TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/5 W234 2199674-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.05.2020
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Entscheidungsdatum

05.05.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
KOG §1 Abs1
KOG §2 Abs1 Z7
KOG §2 Abs1 Z9
KOG §36
ORF-G §1a Z8
ORF-G §14
ORF-G §3 Abs1
ORF-G §35 Abs3
ORF-G §36 Abs4
ORF-G §37 Abs1
ORF-G §37 Abs4
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W234 2199674-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Thomas HORVATH als Vorsitzenden, die Richterin Mag. Ingrid ZEHETNER als Beisitzerin und den Richter Dr. Peter CHVOSTA als Beisitzer über die Beschwerde des Österreichischen Rundfunks gegen den Bescheid der Kommunikationsbehörde Austria vom 30.05.2018, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Am 28.09.2017 wurde in dem vom Österreichischen Rundfunk (im Folgenden ORF) betriebenen österreichweiten Hörfunkprogramm Ö1 ein Beitrag gesendet, in dem ein Auszug einer Tonaufzeichnung einer Veranstaltung mit dem Hinweis wiedergegeben wurde, dass diese Aufzeichnung auf der Ö1-CD "Ist die schwarze Köchin da? - Alt sein für Anfänger" verfügbar sei. Wegen der Sendung dieses Beitrages sah die Kommunikationsbehörde Austria (im Folgenden belangte Behörde) einen begründeten Verdacht der Verletzung des § 14 Abs. 4 ORF-G, wonach zumindest ein bundesweit ausgestrahltes Hörfunkprogramm frei von Werbung sein muss.

2. Mit Schreiben vom 18.10.2017 informierte die belangte Behörde den ORF über die Einleitung eines Verfahrens zur Feststellung der Rechtsverletzung und forderte den ORF zu einer Stellungnahme dazu auf.

3. Mit Schreiben vom 03.11.2017 erfolgte die Stellungnahme des ORF. In der Stellungnahme trat der ORF der vorläufigen rechtlichen Beurteilung der belangten Behörde entgegen. Der ORF führte im Wesentlichen aus, er könne im genannten Beitrag keine Werbung erkennen; vielmehr handle es sich um einen neutralen Hinweis auf eine Eigenproduktion, die wegen des hohen kulturellen Wertes der aufgezeichneten Veranstaltung erfolgt sei. Im Übrigen sei im Beitrag keine Bezugsquelle der Ö1-CD genannt worden, was ebenso gegen dessen Qualifikation als Werbung spreche.

4. Dann wurde der hier angefochtene Bescheid der belangten Behörde vom 30.05.2018 erlassen. Mit diesem Bescheid stellte die belangte Behörde fest, dass der ORF durch den als Werbung im Sinne des § 1a Z 8 ORF-G zu qualifizierenden Beitrag gegen § 14 Abs. 4 ORF-G verstoßen habe (Spruchpunkt 1). Unter einem trug die belangte Behörde dem ORF auf, binnen sechs Wochen ab Rechtskraft der Entscheidung folgende Information über die Rechtsverletzung an einem Werktag (Montag bis Freitag) zwischen 16 und 17 Uhr im Hörfunkprogramm Ö1 zu veröffentlichen (Spruchpunkt 2a): "Die Kommunikationsbehörde Austria hat im Rahmen ihrer Rechtsaufsicht über den ORF Folgendes festgestellt: Am 28.09.2017 wurde im Hörfunkprogramm ?Ö1' durch einen Spot zugunsten einer Ö1-CD Werbung gesendet. Damit wurde gegen das gesetzliche Gebot, dass ein österreichweites Programm des Hörfunks des ORF von Werbung frei zu bleiben hat, verstoßen." Unter einem wurde dem ORF die Verpflichtung auferlegt, binnen weiterer zwei Wochen der belangten Behörde einen Nachweis der Veröffentlichung zu übermitteln (Spruchpunkt 2b).

