TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/9 W221 2229314-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.03.2020
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Entscheidungsdatum

09.03.2020

Norm

BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art133 Abs4
FPG §114 Abs1
FPG §120
FPG §92 Abs1 Z2
FPG §92 Abs1 Z4
FPG §93 Abs1 Z1
FPG §93 Abs2
FPG §94
FPG §94 Abs5
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W221 2229312-1/3E

W221 2229314-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Daniela URBAN, LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerden 1.) des XXXX , geb. XXXX und 2.) der XXXX , geb. XXXX gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 31.01.2020, Zlen. 1.) 1068524110-191277207 und 2.) 1122569610-191277215, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Mit im Spruch genannten Bescheiden wurden den Beschwerdeführern gemäß § 94 Abs. 5 iVm § 93 Abs. 1 Z 1 iVm § 92 Abs. 1 Z 2 und 4 FPG ihre Konventionsreisepässe entzogen und die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde ausgeschlossen. Begründend wird darin ausgeführt, dass die Beschwerdeführer unter Verwendung der Konventionsreisepässe ihrer eigenen Kinder fremde Kinder von Athen nach Österreich geschleppt hätten.

Die Beschwerdeführer erhoben gegen diese Bescheide fristgerecht Beschwerde und führten darin aus, dass sie ohne Bereicherungsvorsatz gehandelt hätten, sodass der Tatbestand der Schlepperei nicht erfüllt sei und daher auch das Strafverfahren eingestellt worden sei. Sie hätten nur einer Freundin helfen wollen, deren Kinder nach Österreich zu bringen.

Die Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt und sind am 06.03.2020 eingelangt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässigen Beschwerden erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige von Syrien und Ehegatten.

Ihnen wurde mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.04.2016 bzw. 21.11.2016 gemäß § 3 AsylG 2005 der Status von Asylberechtigten zuerkannt und festgestellt, dass ihnen kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Am 30.07.2016 bzw. 21.03.2017 wurden den Beschwerdeführern Konventionsreisepässe ausgestellt.

Am 24.11.2019 versuchten die Beschwerdeführer von Athen nach Wien mit dem Flug OS 804 (Austrian Airlines) zu fliegen. Die Beschwerdeführer wurden vom Boarding "abgeladen", weil festgestellt wurde, dass sie zwei minderjährige Kinder mitführten, welche nicht mit den mitgeführten Dokumenten - den Konventionsreisepässen ihrer eigenen Kinder - übereinstimmten. Die Beschwerdeführer wurden in Athen inhaftiert und am 18.12.2019 nach ihrer Haftentlassung nach Österreich mit dem Flieger OS A3 860 ausgewiesen. Die beiden fremden Kinder wurden wieder an ihre in Athen lebenden Eltern übergeben.

Die Beschwerdeführer wollten mit ihrer Handlung einer Freundin in Griechenland helfen, deren Kinder nach Österreich zu bringen. Sie haben dafür kein Geld erhalten.

Am 27.12.2019 wurde das Ermittlungsverfahren gegen die Beschwerdeführer wegen § 114 Abs. 1 FPG von der Staatsanwaltschaft XXXX , Zl. XXXX , eingestellt.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem Akt in Verbindung mit dem Vorbringen der Beschwerdeführer und sind unstrittig.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.

Da sich der Sachverhalt aus den Akten ergibt und unstrittig ist, kann von einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

Zu A)

1.1. Die für den hier vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des FPG lauten wie folgt:

"Versagung eines Fremdenpasses

§ 92 (1) Die Ausstellung, die Erweiterung des Geltungsbereiches und die Änderung eines Fremdenpasses ist zu versagen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass

1. der Fremde das Dokument benützen will, um sich einer wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung im Inland eingeleiteten Strafverfolgung oder Strafvollstreckung zu entziehen;

2. der Fremde das Dokument benützen will, um Zollvorschriften zu übertreten;

3. der Fremde das Dokument benützen will, um gegen Bestimmungen des Suchtmittelgesetzes zu verstoßen;

4. der Fremde das Dokument benützen will, um Schlepperei zu begehen oder an ihr mitzuwirken;

5. durch den Aufenthalt des Fremden im Ausland die innere oder äußere Sicherheit der Republik Österreich gefährdet würde.

