TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/15 W209 2229710-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.04.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

15.04.2020

Norm

AuslBG §12a
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W209 2229710-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Reinhard SEITZ als Vorsitzenden und die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes PFLUG und Philipp KUHLMANN als Beisitzer über die Beschwerde der XXXX , XXXX , XXXX , vertreten durch Dr. Vera SCHEIBER, Rechtsanwältin in 1070 Wien, Döblergasse 2/38B, gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien Esteplatz vom 23.12.2019, GZ: 08114/ABB-Nr. 4034013, betreffend Nichtzulassung zu einer Beschäftigung als Fachkraft gemäß § 12a Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) bei der Arbeitgeberin XXXX GmbH XXXX , XXXX , XXXX , nach Beschwerdevorentscheidung vom 05.03.2020, GZ: ABB-Nr. 4047994, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin, eine am 13.07.2000 geborene ukrainische Staatsangehörige, stellte am 18.11.2019 beim Amt der Wiener Landesregierung, Magistratsabteilung 35, einen (Zweckänderungs-)Antrag (von einer Aufenthaltsbewilligung für Studierende) auf Erteilung einer Rot-Weiß-Rot-Karte als Fachkraft gemäß § 12a AuslBG. Laut beiliegender Arbeitgebererklärung soll sie von der XXXX GmbH XXXX , XXXX , (im Folgenden: mitbeteiligte Arbeitgeberin) als Personalverrechnerin mit einem monatlichen Bruttolohn von ? 1.950,00 im Ausmaß von 40 Wochenstunden an einem Arbeitsplatz im eigenen Betrieb beschäftigt werden. Dem Antrag angeschlossen waren weiters die Kopie des Reisepasses und des Aufenthaltstitels, ein Zeugnis vom 24.10.2019 über die bestandene WIFI-Personalverrechnerprüfung, ein Reifeprüfungszeugnis des Bundesrealgymnasiums Wien 5 (Joseph Haydn Realgymnasium) vom 14.06.2019 der Beschwerdeführerin sowie ein Dienstvertrag vom 14.11.2019.

2. Mit Schreiben vom 18.11.2019 übermittelte die Magistratsabteilung 35 den Antrag der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien mit dem Ersuchen um schriftliche Mitteilung, ob die Voraussetzungen für die Erteilung einer Rot-Weiß-Rot-Karte als Fachkraft gemäß § 12a AuslBG vorliegen.

3. Mit Parteiengehör vom 06.12.2019 informierte das AMS die mitbeteiligte Arbeitgeberin, dass die Beschwerdeführerin lediglich 15 Punkte für ihre Sprachkenntnisse und 15 Punkte für ihr Alter, somit nur 30 von 55 erforderlichen Punkten gemäß der Anlage B zum AuslBG, erreiche. Für das vorgelegte Diplom des Joseph Haydn Realgymnasiums über die bestandene Reifeprüfung vom 14.06.2019 und den Qualifikationsnachweis des WIFI Wien über die bestandene Prüfung "Personalverrechnung" vom 24.10.2019 könnten keine Punkte vergeben werden, weil Fachkräfte gemäß § 12a Z. 1 AuslBG immer über eine abgeschlossene Berufsausbildung im jeweiligen Mangelberuf verfügen müssten, die einem österreichischen Lehrabschluss vergleichbar sei. Die Reifeprüfung stelle keine vergleichbare Ausbildung in einem wirtschaftlichen Beruf dar. Eine einschlägige Berufsausbildung sei nicht nachgewiesen worden, wobei anzumerken sei, dass eine ausbildungsadäquate Berufserfahrung auch erst nach Abschluss einer entsprechenden fachlichen Ausbildung vorliegen könne. Der mitbeteiligten Arbeitgeberin wurde die Möglichkeit eingeräumt, zu den Feststellungen binnen einer Woche ab Zustellung des Parteiengehörs schriftlich Einwendungen zu erheben bzw. innerhalb derselben Frist die fehlenden Unterlagen nachzureichen.

