TE Vwgh Beschluss 2020/7/8 Ra 2019/14/0272

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Veröffentlicht am 08.07.2020
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Index

41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §9 Abs2
BFA-VG 2014 §9
FrPolG 2005 §52 Abs2

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, in der Revisionssache des X Y in Z, vertreten durch Dr. Michael Pramberger, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schottengasse 4, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. Mai 2019, I416 2216330-1/2E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Libyens, stellte am 8. Juli 2014 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).

2        Mit Bescheid vom 20. Februar 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab, erkannte ihm jedoch den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung mit Gültigkeit bis zum 19. Februar 2018.

3        Mit Bescheid vom 10. April 2018 verlängerte das BFA die Aufenthaltsberechtigung des Revisionswerbers gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 bis zum 19. Februar 2020.

4        Der Revisionswerber wurde in Österreich mehrfach straffällig. Mit Urteil des Bezirksgerichts Baden vom 3. Mai 2016 wurde der Revisionswerber rechtskräftig wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB sowie des Vergehens des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 10 Wochen verurteilt, welche unter Setzung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurde.

5        Mit Urteil des Bezirksgerichts Josefstadt vom 12. Dezember 2017 wurde der Revisionswerber rechtskräftig wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt, welche ebenfalls unter Setzung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurde.

6        Nach Verständigung des BFA, dass über den Revisionswerber am 15. Oktober 2018 die Untersuchungshaft wegen des Verdachts von neuerlichen Straftaten (§ 28a Abs. 1 SMG) verhängt worden sei, leitete die Behörde mit Aktenvermerk vom 18. Oktober 2018 das Aberkennungsverfahren ein.

7        Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 20. November 2018 wurde der Revisionswerber rechtskräftig wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall SMG, des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 vierter Fall SMG sowie des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall und Abs. 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt, wovon zehn Monate unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurden. Die Probezeiten in Bezug auf die beiden ersten Verurteilungen wurden jeweils auf fünf Jahre verlängert. Als mildernd wurden das umfassende Geständnis, das Alter unter 21 Jahren sowie der psychisch beeinträchtigte Zustand des Revisionswerbers angesehen. Als erschwerend wurden die zwei auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Vorstrafen, die Tatbegehung bei zwei offenen Probezeiten, der rasche Rückfall sowie das Zusammentreffen von zwei Verbrechen mit einem Vergehen gewertet.

8        Mit Bescheid vom 19. Februar 2019 erkannte das BFA dem Revisionswerber den Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 ab, entzog ihm gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 die befristete Aufenthaltsberechtigung, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Libyen unzulässig sei, legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest und erließ gegen den Revisionswerber ein auf zehn Jahre befristetes Einreiseverbot.

9        Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Beschwerde - ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung-mit einer hier nicht relevanten Maßgabe als unbegründet ab. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

10       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

12       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

13       Die Revision macht zu ihrer Zulässigkeit geltend, es liege eine Verletzung der Verhandlungspflicht vor. Der Revisionswerber habe in der Beschwerde ergänzend dargelegt, dass „er sich geändert habe, er keine Drogen mehr nehme, nunmehr einsichtig sei und den richtigen Weg gehe“.

14       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung besondere Bedeutung sowohl in Bezug auf die (allenfalls erforderliche) Gefährdungsprognose als auch in Bezug auf die für die Abwägung nach Art. 8 EMRK (sonst) relevanten Umstände zu. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Judikatur betont, dass nur (ausnahmsweise) von der Durchführung einer Verhandlung unter anderem dann abgesehen werden kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt scheint (vgl. VwGH 12.8.2019, Ra 2019/14/0339, mwN). Demzufolge kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur in eindeutigen Fällen, in denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das Verwaltungsgericht von ihm einen (positiven) persönlichen Eindruck verschafft, eine Verhandlung unterbleiben (vgl. VwGH 13.5.2020, Ra 2019/14/0612, mwN).

15       Der Verwaltungsgerichtshof hat in Bezug auf Suchtgiftdelinquenz bereits wiederholt festgehalten, dass diese ein besonders verpöntes Fehlverhalten darstellt, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist und an dessen Verhinderung ein besonders großes öffentliches Interesse besteht (vgl. VwGH 28.11.2019, Ra 2019/19/0359, mwN). Ferner entspricht es der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass es grundsätzlich im Fall von strafbaren Handlungen infolge Gewöhnung an Suchtmittel neben dem Abschluss einer Therapie noch eines maßgeblichen Zeitraums des Wohlverhaltens bedarf, um einen Wegfall der Gefährdung annehmen zu können (vgl. VwGH 29.5.2018, Ra 2018/20/0259, mwN).

16       Die Revision vermag mit ihrem Vorbringen in der Zulässigkeitsbegründung nicht darzulegen, dass kein eindeutiger Fall sowohl in Bezug auf die Gefährdungsprognose als auch in Bezug auf die Interessenabwägung nach § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) vorgelegen sei und damit das BVwG von den Leitlinien des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wäre, warum gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG von der Durchführung einer Verhandlung Abstand genommen werden darf (vgl. dazu grundlegend VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018).

17       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und Abs. 3 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 8. Juli 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019140272.L00

Im RIS seit

10.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

19.08.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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