TE Vwgh Erkenntnis 1998/1/20 97/11/0290

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Veröffentlicht am 20.01.1998
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Index

43/01 Wehrrecht allgemein;

Norm

WehrG 1990 §36a Abs1 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des G in D, vertreten durch Dr. Hans Otto Schmidt, Rechtsanwalt in Wien III, Hegergasse 9, gegen den Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 20. August 1997, Zl. 718.464/7-2.7/97, betreffend Feststellung des Wegfalles von Befreiungsgründen, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.360,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde festgestellt, daß der Bescheid des Militärkommandos Niederösterreich vom 30. März 1994, mit dem der Beschwerdeführer von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes aus wirtschaftlichen Gründen befreit worden ist, seine Wirksamkeit verloren habe, weil die für die Befreiung maßgebenden Voraussetzungen weggefallen seien.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde aus, dem Bescheid des Militärkommandos vom 30. März 1994 sei folgender Sachverhalt zugrunde gelegen:

Der Beschwerdeführer betreibe seit 1988 den Handel mit frischem Obst und Gemüse aus Indien und den diesbezüglichen Import. Seine Ehefrau sei mangels Deutschkenntnissen nicht in der Lage, ihn zu vertreten. Sie betreue zudem den Haushalt mit zwei Kleinkindern. Der Beschwerdeführer beschäftige keine Mitarbeiter und sei verschiedene finanzielle Verpflichtungen eingegangen.

Eine Überprüfung habe ergeben, daß der Beschwerdeführer seinen Betrieb in eine offene Erwerbsgesellschaft umgewandelt habe. Er und sein Mitgesellschafter seien selbständig vertretungsbefugt.

Damit seien die seinerzeit für die Befreiung maßgebenden Voraussetzungen weggefallen. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, sein Mitgesellschafter verfüge weder über ausreichende Deutschkenntnisse noch über genügend kaufmännische Fähigkeiten, um seine Aufgaben übernehmen zu können, sei nicht zu berücksichtigen gewesen, weil damit inhaltlich neue Befreiungsgründe geltend gemacht würden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 36a Abs. 1 Z. 2 Wehrgesetz 1990 - WG können taugliche Wehrpflichtige auf ihren Antrag von der Verpflichtung zur Leistung des Präsenzdienstes befreit werden, wenn und solange es besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche oder familiäre Interessen erfordern.

Aus dieser Bestimmung folgt, daß eine dem Wehrpflichtigen gewährte Befreiung nur solange dauert, als die für die Befreiung maßgeblichen besonders rücksichtswürdigen wirtschaftlichen oder familiären Interessen bestehen. Die Befreiung endet somit, wenn die wirtschaftlichen oder familiären Interessen, die Grund für die Befreiung waren, zur Gänze wegfallen oder zumindest aufgrund geänderter Umstände den Grad der besonderen Rücksichtwürdigkeit verlieren.

Im vorliegenden Fall lag der Grund für die dem Beschwerdeführer gewährte Befreiung darin, daß er von seinem Handelsunternehmen unabkömmlich war. Die aus dem Betrieb des Handelsunternehmens abgeleiteten wirtschaftlichen Interessen sind - im Gegensatz zur Auffassung der belangten Behörde - nicht schon dadurch weggefallen, daß der Beschwerdeführer dieses Unternehmen nunmehr in Form einer offenen Erwerbsgesellschaft betreibt, für die nicht nur der Beschwerdeführer, sondern auch der andere Gesellschafter vertretungsbefugt ist. Die handelsrechtliche Vertretungsbefugnis des anderen Gesellschafters ändert nämlich nichts daran, daß der Beschwerdeführer weiterhin am Bestand des Unternehmens, aus dessen Ertrag er nach der Aktenlage den Lebensunterhalt für sich und seine Familie bestreitet, interessiert ist.

Die Frage, ob der andere Gesellschafter während der präsenzdienstbedingten Abwesenheit des Beschwerdeführers das Unternehmen in einer Weise führen kann, daß dessen Weiterbestand nicht gefährdet ist und die wirtschaftlichen Interessen des Beschwerdeführers somit nicht als besonders rücksichtswürdig angesehen werden können, hat die belangte Behörde - ausgehend von ihrer unrichtigen Rechtsansicht, daß die mangelnden Fähigkeiten des Mitgesellschafters neue Befreiungsgründe darstellen - nicht geprüft.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1997110290.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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