4. Mit E-Mail vom 11.12.2019 nahm die mitbeteiligte Arbeitgeberin zum Parteiengehör vom 06.12.2019 Stellung und führte aus, dass der Beruf als Lohn- und Gehaltsverrechner auf der Mangelberufsliste des AMS stehe und die Beschwerdeführerin über eine Ausbildung verfüge, die für den Einstieg in diesem Bereich sehr passend sei. Der Abschluss einer AHS und die erfolgreich absolvierte WIFI-Personalverrechnerprüfung würden in Kombination eine tolle fachliche Grundausbildung ergeben. Im Vergleich zu einer wirtschaftlichen BHS-Ausbildung (z.B. HAK) verfüge die Beschwerdeführerin bereits über detaillierte praxisnahe Kenntnisse im Bereich Personalverrechnung, welche sie sich durch die Absolvierung der WIFI-Personalverrechnerausbildung im Ausmaß von 192 Lehreinheiten aneignen habe können. Es verwundere, dass diese Ausbildungsschiene keine ausbildungsadäquate Berufsausbildung darstellen solle. Immerhin sei man sehr bemüht, Personen in Mangelberufen neue berufliche Chancen zu ermöglichen und daher auf bereits in der Vergangenheit bewährte Ausbildungen zu bauen. Dass die Beschwerdeführerin im höchsten Maße arbeitswillig sei, zeige auch, dass sie ihrer Tätigkeit bei der mitbeteiligten Arbeitgeberin trotz gleichzeitigem Wirtschaftsstudium an der Wirtschaftsuniversität Wien nachgehen möchte. Es wäre sehr schade, wenn gut ausgebildeten und engagierten Bewerberinnen und Bewerbern dieser Berufswunsch verwehrt werden würde.

5. Mit angefochtenem Bescheid vom 23.12.2019 wurde der Antrag auf Zulassung der Beschwerdeführerin zu einer Beschäftigung als Fachkraft gemäß § 12a AuslBG bei der mitbeteiligten Arbeitgeberin nach Anhörung des Regionalbeirates im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, dass der Beschwerdeführerin lediglich 15 Punkte für ihre Sprachkenntnisse und 15 Punkte für ihr Alter, somit nur 30 von 55 gemäß Anlage B zum AuslBG erforderlichen Punkten, angerechnet werden könnten. Die Reifeprüfung stelle keine einschlägige Berufsausbildung dar. Nachweise über eine ausbildungsadäquate Berufserfahrung seien nicht vorgelegt worden. Somit hätten für die Qualifikation und die Berufserfahrung keine Punkte vergeben werden können. Innerhalb der gesetzten Frist sei keine Reaktion der mitbeteiligten Arbeitgeberin erfolgt, weswegen spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei.

6. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin durch ihre Rechtsvertreterin binnen offener Rechtmittelfrist Beschwerde. Begründend wurde ausgeführt, dass aus dem Wortlaut des § 12a Z. 1 AuslBG nicht herauszulesen sei, dass die erforderliche Berufsausbildung mit einem Lehrabschluss vergleichbar sein müsse. Gemäß dem auf der Homepage des AMS abrufbaren Berufslexikon würden verschiedene Erwachsenenbildungseinrichtungen Ausbildungen zum Personalverrechner anbieten, darunter die WIFI-Aufbauausbildung "zum/zur geprüften WIFI-Personalverrechner/-in" in der Dauer von 115 Lehreinheiten, welche die Beschwerdeführerin absolviert habe. Somit würden ihr für die abgeschlossene Berufsausbildung 20 Punkte gebühren. Aus der dem Reifeprüfungszeugnis der Beschwerdeführerin beigefügten Stundentafel sei ersichtlich, dass die Beschwerdeführerin bis zur 8. Klasse auch das Unterrichtsfach Geographie und Wirtschaftskunde besucht habe. Auch die in Mathematik erworbenen Kenntnisse im absolvierten Realgymnasium seien jedenfalls zu berücksichtigen, da die Beschwerdeführerin Mathematikkenntnisse auf Maturaniveau vorweisen könne, die jedenfalls als Personalverrechnerin notwendig seien. Die Beschwerdeführerin sei seit 18.07.2019 an der Wirtschaftsuniversität Wien zum Bachelorstudium "Wirtschafts- und Sozialwissenschaften" gemeldet. Am 28.11.2019 habe sie die Prüfung "Einführung in die Betriebswirtschaftslehre" positiv abgelegt. Die Beschwerdeführerin habe noch weitere Prüfungen abgelegt bzw. fänden aktuell am Ende des Semesters noch Prüfungen statt. Die entsprechenden Vermerke zu den Prüfungen und die Noten fänden sich aktuell aber noch nicht im Erfolgsnachweis der Beschwerdeführerin. Die Beschwerdeführerin erfülle auch das Kriterium der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I. Nr. 120, wofür ihr 25 Punkte anzurechnen seien. Aufgrund des Alters der Beschwerdeführerin sowie der soeben erst abgeschlossenen Matura und des Beginns des Studiums könne aktuell noch keine Berufserfahrung nachgewiesen werden. Aus dem Reifeprüfungszeugnis des Bundesrealgymnasium Wien 5 gehe hervor, dass die Beschwerdeführerin im Zuge ihrer Reifeprüfung English als lebende Fremdsprache auf dem Niveau B2 positiv absolviert habe. Hierfür würden ihr weitere 10 Punkte gebühren. Dementsprechend wären ihr in der Kategorie Qualifikation 30 Punkte, für ihre Deutschkenntnisse 15 Punkte, für ihre Englischkenntnisse 10 Punkte sowie für das Alter 15 Punkte, sohin insgesamt 70 von 55 gemäß Anlage B zum AuslBG erforderlichen Punkten anzurechnen. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde nicht beantragt.

7. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 11.03.2020 wies das AMS die Beschwerde ab und begründete dies - soweit beschwerderelevant - damit, dass die Ausbildung der Beschwerdeführerin an der WIFI-Finanzakademie 180 Lehreinheiten umfasst habe und im Zeitraum von 25.07.2019 bis 03.10.2019 absolviert worden sei. Als einschlägige Ausbildung für die Tätigkeit als Lohn- und Gehaltsverrechnerin sei also lediglich ein Kurs im Ausmaß von 180 Stunden in einem Zeitraum von 10 Wochen absolviert worden. Gemäß § 12a Z. 1 AuslBG sei für die Zulassung als Fachkraft in einem Mangelberuf eine einschlägige abgeschlossene Berufsausbildung nachzuweisen. Die abgeschlossene Ausbildung müsse sowohl ihrem Inhalt als auch der Dauer und Intensität nach einem Lehrabschluss in Österreich oder dem Abschluss einer Berufsbildenden Höheren Schule entsprechen. Ausbildungen, die sich wie im gegenständlichen Fall auf eine 10-wöchige Kursmaßnahme mit 180 Lehreinheiten beschränkten, könnten im Hinblick auf den Zweck der gesetzlichen Regelung, nämlich beruflich qualifizierte Fachkräfte zuzulassen, nicht eine mehrjährige Berufsausbildung ersetzen. Für AHS-Maturanten bestehe die Möglichkeit mit einschlägigen Kollegs, die 4 Semester dauern, die kaufmännischen und wirtschaftlichen Inhalte einer HAK-Matura nachzuholen. Der Kurs Personalverrechnung beim WIFI sei nach Ansicht des AMS nur in Verbindung mit einer einschlägigen kaufmännischen und wirtschaftlichen Vorbildung als abgeschlossene Berufsausbildung im Sinne des § 12a AuslBG zu betrachten. Die Verknüpfung einer nicht einschlägigen Schulausbildung mit einer kurzfristigen Kursmaßnahme, um eine bestimmte Berufsqualifikation zu erwerben, widerspreche dem Zweck der gesetzlichen Bestimmung.

8. Aufgrund des rechtzeitig erstatteten Vorlageantrages legte das AMS die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens am 18.03.2020 einlangend dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin, eine am 13.07.2000 geborene ukrainische Staatsangehörige, stellte am 18.11.2019 beim Amt der Wiener Landesregierung, Magistratsabteilung 35, einen (Zweckänderungs-)Antrag (von einer Aufenthaltsbewilligung für Studierende) auf Erteilung einer Rot-Weiß-Rot-Karte als Fachkraft gemäß § 12a AuslBG.

Laut Arbeitgebererklärung soll sie von der XXXX GmbH XXXX , XXXX , als Personalverrechnerin mit einem monatlichen Bruttolohn von ? 1.950,00 im Ausmaß von 40 Wochenstunden an einem Arbeitsplatz im eigenen Betrieb beschäftigt werden.

Die Beschwerdeführerin hat am 14.06.2019 die österreichische Reifeprüfung und am 24.10.2019 die WIFI-Personalverrechnerprüfung bestanden. Die Ausbildung zur Personalverrechnerin dauerte von 25.07.2019 bis 03.10.2019 und umfasste 180 Lehreinheiten.

2. Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt steht aufgrund der Aktenlage als unstrittig fest.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 20g Abs. 1 AuslBG entscheidet über Beschwerden gegen Bescheide der regionalen Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservice, die in Angelegenheiten des Ausländerbeschäftigungsgesetzes ergangen sind, das Bundesverwaltungsgericht durch einen Senat, dem zwei fachkundige Laienrichter, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und einer aus dem Kreis der Arbeitnehmer, angehören.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

Die im vorliegenden Fall anzuwendenden maßgebenden Bestimmungen des AuslBG lauten:

§ 12a in der Fassung BGBl. I Nr. 94/2018:

"Fachkräfte in Mangelberufen

§ 12a. Ausländer werden in einem in der Fachkräfteverordnung (§ 13) festgelegten Mangelberuf zu einer Beschäftigung als Fachkraft zugelassen, wenn sie

1.eine einschlägige abgeschlossene Berufsausbildung nachweisen können,

2.die erforderliche Mindestpunkteanzahl für die in Anlage B angeführten Kriterien erreichen,

3.für die beabsichtigte Beschäftigung das ihnen nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag zustehende Mindestentgelt zuzüglich einer betriebsüblichen Überzahlung erhalten und sinngemäß die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 mit Ausnahme der Z 1 erfüllt sind. Die Arbeitsmarktprüfung im Einzelfall entfällt."

Anlage B in der Fassung BGBl. I Nr. 94/2018:

"Anlage B

Zulassungskriterien für Fachkräfte in Mangelberufen gemäß § 12a

Kriterien

Punkte

Qualifikation

maximal anrechenbare Punkte: 30

abgeschlossene Berufsausbildung im Mangelberuf

20

allgemeine Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 120

25

Abschluss eines Studiums an einer tertiären Bildungseinrichtung mit dreijähriger Mindestdauer

30

 

 

ausbildungsadäquate Berufserfahrung

maximal anrechenbare Punkte: 20

Berufserfahrung (pro Jahr) Berufserfahrung in Österreich (pro Jahr)

2 4

 

 

Sprachkenntnisse Deutsch

maximal anrechenbare Punkte: 15

Deutschkenntnisse zur elementaren Sprachverwendung auf einfachstem Niveau (A 1) Deutschkenntnisse zur vertieften elementaren Sprachverwendung (A 2) Deutschkenntnisse zur selbständigen Sprachverwendung (B 1)

5 10 15

 

 

Sprachkenntnisse Englisch

maximal anrechenbare Punkte: 10

Englischkenntnisse zur vertieften elementaren Sprachverwendung (A 2) Englischkenntnisse zur selbständigen Sprachverwendung (B 1)

5 10

 

 

Alter

maximal anrechenbare Punkte: 15

bis 30 Jahre bis 40 Jahre

15 10

 

 

Summe der maximal anrechenbaren Punkte

90

erforderliche Mindestpunkteanzahl

55

 

 

§ 20d in der Fassung BGBl. I Nr. 94/2018:

"Zulassungsverfahren für besonders Hochqualifizierte, Fachkräfte, sonstige Schlüsselkräfte, Studienabsolventen und Künstler

