TE Vwgh Erkenntnis 1998/2/17 94/08/0066

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Veröffentlicht am 17.02.1998
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §14 Abs9 idF 1989/651;
AlVG 1977 §14 Abs9 idF 1990/0408;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winkler, über die Beschwerde der Dr. I M in 5020 Salzburg, vertreten durch

Dr. W. Steinwender, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Auerspergstraße 15, gegen den aufgrund des Beschlusses des Unterausschusses des zuständigen Verwaltungsausschusses ausgefertigten Bescheid des Landesarbeitsamtes Salzburg vom 7. Februar 1994, Zl. IV-7022 B, VNr.: 4413 091260, betreffend Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin war seit 15. Jänner 1991 bei der W. GmbH als Leiterin der Rechtsabteilung beschäftigt. Aus Anlaß der Geburt ihres Kindes am 6. März 1993 vereinbarte sie mit ihrem Dienstgeber einen Karenzurlaub für die Zeit vom 2. Mai 1993 bis 6. Juni 1995. Vom 2. bis 31. Mai 1993 bezog sie danach beim Arbeitsamt Salzburg Karenzurlaubsgeld. Bereits mit 1. Juni 1993 nahm sie allerdings wieder die Beschäftigung beim ursprünglichen Arbeitgeber auf. Mit Ablauf des 31. Juli 1993 wurde das Dienstverhältnis im beiderseitigen Einverständnis gelöst.

Am 2. August 1993 stellte die Beschwerdeführerin beim Arbeitsamt Salzburg einen Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld.

Mit Bescheid vom 13. Oktober 1993 gab das Arbeitsamt unter Berufung auf § 7 Z. 2 sowie § 14 Abs. 2, 7, 8 und 9 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 (AlVG) dem Antrag keine Folge. Nach der Begründung sei die Beschwerdeführerin im Anschluß an ihren Karenzurlaub nur 61 Tage bei der W. GmbH beschäftigt gewesen. Eine Anspruchsvoraussetzung für die Gewährung des Arbeitslosengeldes sei unter anderem die Erfüllung der Anwartschaft. Diese sei gemäß § 14 AlVG nach dem Bezug von Karenzurlaubsgeld erfüllt, wenn innerhalb der letzten 12 Monate vor Geltendmachung 20 Wochen arbeitslosenversicherungspflichtige Zeiten im Inland vorlägen. Die Beschwerdeführerin könne allerdings nur 61 Tage, das seien 8 Wochen und 5 Tage, vorweisen; Zeiten vor dem Bezug von Karenzurlaubsgeld seien als verbraucht anzusehen. Die "Bonusregelung" des § 14 Abs. 9 AlVG komme nach den Erläuternden Bemerkungen zum Gesetzestext nur dann zur Anwendung, wenn zwischen den Elternteilen ein wechselweiser Bezug von Karenzurlaubsgeld vorliege.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung. Dabei vertrat sie im wesentlichen die Auffassung, aus der Formulierung des § 14 Abs. 9 AlVG ergebe sich nicht, daß diese Bestimmung nur dann zur Anwendung kommen solle, wenn die Eltern den Karenzurlaub untereinander geteilt hätten. Für ihre Auffassung spreche auch der Kommentar von Frank/Ullrich zum Arbeitslosenversicherungsgesetz.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung keine Folge gegeben. Nach der Begründung komme der Erwerb von Anwartschaften auf Arbeitslosengeld aufgrund nicht verbrauchter Bezugszeiten von Karenzurlaub nur dann zum Tragen, wenn die Kindesmutter (der Kindesvater) kein Karenzurlaubsgeld mehr beziehen könne, weil eine Anspruchsvoraussetzung vor Erreichung des Höchstausmaßes weggefallen sei und daher auch keine Möglichkeit bestehe, das Karenzurlaubsgeld bis zum Höchstausmaß zu beziehen. In diesem Sinne werde auch in den Erläuternden Bemerkungen (1302 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates 17. GP) zu der ab 1. Juli 1990 gültigen Fassung des § 14 Abs. 9 AlVG (BGBl. Nr. 408/90) ausgeführt, daß in der Praxis besondere Härtefälle dadurch eintreten könnten, daß die Mutter vor Erreichung des Höchstausmaßes von 308 Tagen aus dem Bezug von Karenzurlaubsgeld ausscheide und somit auch keine Abgeltung des Arbeitslosengeldes im ursprünglichen Sinn erhalte. Für diese sozialen Härtefälle bestimme § 14 Abs. 9 eine Berücksichtigung von je einem halben Tag auf die Anwartschaft von Arbeitslosengeld für jeden Tag, für den die Mutter das ihr gebührende Karenzurlaubsgeld nicht bezogen habe. Ein weiterer Anwendungsbereich der Bestimmung des § 14 Abs. 9 AlVG liege bei der Teilung des Karenzurlaubes zwischen Kindesmutter und Kindesvater vor. Auch aus der Stammfassung des § 14 Abs. 9 (BGBl. Nr. 651/89) sei die Absicht des Gesetzgebers zu erkennen, die "Bonusregelung" bei geteiltem Karenzurlaubsgeldbezug in Anwendung zu bringen. Es entspreche daher nicht der Absicht des Gesetzgebers, die begünstigende Anwartschaftsregelung des § 14 Abs. 9 AlVG auf jene Fälle zu übertragen, bei denen sämtliche Voraussetzungen für den Bezug des Karenzurlaubsgeldes vorlägen und nur zu Gunsten eines höheren Arbeitslosengeldbezuges auf das Karenzurlaubsgeld verzichtet werde. Dieser Auslegung stehe auch der Kommentar von Frank/Ullrich zum Arbeitslosenversicherungsgesetz nicht entgegen, wo in Fußnote 18 zu § 14 AlVG ausgeführt werde, daß die neue Bonusregelung für alle Karenzurlaubsgeld-Bezüge gelte, unabhängig davon, ob der Karenzurlaub geteilt worden sei oder nicht. Mit der novellierten Fassung sei die Bonustageregelung zur Vermeidung sozialer Härten auf jene Fälle ausgedehnt worden, bei denen die materiellen Anspruchsvoraussetzungen auf Karenzurlaubsgeld vor Erreichung des Höchstausmaßes weggefallen seien. Mangels Anwendbarkeit des § 14 Abs. 9 AlVG sei der Berufung daher keine Folge zu geben gewesen, da die erforderlichen Anwartschaftszeiten im Ausmaß von 20 Wochen bei der Beschwerdeführerin nicht vorlägen. Ihre soziale Absicherung sei im übrigen durch den derzeitigen Bezug von Karenzurlaubsgeld gewährleistet.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist unbestritten, daß die Beschwerdeführerin Karenzurlaubsgeld nur vom 2. bis 31. Mai 1993, also durch 30 Tage, bezogen hat. Unbestritten ist ferner, daß sie aufgrund der daran anschließenden Beschäftigung bei der W. GmbH vom 1. Juni bis 31. Juli 1993 nur Anwartschaftszeiten im Ausmaß von 61 Tagen erworben hat.

