwaltungsgericht Kärnten (Verwaltungsgericht) mit dem angefochtenen Beschluss aus, dass der Revisionswerber gemäß § 38 VwGVG iVm § 24 VStG und § 10 Abs. 3 AVG nicht als Vertreter des Beschwerdeführers N.N. zugelassen werde; die Revision erklärte es für unzulässig.

4        Ausgehend von dem eingangs wiedergegebenen unstrittigen Sachverhalt legte das Verwaltungsgericht begründend dar, aus § 136 Abs. 3 GewO 1994 in der Fassung der Gewerberechtsnovelle 2017 lasse sich eine erweiterte Vertretungsbefugnis im Sinne einer „Tätigkeit nach außen“ ableiten. Allerdings dürfe die in dieser Bestimmung genannte „berufsmäßige Vertretung“ gemäß § 136 Abs. 1 erster Satzteil GewO 1994 durch die Unternehmensberater nur „im Rahmen ihrer Gewerbeberechtigung“ ausgeübt werden, weshalb § 136 Abs. 3 Z 3 GewO 1994 dem Unternehmensberater keine allgemeine, sondern nur eine solche Vertretungsbefugnis einräume, als dies für die Ausübung der ihm eingeräumten Befugnisse „zweckentsprechend“ erscheine.

Nach Lehre und Rechtsprechung dürfe der Unternehmensberater im Rahmen seiner Vertretungstätigkeit als Bevollmächtigter der Auftraggeber alle Handlungen setzen, um Problemlösungen in Gesprächen mit Behörden zu erarbeiten sowie „die beschlossenen Problemlösungen nach außen durchzusetzen und zu realisieren“. Ebenso umfasse die Vertretungsbefugnis im Zuge der Gründungsphase die Vornahme der Gewerbeanmeldung und Vertretung in Betriebsanlagengenehmigungsverfahren (Berufsbild „Unternehmensgründung“) sowie im Zuge der Ökologieberatung die zweckentsprechende Vertretung gegenüber Behörden (Berufsbild „Umweltmanagement“). Hiezu zähle beispielsweise die Vertretung des Auftragsgebers im gewerblichen Betriebsanlagengenehmigungsverfahren etwa zur Durchsetzung eines von ihm entwickelten Abfallwirtschaftskonzepts. Überdies sei von § 136 Abs. 3 Z 3 GewO 1994 die Anmeldung eines Patentes (Berufsbild „Patentverwertung“) oder die Registrierung einer Marke (Berufsbild „Markenpolitik“) bzw. die Tätigkeit von Ausgleichsvermittlern umfasst. In Verfahren ohne Anwaltszwang dürfe der Unternehmensberater auch vor Gerichten vertreten.

Weder aus § 136 GewO 1994 noch aus den Erläuterungen und dem Ausschussbericht zur Gewerbeordnungs-Novelle 2017, der Judikatur sowie der Lehre lasse sich jedoch eine Vertretungsermächtigung für Unternehmensberater in Verwaltungsstrafverfahren vor Verwaltungsgerichten ableiten. § 136 GewO 1994 lasse lediglich eine Vertretungsbefugnis in Administrativverfahren im Zusammenhang mit Betriebsanlagengenehmigungen zu. Eine Vertretung in Strafsachen lasse sich aus dem Berufsbild des Unternehmensberaters nicht ableiten.

Die berufsmäßige Vertretung des Beschwerdeführers durch einen Unternehmensberater wegen einer Verwaltungsübertretung nach der GewO 1994 sei daher nicht mit § 10 Abs. 3 AVG vereinbar. Mangels unmittelbaren Zusammenhangs mit Tätigkeiten, die dem Berufsbild des Unternehmensberaters entsprechen, sei auch in solchen Verfahren das Einschreiten eines Unternehmensberaters als Vertreter des Beschuldigten einem Fall des § 10 Abs. 3 AVG gleichzuhalten. Selbst die Unentgeltlichkeit der Vertretungshandlungen wäre kein geeigneter Nachweis für das Nichtvorliegen eines § 10 Abs. 3 AVG gleichzuhaltenden Sachverhalts.