§ 20d. (1) Besonders Hochqualifizierte, Fachkräfte sowie sonstige Schlüsselkräfte und Studienabsolventen haben den Antrag auf eine "Rot-Weiß-Rot - Karte", Schlüsselkräfte gemäß § 12c den Antrag auf eine "Blaue Karte EU" und ausländische Künstler den Antrag auf eine "Niederlassungsbewilligung - Künstler" gemeinsam mit einer schriftlichen Erklärung des Arbeitgebers, die im Antrag angegebenen Beschäftigungsbedingungen einzuhalten, bei der nach dem NAG zuständigen Behörde einzubringen. Der Antrag kann auch vom Arbeitgeber für den Ausländer im Inland eingebracht werden. Die nach dem NAG zuständige Behörde hat den Antrag, sofern er nicht gemäß § 41 Abs. 3 Z 1 oder 2 NAG zurück- oder abzuweisen ist, unverzüglich an die nach dem Betriebssitz des Arbeitgebers zuständige regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Prüfung der jeweiligen Zulassungsvoraussetzungen zu übermitteln. Die regionale Geschäftsstelle hat den Regionalbeirat anzuhören und binnen vier Wochen der nach dem NAG zuständigen Behörde - je nach Antrag - schriftlich zu bestätigen, dass die Voraussetzungen für die Zulassung

1.als besonders Hochqualifizierter gemäß § 12

2.als Fachkraft gemäß § 12a,

3.als Schlüsselkraft gemäß § 12b Z 1,

4.als Schlüsselkraft gemäß § 12b Z 2 (Studienabsolvent),

5.als Schlüsselkraft gemäß § 12c (Anwärter auf eine "Blaue Karte EU") oder

6.als Künstler gemäß § 14

erfüllt sind. Die nach dem NAG zuständige Behörde hat die regionale Geschäftsstelle über die Erteilung des jeweiligen Aufenthaltstitels unter Angabe der Geltungsdauer zu verständigen. Bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen hat die regionale Geschäftsstelle die Zulassung zu versagen und den diesbezüglichen Bescheid unverzüglich der nach dem NAG zuständigen Behörde zur Zustellung an den Arbeitgeber und den Ausländer zu übermitteln.

(2) Die Zulassung gemäß Abs. 1 gilt für die Beschäftigung bei dem im Antrag angegebenen Arbeitgeber im gesamten Bundesgebiet. Die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice hat unverzüglich nach Beginn der Beschäftigung die Anmeldung zur Sozialversicherung zu überprüfen. Entspricht diese nicht den für die Zulassung maßgeblichen Voraussetzungen, ist die nach dem NAG zuständige Behörde zu verständigen (§ 28 Abs. 6 NAG). Bei einem Arbeitgeberwechsel vor Erteilung einer "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" (§ 41a NAG) ist Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

(3) bis (5) [...]"

Die Fachkräfteverordnung 2019, BGBl. II Nr. 96/2019, lautet auszugsweise:

"§ 1. (1) Für das Jahr 2019 werden folgende Mangelberufe, in denen Ausländerinnen und Ausländer als Fachkräfte gemäß § 12a AuslBG zugelassen werden können, für eine Beschäftigung im gesamten Bundesgebiet festgelegt:

1. Fräser/innen

2. Techniker/innen mit höherer Ausbildung (Ing.) für Maschinenbau

3. Schwarzdecker/innen

4. Techniker/innen mit höherer Ausbildung (Ing.) für Starkstromtechnik

5. Landmaschinenbauer/innen

6. Dreher/innen

7. Sonstige Techniker/innen für Starkstromtechnik

8. Techniker/innen mit höherer Ausbildung (Ing.) für Datenverarbeitung

9. Dachdecker/innen

10. Schweißer/innen, Schneidbrenner/innen

11. Techniker/innen mit höherer Ausbildung soweit nicht anderweitig eingeordnet

12. Sonstige Techniker/innen für Maschinenbau

13. Sonstige Schlosser/innen

14. Betonbauer/innen

15. Zimmerer/innen

16. Elektroinstallateur(e)innen, -monteur(e)innen

17. Sonstige Spengler/innen

18. Kraftfahrzeugmechaniker/innen

19. Werkzeug-, Schnitt- und Stanzenmacher/innen

20. Rohrinstallateur(e)innen, -monteur(e)innen

21. Lackierer/innen

22. Bautischler/innen

23. Platten-, Fliesenleger/innen

24. Huf- und Wagenschmied(e)innen

25. Sonstige Techniker/innen für Schwachstrom- u. Nachrichtentechnik

26. Pflasterer/innen

27.Holzmaschinenarbeiter/innen

28. Diplomierte/r Gesundheits- und Krankenpfleger/innen, die ihre im Anerkennungsbescheid vorgeschriebene Ergänzungsausbildung bzw. Ausgleichsmaßnahme bis Ende 2018 begonnen haben.