Die belangte Behörde führte in ihrer Begründung aus, dass die Moderation des Beitrages mit den Worten "augenzwinkernde Reflexionen über das Altwerden der Wiener Autorin XXXX " eine qualitativ-wertende Formulierung enthalte, welche für die Qualifikation als Werbung im Sinne des § 1a Z 8 ORF-G spreche. Darüber hinaus biete der Beitrag mit einer Länge von 54 Sekunden eine "detaillierte und vielversprechende Hörprobe" und sei geeignet, den Hörer zum Kauf der CD zu animieren. In dieser Kombination seien die Textpassagen des Beitrages zweifellos dazu geeignet, bei einem unentschlossenen oder uninformierten Hörer besonderes Interesse am Erwerb dieser Ö1-CD zu wecken. Ferner handle es sich beim inkriminierten Beitrag um eine "vom sonstigen redaktionellen Programm völlig losgelöste Passage", die einem typischen Werbespot gleichkomme. Die Absicht, den Absatz der CD zu fördern, werde schließlich durch einen konkreten Hinweis auf eine Bezugsquelle ersichtlich. Denn der Beitrag enthalte die Aussage "Alle Informationen dazu bekommen Sie beim Ö1 Service und im Internet: oe1.orf.at". Der online-Shop des ORF, wo die CD bezogen werden könne, sei wiederum durch lediglich einen Klick auf den Link "Shop" der im Beitrag genannten Website "oe1.orf.at" erreichbar. Daher könne diese Aussage des Beitrages nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich diese "Informationen" vordringlich auf die Möglichkeit des entgeltlichen Bezugs der CD beziehen. Der Beitrag verfolge daher "augenscheinlich" das Ziel, den Absatz eines entgeltlichen Produkts, nämlich der Ö1-CD, zu fördern, weshalb er als Werbung für ein eigenes Produkt des Hörfunkveranstalters anzusehen sei.

5. Dagegen erhob der ORF fristgerecht die hier zu erledigende Beschwerde, welche dem Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 28.06.2018 samt Verwaltungsakt zur Entscheidung vorgelegt wurde. In der Beschwerde wurde dem von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt, soweit er die Sendung und den Inhalt des Hörfunkbeitrags betrifft, ausdrücklich nicht entgegengetreten. In tatsächlicher Hinsicht wurde lediglich bestritten, dass zum Tatzeitpunkt die im Beitrag genannte Ö1-CD innerhalb des Sortiments des Online-Shops des ORF (shop.orf.at) "als erstes, oben links" gelistet gewesen sei, wie dies die belangte Behörde feststellte. Denn der betreffende Screenshot der belangten Behörde sei am 12.10.2017 - mithin erst zwei Wochen später - aufgenommen worden; auch sei die abgebildete Reihenfolge der Artikel wohl durch den (Browser-) Suchverlauf der belangten Behörde beeinflusst worden. Jedenfalls gehe der ORF davon aus, dass die Reihenfolge der Listung der Artikel des Online-shops zum Zeitpunkt der Sendung des Hörfunkbeitrages anders als auf dem Screenshot des angefochtenen Bescheids gewesen sei.

Vor allem aber wurde der rechtlichen Beurteilung der belangten Behörde entgegengetreten: Anders als die belangte Behörde könne der ORF im Wort "augenzwinkernd", das in der Moderation verwendet worden sei, keine qualitative Wertung erkennen. Vielmehr handle es sich "für jeden Durchschnittsmenschen um eine kurze und neutrale Beschreibung des Textes der Autorin XXXX ". Diese habe "nämlich keine ?medizinische' Beschreibung des Altwerdens und kein ?dramatisches' Bühnenwerk über ältere Menschen, sondern humoristische Überlegungen formuliert". Deren dialogische Textcollage sei in einer umjubelten Lesung im Radiokulturhaus von den namhaften Schauspielern XXXX und XXXX vorgetragen worden; während dieser Veranstaltung sei die betreffende CD aufgezeichnet worden. Trotz des humoristischen Gehalts des Texts sei für den Beitrag auf positive Wertungen verzichtet und für den Beitrag ein unkommentierter Auszug der Lesung verwendet worden. Anders als für die belangte Behörde sei für den ORF auch unverständlich, weswegen die Länge des Beitrages für dessen Qualifikation als Werbung mitentscheidend sein solle, zumal die Länge eines Beitrages nach bisheriger Entscheidungspraxis völlig unerheblich sei. Ferner spreche die von der belangten Behörde zitierte Entscheidung des Bundeskommunikationssenates (im Folgenden BKS) vom 25.01.2010, Zl. 611.009/0017-BKS/2009, gerade dagegen, dass ein Verstoß gegen § 14 Abs. 4 ORF-G vorliege. Denn der dieser Entscheidung des BKS zugrundeliegende Hörfunkbeitrag sei vor und nach einer Hörprobe mit Worten wie "herausragende CD-Produktion", "hohe Qualität" sowie "unwiderstehliche Stimmen" moderiert worden. Zudem sei damals auf die konkrete Bezugsquelle auf einer Internetseite des Kooperationspartners verwiesen worden. All dies sei beim gegenständlichen Beitrag nicht der Fall. Ein Verweis auf die Webseite "oe1.orf.at" könne keinen Hinweis auf eine Bezugsquelle darstellen, weil auf dieser Seite die CD nicht erwerbbar sei. Im Übrigen seien sämtliche ORF-Seiten - darunter auch "shop.orf.at" - untereinander verlinkt, weshalb die Rechtsansicht der belangten Behörde dazu führen würde, dass jeder Hinweis auf das ORF-Netzwerk ein mittelbarer Hinweis auf den ORF-Shop und somit als absatzfördernd verboten wäre.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Am 28.09.2017 war im vom ORF betriebenen Hörfunkprogramm Ö1 um ca. 16:04:59 - mit einer Länge von rund 54 Sekunden - im Anschluss an den Wetterbericht ein Beitrag mit folgendem Tonmitschnitt einer zuvor live vor Publikum abgehaltenen Lesung auf Sendung:

XXXX : "Manchmal krachen die Gelenke, dann erschrecke ich und denke, wäre ich doch in jungen Jahren wettgelaufen, schigefahren, eisgeklettert, hochgesprungen, hätte den K2 bezwungen, tollkühn, im Alleingang, ohne Sauerstoff, wie die Ikone Reinhold, unser Bergbezwinger."

XXXX : "Dann wären's heute auch nicht jünger."

[Gelächter des Publikums]

Ö1-Sprecher: "Augenzwinkernde Reflexionen über das Altwerden der Wiener Autorin XXXX . XXXX und XXXX lesen aus der dialogischen Textcollage ?Ist die schwarze Köchin da? - Alt sein für Anfänger'. Ein Mitschnitt aus dem Radiokulturhaus auf einer Ö1-CD. Alle Informationen dazu bekommen Sie beim Ö1-Service und im Internet oe1.orf.at."

Im Anschluss daran wurde ab ca. 16:05:54 Uhr die Sendung "Medizin und Gesundheit" ausgestrahlt.

1.2. Der Online-Shop des ORF (shop.orf.at) ist auf der Homepage von Ö1 (oe1.orf.at) direkt verlinkt und daher mit nur einem Klick von dort aus abrufbar. Im Shop ist die im Beitrag genannte Ö1-CD "Ist die schwarze Köchin da? - Alt sein für Anfänger" gegen Entgelt erwerbbar; dies war auch bei Ausstrahlung des betreffenden Hörfunkbeitrages der Fall.

1.3. In praxi wird angestrebt, das Programm Ö1 frei von Werbung zu gestalten, um dem Gebot des § 14 Abs. 4 ORF-G zu entsprechen, wonach ein österreichweites Hörfunkprogramm von Werbung frei zu bleiben hat.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Länge und der Inhalt des Beitrages, das Datum und die Uhrzeit seiner Ausstrahlung sowie welche Sendungen vor und nach dem Beitrag ausgestrahlt wurden, ergeben sich aus dem Verwaltungsakt und den Feststellungen der belangten Behörde. In der Beschwerde werden diese Tatsachen dezidiert nicht bestritten, sodass diese Feststellungen zweifelsfrei getroffen werden können.