(1a) Die Versagungsgründe des § 14 Abs. 1 Z 3 lit d, e und Z 5 Passgesetz 1992 gelten sinngemäß mit der Maßgabe, dass anstelle des Reisepasses der Fremdenpass tritt.

(2) Die Ausstellung eines Fremdenpasses ist zu versagen, wenn der Fremde unentschuldigt einer Ladung zur erkennungsdienstlichen Behandlung, in der diese Folge angekündigt ist, nicht Folge leistet oder an der erkennungsdienstlichen Behandlung nicht mitwirkt.

(3) Liegen den Tatsachen die in Abs. 1 Z 1 bis 4 und Abs. 1a angeführt werden, gerichtlich strafbare Handlungen zugrunde, ist bis zum Ablauf von drei Jahren nach der Tat jedenfalls von einem Versagungsgrund auszugehen, wobei Haftzeiten und Zeiten einer Unterbringung nach §§ 21 bis 23 StGB außer Betracht zu bleiben haben. Im Übrigen gilt § 14 Passgesetz 1992.

Entziehung eines Fremdenpasses

§ 93 (1) Ein Fremdenpass ist zu entziehen, wenn

1. nachträglich Tatsachen bekannt werden oder eintreten, welche die Versagung der Ausstellung des Fremdenpasses rechtfertigen würden;

2. das Lichtbild fehlt oder die Identität des Inhabers nicht mehr zweifelsfrei erkennen lässt;

3. eine Eintragung des Bundesamtes oder der Vertretungsbehörde unkenntlich geworden ist;

4. der Fremdenpass verfälscht, nicht mehr vollständig oder aus sonstigen Gründen unbrauchbar geworden ist.

(2) Vollstreckbar entzogene Fremdenpässe sind dem Bundesamt unverzüglich vorzulegen. Sie stellen keine gültigen Reisedokumente dar.

(3) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt, einen ihnen vorgelegten Fremdenpass abzunehmen, wenn dieser vollstreckbar entzogen worden ist. Der Fremdenpass ist unverzüglich dem Bundesamt vorzulegen.

(4) Erwirbt der Inhaber des Fremdenpasses die österreichische Staatsbürgerschaft oder liegen die Fälle des Abs. 1 Z 2 bis 4 vor, so bedarf es keines Bescheides, sofern der Fremdenpass der Behörde ohne weiteres zur Entwertung vorgelegt wird.

Konventionsreisepässe

§ 94

(1) - (4) [...]

(5) §§ 88 Abs. 4 sowie 89 bis 93 gelten sinngemäß mit der Maßgabe, dass anstelle eines Fremdenpasses der Konventionsreisepass tritt.

Schlepperei

§ 114 (1) Wer die rechtswidrige Einreise oder Durchreise eines Fremden in oder durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder Nachbarstaat Österreichs mit dem Vorsatz fördert, sich oder einen Dritten durch ein dafür geleistetes Entgelt unrechtmäßig zu bereichern, ist vom Gericht mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen.

(2) - (7) [...]

Rechtswidrige Einreise und rechtswidriger Aufenthalt

§ 120

(1) - (2) [...]

(3) Wer

1. wissentlich die rechtswidrige Einreise oder Durchreise eines Fremden in oder durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder Nachbarstaat Österreichs fördert, oder

2. mit dem Vorsatz, das Verfahren zur Erlassung oder die Durchsetzung aufenthaltsbeendender Maßnahmen hintanzuhalten, einem Fremden den unbefugten Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates der Europäischen Union wissentlich erleichtert,

begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 1 000 Euro bis zu 5 000 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu drei Wochen, zu bestrafen.

(4) - (8) [...]

(9) Nach Abs. 3 ist nicht strafbar, wer die Tat in Bezug auf seinen Ehegatten, seine Kinder oder seine Eltern begeht.

(10) Der Versuch in den Fällen der Abs. 2 und 3 ist strafbar."