29. Bauspengler/innen

30. Techniker/innen mit höherer Ausbildung (Ing.) für Wirtschaftswesen

31. Karosserie-, Kühlerspengler/innen

32. Augenoptiker/innen

33. Bau- und Möbeltischler/innen

34. Gaststättenköch(e)innen

35. Sonstige Bodenleger/innen

36. Maschinenschlosser/innen

37. Bau-, Blech-, Konstruktionsschlosser/innen

38. Techniker/innen mit höherer Ausbildung für Schwachstr.- u. Nachrichtentechnik

39. Sonstige Techniker/innen soweit nicht anderweitig eingeordnet

40. Sonstige Techniker/innen für Wirtschaftswesen

41. Sonstige Grobmechaniker/innen

42. Kunststoffverarbeiter/innen

43. Techniker/innen mit höherer Ausbildung (Ing.) für Bauwesen

44. Lohn-, Gehaltsverrechner/innen

45. Sonstige Tiefbauer/innen [...]

§ 2. Die Bezeichnung der im § 1 genannten Berufe folgt der Berufssystematik des Arbeitsmarktservice.

§ 3. Diese Verordnung tritt mit 2. Jänner 2019 in Kraft und mit Ablauf des 31. Dezember 2019 außer Kraft. Vor Ablauf des 31. Dezember 2019 eingebrachte Anträge gemäß § 20d Abs. 1 Z 2 AuslBG sind nach dieser Verordnung zu erledigen."

Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:

Die Beschwerdeführerin soll laut Arbeitgebererklärung von der mitbeteiligten Arbeitgeberin als Personalverrechnerin beschäftigt werden.

Gemäß § 2 der gegenständlich anzuwendenden Fachkräfteverordnung 2019 folgt die Bezeichnung der im § 1 Fachkräfteverordnung 2019 genannten Berufe der Berufssystematik des Arbeitsmarktservice. Dieser zufolge gelten folgende Berufe als Mangelberuf "Lohn-, GehaltsverrechnerInnen" iSd § 1 Abs. 1 Z. 45 leg.cit.: Gehaltsverrechner/in, Lohnbuchhalter/in, Lohnverrechner/in, Personalverrechner/in.

Die Beschwerdeführerin wurde somit im Mangelberuf "Lohn-, GehaltsverrechnerInnen" der Fachkräfteverordnung 2019 beantragt.

Gemäß § 12a Z. 1 AuslBG ist es - unabhängig vom Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - erforderlich, dass der Antragsteller eine einschlägige abgeschlossene Berufsausbildung im beantragten Mangelberuf nachweisen kann (vgl. VwGH 25.01.2013, Zl. 2012/09/0068; 13.12.2016, Ra 2016/09/0104).

Eine abgeschlossene Berufsausbildung iSd § 12a AuslBG liegt vor, wenn der Antragsteller über ein Zeugnis verfügt, das seine Qualifikation für die beabsichtigte Beschäftigung zweifelsfrei nachweist. Bei Fachkräften muss es eine Qualifikation für einen in der Verordnung genannten Mangelberuf sein. Sofern das Anforderungsprofil Zusatzqualifikationen enthält, sind auch diese durch entsprechende Zeugnisse nachzuweisen (Deutsch, Nowotny, Seitz, AuslBG2 §§ 12 bis 13 Rz 52).

Die Erläuterungen (1077 Blg. NR 24. GP, RV, S 12) zum Erfordernis einer "einschlägigen abgeschlossenen Berufsausbildung" des § 12a Z. 1 AuslBG führen dazu aus: "Es können somit nur Fachkräfte zugelassen werden, die eine abgeschlossene Berufsausbildung in einem solchen Mangelberuf nachweisen, die einem Lehrabschluss vergleichbar ist. Als abgeschlossene Berufsausbildung gilt auch der erfolgreiche Abschluss einer schulischen Ausbildung, die dem Abschluss einer Berufsbildenden Höheren Schule (BHS) in Österreich entspricht. Dementsprechend hoch ist die Qualifikation auch im Kriterienkatalog der Anlage B bewertet."