Die Bevollmächtigung einer nicht zuzulassenden Person sei gemäß § 10 Abs. 3 AVG nicht von vornherein „nichtig“, sondern werde erst durch eine entsprechende - in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen vorzunehmende - Verfügung der Behörde über die Nichtzulassung unwirksam. Diese habe in Form eines verfahrensrechtlichen, gegenüber dem Winkelschreiber zu erlassenden Bescheides, der die Vertretungsbefugnis beende, zu erfolgen.

5        Den Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht mit dem Nichtvorliegen der Voraussetzungen für eine Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG.

6        Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision des Vertreters des Beschwerdeführers mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abänderung des Beschlusses durch Zulassung des Revisionswerbers als Vertreter des Beschwerdeführers im Verwaltungsstrafverfahren; in eventu auf Aufhebung des Beschlusses wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

7        Die belangte Behörde beantragte in der nach Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof eingebrachten Revisionsbeantwortung die Ab- bzw. Zurückweisung der außerordentlichen Revision.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Zulässigkeit

8        Die Revision ist zu der im Zulässigkeitsvorbringen dargelegten Rechtsfrage, ob und unter welchen Voraussetzungen Unternehmensberater im Umfang ihrer Gewerbeberechtigung nach § 94 Z 74 iVm § 136 und § 29 GewO 1994 zur berufsmäßigen Vertretung ihres Auftraggebers auch in Verwaltungsstrafverfahren, insbesondere vor Verwaltungsgerichten, im Zusammenhang mit dem Anlagenrecht berechtigt sind, zulässig.

Rechtslage

9        § 10 Abs. 1 und 3 AVG, BGBl. Nr. 51/1991, idF BGBl. I Nr. 58/2018, lautet:

„Vertreter

§ 10. (1) Die Beteiligten und ihre gesetzlichen Vertreter können sich, sofern nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, durch natürliche Personen, die volljährig und handlungsfähig sind und für die in keinem Bereich ein gerichtlicher Erwachsenenvertreter bestellt oder eine gewählte oder gesetzliche Erwachsenenvertretung oder Vorsorgevollmacht wirksam ist, durch juristische Personen oder durch eingetragene Personengesellschaften vertreten lassen. Bevollmächtigte haben sich durch eine schriftliche, auf Namen oder Firma lautende Vollmacht auszuweisen. Vor der Behörde kann eine Vollmacht auch mündlich erteilt werden; zu ihrer Beurkundung genügt ein Aktenvermerk. Schreitet eine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person ein, so ersetzt die Berufung auf die ihr erteilte Vollmacht deren urkundlichen Nachweis.

...

(3) Als Bevollmächtigte sind solche Personen nicht zuzulassen, die unbefugt die Vertretung anderer zu Erwerbszwecken betreiben.“

§ 29 GewO 1994 und § 94 Z 74 GewO 1994, BGBl. Nr. 194/1994, jeweils idF BGBl. I Nr. 111/2002, § 136 GewO 1994 idF BGBl. I Nr. 94/2017 sowie § 366 Abs. 1 Z 2 GewO 1994 idF BGBl. I Nr. 136/2001, lauten:

6. Umfang der Gewerbeberechtigung

§ 29. Für den Umfang der Gewerbeberechtigung ist der Wortlaut der Gewerbeanmeldung (§ 339) oder des Bescheides gemäß § 340 Abs. 2 im Zusammenhalt mit den einschlägigen Rechtsvorschriften maßgebend. Im Zweifelsfalle sind die den einzelnen Gewerben eigentümlichen Arbeitsvorgänge, die verwendeten Roh- und Hilfsstoffe sowie Werkzeuge und Maschinen, die historische Entwicklung und die in den beteiligten gewerblichen Kreisen bestehenden Anschauungen und Vereinbarungen zur Beurteilung des Umfanges der Gewerbeberechtigung heranzuziehen.

...

II. Hauptstück

Bestimmungen für einzelne Gewerbe

1.   Reglementierte Gewerbe

§ 94. Folgende Gewerbe sind reglementierte Gewerbe:

...

Z 74. Unternehmensberatung einschließlich der Unternehmensorganisation

...