1.2. § 92 FPG erhielt seine zitierte Fassung durch Art. 4 Z 43 und 44 Fremdenrechtsänderungsgesetz 2015 BGBl. I 70 (in der Folge: FrÄG 2015); dadurch wurden die Absätze 1a und 3 ein- bzw. angefügt. Die übrigen Teile des § 92 FPG gelten in der Stammfassung. § 92 Abs. 1a und 3 FPG traten gemäß § 126 Abs. 15 FPG idF des Art. 4 Z 55 FrÄG 2015 am 20.7.2015 in Kraft.

Die parlamentarischen Materialien zum FrÄG 2015 führen zu § 92 FPG ua. Folgendes aus (ErläutRV 582 BlgNR 25. GP, 24 f.):

"Die Bestimmungen für die Versagung von Reisepässen für österreichische Staatsbürger wurden in den vergangenen Jahren mehrfach novelliert; diese Änderungen sollen nun auch für Fremdenpässe (und aufgrund des § 94 Abs. 5 auch für Konventionsreisepässe) unter Beibehaltung der bisherigen Gründe nachvollzogen werden. Gerade da auch für Fremdenpässe die sonstigen Ausstellungsbestimmungen des Bundesgesetzes betreffend das Passwesen für österreichische Staatsbürger (Passgesetz 1992), BGBl. Nr. 839/1992, maßgeblich sind (§ 88 Abs. 4), erscheint dies angebracht und gerade auch im Hinblick auf die Internationalität des Terrorismus und seiner wirksamen Bekämpfung unbedingt notwendig:

Die bisherigen, zum Teil strengeren Versagungsgründe als im Passgesetz bleiben im Abs. 1 unverändert. Mit Abs. 1a werden nun darüberhinaus sämtliche Versagungsgründe des Passgesetzes auch ins Passwesen für Fremde übernommen, jedoch nur, soweit im Abs. 1 nicht bereits eine lex specialis besteht.

Mit Abs. 3 wird die Beweisregel des § 14 Abs. 3 Passgesetz auch für die besonderen Versagungsgründe für Fremdenpässe übernommen; darüber hinaus sollen die Regelungen des § 14 Passgesetz generell für die Versagung des Fremdenpasses gelten."

§ 114 Abs. 1 FPG erhielt durch Art. 2 Z 52 Fremdenrechtsänderungsgesetz 2009 BGBl. I 122 (in der Folge: FrÄG 2009) seine zitierte Fassung. Sie trat gemäß § 126 Abs. 7 FPG idF des Art. 2 Z 60 FrÄG 2009 am 1.1.2010 in Kraft. Zuvor hatte § 114 Abs. 1 und 2 FPG in der Stammfassung gegolten und wie folgt gelautet:

"(1) Wer wissentlich die rechtswidrige Einreise oder Durchreise eines Fremden in oder durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder Nachbarstaat Österreichs fördert, ist vom Gericht mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr zu bestrafen.

(2) Wer die rechtswidrige Einreise oder Durchreise eines Fremden in oder durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder Nachbarstaat Österreichs mit dem Vorsatz fördert, sich oder einen Dritten durch ein dafür geleistetes Entgelt unrechtmäßig zu bereichern, ist vom Gericht mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen."

§ 120 FPG trat in dieser Fassung gemäß § 126 Abs. 7 FPG idF Art. 2 Z 60 FrÄG 2009 am 1.1.2010 in Kraft. Zuvor - dh. in der Stammfassung des FPG - hatte § 120 FPG keine Strafdrohung gegen Dritte enthalten, die dem jetzigen § 120 Abs. 3 FPG entsprochen hätte.

Die parlamentarischen Materialien zum FrÄG 2009 führen zu § 114 FPG ua. aus (ErläutRV 330 BlgNR 24. GP, 35): "Auf Grund der Schaffung eines verwaltungsstrafrechtlichen Grundtatbestands der Schlepperei im neuen § 120 Abs. 3 Z 1 entfallen die bisherigen Abs. 1 und 8."