Das AMS ist daher mit dem geäußerten Einwand im Recht, dass der Gesetzgeber als Mindestanforderung für eine abgeschlossene Berufsausbildung einen österreichischen Lehrabschluss oder eine vergleichbare Ausbildung vorsieht.

Den Feststellungen folgend hat die Beschwerdeführerin die österreichische Reifeprüfung und eine 10-wöchige Ausbildung zur Personalverrechnerin im Ausmaß von 180 Lehreinheiten absolviert.

Laut Berufsinformationssystem des AMS sind für den Beruf PersonalverrechnerIn eine entsprechende Lehrausbildung, die Absolvierung einer BMS, die Absolvierung einer BHS oder eine schulische Berufsausbildung für Erwachsene (Kolleg an Handelsakademien, Kolleg wirtschaftliche Berufe) erforderlich.

Die von der Beschwerdeführerin im Ausmaß von 180 Lehreinheiten absolvierte 10-wöchige Ausbildung zur Personalverrechnerin entspricht weder der Dauer noch ihrem Inhalt nach annähernd einer österreichischen Lehrausbildung bzw. dem Abschluss einer Berufsbildenden Höheren oder Mittleren Schule. Auch hat die Beschwerdeführerin keines der oben genannten viersemestrigen Kollegs absolviert, welche die Möglichkeit bieten, im Anschluss an die AHS-Matura kaufmännischen und wirtschaftlichen Inhalte, wie sie in Berufsbildenden Höheren oder Mittleren Schulen vermittelt werden, nachzuholen. Eine kurzfristige Weiterbildungsmaßnahme, um eine bestimmte Berufsqualifikation zu erwerben, wie die vorliegende 10-wöchige Ausbildung zur Personalverrechnerin, stellt keine abgeschlossene Berufsausbildung iSd § 12a Z. 1 AuslBG dar, weil dies dem Zweck der §§ 12 ff. AuslBG zuwiderlaufen würde, nur qualifizierte Arbeitskräfte neu aus dem Ausland anzuwerben, die bei einer längerfristigen Beobachtung der Arbeitsmarkt- und Wirtschaftsentwicklung sowie unter Berücksichtigung der schulischen und betrieblichen Ausbildungsmaßnahmen nicht aus dem vorhandenen Arbeitskräftepotenzial rekrutiert werden können (vgl. Erl. RV 1177 BlgNR 24. GP).

Dementsprechend ist die Ausbildung der Beschwerdeführerin nicht als einschlägige abgeschlossene Berufsausbildung iSd § 12a Z. 1 AuslBG im Mangelberuf "Lohn-, GehaltsverrechnerInnen" zu werten. Da - wie bereits oben dargelegt - eine Zulassung zu einer Beschäftigung in einem Mangelberuf bei Nichtvorliegen einer einschlägigen Berufsausbildung von vornherein auszuschließen ist, war auf das Vorliegen der übrigen Zulassungsvoraussetzungen nicht mehr einzugehen und die Beschwerde mangels Erfüllung der Voraussetzung des § 12a Z. 1 AuslBG gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG als unbegründet abzuweisen.

Entfall der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Die Beschwerdeführerin hat keinen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt. Dies ist bei rechtsfreundlich vertretenen Parteien als Verzicht zu werten (VwGH 18.09.2015, Ra 2015/12/0012).

Der erkennende Senat erachtete die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht für erforderlich, weil der festgestellte Sachverhalt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheides aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde hinreichend geklärt erschien und durch die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten war.

Da keine Fragen der Beweiswürdigung auftraten, welche die Durchführung einer mündlichen Verhandlung notwendig gemacht hätten, stehen dem Entfall der Verhandlung auch weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegen (vgl. u.a. VwGH 07.08.2017, Ra 2016/08/0140).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Berufsausbildung Fachkräfteverordnung Rot-Weiß-Rot-Karte

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W209.2229710.1.00

Im RIS seit

11.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

11.08.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten