TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/14 I415 2171316-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.02.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

14.02.2020

Norm

AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §58 Abs10
AsylG 2005 §60 Abs1 Z1
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §52 Abs3
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I415 2171316-2/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Hannes LÄSSER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, StA. Kosovo, vertreten durch RA Dr. Astrid WAGNER, Himmelpfortgasse 10, 1010 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.12.2019, Zahl 359440110/191263087, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein kosovarischer Staatsangehöriger, hatte in Österreich bereits in den Jahren 2006 und 2010 erfolglose Asylanträge gestellt. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 04.09.2017, Zl. XXXX, wurde ein weiterer vom Beschwerdeführer am 03.03.2016 gestellter Antrag auf internationalen Schutz abgewiesen. Gleichzeitig wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung sowie ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG erlassen. Eine dagegen erhobene Beschwerde wurde mit rechtskräftigem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.06.2018, Zl. G314 2171316-1/12E, als unbegründet abgewiesen.

2. Am 21.10.2019 stellte er durch seine Rechtsvertretung den verfahrensgegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK sowie einen Antrag, die gegen ihn erlassene Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot aufzuheben.

Begründend führte er aus, dass er im Bundesgebiet ein aufrechtes Privat- und Familienleben habe. Er lebe seit über fünf Jahren in Österreich und sei seit dem XXXX mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet. Außerdem spreche er gut Deutsch, habe konkrete Erwerbsabsichten und auch sein Vater sei in Österreich aufenthaltsverfestigt.

3. Am 20.11.2019 wurde der Beschwerdeführer nach Verbüßung einer Haftstrafe auf dem Luftweg in den Kosovo abgeschoben.

4. Mit dem im Spruch genannten Bescheid des BFA vom 10.12.2019, Zl. XXXX, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gem. § 55 AsylG aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß §§ 58 Abs. 10 iVm § 60 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 zurückgewiesen.

5. Mit einem weiteren Bescheid des BFA vom selben Tag, Zl. XXXX, wurde zudem der Antrag des Beschwerdeführers auf Aufhebung des gegen ihn erlassenen Einreiseverbotes gemäß § 60 Abs. 2 FPG zurückgewiesen.

6. Mit Verfahrensanordnung vom 11.12.2019 wurde dem Beschwerdeführer die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe für ein allfälliges Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht als Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.

7. Der Beschwerdeführer erhob durch seine Rechtsvertretung fristgerecht am 07.01.2020 Beschwerde. Zwar wurde irrtümlich im Betreff eine unrichtige Bescheidzahl angegeben und auch in einer neuerlich am 09.01.2020 übermittelten, korrigierten Beschwerde lediglich die Zahl des zweiten, den Antrag auf Aufhebung des Einreiseverbotes zurückweisenden Bescheides genannt. Aus dem Inhalt der Beschwerde geht jedoch eindeutig hervor, dass sich diese auch gegen die Zurückweisung des verfahrensgegenständlichen Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK richtet.

Der Sachverhalt sei in rechtlicher Hinsicht völlig unrichtig beurteilt worden. Insbesondere sei unzutreffend, dass eine maßgebliche Sachverhaltsänderung nicht eingetreten wäre. Zwischen dem Zeitpunkt der jetzigen Bescheiderlassung und der Rückkehrentscheidung liege ein Zeitraum von eineinhalb Jahren. In der Strafhaft habe der Beschwerdeführer sich wohl verhalten und es sei ein positiver Gesinnungswandel eingetreten. Zudem sei er seit dem XXXX mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet. Dies stelle sehr wohl einen wesentlichen Umstand dar, der entsprechend zu werten sei. Seine familiäre Situation habe sich ganz entscheidend geändert. Hinzu komme, dass seine Ehegattin in guten finanziellen Verhältnissen lebe, weshalb sie auch anstandslos in der Lage sei, den Beschwerdeführer zu unterstützen. Es sei nicht anzunehmen, dass der Beschwerdeführer weitere strafbare Handlungen begehen werde.

Es wurden die Anträge gestellt, das Bundesverwaltungsgericht möge eine mündliche Verhandlung anberaumen; in der Sache selbst entscheiden und den angefochtenen Bescheid des BFA dahingehend abändern, dass dem Antrag auf Aufhebung des gegen ihn erlassenen Einreiseverbotes stattgegeben werde; in eventu das Einreiseverbot verkürzen; in eventu einen Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK erteilen; den angefochtenen Bescheid aufheben und die Verwaltungssache zur Verfahrensergänzung an die Behörde zurückverweisen.

8. Beschwerde und Bezug habender Akt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 06.02.2020 vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende weitere Feststellungen getroffen:

1.1 Zur Person des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger des Kosovo und somit Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 10 FPG. Er ist kein begünstigter Drittstaatsangehöriger und es kommt ihm kein Aufenthaltsrecht aus anderen Bundesgesetzen zu.

Seine Identität steht fest.

Gegen den Beschwerdeführer wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 04.09.2017, Zl. XXXX, unter anderem eine Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem auf die Dauer von zehn Jahren befristeten Einreiseverbot gemäß §§ 52 iVm 53 Abs. 3 FPG erlassen, welche mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.06.2018, Zl. G314 2171316-1/12E, in Rechtskraft erwuchs.

Im Strafregister der Republik Österreich - geführt von der Landespolizeidirektion Wien - scheinen folgende Verurteilungen auf:

01) LG F.STRAFS.WIEN 151 HV 68/2007P vom 10.07.2007 RK 10.07.2007

PAR 15 127 PAR 15 129/1 PAR 15 129/2 PAR 223/2 StGB

Freiheitsstrafe 4 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Junge(r) Erwachsene(r)

Vollzugsdatum 10.07.2007

zu LG XXXXRK 10.07.2007

Probezeit verlängert auf insgesamt 5 Jahre

LG XXXX vom 17.06.2008

zu LG XXXX RK 10.07.2007

(Teil der) Freiheitsstrafe nachgesehen, endgültig

Vollzugsdatum 10.07.2007

LG XXXX vom 26.03.2013

02) LG XXXX vom 17.06.2008 RK 17.06.2008

PAR 127 128 ABS 1/4 129/1 U 2 130 (2. FALL) 15 PAR 224 A (5. FALL) StGB

PAR 50 ABS 1/1 WaffG

Freiheitsstrafe 2 Jahre

Vollzugsdatum 21.01.2009

zu LG XXXX RK 17.06.2008

Rest der Freiheitsstrafe nachgesehen, bedingt, Probezeit 5 Jahre, Beginn der Probezeit 21.01.2009

gemäß Entschließung des Bundespräsidenten vom 13.01.2009 Erlass des BMVRDJ Zahl 4.034.372/2-IV 4/2008

JUSTIZANSTALT KORNEUBURG 83572 vom 20.03.2009

zu LG XXXX RK 17.06.2008

Rest der Freiheitsstrafe nachgesehen, endgültig

Vollzugsdatum 21.01.2009

LG XXXX vom 08.07.2014

03) LG XXXX vom 11.12.2014 RK 16.12.2014

§ 15 StGB §§ 127, 129 Z 1, 3, 130 4. Fall StGB

Datum der (letzten) Tat 29.08.2014

Freiheitsstrafe 3 Jahre

Vollzugsdatum 19.05.2018

04) LG XXXX vom 21.02.2017 RK 25.02.2017

§§ 127, 129 (1) Z 1 StGB

Datum der (letzten) Tat 25.01.2017

Freiheitsstrafe 18 Monate

Vollzugsdatum 19.11.2019

Der Beschwerdeführer wurde am 20.11.2019 in den Kosovo abgeschoben und befand sich bis zu diesem Zeitpunkt in Strafhaft.

Aus dem Antragsvorbringen des Beschwerdeführers gemäß § 55 AsylG 2005 geht im Vergleich zur rezenten rechtskräftigen Rückkehrentscheidung vom 29.06.2018, Zl. G314 2171316-1/12E, ein im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervor.

2. Beweiswürdigung:

Der erkennende Einzelrichter des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:

2.1. Zum Verfahrensgang und zum Sachverhalt:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz. Auszüge aus dem Zentralen Melderegister, dem Zentralen Fremdenregister, dem Schengener Informationssystem und dem Strafregister wurden ergänzend eingeholt.

Die belangte Behörde hat ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Das Bundesverwaltungsgericht verweist daher zunächst auf diese schlüssigen und nachvollziehbaren beweiswürdigenden Ausführungen der belangten Behörde.