Zu § 120 FPG führen die genannten Materialien ua. aus: "Der neue Abs. 3 bildet in Z 1 den bisherigen § 114 Abs. 1 und in Z 2 den bisherigen § 115 Abs. 1 inhaltlich ab. Wie im neuen Abs. 2 werden auch hier zwei verwaltungsrechtliche Straftatbestände in gerichtliche Straftatbestände umgewandelt, was aus dem Blickwinkel des Rechtsgüterschutzes und des Prinzips, Kriminalstrafrecht als ?ultima ratio' einzusetzen, sachgerecht ist [...]." (Gemeint ist offenbar, dass umgekehrt "diese Fälle nunmehr einen verwaltungsrechtlichen und nicht mehr einen gerichtlichen Straftatbestand darstellen", wie unmittelbar zuvor für § 120 Abs. 2 FPG ausgeführt wird und wie es dem Inhalt des § 120 Abs. 3 FPG auch tatsächlich entspricht.)

2.1. Im vorliegenden Fall ist strittig, ob das Verhalten der Beschwerdeführer den Tatbestand des § 92 Abs. 1 Z 4 FPG erfüllt, der von "Schlepperei" spricht. Die Beschwerdeführer verstehen den Ausdruck "Schlepperei" iSd § 92 Abs. 1 Z 4 FPG im selben Sinne wie in § 114 Abs. 1 FPG, der einen Bereicherungsvorsatz verlangt.

Den Beschwerdeführern kommt infolge der rechtskräftigen Bescheide des Bundesamtes der Status von Asylberechtigten zu, sodass ihnen gemäß § 94 Abs. 1 FPG grundsätzlich auf Antrag ein Konventionsreisepass auszustellen ist (VwGH 24.06.2010, 2009/21/0084; 05.07.2012, 2010/21/0345; 16.05.2013, 2012/21/0253; 10.04.2014, 2013/22/0314). Allerdings gelten gemäß § 94 Abs. 5 FPG der § 88 Abs. 4 und die §§ 89 bis 93 FPG mit der Maßgabe, dass an die Stelle eines Fremdenpasses der Konventionsreisepass tritt. Gemäß § 93 Abs. 1 Z 1 FPG ist ein Fremdenpass zu entziehen, wenn nachträglich Tatsachen bekannt werden oder eintreten, welche die Versagung der Ausstellung des Fremdenpasses rechtfertigen würden, und verweist damit auf § 92 FPG, der die Versagungsgründe regelt. Gemäß § 92 Abs. 1 Z 4 FPG sind die Ausstellung, die Erweiterung des Geltungsbereiches und die Änderung eines Fremdenpasses zu versagen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Fremde das Dokument benützen will, um Schlepperei zu begehen oder an ihr mitzuwirken (VwGH 24.06.2010, 2009/21/0084 [der fallbezogen ausdrücklich § 114 FPG "idF vor der erwähnten Novelle", dh. vor dem FrÄG 2009, und mithin ohne das Tatbestandsmerkmal des Bereicherungsvorsatzes, für maßgeblich erklärt]).

Unbestritten ist, dass die Beschwerdeführer nicht gemäß § 114 Abs. 1 FPG strafgerichtlich verurteilt wurden, weil sie keinen Bereicherungsvorsatz hatten. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer kommt es jedoch nicht darauf an, ob sie eine Schlepperei (bereits) begangen oder (bereits) an ihr mitgewirkt haben, sondern es genügt, dass bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie das Dokument benützen wollten, um Schlepperei zu begehen oder an ihr mitzuwirken. Es ist nicht erforderlich, dass der Fremde, um den Versagungstatbestand zu verwirklichen, eine Schlepperei bereits begangen oder an ihr mitgewirkt hat (VwGH 07.07.2009, 2007/18/0243; 26.11.2009, 2009/18/0460; 26.02.2015, Ra 2014/22/0133). Vielmehr hat die Behörde diesbezüglich eine Prognose (Gefährlichkeitsprognose) zu stellen (VwGH 26.11.2009, 2009/18/0460; 24.06.2010, 2009/21/0084; 15.09.2010, 2007/18/0253; 05.07.2012, 2010/21/0345; 07.11.2012, 2012/18/0024; 16.05.2013, 2012/21/0253; 10.04.2014, 2013/22/0314).