Nach § 14 Abs. 7 AlVG sind Zeiten, die bei der Beurteilung der Anwartschaft auf Karenzurlaubsgeld herangezogen worden sind, bei der Beurteilung der Anwartschaft auf (späteres) Arbeitslosengeld grundsätzlich (von im Beschwerdefall nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen) nicht mehr zu berücksichtigen. Im Beschwerdefall sind dies die Zeiten vor dem 2. Mai 1993 hinsichtlich des ab 2. August 1993 geltend gemachten Anspruches auf Gewährung von Arbeitslosengeld.

Gemäß § 14 Abs. 8 AlVG gilt die Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld nach einem Bezug von Karenzurlaubsgeld als weitere Inanspruchnahme im Sinne des § 14 Abs. 2 AlVG. Danach wäre es im Sinne der im Beschwerdefall anzuwendenden Rechtslage erforderlich, daß die Beschwerdeführerin in den letzten 12 Monaten vor Geltendmachung, also in der Zeit vom 1. August 1992 bis 31. Juli 1993, 20 Wochen arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war. Diese Voraussetzung ist im Beschwerdefall allerdings nicht gegeben, da die Beschwerdeführerin - abgesehen von den gemäß § 14 Abs. 7 AlVG nicht mehr heranzuziehenden Zeiten - nur vom 1. Juni 1993 bis 31. Juli 1993, somit nur 61 Tage bzw. nicht ganz 9 Wochen, beschäftigt gewesen ist.

Im Beschwerdefall ist daher ausschließlich die Frage strittig, ob die "Bonusregelung" des § 14 Abs. 9 AlVG idF des Art. VIII Z. 2 des Karenzurlaubserweiterungsgesetzes, BGBl. Nr. 408/1990 (in der Folge: KUEG), anzuwenden ist. Diese Bestimmung hat folgenden Inhalt:

"(9) Hat ein Elternteil aus Anlaß der Geburt eines Kindes Karenzurlaubsgeld auf Grund einer Anwartschaft im Ausmaß von weniger als 308 Tagen bezogen, dann vermindert sich für ihn die neuerlich erforderliche Anwartschaft auf Arbeitslosengeld für jeden von ihm weniger bezogenen Tag um einen halben Tag. Das Ergebnis ist auf volle Tage aufzurunden."

Wäre § 14 Abs. 9 AlVG in der wiedergegebenen Fassung anwendbar, so würde sich die erforderliche Anwartschaftszeit der Beschwerdeführerin von 20 Wochen (= 140 Tage) um 139 Tage vermindern ((308 Tage - 30 Tage) : 2); die Beschwerdeführerin benötigte somit nur mehr einen Tag einer neuerlichen Anwartschaft (vgl. zur Berechnung der "Bonustage" Ullrich/Ehrenreich, Arbeitslosenversicherungsgesetz, S. 44). Da die Beschwerdeführerin nach einem Karenzurlaub von 30 Tagen wieder 61 Tage bei der W. GmbH beschäftigt war, hätte sie die neuerliche Anwartschaft für die Gewährung von Arbeitslosengeld erfüllt.