Die Feststellungen zur Aufrufbarkeit des ORF-Online-Shops über nur einen Link von der Seite "oe1.orf.at" aus und zur entgeltlichen Erwerbbarkeit der CD per ORF-Online-Shop stützen sich auf den Akteninhalt der belangten Behörde. Der ORF trat den Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde nämlich lediglich insoweit entgegen, als er bestritt, dass die CD bei Ausstrahlung des Hörfunkbeitrags am Beginn der in seinem Online-Shop verfügbaren Produkte gelistet worden sei. Hingegen bestritt der ORF nicht, dass die CD im ORF-Online-Shop auch schon damals gelistet war und über diesen Online-Shop erworben werden konnte und nach wie vor erworben werden kann. Daher stützen sich die Feststellungen zur Erwerbbarkeit der CD über den Online-Shop des ORF, (unabhängig davon, wo dieser Artikel innerhalb des Sortiments gelistet war und ist) auf die insoweit unbestrittenen Ergebnisse der Erhebungen der belangten Behörde. Bei diesen auch hier herangezogenen Ermittlungsergebnissen handelt es sich um folgende Screenshots der belangten Behörde, welchen die direkte Verlinkung des Online-Shops auf der Seite oe1.orf.at und die Verfügbarkeit der CD im Online-Shop zweifelsfrei entnommen werden kann:

"

Bild kann nicht dargestellt werden

Screenshot von oe1.orf.at

Bild kann nicht dargestellt werden

Screenshot der Website shop.orf.at/oe1/index.tmpl

Bild kann nicht dargestellt werden

Vergrößerter Ausschnitt des Screenshots der Website shop.orf.at/oe1/index.tmpl"

2.2. Die Feststellung, dass in der Praxis angestrebt wird, dem Werbeverbot gemäß § 14 Abs. 4 ORF-G durch die Gestaltung des Hörfunkprogramms Ö1 zu entsprechen, folgt den diesbezüglichen Ausführungen der belangten Behörde, welchen durch den ORF nicht widersprochen wurde.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A)

3.1. Das Bundesgesetz über den Österreichischen Rundfunk, BGBl. Nr. 379/1984 in der Fassung BGBl. I Nr. 24/2020 (im Folgenden ORF-G) lautet auszugsweise:

"Begriffsbestimmungen

§ 1a. Im Sinne dieses Gesetzes bezeichnet

[...]

8. "Fernseh- oder Hörfunkwerbung (Werbung)"

a) jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs, die gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung oder als Eigenwerbung gesendet wird, mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen, gegen Entgelt zu fördern oder

b) jede Äußerung zur Unterstützung einer Sache oder Idee, die gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung gesendet wird;

[...]

Versorgungsauftrag

§ 3. (1) Der Österreichische Rundfunk hat unter Mitwirkung aller Studios

1. für drei österreichweit und neun bundeslandweit empfangbare Programme des Hörfunks [...] zu sorgen.

[...]

3. Abschnitt

Kommerzielle Kommunikation

[...]

Fernseh- und Hörfunkwerbung, Werbezeiten

§ 14. [...]

(4) Eines der österreichweiten Programme des Hörfunks gemäß § 3 Abs. 1 Z 1 hat von Werbung frei zu bleiben. [...]

Regulierungsbehörde

§ 35. [...]

(3) Regulierungsbehörde im Sinne dieses Bundesgesetzes ist, soweit nicht Abweichendes bestimmt wird, die KommAustria.

Entscheidung

§ 37. (1) Die Entscheidung der Regulierungsbehörde besteht in der Feststellung, ob und durch welchen Sachverhalt eine Bestimmung dieses Bundesgesetzes verletzt worden ist.

[...]

(4) Die Regulierungsbehörde kann auf Veröffentlichung ihrer Entscheidung erkennen und dem Österreichischen Rundfunk oder einer Tochtergesellschaft auftragen, wann, in welcher Form und in welchem Programm oder in welchem Online-Angebot diese Veröffentlichung zu erfolgen hat."

Das Bundesgesetz über die Einrichtung einer Kommunikationsbehörde Austria, BGBl. I Nr. 32/2001 in der Fassung BGBl. I Nr. 24/2020 (im Folgenden KOG), lautet auszugsweise:

1. Abschnitt

Regulierungsbehörde

Kommunikationsbehörde Austria

§ 1. (1) Zur Verwaltungsführung und Besorgung der Regulierungsaufgaben im Bereich der elektronischen Audiomedien und der elektronischen audiovisuellen Medien einschließlich der Aufsicht über den Österreichischen Rundfunk und seine Tochtergesellschaften, ist die Kommunikationsbehörde Austria ("KommAustria") eingerichtet.

[...]