Unternehmensberatung einschließlich der Unternehmensorganisation

§ 136. (1) Unternehmensberater einschließlich der Unternehmensorganisatoren (§ 94 Z 74) sind auch zur Ausübung der auf den Personenkreis der Führungskräfte eingeschränkten Arbeitsvermittlung berechtigt, wenn sie den für diese Tätigkeit erforderlichen Befähigungsnachweis erbringen.

(2) Die Vermittlung von Führungskräften im Sinne des Abs. 1 ist die Vermittlungstätigkeit in Bezug auf offene Stellen, die nach dem Inhalt der Tätigkeit mit leitenden Angestellten, denen maßgebender Einfluss auf die Führung des Betriebes zusteht, welche nicht als Arbeitnehmer gelten und hinsichtlich derer das angebotene Entgelt zumindest die Höhe der Höchstbeitragsgrundlage in der Pensionsversicherung nach § 45 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes erreicht, besetzt werden.

(3) Unternehmensberater einschließlich der Unternehmensorganisatoren sind im Rahmen ihrer Gewerbeberechtigung insbesondere auch berechtigt zur

1.   Beratung in Angelegenheiten der Unternehmensgründung, Unternehmensschließung und der Betriebsübergabe;

2.   Sanierungs- und Insolvenzberatung;

3.   berufsmäßigen Vertretung des Auftraggebers gegenüber Dritten, wie insbesondere Kunden und Lieferanten, sowie vor Behörden und Körperschaften öffentlichen Rechts.

...

V. Hauptstück

Strafbestimmungen

§ 366. (1) Eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 3 600 € zu bestrafen ist, begeht, wer

...

2.   eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage (§ 74) ohne die erforderliche Genehmigung errichtet oder betreibt;“

Nichtzulassung als Bevollmächtigter gemäß § 10 Abs. 3 AVG

10       Nach dem gemäß § 38 VwGVG iVm § 24 VStG in Verfahren vor Verwaltungsgerichten in Verwaltungsstrafsachen anzuwendenden § 10 Abs. 3 AVG sind solche Personen als Bevollmächtigte iSd § 10 Abs. 1 AVG nicht zuzulassen, die unbefugt die Vertretung anderer zu Erwerbszwecken betreiben. Inwieweit eine Person zur berufsmäßigen Parteienvertretung vor österreichischen Behörden befugt ist, ergibt sich aus dem jeweiligen Berufsrecht (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG I2 2014, § 10, Rz 5, mwN). Für das reglementierte Gewerbe der Unternehmensberatung einschließlich der Unternehmensorganisation regelt § 136 Abs. 3 GewO 1994 jenen Bereich, in dem Unternehmensberater im Rahmen ihrer Gewerbeberechtigung Vertretungstätigkeiten für ihre Klienten nach außen als berufsmäßige Parteienvertreter iSd § 10 Abs. 1 AVG durchführen dürfen.

11       Die Bevollmächtigung einer Person, die unbefugt die Vertretung anderer zu Erwerbszwecken betreibt, ist nicht von vornherein „nichtig“, sondern wird erst durch eine entsprechende - in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen gegenüber der bevollmächtigten Person vorzunehmende - Verfügung der Behörde über die Nichtzulassung unwirksam (vgl. Hengstschläger/Leeb, aaO, § 10, Rz 5; VwGH 16.11.2017, Ra 2017/22/0179, Rn 10, jeweils mwN).

Rechtsprechung zu § 136 GewO 1994 vor der Gewerberechtsnovelle 2017

12       Gemäß § 136 Abs. 3 GewO 1994 in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 111/2002 (zuvor § 172 Abs. 3 GewO 1994 idF BGBl. Nr. 61/1997 sowie § 172 Abs. 4 GewO 1994 idF BGBl. Nr. 10/1997) waren Unternehmensberater einschließlich der Unternehmensorganisatoren im Rahmen ihrer Gewerbeberechtigung zur Vertretung des Auftraggebers vor Behörden und Körperschaften öffentlichen Rechts berechtigt.