Die belangte Behörde vertritt dazu allerdings - im wesentlichen gestützt auf die Gesetzesmaterialien - die Auffassung, § 14 Abs. 9 AlVG sei nur im Falle einer Teilung des Karenzurlaubes zwischen den Eltern anzuwenden. Werde - wie im Beschwerdefall - der Karenzurlaub bloß vorzeitig beendet, um eine neuerliche Beschäftigung aufzunehmen, so widerspreche es der Absicht des Gesetzgebers, daß höheres Arbeitslosengeld bezogen werde.

Diese Auffassung erweist sich aus folgenden Erwägungen als unzutreffend:

Im Beschwerdefall ist davon auszugehen, daß Abs. 9 des § 14 AlVG mit Art. VI des Eltern-Karenzurlaubsgesetzes, BGBl. Nr. 651/1989 (EKUG), eingeführt worden ist. Diese Bestimmung hatte folgenden Inhalt:

"(9) Haben der Kindesvater und die Kindesmutter für dasselbe Kind abwechselnd Karenzurlaubsgeld bezogen und wird einer oder werden beide Elternteile nach dem Bezug von Karenzurlaubsgeld arbeitslos, dann vermindert sich die Anwartschaft auf Arbeitslosengeld für jeden vom jeweiligen Elternteil nicht verbrauchten Tag an Karenzurlaubsgeld um einen halben Tag, wobei das Ergebnis auf volle Tage aufzurunden ist."

Sowohl die entsprechenden Initiativanträge (vgl. I A 298/A, S. 57, und 309/A, S. 56 f, 17. GP) als auch der Ausschußbericht (vgl. 1166 BlgNR, 17. GP, S. 3) führten dazu wortgleich aus:

"Durch den Bezug von Karenzurlaubsgeld wird die Anwartschaft auf Arbeitslosengeld verbraucht. Bei einem zwischen Vater und Mutter geteilten Karenzurlaubsgeldbezug sind beide Anwartschaften verbraucht. Für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld nach einem Karenzurlaubsgeldbezug sind 20 Wochen Beschäftigung erforderlich. Je nach der Dauer des nicht voll in Anspruch genommenen Karenzurlaubsgeldbezuges von maximal 10 Monaten (= rund 300 Tage) soll ein Bonus für die Erbringung der Anwartschaft auf das Arbeitslosengeld gewährt werden."

Die von der belangten Behörde im Beschwerdefall vertretene Auffassung, daß § 14 Abs. 9 AlVG nur im Falle einer Teilung des Karenzurlaubes zwischen den Eltern anwendbar sein soll, war daher aufgrund der Stammfassung dieser Bestimmung (aber auch durch die wiedergegebenen Materialien) klar gedeckt. Der Wortlaut der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung des § 14 Abs. 9 (vgl. dazu die oben wiedergegebene Formulierung des KUEG, BGBl. Nr. 408/1990) spricht allerdings gegen eine solche Auslegung. Zwar könnte für die Interpretation der belangten Behörde ins Treffen geführt werden, daß § 14 Abs. 9 AlVG in der novellierten Fassung die Formulierung "ein Elternteil" und "für ihn" verwendet. Ebenso heißt es in dem entsprechenden Initiativantrag (vgl. I A 428/A 17. GP, S. 76), daß die Regelung inhaltlich dem geltenden § 14 Abs. 9 entspricht und lediglich unter Bedachtnahme auf das zweite Karenzurlaubsgeld-Jahr und aus Gleichheitserwägungen neu formuliert worden ist. (Die von der belangten Behörde zitierten Beilagen der 17. GP Nr. 1302 enthalten das von ihr wiedergegebene Zitat nicht; sie sind zu einer im Beschwerdefall nicht anzuwendenden Novelle des AlVG, nämlich BGBl. Nr. 412/1990, ergangen.) Angesichts des sonst jedoch klaren Wortlautes des Gesetzes muß allerdings die Auslegung der belangten Behörde versagen. Hätte der Gesetzgeber derartiges beabsichtigt, so hätte er dies im Gesetzestext eindeutig zum Ausdruck bringen müssen. Die von der belangten Behörde gewählte Auslegung des § 14 Abs. 9 AlVG in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung des KUEG, BGBl. Nr. 408/1990, erweist sich daher als unzutreffend.

Aufgrund dieser Erwägungen war der angefochtene Bescheid daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Stempelgebührenersatz konnte nur für drei Beschwerdeausfertigungen und eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides zuerkannt werden.

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1994080066.X00

Im RIS seit

18.10.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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