TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/19 W228 2221562-1

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Veröffentlicht am 19.04.2020
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Entscheidungsdatum

19.04.2020

Norm

ASVG §410
B-VG Art133 Abs4
GSVG §194
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W228 2221562-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Harald WÖGERBAUER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch XXXX GmbH, gegen den Bescheid der SVS (Sozialversicherungsanstalt der Selbstständigen), früher SVA (Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, Landesstelle Niederösterreich) vom 15.05.2019, VSNR: XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Mit Bescheid vom 15.05.2019, VSNR: XXXX , hat die SVS (Sozialversicherungsanstalt der Selbstständigen), früher SVA (Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, Landesstelle Niederösterreich), gemäß §§ 409 und 410 ASVG iVm § 194 GSVG im Spruchpunkt 1.) die Höhe der von XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführerin) zu entrichtenden monatlichen Beiträge in der Pensions- und Krankenversicherung für die Zeit vom 01.01.2013 bis 31.12.2015 festgestellt. Im Spruchpunkt 2.) wurde festgestellt, dass die Beschwerdeführerin verpflichtet ist, zum 28.02.2019 infolge der neuerlichen Bemessung der Beiträge für den Zeitraum 2013 bis 2015 einen Betrag in Höhe von ? 1.385,04 zu entrichten.

In der Begründung des Bescheides wurde die Berechnung der Beitragsgrundlage sowie der monatlichen Beiträge dargestellt und wurden Ausführungen zur Fälligkeit und Einzahlung der Beiträge getätigt. Abschließend wurde ausgeführt, dass die im Schreiben der Rechtsvertretung der Beschwerdeführerin vom 29.04.2019 übermittelte Judikatur des OGH auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar sei, da das Handelsgericht mit Schreiben vom 20.03.2019 mitgeteilt habe, dass es in dem am 09.05.2018 über das Vermögen der Beschwerdeführerin eröffneten Insolvenzverfahren kein Anmeldeverzeichnis gebe. Die Feststellung der Forderung sei daher zulässig.

Gegen diesen Bescheid erhob die Rechtsvertretung der Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 14.06.2019 fristgerecht Beschwerde. Darin wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin in den gegenständlichen Jahren Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit als DJane gehabt habe. Diese Einkünfte seien im Wesentlichen in Österreich und zu einem Teil im Ausland erzielt worden. Die ausländischen Einkünfte seien von der damaligen steuerlichen Vertretung der Beschwerdeführerin fehlerhaft als inländische Einkünfte in die Steuererklärungen der Jahre 2013 bis 2015 aufgenommen worden. Trotz diesbezüglicher Beauftragung sei von der damaligen Steuerberatung die Meldung der ausländischen Einkünfte an die SVS nicht durchgeführt worden. Allfällige Meldeverstöße könnten der Beschwerdeführerin daher nicht zur Last gelegt werden. Am 09.05.2018 sei über das Vermögen der Beschwerdeführerin das Konkursverfahren eröffnet worden. Von der SVS seien Forderungen in Höhe von ? 12.489,68 für den Zeitraum 01.10.2015 bis 09.05.2018 angemeldet worden. Am 29.06.2018 habe die nunmehrige steuerliche Vertretung der Beschwerdeführerin die Einkommenssteuerbescheide 2013 bis 2015 an die SVS übermittelt und mitgeteilt, dass die Steuerbescheide infolge des Erzielens ausländischer Einkünfte zu berichtigen seien. In weiterer Folge seien die Sozialversicherungsbeiträge berichtigt und die Forderungsanmeldung der SVS zurückgezogen worden. Das Konkursverfahren sei am 31.08.2018 mit Zustimmung aller Gläubiger aufgehoben worden. Der im Konkursverfahren angemeldete Saldo habe Rückstände aus den Beitragsjahren 2015 bis Konkurseröffnung betroffen. Mit Schreiben der SVS vom 20.10.2018 sei der Beschwerdeführerin eine Information über die endgültige Bemessung der Jahre 2015 bis 2017 mit einer Nachbelastung von ? 11.913,24 übermittelt worden. Gemäß § 109 IO würden Forderungen im Insolvenzverfahren als festgestellt gelten, wenn sie vom Insolvenzverwalter anerkannt und von keinem dazu berechtigten Insolvenzgläubiger bestritten wurden. Nach der ständigen Judikatur des OGH habe § 109 IO die Wirkung einer rechtskräftigen Entscheidung über den Bestand einer Forderung. Forderungen seien im Konkursverfahren anzumelden. Eine bedingte Anmeldung sei nicht möglich. Das Konkursverfahren sei mit Zustimmung der Gläubiger infolge einer Erfüllung der Quote zu 100% aufgehoben worden. Fehlerhafte Forderungsanmeldungen würden zu Lasten des Gläubigers gehen. Nachträglich hervorgekommene Forderungen hätten nur Anspruch auf die im Konkursverfahren bezahlte Quote, als diese der Einkommens- und Vermögenslage des Schuldners entspreche. Dies habe das Insolvenzgericht auf Antrag zu entscheiden. Ein solcher Antrag sei seitens der SVS nicht gestellt worden. Bei korrekter Forderungsanmeldung wäre von der Beschwerdeführerin der Antrag auf Abschluss eines Zahlungsplanes gestellt worden und wäre die Beschwerdeführerin nach Erfüllung schuldenfrei gewesen.