13       Nach der dazu ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa VwGH 30.5.2006, 2005/06/0292, mwN) und des Obersten Gerichtshofs (vgl. OGH 9.8.2006, 4 Ob 111/06m; 11.1.2005, 4 Ob 248/04f, jeweils mwN) wurden Unternehmensberater im Innenverhältnis zum Auftraggeber tätig; sie haben von ihm typischerweise weder Entscheidungsbefugnis noch die Ermächtigung, die beschlossenen Problemlösungen für ihn zu realisieren, erhalten. Das oblag vielmehr dem Auftraggeber selbst, der sich dazu wiederum beauftragter Hilfspersonen (im Rahmen von deren Befugnissen) bedienen konnte. Außenkontakte des Unternehmensberaters namens seines Auftraggebers blieben demnach nur solange im Rahmen der Gewerbebefugnis, als sie zur Erfüllung der vom Unternehmensberater berufstypisch zu erbringenden Leistungen (Erarbeitung von Konzepten und Problemlösungen) erforderlich waren. Das in § 136 Abs. 3 GewO 1994 (idF BGBl Nr. 111/2002) vorgesehene Vertretungsrecht von Unternehmensberatern wurde nur soweit „im Rahmen ihrer Gewerbeberechtigung“ stehend angesehen, als es für die Durchführung der Beratung erforderlich war. Damit wurde klargestellt, dass der Gesetzgeber Unternehmensberatern keine umfassende berufsmäßige Parteienvertretung (etwa auch zur Vertretung ihrer Klienten vor Behörden in privaten Angelegenheiten) ermöglichen wollte.

14       Die berufsmäßige außergerichtliche und gerichtliche Vertretung der Klienten - wie etwa die Vertretung in Insolvenzverfahren vor Gerichten - war demnach nicht Inhalt der Gewerbebefugnis (vgl. OGH 24.6.2003, 4 Ob 26/03g). Die Befugnis zur Parteienvertretung umfasste jedoch die im Zuge der Beratungstätigkeit und Konzepterstellung erforderlichen Handlungen gegenüber Behörden, wie etwa Auskunftsersuchen oder Akteneinsicht (vgl. OGH 11.1.2005, 4 Ob 248/04f). Die Erstellung eines Gesellschaftervertrages und von Eingaben an das Firmenbuch wurde hingegen nicht mehr zum typischen, nämlich betriebswirtschaftlich geprägten Tätigkeitsgebiet von Unternehmensberatern gezählt und war daher nicht mehr von deren Gewerbeberechtigung erfasst (vgl. OGH 9.8.2006, 4 Ob 111/06m). Schließlich wurde auch die Tätigkeit von Unternehmensberatern als „Ausgleichsvermittler“ nicht vom Umfang deren Gewerbeberechtigung umfasst erachtet (vgl. ausgehend von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs VwGH 30.5.2006, 2005/06/0292).

Vertretungsbefugnis gemäß § 136 Abs. 3 GewO 1994 idF der Gewerberechtsnovelle 2017, BGBl. I Nr. 94

15       Gemäß § 136 Abs. 3 GewO 1994 in der hier maßgeblichen Fassung der Gewerberechtsnovelle 2017, BGBl. I Nr. 94, sind Unternehmensberater einschließlich der Unternehmensorganisatoren im Rahmen ihrer Gewerbeberechtigung insbesondere auch berechtigt zur Beratung in Angelegenheiten der Unternehmensgründung, Unternehmensschließung und der Betriebsübergabe (Z 1); Sanierungs- und Insolvenzberatung (Z 2) sowie zur berufsmäßigen Vertretung des Auftraggebers gegenüber Dritten, wie insbesondere Kunden und Lieferanten, sowie vor Behörden und Körperschaften öffentlichen Rechts (Z 3). Die Bezug habenden Materialien (AB 1752 BlgNR 25. GP, S 7f) halten zu dieser Gesetzesänderung Folgendes fest:

„Die Beratungstätigkeit wird immer in Bezug auf eine unternehmerische Tätigkeit entfaltet und kann auch ausgeübt werden, wenn der Auftraggeber noch nicht oder nicht mehr im Besitz einer Gewerbeberechtigung ist. Unternehmensberatern steht daher auch die Beratung in Angelegenheiten der Unternehmensgründung, Unternehmensschließung und der Betriebsübergabe zu (vgl. das genannte Berufsbild). Dies wird nunmehr auch im Gesetz ausdrücklich erwähnt.

Nach dem einschlägigen Berufsbild kommt den Unternehmensberatern auch die Sanierungsberatung zu. Die Sanierungsberatung umfasst die Erstellung von Sanierungsgutachten, Organisation von Sanierungsplänen, Prüfung von Sanierungsplänen und die begleitende Kontrolle bei der Durchführung von Sanierungsplänen sowie die Beratung in Insolvenz-, Umschuldungs-, Schuldenregulierungs- und Unternehmensreorganisationsverfahren. Die Tätigkeit der Ausgleichsvermittlung war ehemals Gegenstand eines konzessionierten Gewerbes und soll nunmehr durch Unternehmensberater ausgeübt werden dürfen. Die Rechte der derzeit noch bestehenden gewerblichen Ausgleichsvermittler bleiben erhalten (§ 376 Z 34c Abs. 1).

Die Befugnis zur umfassenden berufsmäßigen Parteienvertretung wird durch eine bundesgesetzliche Regelung den Rechtsanwälten vorbehalten (§ 8 Abs. 1 und 2 der Rechtsanwaltsordnung). Die Bestimmung des § 8 Abs. 3 der Rechtsanwaltsordnung lässt allerdings die „in sonstigen gesetzlichen Bestimmungen des österreichischen Rechts eingeräumte Befugnisse, die in den Berechtigungsumfang von reglementierten oder konzessionierten Gewerben fallen“, unberührt. Die für eine zweckentsprechende Gewerbeausübung erforderlichen Vertretungsrechte der Unternehmensberater sollen daher ausdrücklich normiert werden.“

16       § 136 Abs. 3 Z 3 GewO 1994 idgF berechtigt Unternehmensberater nunmehr ausdrücklich zur „berufsmäßigen Vertretung“, weshalb entgegen der bisherigen Rechtsprechung zur alten Rechtslage nicht mehr von einer berufstypischen Beschränkung auf ein „Tätigwerden im Innenverhältnis“ auszugehen ist, sondern sich die Auftraggeber auch der Unternehmensberater als bevollmächtigte Vertreter zur Umsetzung der von ihnen erarbeiteten Konzepte und Problemlösungen bedienen können. Das Vertretungsrecht von Unternehmensberatern besteht jedoch auch nach der nunmehrigen Rechtslage weiterhin nur „im Rahmen der Gewerbeberechtigung“, also soweit es für die Durchführung der Beratung erforderlich ist. § 136 Abs. 3 GewO 1994 räumt den Unternehmensberatern nach wie vor keine allgemeine Vertretungsbefugnis ein (vgl. Potacs, Zur Vertretungsbefugnis von Unternehmensberatern gemäß § 136 Abs. 3 Z 3 GewO, ÖZW 2018, 77). Die Befugnis zur umfassenden berufsmäßigen Parteienvertretung ist vielmehr gemäß § 8 Abs. 1 und 2 RAO den Rechtsanwälten vorbehalten. § 136 Abs. 3 Z 3 GewO 1994 stellt demgegenüber eine gemäß § 8 Abs. 3 RAO „in sonstigen gesetzlichen Bestimmungen des österreichischen Rechts eingeräumte Befugnis[se], die in den Berechtigungsumfang von reglementierten oder konzessionierten Gewerben“ fällt, dar.

Die nunmehrige Rechtslage ist nach dem Ausschussbericht dahin zu verstehen, dass in § 136 Abs. 3 Z 3 GewO 1994 die „für eine zweckentsprechende Gewerbeausübung erforderlichen Vertretungsrechte der Unternehmensberater ... ausdrücklich normiert werden“. Die Vertretungsbefugnis von Unternehmensberatern reicht somit soweit, als dies für die Ausübung der ihnen eingeräumten Befugnisse „zweckentsprechend“ erscheint (vgl. Potacs, aaO, 77). Die Unternehmensberater einschließlich der Unternehmensorganisatoren sind nur betreffend die zweckentsprechende Erfüllung von im Rahmen ihrer Gewerbeberechtigung erteilter Aufträge für ihre Auftraggeber berufsmäßig vertretungsbefugt. Eine berufsmäßige Vertretungsbefugnis außerhalb solcher Aufträge kommt ihnen nicht zu. Wesentlich für das Ausmaß der Vertretungsbefugnis ist daher der Umfang der Gewerbeberechtigung von Unternehmensberatern einschließlich Unternehmensorganisatoren, der nach § 29 GewO 1994 zu bestimmen ist.