Auch der Beschwerde vermag das Bundesverwaltungsgericht keine neuen Sachverhaltselemente zu entnehmen, welche geeignet wären, die von der erstinstanzlichen Behörde getroffenen Entscheidungen in Frage zu stellen. Der Beschwerdeführer bestreitet den von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt nicht substantiiert und erstattete in der Beschwerde auch kein konkretes sachverhaltsbezogenes Vorbringen, sodass das Bundesverwaltungsgericht den maßgeblichen Sachverhalt als ausreichend ermittelt und somit entscheidungsreif ansieht und sich der von der belangten Behörde vorgenommenen, nachvollziehbaren Beweiswürdigung vollumfänglich anschließt.

2.2 Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zu Identität und Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers beruhen auf den Feststellungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid, denen von Seiten des Beschwerdeführers nicht entgegengetreten wurde, sowie dem vorliegenden Heimreisezertifikat (AS 457).

Die gegen den Beschwerdeführer bestehende aufrechte Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot ergibt sich unstrittig aus dem Verwaltungsakt, sowie dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.06.2018, Zl. G314 2171316-1/12E.

Die Anhaltung des Beschwerdeführers in Strafhaft ist dem ZMR zu entnehmen. Die Feststellung zu seiner am 20.11.2019 erfolgten Abschiebung ergibt sich aus dem "Bericht über erfolgte Abschiebung" der Landespolizei Wien, Abteilung Sondereinheiten, vom 20.11.2019 (AS 451ff)

Der Beschwerdeführer bringt in der Beschwerde vor, dass nicht davon ausgegangen werden könne, dass sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt in Bezug auf Art. 8 EMRK nicht geändert habe.

Zu dieser Frage erscheint es angebracht, die Ausführungen im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.06.2018, Zl. G314 2171316-1/12E, zum Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers in Österreich heranzuziehen (Seite 22):

"(...) Die Rückkehrentscheidung greift in das Privat- und Familienleben des BF ein. Bei der nach § 9 BFA-VG gebotenen Abwägung ist zu berücksichtigen, dass aufgrund der Eheschließung des BF mit einer in Wien lebenden Österreicherin ein Familienleben im Bundesgebiet besteht. Er hält sich seit Ende 2005 immer wieder - großteils unrechtmäßig - im Inland auf, seit Mitte 2014 sogar durchgehend. Er verfügt über grundlegende Deutschkenntnisse, ist aber am österreichischen Arbeitsmarkt nicht integriert. Im Rahmen seines Privatlebens ist auch die Beziehung zu seinem Vater und zu anderen in Österreich lebenden Verwandten zu berücksichtigen. (...)"

An diesen Feststellungen hatte sich auch zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides am 10.12.2019 nichts geändert.

Der Beschwerdeführer machte in der Begründung seines Antrages geltend, dass er im Bundesgebiet ein aufrechtes Privat- und Familienleben habe. Er lebe seit über fünf Jahren in Österreich und sei seit dem XXXX mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet. Außerdem spreche er gut Deutsch, habe konkrete Erwerbsabsichten und auch sein Vater sei in Österreich aufenthaltsverfestigt.

Dabei wurde jedoch keine einzige neue Tatsache vorgebracht, die nach Rechtskraft der gegen ihn erlassenen Rückkehrentscheidung entstanden wäre. Sämtliche nun vorgebrachten Umstände wurden bereits in der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.06.2018 entsprechend berücksichtigt.

Eine Änderung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes ist auch schon deshalb nicht ersichtlich, weil sich der Beschwerdeführer zwischen Rechtskraft vorangegangenen Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes bis zu seiner erfolgten Abschiebung in den Kosovo durchgehend in Strafhaft befand.

Weder der Antragsbegründung des begehrten Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG, noch den Ausführungen im Beschwerdeschriftsatz kann daher ein (maßgeblich) geänderter Sachverhalt zugesonnen werden, der eine neuerliche meritorische Prüfung des Antrages erforderlich machen würde.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zur anzuwendenden Rechtslage:

Die maßgeblichen Bestimmungen der § 55, § 58 Abs. 10 und § 60 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005, BGBl I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl I Nr. 53/2019, lauten:

Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK

§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.