Die Beschwerde wurde unter Anschluss der Akten des Verfahrens am 22.07.2019 dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Am 09.05.2018 wurde über das Vermögen der Beschwerdeführerin vom Handelsgericht Wien das Insolvenzverfahren eröffnet.

Die SVS hat in diesem Insolvenzverfahren am 21.06.2018 eine Insolvenzforderung in Höhe von ? 12.573,14 angemeldet.

Die steuerliche Vertretung der Beschwerdeführerin hat der SVS am 29.06.2018 neue Einkommenssteuerbescheide für die Jahre 2013, 2014 und 2015, jeweils vom 28.06.2018, übermittelt und mitgeteilt, dass die Steuerbescheide infolge des Erzielens ausländischer Einkünfte zu berichtigen waren.

Der Einkommenssteuerbescheid 2013 vom 28.06.2018 weist Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von ? 32.838,84 und Progressionseinkünfte in Höhe von ? 10.251,52 aus.

Der Einkommenssteuerbescheid 2014 vom 28.06.2018 weist Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von ? 31.825,22 und Progressionseinkünfte in Höhe von ? 4.520,85 aus.

Der Einkommenssteuerbescheid 2015 vom 28.06.2018 weist Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von ? 3.483,40 und Progressionseinkünfte in Höhe von ? 6.410,72 aus.

Aufgrund dieser Einkommenssteuerbescheide vom 28.06.2018 wurden die Beitragsgrundlagen neu bemessen und hat die SVS dem Handelsgericht Wien mit Schriftsatz vom 06.07.2018 mitgeteilt, dass aufgrund der Berichtigung der Beitragsgrundlagen für die Jahre 2013, 2014, 2015 und 2018 die im Insolvenzverfahren angemeldete Forderung in Höhe von ? 12.573,14 zurückgezogen wird. Dieses Schreiben der SVS vom 06.07.2018 enthält keinen Hinweis, ob ein Anspruchsverzicht abgegeben wird oder nicht.

Das Insolvenzverfahren wurde am 31.08.2018 mit Zustimmung aller Gläubiger aufgehoben.

Im oben angeführten Insolvenzverfahren gibt es kein Anmeldeverzeichnis, weil im Zeitpunkt der allgemeinen Prüfungstagsatzung keine Forderungen mehr vorlagen und damit eine Forderungsprüfung unterblieb. Die SVS sowie die zweite Gläubigerin hatten ihre Forderungsanmeldungen noch vor der allgemeinen Prüfungstagsatzung zurückgezogen.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Sachverhaltsfeststellungen konnten unmittelbar aufgrund der Aktenlage getroffen werden. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus der Aktenlage und ist unstrittig. Es handelt sich um eine reine Beurteilung der Rechtsfrage.

Die Feststellung, wonach es im Konkursverfahren kein Anmeldeverzeichnis gibt, ergibt sich aus der Mitteilung des Handelsgerichts Wien vom 20.03.2019.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 194 GSVG gelten hinsichtlich des Verfahrens zur Durchführung dieses Bundesgesetzes die Bestimmungen des Siebenten Teiles des ASVG. Gemäß § 414 Abs. 2 ASVG entscheidet in Angelegenheiten nach § 410 Abs. 1 Z 1, 2 und 6 bis 9 das Bundesverwaltungsgericht auf Antrag einer Partei durch einen Senat; dies gilt auch für Verfahren, in denen die zitierten Angelegenheiten als Vorfragen zu beurteilen sind. Nach § 194 Z 5 GSVG sind die Abs. 2 und 3 des § 414 ASVG, welche die Entscheidung eines Senates auf Antrag einer Partei in Angelegenheiten des § 410 Abs. 1 Z 1, 2 und 6 bis 9 ASVG vorsehen, in Verfahren zur Durchführung des GSVG jedoch nicht anzuwenden. Da die Entscheidung durch einen Senat auch sonst nicht vorgesehen ist, liegt im gegenständlichen Fall Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

Den oben getroffenen Feststellungen folgend hat die SVS im oben angeführten Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beschwerdeführerin am 21.06.2018 eine Insolvenzforderung in Höhe von ? 12.573,14 angemeldet. Mit Schreiben vom 06.07.2018 hat sie dem Insolvenzgericht mitgeteilt, dass die im Verfahren angemeldete Forderung zurückgezogen werde.

Am 31.08.2018 wurde das Konkursverfahren mit Zustimmung aller Gläubiger aufgehoben.

Nach Aufhebung des Konkursverfahrens führte die SVS neuerlich eine Berichtigung (Erhöhung) der Beitragsgrundlage durch, woraus für die Beschwerdeführerin eine Nachbelastung mit Versicherungsbeiträgen resultiert. Mit Schreiben der SVS vom 20.10.2018 wurde der Beschwerdeführerin eine Information über die endgültige Bemessung der Beitragsgrundlage der Jahre 2015 bis 2017 mit einer Nachbelastung von ? 11.913,24 übermittelt. In der Folge wurde der gegenständlich angefochtene Bescheid vom 15.05.2019 erlassen.

In der Beschwerde wird ausgeführt, dass der Bescheid vom 15.05.2019 zu Unrecht erlassen worden sei, da im gegenständlichen Fall § 109 IO zur Anwendung gelange. Dem ist wie folgt entgegenzuhalten:

"Nach der hRsp ist eine Zurücknahme der Forderungsanmeldung und danach eine Neuanmeldung ohne Einschränkungen zulässig. Begründet wird das damit, dass hinter der Zurücknahme kein Verzicht auf die Insolvenzforderung, sondern nur ein Verzicht auf den "Konkursteilnahmeanspruch" liege.

Die hM ist nicht zu teilen. [...] Wie im Prozess bedeutet eine Klagszurücknahme keinen materiellen Verzicht auf die Klagsforderung, sondern nur auf Rechtsschutz im Verfahren. Wie im Prozess wird im Insolvenzverfahren nicht bloß ein verfahrensrechtlicher "Teilnahmeanspruch" geltend gemacht, sondern ein materiellrechtlicher Haftungsanspruch. [...] Ab der Reaktion der Verfahrensbeteiligten, also ab der Prüfungstagsatzung, ist eine Forderungsprüfung nur mehr mit Zustimmung des Insolvenzverwalters oder unter Anspruchsverzicht möglich. [...]

Zur Abwicklung: Die Zurücknahme einer Forderungsanmeldung ist als Gegenakt zur Anmeldung dem Insolvenzgericht gegenüber zu erklären. Dieses hat eine klare Äußerung zu verlangen, ob mit oder ohne Anspruchsverzicht zurückgenommen wird. Im zweiten Fall ist der Verwalter zur Erklärung aufzufordern. Bei wirksamer Zurücknahme stellt der Verwalter im AVZ den Betrag der Forderung auf Null und merkt die Zurücknahmeerklärung an. Der Lehre folgend, muss die Zurücknahme den Beisatz aufweisen, ob sie mit oder ohne Anspruchsverzicht erfolgt." (Konecny in Konecny (Hrsg), ZIK Spezial - Insolvenzrecht und Kreditschutz 2015 (2015), Forderungsanmeldung und Anmeldungsverzeichnis, 97f).

Im gegenständlichen Fall waren am Tag der Prüfungstagsatzung alle Forderungen zurückgezogen. Das Schreiben der SVS vom 06.07.2018, mit welchem dem Insolvenzgericht mitgeteilt wurde, dass die im Insolvenzverfahren angemeldete Forderung zurückgezogen wird, enthält keinen Hinweis ob ein Anspruchsverzicht abgegeben wird oder nicht.

Wie festgestellt, gibt es im gegenständlichen Insolvenzverfahren kein Anmeldeverzeichnis und liegt kein Anspruchsverzicht der SVS vor. Die SVS kann, egal ob man der herrschenden Rechtsprechung des OGH oder der Meinung von Konecny folgt, die Forderung neuerlich geltend machen, da bis zur Prüfungstagsatzung (genauer bis zur Erstellung eines Anmeldeverzeichnisses) aufgrund beider Ansichten eine Zurücknahme der Forderungsanmeldung und danach eine Neuanmeldung ohne Einschränkungen zulässig ist, da es im, die Beschwerdeführerin betreffenden, Insolvenzverfahren aufgrund der Forderungszurückziehungen kein Anmeldeverzeichnis gab und der Verwalter im Sinne der Meinung von Konecny mangels eines Solchen auch die Forderung nicht auf 0 stellen kann. Daher brauchte auch das Schreiben der SVS vom 06.07.2018 keinen Hinweis ob ein Anspruchsverzicht abgegeben wird oder nicht.

Die Feststellung der Forderung in voller Höhe durch die belangte Behörde ist daher zulässig.

Die Beschwerde ist daher als unbegründet abzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Beitragsgrundlagen Beitragspflicht Forderungsanmeldung Insolvenzverfahren Nachzahlungsverpflichtung Zurückziehung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W228.2221562.1.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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