Berufsmäßige Vertretungsbefugnis von Unternehmensberatern einschließlich Unternehmensorganisatoren in gewerberechtlichen Betriebsanlagenverfahren und damit in Verbindung stehenden Verwaltungsstrafverfahren

17       Dem angefochtenen Beschluss über die Nichtzulassung des Revisionswerbers als Bevollmächtigter iSd § 10 Abs. 3 AVG liegt ein Verwaltungsstrafverfahren wegen des Betriebs einer gemäß § 74 GewO 1994 genehmigungspflichtigen Betriebsanlage ohne erforderlicher Genehmigung zugrunde. Zu klären ist daher zunächst, ob die Gewerbeberechtigung von Unternehmensberatern auch die Beratung in Bezug auf den Betrieb einer gewerblichen Betriebsanlage von Auftraggebern umfasst.

18       Gemäß § 29 erster Satz GewO 1994 ist für den Umfang der Gewerbeberechtigung zunächst der Wortlaut der Gewerbeanmeldung (§ 339) oder des Bescheides gemäß § 340 Abs. 2 im Zusammenhalt mit den einschlägigen Rechtsvorschriften maßgebend.

19       Eine Gewerbeberechtigung für Unternehmensberater einschließlich Unternehmensorganisatoren umfasst ihrem Wortlaut nach auch die „Unternehmensorganisation“, zu der auch die Errichtung einer gewerblichen Betriebsanlage gehört. § 136 Abs. 3 Z 1 GewO 1994 zählt nunmehr ausdrücklich auch die „Beratung in Angelegenheiten der Unternehmensgründung“ zu den Befugnissen der Unternehmensberater. Die Errichtung einer gewerblichen Betriebsanlage stellt eine solche Angelegenheit der Unternehmensgründung dar.

20       Im Übrigen umfasst das nach dem vom zuständigen Fachverband Unternehmensberatung, Buchhaltung und Informationstechnologie erstellte „Berufsbild Unternehmensberatung“, Ausgabe September 2017, das gemäß § 29 zweiter Satz GewO 1994 als in den beteiligten gewerblichen Kreisen bestehende Anschauungen und Vereinbarungen zur Beurteilung des Umfangs der Gewerbeberechtigung im Zweifelsfalle heranzuziehen ist, im Beratungsfeld „operative Unternehmensführung“ unter anderem die „Unternehmensoptimierung und -sanierung“ sowie das „Projektmanagement“, wozu auch die Errichtung und der Betrieb einer gewerblichen Betriebsanlage zählt.

21       Die gewerbliche Tätigkeit der Unternehmensberatung umfasst daher auch die Unterstützung des Auftragsgebers in Bezug auf die Errichtung und den Betrieb gewerblicher Betriebsanlagen. Unternehmensberater sind somit gemäß § 136 Abs. 3 Z 3 GewO 1994 im Rahmen ihrer Gewerbeberechtigung auch zur berufsmäßigen Vertretung des Auftragsgebers in gewerbebehördlichen Betriebsanlagenverfahren berechtigt.

22       Insofern ein enger Zusammenhang zwischen einem Verwaltungsstrafverfahren und einer im Rahmen der Gewerbeberechtigung ausgeübten Beratungstätigkeit besteht, ist eine Vertretungsbefugnis im Verwaltungsstrafverfahren für eine zweckentsprechende Gewerbeausübung erforderlich und der Unternehmensberater daher berechtigt den Auftraggeber in diesem Verwaltungsstrafverfahren zu vertreten (vgl. Grabler/Stolzlechner/Wendl, Kommentar zur GewO3 (2011) § 136 Rz 7). Dies ist etwa hinsichtlich der zur Last gelegten Verwaltungsübertretung des Betriebs einer genehmigungspflichtigen Betriebsanlage ohne Genehmigung in Bezug auf Beratungstätigkeiten betreffend die Errichtung und den Betrieb dieser Betriebsanlage der Fall.

23       Der in § 136 Abs. 3 Z 3 GewO 1994 verwendete - im Gegensatz zum Begriff „Verwaltungsbehörden“ - weitgefasste Begriff „Behörden“ umfasst die Organe der Vollziehung (Verwaltung und Gerichtsbarkeit), somit auch Gerichte. So werden in der Lehre vielfach die Gerichte zu den Behörden gezählt (vgl. VwGH 23.1.2018, Ra 2017/05/0090, Rn 42, mwN). Überdies berechtigt § 136 Abs. 3 Z 2 GewO 1994 Unternehmensberater zur Sanierungs- und Insolvenzberatung, wozu unter anderem die Beratung in Insolvenz-, Umschuldungs-, Schuldenregulierungs- und Unternehmensreorganisationsverfahren zählt (AB 1752 BlgNR 25. GP, S 7). Eine Einschränkung des Begriffs „Behörden“ auf Verwaltungsbehörden würde demgegenüber bedeuten, dass gerade bei der Ausübung von zulässigen Beratungstätigkeiten in diesen gerichtlichen Verfahren eine für die zweckentsprechende Gewerbeausübung erforderliche Vertretungsbefugnis für Unternehmensberater nicht bestünde.

24       Eine Grenze dieser Vertretungsbefugnis bildet auf Grund teleologisch-systematischer Interpretation von § 136 Abs. 3 Z 3 GewO 1994 sowohl der absolute als auch der relative Anwaltszwang (vgl. Potacs, aaO, 80). Die Berechtigung zur berufsmäßigen Vertretungsbefugnis iSd § 136 Abs. 3 Z 3 GewO 1994 bezieht sich daher auch auf gerichtliche Verfahren, insbesondere verwaltungsgerichtliche Beschwerdeverfahren, in denen kein Anwaltszwang besteht (vgl. Wallner in Ennöckl/Raschauer/Wessely (Hrsg.), GewO (2015) § 136, Rz 6).

25       Demnach ist ein Unternehmensberater hinsichtlich eines im Rahmen seiner Gewerbeberechtigung erteilten Auftrages, der unter anderem auch die Beratung bei der Errichtung bzw. beim Betrieb einer gewerberechtlichen Betriebsanlage des Auftraggebers betrifft, zu dessen berufsmäßigen Vertretung in einem mit der Betriebsanlage zusammenhängenden Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 136 Abs. 3 Z 3 GewO 1994 berechtigt.

Einzelfallbezogene Beurteilung

26       Der Revisionswerber stützt seine Vertretungstätigkeit für den Beschwerdeführer N.N. sowohl im behördlichen wie auch im gerichtlichen Verwaltungsstrafverfahren auf seine berufsmäßige Vertretungsbefugnis als Unternehmensberater gemäß § 136 Abs. 3 Z 3 GewO 1994.

27       Entgegen der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts berechtigt § 136 Abs. 3 Z 3 GewO 1994 im Rahmen der Gewerbeberechtigung zur berufsmäßigen Vertretung des Auftraggebers nicht nur in Administrativverfahren, sondern auch in Verwaltungsstrafverfahren, soweit - wie oben dargelegt - ein enger Zusammenhang mit der im Rahmen der Gewerbeberechtigung für den Auftraggeber ausgeübten Beratungstätigkeit besteht. Insofern das Verwaltungsgericht die Vertretungsbefugnis des Revisionswerbers gemäß § 136 Abs. 3 Z 3 GewO 1994 bereits deshalb im vorliegenden Verwaltungsstrafverfahren verneint hat, hat es den angefochtenen Beschluss mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

28       Inwiefern ein enger Zusammenhang der konkreten Vertretungstätigkeit des Revisionswerbers im Verwaltungsstrafverfahren des N.N. mit der im Rahmen der Gewerbeberechtigung des Revisionswerbers für seinen Auftraggeber, N.N., ausgeübten Beratungstätigkeit besteht, wäre an Hand des Wortlauts der Gewerbeanmeldung des Revisionswerbers und des von N.N. an den Revisionswerber erteilten Auftrags zu prüfen. Entsprechende Feststellungen dazu fehlen jedoch im angefochtenen Beschluss.

Ergebnis

29       Der angefochtene Beschluss war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufzuheben.

30       Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG abgesehen werden.

31       Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 20. Juli 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020040039.L02

Im RIS seit

10.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

13.11.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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