Bei der Versagung eines Konventionsreisepasses ist auf persönliche oder wirtschaftliche Interessen des Betroffenen nicht Rücksicht zu nehmen (VwGH 04.06.2009, 2006/18/0204; 7.7.2009, 2007/18/0243; 24.09.2009, 2009/18/0155; 24.06.2010, 2009/21/0084; 07.11.2012, 2012/18/0024). § 92 Abs. 1 FPG räumt, wie sein Wortlaut zeigt, kein Ermessen ein, das ein Absehen von der Versagung erlauben würde (VwGH 24.09.2009, 2009/18/0155).

Hat der Fremde bereits eine Schlepperei begangen oder an ihr mitgewirkt, dann wird dieser Umstand eine wesentliche Rolle bei der Prognose spielen (VwGH 05.07.2012, 2010/21/0345). Dies gilt umso mehr dann, wenn der Fremde eine solche Tat bereits im Besitz eines Konventionsreisepasses begangen hat, sodass sich die Annahme in der Vergangenheit insofern bereits verwirklicht hat (VwGH 05.07.2012, 2010/21/0345; 16.5.2013, 2012/21/0253; 10.4.2014, 2013/22/0314). Der Verwaltungsgerichtshof hat auch Fälle, in denen ein Fremder den Fremdenpass oder das Konventionsreisedokument dazu eingesetzt hat, sein eigenes Kind zu schleppen, als ausreichend angesehen, um eine solche Prognose - die ja auf das zukünftige Verhalten des Fremden gerichtet ist - als schlüssig zu erkennen (VwGH 24.06.2010, 2009/21/0084; ähnlich VwGH 05.07.2012, 2010/21/0345, bei Mitwirkung an der Schlepperei als Freundschaftsdienst und unentgeltlich). Dabei hatte er noch die ältere Fassung des § 114 FPG vor Augen, bei welcher der Bereicherungsvorsatz nicht Tatbestandsmerkmal war.

Dennoch geht das Bundesverwaltungsgericht vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung davon aus, dass eine Prognose, jemand, der wie die Beschwerdeführer gehandelt hat und als Freundschaftsdienst versucht hat zwei fremde Kinder aus Athen mit den Konventionsreisepässen der eigenen Kinder nach Österreich zu bringen, werde auch Schlepperei mit Bereicherungsvorsatz begehen, vertretbar ist (vgl. wieder VwGH 05.07.2012, 2010/21/0345), auch wenn dies im bereits gesetzten Verhalten nicht so vorgefallen ist. Die Beschwerdeführer haben mit ihrem Verhalten gezeigt, dass sie bereit sind, die Pässe ihrer Kinder zweckwidrig zu verwenden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat der Zeit, die vergangen ist, seit der Fremde sich strafbar gemacht hat, große Bedeutung eingeräumt (VwGH 24.09.2009, 2009/18/0155 ["auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass es sich vorliegend um ein schon mehrere Jahre zurückliegendes Fehlverhalten handelt"]; 26.11.2009, 2009/18/0460; 5.7.2012, 2010/21/0345; 16.5.2013, 2012/21/0253; 10.4.2014, 2013/22/0314). Im vorliegenden Fall haben sich die Beschwerdeführer zwar nicht strafbar gemacht, doch sind seit der versuchten Mitnahme zweier fremder Kinder aus Athen erst knapp vier Monate vergangen.

Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts hat der Ausdruck "Schlepperei" in § 92 Abs. 1 Z 4 FPG auch nicht nur die "Schlepperei" iSd § 114 FPG im Auge. Dieser Ausdruck findet sich im FPG außer in § 92 Abs. 1 Z 4 und in § 114 noch in § 36 Abs. 1 Z 2, § 41 Abs. 2 Z 4 lit. c und § 41a Abs. 1 Z 3. In all diesen Fällen geht es, wie in § 92 Abs. 1 Z 4 FPG, darum, dass "bestimmte Tatsachen [eine] Annahme rechtfertigen" (so neben § 92 Abs. 1 FPG auch in § 41 Abs. 2 Z 4 und § 41a Abs. 1 Z 3 FPG; "auf Grund bestimmter Tatsachen [eine] Annahme gerechtfertigt ist": in § 36 Abs. 1 Z 2 FPG). Dabei geht es um die Annahme, dass Fremde im Bundesgebiet Schlepperei begehen (§ 41 Abs. 2 Z 4 lit. c und § 41a Abs. 1 Z 3 FPG) oder an ihr mitwirken würden (§ 41 Abs. 2 Z 4 lit. c FPG), oder um jene, eine Amtshandlung sei notwendig, um eines Fremden habhaft zu werden, an dem Schlepperei begangen wird (§ 36 Abs. 1 Z 2 FPG). In all diesen Fällen ist mithin auf Grund des Zusammenhanges nicht ohne Weiteres klar, ob die "Schlepperei" im engen Sinn des § 114 Abs. 1 FPG oder in einem weiteren Sinn zu verstehen ist, der etwa auch Handlungen umfasste, wie sie § 120 Abs. 3 FPG unter Verwaltungsstrafe stellt. In beiden Bestimmungen wird die Einreise nach Österreich oder die Durchreise durch Österreich nicht ausdrücklich erwähnt; sie fällt selbstverständlich unter die "Einreise oder Durchreise eines Fremden in oder durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union", da Österreich ein solcher Mitgliedstaat ist (vgl. den EU-Beitrittsvertrag BGBl. 45/1995).

Als § 92 Abs. 1 Z 4 FPG - der nach wie vor in der Stammfassung gilt - erlassen wurde, galt § 114 FPG in der oben wiedergegebenen Stammfassung, die keinen Bereicherungsvorsatz, sondern nur Wissentlichkeit voraussetzte. Es ist jedenfalls möglich, § 92 Abs. 1 Z 4 FPG dahin zu verstehen, dass der Ausdruck "Schlepperei", der darin enthalten ist, seinen Inhalt durch die Novellierung des § 114 FPG nicht geändert hat. Dafür spricht, dass das in § 114 Abs. 1 FPG in der Stammfassung pönalisierte, nun nicht mehr gerichtlich strafbare Verhalten, nämlich die Schlepperei ohne Bereicherungsvorsatz bei bloßer Wissentlichkeit, auch nach der geltenden Rechtslage nicht straffrei ist, sondern dass ein entsprechender Verwaltungsstrafbestand vorgesehen ist (§ 120 Abs. 1 FPG).

Das öffentliche Interesse daran, zu verhindern, dass ein Fremdenpass oder ein Konventionsreisedokument dazu verwendet wird, einem Fremden die rechtswidrige Ein- oder Durchreise möglich zu machen, besteht jedenfalls unabhängig davon, ob die Überlassung dieses Ausweises im Fremdenpolizeirecht als Justiz- oder als Verwaltungsstraftatbestand ausgestaltet ist (vgl. VwGH 05.07.2012, 2010/21/0345: "Auch an der Verhinderung der Schlepperei ohne Bereicherungsabsicht besteht aber ein großes öffentliches Interesse, das die Versagung eines Konventionsreisepasses aus Gründen der öffentlichen Ordnung [...] rechtfertigt"). Hingewiesen sei auch noch auf § 231 StGB, der den Gebrauch fremder Ausweise unter Strafe stellt.

Auch die Materialien zum FrÄG 2009, die oben auszugsweise wiedergegeben sind, geben keinen Hinweis darauf, dass durch die Umwandlung gerichtlicher Straftatbestände in verwaltungsrechtliche beabsichtigt gewesen wäre, den Inhalt des Versagungstatbestandes des § 92 Abs. 1 Z 4 FPG zu ändern.