Antragstellung und amtswegiges Verfahren

§ 58. (1-9) ...

(10) Anträge gemäß § 55 sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Anträge gemäß §§ 56 und 57, die einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag (Folgeantrag) oder einer rechtskräftigen Entscheidung nachfolgen, sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn aus dem begründeten Antragsvorbringen ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.

Allgemeine Erteilungsvoraussetzungen

§ 60. (1) Aufenthaltstitel dürfen einem Drittstaatsangehörigen nicht erteilt werden, wenn

1. gegen ihn eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 iVm 53 Abs. 2 oder 3 FPG besteht (...)

Die maßgebliche Bestimmung des § 9 Abs. 2 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl I Nr. 87/2012, in der Fassung BGBl I Nr. 53/2019, lautet:

Schutz des Privat- und Familienlebens

§ 9. (2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

Zu Spruchpunkt A)

3.2. Zur Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides:

3.2.1. Zur Zurückweisung des Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK

Im gegenständlichen Fall hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid das Vorliegen der Voraussetzungen der Zurückweisung des gegenständlichen Antrages auf Grund des § 58 Abs. 10 erster Satz bejaht. Gegen den Beschwerdeführer sei eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung erlassen worden und aus dem Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG gehe ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich mache, nicht hervor.

Darüber hinaus stehe der Erteilung eines Aufenthaltstitels das Erteilungshindernis des § 60 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 entgegen, zumal gegen den Beschwerdeführer eine aufrechte, mit einem zehnjährigen Einreiseverbot verbundene Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 iVm 53 Abs. 3 FPG bestehe.

Dieser Ansicht der belangten Behörde ist - wie im Folgenden dargestellt - beizutreten:

Auszugehen ist von § 58 Abs. 10 erster Satz AsylG 2005, wonach Anträge gemäß § 55 AsylG 2005 als unzulässig zurückzuweisen sind, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, [2016], § 58, K13).

Die ErläutRV (1803 BlgNR 24. GP 50) legen dazu dar, dass der neue (Abs. 10) im Wesentlichen § 44b NAG in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2011 entspreche. Mit der Neuerrichtung des Bundesamtes und der damit einhergehenden Verfahrensvereinfachung und organisatorischen Umstrukturierung sei die Einbindung der zuständigen Sicherheitsdirektion entfallen. Die Beurteilung bzw. Prüfung erfolge nun durch das Bundesamt. Dementsprechend seien Anträge als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 iVm § 53 Abs. 2 oder 3 FPG besteht und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Diese inhaltliche Neubewertung des Sachverhaltes habe sich lediglich auf den Zeitraum zwischen der rechtskräftigen Entscheidung nach dem FPG bis zur Entscheidung des zugrundeliegenden Antrages auf Erteilung des Aufenthaltstitels zu beziehen. Im Umkehrschluss bedeute dies, dass - im Rahmen einer Neubewertung - wenn ein maßgeblich geänderter Sachverhalt im Sinne des Art. 8 EMRK vorliegt, ein Aufenthaltstitel zu erteilen sein wird.

Es hat also im Rahmen des Verfahrens nach § 55 AsylG 2005 eine Neubewertung einer Rückkehrentscheidung nur bei einem geänderten Sachverhalt zu erfolgen, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, wobei sich diese inhaltliche Neubewertung des Sachverhaltes lediglich auf den Zeitraum zwischen der rechtskräftigen Entscheidung nach dem FPG bis zur Entscheidung des zugrundeliegenden Antrages auf Erteilung des Aufenthaltstitels zu beziehen hat (vgl. VwGH 16.12.2015, Ro 2015/21/0037).

Gemäß diesen Ausführungen ist die maßgebliche, zu klärende Rechtsfrage daher jene, ob nach der rechtskräftig erlassenen Rückkehrentscheidung aus dem begründeten Antragsvorbringen des Beschwerdeführers im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, hervorgeht. Die Wesentlichkeit der Sachverhaltsänderung ist nach der Wertung zu beurteilen, die das geänderte Sachverhaltselement in der seinerzeitigen Entscheidung erfahren hat. Bei dieser Prognose sind die nach Art. 8 EMRK relevanten Umstände jedenfalls soweit einzubeziehen, als zu beurteilen ist, ob es angesichts dieser Umstände nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann, dass im Hinblick auf früher maßgebliche Erwägungen eine andere Beurteilung nach Art. 8 MRK unter Bedachtnahme auf den gesamten vorliegenden Sachverhalt nunmehr geboten sein könnte. Eine andere Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in Rechte nach Art. 8 MRK muss sich zumindest als möglich darstellen (vgl. VwGH, 03.10.2013, 2012/22/0068).

