TE Vwgh Erkenntnis 2020/7/6 Ra 2020/01/0117

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Veröffentlicht am 06.07.2020
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §8 Abs4
AsylG 2005 §9 Abs2 Z2

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek sowie die Hofräte Dr. Kleiser und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, über die Revision des I E in L, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. Oktober 2019, Zl. I422 1265587-5/2E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (Verwaltungsgericht) vom 6. März 2015 wurde der Asylantrag des Revisionswerbers, eines Staatsangehörigen Kameruns, vom 2. Juni 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Asylgesetz 1997 abgewiesen, ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und eine bis zum 6. März 2016 befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.

2        Über Anträge des Revisionswerbers verlängerte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) die befristete Aufenthaltsberechtigung mit Bescheiden vom 2. März 2016 und 6. März 2018 jeweils um zwei Jahre.

3        Mit Bescheid des BFA vom 30. August 2019 wurde dem Revisionswerber auf Grund insgesamt sechs strafgerichtlicher Verurteilungen im Zeitraum zwischen dem Jahr 2007 und 19. Februar 2018 jeweils wegen Vergehen unter anderem gegen fremdes Vermögen und nach dem Suchtmittelgesetz der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 2 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.), die befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 9 Abs. 4 AsylG 2005 entzogen (Spruchpunkt II.), kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt (Spruchpunkt III.) und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Revisionswerbers nach Kamerun gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 in Verbindung mit § 52 Abs. 9 FPG für unzulässig erklärt (Spruchpunkt IV.).

4        Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

5        Begründend ging das Verwaltungsgericht - soweit für das Revisionsverfahren relevant - davon aus, das BFA habe die Aberkennungsentscheidung auf § 9 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 (Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich) gestützt. Unter Berücksichtigung der strafgerichtlichen Verurteilungen, der Schwere der Verstöße gegen österreichische Rechtsnormen und des sich daraus ergebenden Persönlichkeitsbildes des Revisionswerbers sei eine solche Gefährdung näher dargestellter öffentlicher Interessen anzunehmen, dass die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten als erforderlich zu erachten sei.

6        Dagegen erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 25. Februar 2020, E 4169/2019-5, ablehnte und die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

7        Gegen das angeführte Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Das BFA erstattete in dem vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Vorverfahren keine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:

8        Die Revision ist in Bezug auf das im Zulässigkeitsvorbringen aufgezeigte Abweichen des angefochtenen Erkenntnisses von der näher dargelegten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtskraftwirkung von Entscheidungen über die Zuerkennung des subsidiären Schutzes bzw. die Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach § 8 Abs. 4 AsylG 2005 zulässig und berechtigt.

9        Nach § 9 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 hat eine Aberkennung des subsidiären Schutzes bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Abs. 1 leg. cit. zu erfolgen, wenn der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt.

10       Das Verwaltungsgericht wie auch das BFA stützten ihre Aberkennungsentscheidungen auf zeitlich vor dem letzten Bescheid über die Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung ergangene strafgerichtliche Verurteilungen und die diesen zugrunde liegenden Straftaten und Tatumstände.

11       Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 30. August 2017, Ra 2017/18/0155, Rn. 25, in Bezug auf Aberkennung von subsidiärem Schutz gemäß § 9 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 bereits erkannt, dass es unter Berücksichtigung der Rechtskraftwirkungen der Zuerkennungsentscheidung bzw. der erfolgten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach § 8 Abs. 4 AsylG 2005 (die nur im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen für die Zuerkennung erteilt werden darf) nicht zulässig ist, die Aberkennung nach § 9 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 auszusprechen, obwohl sich der Sachverhalt seit der Zuerkennung des subsidiären Schutzes bzw. der erfolgten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach § 8 Abs. 4 AsylG 2005 nicht geändert hat. Soweit aber neue Sachverhaltselemente hinzutreten, die für die Gefährdungsprognose nach § 9 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 von Bedeutung sein können, hat die Behörde eine neue Beurteilung des Gesamtverhaltens des Fremden vorzunehmen und nachvollziehbar darzulegen, warum sie davon ausgeht, dass der subsidiär Schutzberechtigte nun eine Gefahr für die Allgemeinheit (oder für die Sicherheit des Staates) darstellt. Dabei ist es ihr nicht verwehrt, auch vor der Zuerkennung des subsidiären Schutzes bzw. vor Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung begangene Straftaten in ihre Gesamtbeurteilung einfließen zu lassen (vgl. dazu auch VwGH 27.5.2019, Ra 2019/14/0153, Rn. 97, sowie VwGH 29.1.2020, Ra 2019/18/0367, Rn. 18).

12       Demgegenüber begründeten vorliegend sowohl das Verwaltungsgericht als auch das BFA ihre Aberkennungsentscheidung ausschließlich mit vor der letzten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gelegenen strafgerichtlichen Verurteilungen nicht jedoch auch mit neuen danach hinzugetretenen Sachverhaltselementen.

13       Das Verwaltungsgericht hat daher bereits deshalb Spruchpunkt I. des angefochtenen Erkenntnisses mit Rechtswidrigkeit des Inhalts belastet.

14       Das angefochtene Erkenntnis war daher in Bezug auf die Abweisung der Beschwerde gegen die Aberkennung von subsidiärem Schutz und die darauf aufbauenden Spruchpunkte wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

15       Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 6. Juli 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020010117.L00

Im RIS seit

01.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

01.09.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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