Aufgaben und Ziele der KommAustria

§ 2. (1) Die Verwaltungsführung und Besorgung der Regulierungsaufgaben im Sinne des § 1 Abs. 1 umfasst die der KommAustria durch gesonderte bundesgesetzliche Vorschriften zugewiesenen Aufgaben, insbesondere:

[...]

7. Beobachtung der Einhaltung der Bestimmungen des 3. Abschnitts des ORF-Gesetzes sowie der werberechtlichen Bestimmungen der §§ 9 bis 9b und 18 ORF-G durch den Österreichischen Rundfunk und seine Tochtergesellschaften sowie der Einhaltung der Bestimmungen der §§ 31 bis 38 und 42a bis 45 AMD-G und der §§ 19 und 20 PrR-G durch private Rundfunkveranstalter und Mediendiensteanbieter. Zur Erfüllung dieser Aufgabe hat die KommAustria in regelmäßigen, zumindest aber monatlichen Abständen bei allen Rundfunkveranstaltern und Mediendiensteanbietern Auswertungen von Sendungen und Mediendiensten, die kommerzielle Kommunikation beinhalten, durchzuführen. Im Fall des Österreichischen Rundfunks sind auch die Online-Angebote erfasst. Binnen vier Wochen, gerechnet vom Zeitpunkt der Ausstrahlung der Sendung oder der Bereitstellung, hat die Regulierungsbehörde jene Sachverhalte, bei denen der begründete Verdacht einer Verletzung der genannten Bestimmungen vorliegt, von Amts wegen weiter zu verfolgen,

[...]

9. Wahrnehmung der Rechtsaufsicht über den Österreichischen Rundfunk und seine Tochtergesellschaften sowie Führen von Verwaltungsstrafverfahren nach Maßgabe des ORF-Gesetzes,

[...]

5. Abschnitt

Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht

Zuständigkeit

§ 36. Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet über Beschwerden in jenen Fällen, in denen die KommAustria belangte Behörde ist (§ 9 Abs. 2 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes - VwGVG, BGBl I. Nr. 33/2013), durch Senat.

Wahrnehmung von Aufgaben und Befugnissen

§ 37. Soweit in Bundesgesetzen der KommAustria in erster Instanz Aufgaben und Befugnisse als Regulierungsbehörde zugewiesen sind, stehen diese auch dem Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Wahrnehmung seiner Aufgaben zu."

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 36 KommAustria-Gesetz (im Folgenden KOG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden in jenen Fällen, in denen die Kommunikationsbehörde Austria belangte Behörde ist, durch Senat. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

3.2. Zum hier relevanten Beitrag:

Vorauszuschicken ist, dass gesetzlich nicht festgelegt ist, welches der drei österreichweiten Hörprogramme des ORF gemäß § 14 Abs. 4 erster Satz ORF-G werbefrei zu halten ist. In der Praxis wird die Einhaltung dieses Werbeverbots durch die Gestaltung des Hörfunkprogramms Ö1 angestrebt (vgl. VwGH 12.12.2007, 2005/04/0244 sowie BKS 25.01.2010, 611.009/0017-BKS/2009 [abrufbar im RIS unter der Zl. 611.009/0017-BKS/2010]).

Folglich verstößt jede "Werbung" iSd § 1a Z 8 ORF-G auf dem Hörfunkprogramm Ö1 gegen das Werbeverbot gemäß § 14 Abs. 4 erster Satz ORF-G.

3.3. Der Verwaltungsgerichtshof (im Folgenden VwGH) versteht unter Werbung iSd § 1a Z 8 ORF-G in ständiger Rechtsprechung eine "Äußerung bzw. Darstellung für ein konkretes Produkt oder eine Dienstleistung, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen", welche "geeignet ist, das bislang uninformierte oder unentschlossene Publikum für den Erwerb zu gewinnen, sodass auf das Ziel der Darstellung, nämlich den Absatz dieser Produkte oder Dienstleistungen zu fördern, geschlossen werden kann" (vgl. etwa VwGH 01.09.2017, Ra 2017/03/0007 mwN). Nach diesem Verständnis ist Voraussetzung für das Vorliegen von Werbung iSd § 1a Z 8 lit a leg cit "allgemein das Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen, gegen Entgelt zu fördern" (vgl. VwGH 01.09.2017, Ra 2017/03/0007 mwN).

Nach der Judikatur des VwGH schließt das Werbeverbot gemäß § 14 Abs. 4 erster Satz ORF-G auch Eigenwerbung aus (vgl. VwGH 12.12.2007, 2005/04/0244 zur Vorgängerbestimmung gemäß § 13 Abs. 6 ORF-G aF).

3.4. Gemäß dieser Judikatur muss für eine Qualifikation eines Beitrages als Werbung iSd § 1a Z 8 ORF-G also zunächst dessen Eignung gegeben sein, das unentschlossene Publikum zum Erwerb (unter anderem) eines Produktes zu bewegen.

Eine solche Eignung zur Absatzförderung kann bei Audio-Produkten dann gegeben sein, wenn die Ausgestaltung des Beitrages so gewählt wird, dass dem Publikum ein Ausschnitt des Produktes dargeboten wird und sodann nicht nur weitere zusammenfassende Informationen zum einem Produkt folgen, insbesondere zum Autor und Titel des Werkes, sondern auch angegeben wird, wo das Produkt bezogen werden kann. Ein solcher Aufbau entspricht jenem der kommerziellen Bewerbung von Audio-Produkten (vgl. VwGH 12.12.2007, 2005/04/0244). Der gegenständliche Beitrag weist einen solches "Muster" auf: Er beginnt mit einer Hörprobe, welche mit einer Pointe endet, die durch aufgezeichnetes Gelächter des Publikums verdeutlicht wird. Darauf folgt eine zusammenfassende Moderation, welche die Autorin und den Titel des Texts, die Leser und den Ursprung der Aufzeichnung sowie die Angabe nennt, welches Produkt davon verfügbar ist ("ein Mitschnitt aus dem Radiokulturhaus auf einer Ö1-CD"). Im Anschluss wird angegeben, man bekomme "alle Informationen dazu [...] beim Ö1-Service und im Internet oe1.orf.at".

Dazu ist anzumerken, dass das Bundesverwaltungsgericht den abschließenden Hinweis, "Ein Mitschnitt aus dem Radiokulturhaus auf einer Ö1-CD. Alle Informationen dazu bekommen Sie beim Ö1-Service und im Internet oe1.orf.at." - wie schon die belangte Behörde - als Nennung einer Bezugsquelle auffasst. Denn der Online-Shop des ORF, wo die CD bezogen werden konnte und kann, ist von der im Beitrag genannten Ö1-Stammseite "oe1.orf.at" unmittelbar (durch lediglich einen Klick auf "Shop") zugänglich. Diese unmittelbare Verknüpfung lässt die Nennung der Stammseite letztlich als Nennung einer Bezugsquelle erscheinen. Denn dem auf oe1.orf.at nach den im Hörfunkbeitrag in Aussicht gestellten weiteren Informationen suchenden Publikum wird der Link "Shop" (zum Online-Shop des ORF) präsentiert, für den schon bei Betrachtung der Hauptseite oe1.orf.at erwartet werden darf, dass dort das im Beitrag als "Ö1-CD" - mithin als Eigenproduktion - bezeichnete Produkt bezogen werden kann.

Dem diesbezüglichen Gegenargument des ORF, dass alle ORF-Seiten untereinander verlinkt seien und nach dieser Ansicht somit jeder Hinweis auf eine dieser Seiten absatzfördernd wäre, kann nicht gefolgt werden. So sind Hinweise in Bezug auf Informationen, wie Veranstaltungen, und (Eigen-)Produkte, wie Audio-CDs, auch nach dieser Sichtweise nicht per se unzulässig. Unzulässig ist ein solcher "Hinweis" aber dann, wenn zuvor ein Produkt - hier eine CD - im Hörfunkprogramm Ö1 vorgestellt wird und zwecks näherer Informationen auf oe1.orf.at verwiesen wird, wo jener Online-Shop direkt verlinkt und somit unmittelbar abrufbar ist, der dieses Produkt vertreibt. In einer solchen Konstellation geht die belangte Behörde zu Recht davon aus, dass dies als Verweis auf eine Bezugsquelle zu qualifizieren ist. Im Übrigen ist hier darauf hinzuweisen, dass nur ein bundesweites Hörfunkprogramm des ORF frei von Werbung zu sein hat. In der Ausstrahlung des maßgeblichen Beitrages kann hier deswegen eine Rechtsverletzung liegen, weil er gerade in das Programm des als werbefrei zu haltenden Programms Ö1 aufgenommen wurde; insofern tritt jene Auswirkung auf das gesamte ORF-Netzwerk nicht auf, welche die Beschwerde nahezulegen sucht.

Auch spricht die gewinnende Gestaltung des Beitrags im Verbund mit dessen erkennbarem Anliegen, bekanntzumachen, dass eine Aufzeichnung der Lesung auf CD bezogen werden kann, für dessen Eignung, den Absatz der CD zu fördern. Die gewinnende Gestaltung des Beitrags sieht das Bundesverwaltungsgericht darin, dass der einleitende Dialog der beiden Leser mit einer Pointe ("Dann wären's heute auch nicht jünger.") endet, deren humoristische Wirkung durch das ebenso hörbare Lachen des Live-Publikums verdeutlicht wird. Daran schließt die Benennung und Erklärung des einleitend gesendeten Dialogs der Vorleser durch den Ö1-Sprecher an: "Augenzwinkernde Reflexionen über das Altwerden der Wiener Autorin XXXX . XXXX und XXXX lesen aus der dialogischen Textcollage ?Ist die schwarze Köchin da? - Alt sein für Anfänger'." Zur Bewertung dieser Moderation ist der Beschwerde zwar darin beizupflichten, dass mit dem Gebrauch des Wortes "augenzwinkernd" alleine noch keine solche qualitative Wertung erreicht wird, die für sich betrachtet schon zur Qualifikation als Werbung führt; im Verbund mit dem unmittelbar zuvor ebenso hörbaren Lachen des Live-Publikums verdeutlicht die Wendung "augenzwinkernde Reflexionen über das Altwerden" den humoristischen Gehalt der aufgezeichneten Veranstaltung. In Zusammenschau mit dem darauf folgenden Hinweis des Ö1-Sprechers, dass dieser Mitschnitt auf einer Ö1-CD verfügbar sei, worüber weitere Informationen unter anderem im Internet auf oe1.orf.at bezogen werden können, trägt diese gewinnende Gestaltung des Beitrages zu dessen Eignung bei, den Absatz der CD zu fördern.

Insgesamt ist der Beitrag jedenfalls geeignet, das uninformierte und unentschlossene Publikum für den Erwerb der CD zu gewinnen, sodass seine Eignung, deren Absatz zu fördern, zu bejahen ist.

Neben der Eignung stellt nach der VwGH-Judikatur die Absatzförderungsabsicht ein weiteres Kriterium der Qualifikation als Werbung dar. Diese ist dann gegeben, wenn aus der Beschaffenheit des geeigneten Beitrages geschlossen werden kann, dass dieser der Steigerung des Verkaufes dienen soll. Im vorliegenden Fall spricht für diese Absicht insbesondere der letzte Satz des Beitrages ("Alle Informationen dazu bekommen Sie beim Ö1 Service und im Internet oe1.orf.at"). Denn wie bereits ausgeführt, erfährt das Publikum dadurch unmittelbar nach der erfolgten Hörprobe und der Vorstellung der Ö1-CD durch die Moderation deren Bezugsmöglichkeit. Dass die CD nicht unmittelbar über die im Beitrag genannte Homepage von Ö1 (oe1.orf.at), sondern über den dort unmittelbar verlinkten (durch nur einen Klick auf "Shop" erreichbaren) Online-Shop bezogen werden kann, ändert dies - wie zuvor ausgeführt - nicht wesentlich. Ferner ist zu berücksichtigen, dass der Beitrag ausschließlich diese CD vorstellt und nicht etwa Teil einer Sendung zur Vorstellung diverser Kulturveranstaltungen oder -aufnahmen war. Dies legt im Verbund mit der Nennung der Bezugsquelle nahe, dass der Beitrag auch das Ziel verfolgt, den Absatz gerade dieser Ö1-CD zu fördern.

Auch ist hier das nach der Judikatur ebenso notwendige Kriterium erfüllt, den Absatz eines Produktes gegen Entgelt zu fördern, weil die betreffende Ö1-CD im online-Shop des ORF gegen Entgelt vertrieben wurde und wird.

Folglich erfüllt der Beitrag sämtliche nach der Judikatur erforderlichen Kriterien, um als Werbung iSd § 1a Z 8 ORF-G qualifiziert zu werden.

Dass es sich bei der beworbenen CD um eine Eigenproduktion handelt, steht der Qualifikation des Hörfunkbeitrags als Werbung nicht entgegen (vgl. VwGH 12.12.2007, 2005/04/0244).

3.5. Die belangte Behörde hat den Beitrag somit zu Recht als Werbung iSd § 1a Z 8 ORF-G qualifiziert und folgerichtig einen Verstoß gegen § 14 Abs. 4 erster Satz ORF-G festgestellt (Spruchpunkt 1). Die Beschwerde ist daher insoweit als unbegründet abzuweisen.

Abschließend weist das Bundesverwaltungsgericht darauf hin, dass es den gesetzlichen Auftrag des ORF nicht verkennt, ein kulturelles Angebot darzubieten (vgl. § 4 Abs. 1 Z 5 und 7 ORF-G). Allerdings liegt ein dahingehendes Ziel des Beitrages fern. Denn bei diesem Beitrag stehen nicht die kulturelle Veranstaltung als solche oder deren Inhalte im Mittelpunkt, sondern die Verfügbarkeit einer erwerbbaren Ö1-CD.

3.6. Gemäß § 37 Abs. 4 ORF-G kann die Regulierungsbehörde auf die Veröffentlichung ihrer Entscheidung erkennen und dem ORF auftragen, wann, in welcher Form und in welchem Programm diese Veröffentlichung zu erfolgen hat. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes dient die Veröffentlichung dazu, dass Rechtsverletzungen durch einen "contrarius actus" nach Möglichkeit wieder ausgeglichen werden (vgl. VfSlg 12.497/1990 zum RundfunkG).

Angesichts dieses Anliegens der Veröffentlichung, die Rechtsverletzung möglichst wieder auszugleichen, kann das Bundesverwaltungsgericht nicht finden, dass die belangte Behörde bei Auferlegung der Pflicht zur Veröffentlichung einer Information über den erfolgten Verstoß gegen das Werbeverbot zu einer der Sendung des beanstandeten Beitrags vergleichbaren Sendezeit rechtswidrig gehandelt hätte. Im Übrigen hat der ORF keine Bedenken spezifisch gegen die auferlegte Veröffentlichung vorgebracht.

Die Beschwerde ist daher auch insoweit (betreffend Spruchpunkt 2.a. des angefochtenen Bescheids) als unbegründet abzuweisen.

3.7. Im Übrigen sind beim Bundesverwaltungsgericht auch keinerlei Bedenken dagegen entstanden, dass dem ORF die Pflicht auferlegt wird, der belangten Behörde Aufzeichnungen binnen zweier weiterer Wochen zum Nachweis der erfolgten Veröffentlichung der Entscheidung gemäß § 36 Abs. 4 ORF-G zu übermitteln. Dies hat der ORF auch nicht spezifisch als rechtswidrig gerügt.

3.8. Die Beschwerde ist daher auch insoweit (betreffend Spruchpunkt 2.b. des angefochtenen Bescheids) als unbegründet abzuweisen.

3.9. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer mündlichen Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.

Im vorliegenden Fall verzichtete die belangte Behörde ausdrücklich auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, während der ORF diese beantragte. Allerdings führte der ORF in der Beschwerde an, dem Sachverhalt, insoweit er hier festgestellt und der Entscheidung zugrunde gelegt wurde, nicht entgegenzutreten. Insofern lag ein unstrittiger und aus der Aktenlage eindeutig geklärter Sachverhalt vor, welcher keine nähere Klärung bei Abhaltung einer mündlichen Verhandlung erwarten ließ. Es traten auch keine Rechtsfragen auf, deren Komplexität die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung geboten hätte.

Zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an Rechtsprechung (siehe zum Werbebegriff VwGH 01.09.2017, Ra 2017/03/0007 mwN; siehe ferner VwGH 12.12.2007, 2005/04/0244 betreffend [Eigen-]Werbung bei Audioprodukten); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Aufsichtsrecht Rechtsaufsicht Rechtsverletzung Rundfunkempfang Werbung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W234.2199674.1.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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