Bestätigt wird dieses Ergebnis auch durch einen Blick in die Materialien zum FrÄG 2015, die gleichfalls oben auszugsweise wiedergegeben sind und in denen die Absicht des historischen Gesetzgebers dokumentiert wird, alle Versagungsgründe des Passgesetzes 1992 auch im Fremdenwesen gelten zu lassen. Vergleicht man daher die Versagungstatbestände des § 14 Abs. 1 Passgesetz 1992 mit jenen des § 92 Abs. 1 FPG, so ergibt sich, dass § 14 Abs. 1 Z 3 lit. c Passgesetz 1992 dem § 92 Abs. 1 Z 4 FPG entspricht.

Mit Blick auf § 14 Abs. 1 Z 3 lit. c Passgesetz 1992 und § 92 Abs. 1 Z 4 FPG ist also im Zweifel nicht davon auszugehen, die Absicht des historischen Gesetzgebers könnte darauf gerichtet sein, Umstände, die einen Versagungstatbestand nach dieser Vorschrift des Passgesetzes 1992 bilden, sollten nicht auch die Versagung eines Fremdenpasses bzw. eines Konventionsreisepasses nach sich ziehen müssen. Die Versagungstatbestände im FPG sind also im Zweifel nicht enger auszulegen als jene des Passgesetzes 1992.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einschlägigen Entscheidungen durchklingen lassen, dass eine Auslegung des Ausdrucks "Schlepperei" in § 92 Abs. 1 Z 4 FPG in diesem weiten Sinne zutreffen könnte: So hat er in seinem Erkenntnis vom 05.07.2012, 2010/21/0345, darauf hingewiesen, der Betroffene sei nach § 114 Abs. 1 FPG in der Stammfassung verurteilt worden, "dem der Verwaltungsstraftatbestand des § 120 Abs. 3 Z 1 FPG in der Fassung des FrÄG 2009 entspricht", und sodann, wie oben dargelegt, das große öffentliche Interesse an der Verhinderung der Schlepperei auch ohne Bereicherungsabsicht betont. In seinem Erkenntnis vom 07.11.2012, 2012/18/0024, hat er eine Verurteilung im Ausland auf Grund einer Strafbestimmung, die keinen Bereicherungsvorsatz forderte, als ausreichendes Indiz gelten lassen. In beiden Fällen stellt er allerdings letztlich darauf ab, dass die Prognosen, die § 94 Abs. 1 FPG fordert und welche die Verwaltungsbehörden auf diese Verurteilungen gestützt hatten, nicht zu beanstanden seien. Dies entspricht dem oben ins Treffen geführten Argument.

2.2. Zusammenfassend ergibt sich, dass bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, die Beschwerdeführer würde den Konventionsreisepass dazu benützen wollen, um Schlepperei zu begehen oder an ihr mitzuwirken. Die Ausstellung eines solchen Dokuments wäre daher gemäß § 92 Abs. 1 Z 4 FPG iVm § 94 Abs. 5 FPG zu versagen. Somit liegt ein Versagungsgrund vor, an den § 93 Abs. 1 Z 1 FPG anknüpft, weshalb gemäß § 93 Abs. 1 Z 1 iVm § 94 Abs. 5 FPG der Konventionsreisepass zu entziehen ist. Das ist mit dem angefochtenen Bescheid geschehen, der somit im Ergebnis zu Recht ergangen ist.

Der Ausspruch, mit dem die Beschwerdeführer verpflichtet wurden, das Dokument unverzüglich dem Bundesamt vorzulegen, stützt sich zu Recht auf § 93 Abs. 2 FPG, und zwar auf den ersten Satz dieser Bestimmung.

Damit erübrigt sich ein Abspruch über die Anregung, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Das Bundesverwaltungsgericht kann sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Auf die Frage, ob das Verhalten des Beschwerdeführers als Schlepperei iSd § 114 FPG zu werten ist, kommt es vor dem Hintergrund der oben wiedergegebenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 24.06.2010, 2009/21/0084; 05.07.2012, 2010/21/0345) nicht an.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung - Entfall Entziehung Entziehungsbescheid Entziehungsgrund Konventionsreisepass öffentliche Interessen Prognose Schlepperei Versagung Konventionsreisepass Versagungsgrund

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W221.2229314.1.00

Im RIS seit

29.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

29.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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