Die belangte Behörde hat gegen den Beschwerdeführer am 04.09.2017 eine Rückkehrentscheidung erlassen und diese ist vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 29.06.2018 bestätigt worden. Im vorliegenden Fall ist die Behörde nunmehr zu Recht davon ausgegangen, dass sich der maßgebende Sachverhalt seither nicht geändert hat und somit eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK für den Zeitraum zwischen der Erlassung der Rückkehrentscheidung und dem Antrag auf einen Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG nicht erforderlich war.

Alle vorgebrachten Umstände waren von der belangten Behörde sowie Bundesverwaltungsgericht bereits in ihren früheren Entscheidungen berücksichtigt worden.

Darüber hinaus steht der Erteilung eines Aufenthaltstitels die Bestimmung des § 60 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 entgegen. Demnach dürfen einem Drittstaatsangehörigen Aufenthaltstitel nicht erteilt werden, wenn gegen ihn eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 iVm 53 Abs. 2 oder 3 FPG besteht. Dies ist verfahrensgegenständlich der Fall. Gegen den Beschwerdeführer besteht eine aufrechte, mit einem zehnjährigen Einreiseverbot verbundene Rückkehrentscheidung, was jedenfalls ein Erteilungshindernis darstellt.

Die belangte Behörde ist daher zu Recht davon ausgegangen, dass der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 gemäß § 58 Abs. 10 iVm § 60 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 zurückzuweisen war. Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

4. Zum Unterbleiben der mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

Eine mündliche Verhandlung kann unterbleiben, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungsrelevante Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Ferner muss die Verwaltungsbehörde die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (VwGH 28.05.2014, 2014/20/0017). Eine mündliche Verhandlung ist bei konkretem sachverhaltsbezogenem Vorbringen des Revisionswerbers vor dem VwG durchzuführen (VwGH 30.06.2015, Ra 2015/06/0050, mwN). Eine mündliche Verhandlung ist ebenfalls durchzuführen zur mündlichen Erörterung von nach der Aktenlage strittigen Rechtsfragen zwischen den Parteien und dem Gericht (VwGH 30.09.2015, Ra 2015/06/0007, mwN) sowie auch vor einer ergänzenden Beweiswürdigung durch das VwG (VwGH 16.02.2017, Ra 2016/05/0038). § 21 Abs 7 BFA-VG 2014 erlaubt andererseits das Unterbleiben einer Verhandlung, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint (VwGH 23.11.2016, Ra 2016/04/0085; 22.01.2015, Ra 2014/21/0052 ua). Diese Regelung steht im Einklang mit Art 47 Abs 2 GRC (VwGH 25.02.2016, Ra 2016/21/0022).

Die vorgenannten Kriterien treffen in diesem Fall zu. Der Sachverhalt ist durch die belangte Behörde vollständig erhoben und weist - aufgrund des Umstandes, dass zwischen der Entscheidung durch die belangte Behörde und jener durch das Bundesverwaltungsgericht nur etwa zwei Monate liegen - die gebotene Aktualität auf. Der Beweiswürdigung durch die belangte Behörde hat sich das Bundesverwaltungsgericht zur Gänze angeschlossen. Es lagen keine strittigen Sachverhalts- oder Rechtsfragen vor und es waren auch keine Beweise aufzunehmen. Auch im Beschwerdevorbringen vom 09.01.2020 wurde kein Sachverhalt vorgebracht, der eine entscheidungsmaßgebliche Veränderung gegenüber dem Administrativverfahren erkennen lässt.

Daher konnte aufgrund der Aktenlage entschieden werden und die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben.

Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind somit weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen und konnte sich das Bundesverwaltungsgericht bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK Einreiseverbot entschiedene Sache geänderte Verhältnisse Privat- und Familienleben Prozesshindernis der entschiedenen Sache res iudicata Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I415.2171316.2.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten