TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/7 G314 2199072-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.05.2020
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Entscheidungsdatum

07.05.2020

Norm

BFA-VG §18 Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §70 Abs3

Spruch

G314 2199072-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des polnischen Staatsangehörigen XXXX, geboren am XXXX, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX.05.2018, Zl. XXXX, betreffend die Erlassung eines Aufenthaltsverbots beschlossen (A) und zu Recht erkannt (B):

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (BF) wurde in Österreich zwischen Februar 2013 und August 2016 mehrmals strafgerichtlich verurteilt. Nachdem gegen ihn mit dem Bescheid der Landespolizeidirektion Wien vom XXXX.06.2013 ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden war, wurde er am 08.01.2016 neuerlich im Bundesgebiet festgenommen und bis 25.01.2019 in Untersuchungs- bzw. Strafhaft angehalten. Mit dem Urteil vom XXXX, wurde er zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Mit Urteil vom XXXX, wurde eine Zusatzstrafe von einem Jahr verhängt.

Am 20.06.2017 wurde der BF während der Haft von einem Beamten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) unter anderem zur beabsichtigten Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme vernommen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde gegen den BF gemäß § 67 Abs 1 und 2 FPG ein siebenjähriges Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 70 Abs 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.) und einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG aberkannt (Spruchpunkt III.). Das Aufenthaltsverbot wurde im Wesentlichen mit den strafgerichtlichen Verurteilungen begründet. Die vom BF gesetzten Handlungen seien unter § 67 Abs 1 und Abs 2 FPG zu subsumieren. Er habe keine starken familiären Anbindungen im Bundesgebiet; sein Privatleben stünde dem Aufenthaltsverbot nicht entgegen.

Dagegen richtet sich die Beschwerde des BF mit dem Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung, mit der er die Behebung des angefochtenen Bescheids, in eventu die Behebung des Aufenthaltsverbotes bzw. dessen Verkürzung, anstrebt und hilfsweise auch einen Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag stellt. Begründet wird die Beschwerde zusammengefasst damit, dass das Ermittlungsverfahren mangelhaft und die Entscheidung unzureichend begründet worden sei. Der Bescheid verletze das Recht des BF auf Achtung des Privat- und Familienlebens, weil sein Bruder und seine Freundin in Österreich lebten, während er in Polen nur seine Großeltern habe. Der Beschwerde sei gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung wegen des Eingriffs in das Familienleben des BF zuzuerkennen.

Das BFA legte die Beschwerde samt den Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem Antrag vor, den angefochtenen Bescheid zu bestätigen.

Am 04.07.2018 übermittelte die Justizanstalt XXXX dem BVwG auftragsgemäß eine Besucher- und Beziehungsliste des BF. Am 19.07.2018 übermittelte der BF dem BVwG auftragsgemäß diverse Unterlagen (Kopie aus dem Reisepass seiner Freundin sowie Meldebestätigung).

Der BF wurde am 25.01.2019 bedingt aus der Haft entlassen und am nächsten Tag nach Polen abgeschoben.

Feststellungen:

Der ledige und kinderlose BF ist polnischer Staatsangehöriger und kam am XXXX in der polnischen Stadt XXXX zur Welt. Seine Muttersprache ist Polnisch; er spricht gebrochen Deutsch. Er besuchte in Polen 15 Jahre lang die Schule und machte eine Ausbildung zum Maurer; anschließend arbeitete er als Bauarbeiter. Seine Eltern sind bereits verstorben (Vollzugsinformation AS 5; NS vom 17.12.2012 und vom 20.06.2017; Beschuldigtenvernehmung vom 15.05.2014).

Der BF reiste Anfang 2012 mit seinem im März 2005 ausgestellten und bis März 2015 gültigen polnischen Personalausweis in das Bundesgebiet ein, wo er von 04.05.2012 bis 19.11.2013 mit Hauptwohnsitz gemeldet und zwischen 01.05.2012 bis 11.10.2012, von 07.11.2012 bis 14.11.2012 und von 06.03.2013 bis 25.03.2013 als Arbeiter (Gärtner und Bauarbeiter) erwerbstätig war (NS vom 17.12.2012; Kopie Personalausweis; ZMR-Auszug; Versicherungsdatenauszug). Ihm wurde in Österreich nie eine Anmeldebescheinigung ausgestellt (IZR-Auszug).

Am XXXX.12.2012 wurde der BF in XXXX festgenommen und in der Folge bis XXXX.12.2012 in Untersuchungshaft angehalten. Mit dem Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX, wurde er wegen gewerbsmäßigen Diebstahls (§§ 127, 130 erster Fall StGB) zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt, die unter Setzung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurde XXXX.

Am 19.04.2013 wurde der BF bei einem Ladendiebstahl beobachtet, festgenommen und in der Folge in Untersuchungshaft genommen. Mit dem Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX, wurde er wegen gewerbsmäßigen Diebstahls (§§ 127, 130 erster Fall, 15 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt, wobei ein Strafteil von sieben Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde XXXX.

Aufgrund dieser Verurteilungen wurde gegen den BF mit dem Bescheid der Landespolizeidirektion XXXX vom XXXX.06.2013, der ihm am XXXX.06.2013 zugestellt wurde, ein bis 11.06.2023 gültiges Aufenthaltsverbot erlassen (Bescheid vom XXXX.06.2013 samt Zustellbestätigung; Neuzugang Fremdeninformation vom 02.07.2013).

Nach dem Vollzug des unbedingten Strafteils wurde der BF am XXXX.07.2013 aus der Haft entlassen (Strafregisterauszug; ZMR-Auszug). Am XXXX.07.2013 wurde er von Beamten der Landespolizeidirektion XXXX aufgegriffen. Da er trotz des Aufenthaltsverbots nicht ausgereist war, wurde über ihn mit Straferkenntnis vom selben Tag wegen eines Verstoßes gegen § 120 Abs 1a FPG eine Geldstrafe von EUR 500 verhängt (Straferkenntnis vom 25.07.2013). Der BF wurde über seine Verpflichtung zur Ausreise informiert und anschließend enthaftet (Niederschrift 25.07.2013, Entlassungsschein).

Der BF verblieb weiterhin im Bundesgebiet. Ein am XXXX.08.2013 erlassener Schubhaftbescheid und die geplante Abschiebung konnten nicht vollzogen werden, weil sein Aufenthaltsort unbekannt war und ab 19.11.2013 keine Wohnsitzmeldung mehr bestand (Bescheid vom XXXX.08.2013; Erhebungsbericht vom 12.02.2014, ZMR-Auszug).

Zwischen XXXX.12.2013 und XXXX.01.2014 war der BF als freier Dienstnehmer bei einem Hausbetreuungsunternehmen in XXXX tätig (Versicherungsdatenauszug). Am XXXX.05.2014 wurde er bei einer Personenkontrolle aufgegriffen, wobei er zunächst einen falschen Namen und ein falsches Geburtsdatum verwendete und nach seiner Einvernahme auf freien Fuß gesetzt wurde (Amtsvermerk und Beschuldigtenvernehmung vom 15.05.2014). Seine für den 13.06.2014 geplante Abschiebung nach Polen konnte nicht durchgeführt werden, weil er an der von ihm angegebenen Anschrift nicht angetroffen wurde und sein Aufenthaltsort unbekannt war (Bericht vom 12.06.2014).

Der BF verließ das Bundesgebiet auch weiterhin nicht. Am XXXX.01.2016 wurde er neuerlich verhaftet und in Untersuchungshaft genommen. Der Verhaftung und der darauffolgenden Verurteilung zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe durch das Landesgericht XXXX vom XXXX wegen gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch (§§ 127, 129 Abs 1 Z 1 und 2, 130 Abs 2 zweiter Fall, 15 StGB) lag zu Grunde, dass er in neun Angriffen zwischen Mai und November 2014 in Kellerabteile, einen Fahrradraum und einen Schlüsseltresor einbrach und Fahrräder sowie andere Gegenstände stahl, wobei es in vier Fällen beim Versuch blieb. Gleichzeitig wurde die ihm mit dem Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX, gewährte bedingte Strafnachsicht widerrufen XXXX. Die Strafe wurde bis 03.05.2016 in der Justizanstalt XXXX und danach bis 08.01.2018 in der Justizanstalt XXXX vollzogen (Strafregisterauszug, ZMR-Auszug).

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX, wurde der BF wegen des Verbrechens des schweren, gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch (§§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 1 und 2, 130 Abs 2 zweiter Fall, § 15 StGB) unter Bedachtnahme auf die vorangegangene Verurteilung zu einer Zusatz-Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Dem lag zu Grunde, dass er im Zeitraum Juni 2014 bis Jänner 2016 (teils gemeinsam mit einem oder zwei Mittätern) in 14 Angriffen Schlüssel- bzw. Wandtresore aufbrach oder in Fahrradräume oder Kellerabteile einbrach und gewerbsmäßig Sachen (Fahrräder und andere Gegenstände) in einem EUR 5.000 übersteigenden Gesamtwert stahl, wobei es in fünf Fällen beim Versuch blieb. Das umfassende und reumütige Geständnis und der Umstand, dass es teilweise beim Versuch blieb, wurden als mildernd, die einschlägigen Vorstrafen und die Tatwiederholung ab der dritten Tathandlung als erschwerend berücksichtigt XXXX.

Der BF wurde bis zu seiner bedingten Entlassung am XXXX.01.2019 in der Justizanstalt XXXX angehalten (Strafregisterauszug; ZMR-Auszug). Dort arbeitete er in der XXXX und wurde von seinem Bruder sowie von Freunden und Bekannten besucht (Besucherliste). Am XXXX.01.2019 wurde er in sein Heimatland abgeschoben (IZR-Auszug).

Der BF war zwischen November 2013 und Februar 2019 in Österreich nur dann meldeamtlich erfasst, wenn er in Justizanstalten angehalten wurde (ZMR-Auszug). Er hat im Bundesgebiet einen Bruder; in Polen leben abgesehen von seiner Großmutter keine nahen Angehörigen. Er ist gesund und arbeitsfähig (NS 20.06.2017). Er war vor der Haftentlassung mit der polnischen Staatsangehörigen XXXX liiert, die bis März 2020 in Österreich wohnte (ZMR-Auszug, Besucherliste).

Zwischen XXXX.02.2019 und XXXX.02.2020 verfügte der BF über eine Hauptwohnsitzbestätigung als Obdachloser in XXXX. Seit XXXX.02.2020 besteht eine Nebenwohnsitzmeldung in XXXX. Nach der Abschiebung war er von XXXX.02.2019 bis XXXX.04.2019, von XXXX.05.2019 bis XXXX.05.2019, von XXXX.05.2019 bis XXXX.02.2020, von XXXX.03.2020 bis XXXX.03.2020 und ab XXXX.04.2020 wieder in Österreich als Arbeiter zur Sozialversicherung gemeldet (ZMR-Auszug; Versicherungsdatenauszug).

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang ergibt sich widerspruchsfrei aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und des Gerichtsakts des BVwG.

Die Feststellungen basieren jeweils auf den in den Klammerzitaten angegebenen Beweismitteln. Die Identität des BF (Name, Geburtsdatum und Staatsangehörigkeit) ergibt sich aus den Angaben zu seiner Person in den Strafurteilen sowie aus seinem (dem BVwG in Kopie vorliegenden, mittlerweile bereits abgelaufenen) Personalausweis. Seine familiären Verhältnisse werden anhand seiner plausiblen und nachvollziehbaren Angaben vor dem BFA festgestellt. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass sie sich mittlerweile geändert hätten, zumal im Zentralen Melderegister (ZMR) als Familienstand nach wie vor "ledig" aufscheint.

Kenntnisse der polnischen Sprache sind aufgrund der Herkunft des BF naheliegend und gehen auch aus der Vollzugsinformation hervor; zumindest rudimentäre Deutschkenntnisse sind ob des Aufenthalts und der Erwerbstätigkeit in Österreich plausibel.

Die Wohnsitzmeldungen des BF in Österreich gehen aus dem ZMR hervor. Seine Erwerbstätigkeit im Inland ergibt sich aus seinen Angaben vor dem BFA in Zusammenschau mit dem Versicherungsdatenauszug. Im Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR) ist weder eine dem BF ausgestellt Anmeldebescheinigung noch ein entsprechender Antrag ersichtlich. Da er es trotz einer entsprechenden Aufforderung des BVwG unterließ, die in der Beschwerde behauptete Anmeldebescheinigung vorzulegen, ist von deren Fehlen auszugehen.

Der Schulbesuch, die Ausbildung und die Erwerbstätigkeit des BF in Polen sowie seine Einreise in das österreichische Bundesgebiet werden anhand seiner Angaben im Rahmen der Beschuldigtenvernehmung vom 15.04.2014 und der Vernehmung vor dem BFA am 20.06.2016 festgestellt. Wenn der BF nunmehr behauptet, er habe sich bereits seit 2010 in Österreich aufgehalten und sei einer geregelten und legalen Tätigkeit nachgegangen, kann dem nicht gefolgt werden, zumal es dafür keine Beweisergebnisse gibt. Ein Abgleich dieses Vorbringens mit Daten des ZMR sowie einem Auszug der Versicherungsdaten ergibt, dass er erstmals ab XXXX.05.2012 meldeamtlich erfasst war und ab XXXX.05.2012 als Arbeiter einer der Sozialversicherung gemeldeten Tätigkeit nachging. Bei seiner erstmaligen Inhaftierung im Dezember 2012 hielt er sich somit erst seit weniger als einem Jahr im Bundesgebiet auf.

Der Umstand, dass der BF Österreich auch nach der Erlassung des Aufenthaltsverbots 2013 nicht verließ, ergibt sich aus seinen Angaben vor dem BFA. Diese korrespondieren damit, dass er nach den aktenkundigen Unterlagen am XXXX.08.2013 bei einem Ladendiebstahl beobachtet und am XXXX.11.2013 wegen des Verdachts der Sachbeschädigung angezeigt wurde, der Schubhaftbescheid vom XXXX.08.2013 wegen seines unbekannten Aufenthalts nicht vollzogen werden konnte und Abschiebeversuche 2013 und 2014 scheiterten.

Die Feststellungen zu den vom BF begangenen Straftaten, zu seinen Verurteilungen und zu den Strafbemessungsgründen basieren auf dem Strafregister und auf den Urteilen des Landesgerichts XXXX. Es sind keine Hinweise auf weitere strafgerichtliche Verurteilungen des BF in Österreich oder in einem anderen Land aktenkundig. Die Feststellungen zum Strafvollzug basieren auf der Vollzugsinformation, den Wohnsitzmeldungen in Justizanstalten laut ZMR sowie der Vorhaftanrechnung laut den Strafurteilen.

Die Arbeit des BF während der Haft in der Justizanstalt XXXX und die Besuche dort gehen aus den von der Justizanstalt übermittelten Unterlagen hervor. Die bedingte Entlassung ergibt sich aus dem Strafregister, die anschließende Abschiebung aus dem IZR.

Die in Österreich und Polen lebenden Angehörigen des BF werden ebenfalls anhand seiner Angaben vor dem BFA festgestellt. Sein Bruder XXXX, der auch auf der Besucherliste aufscheint, ist laut ZMR in Österreich mit Hauptwohnsitz gemeldet.

Mangels anderslautender aktenkundiger Informationen ist davon auszugehen, dass beim BF keine relevanten gesundheitlichen Probleme bestehen. Seine Arbeitsfähigkeit folgt daraus und aus seinem erwerbsfähigen Alter, zumal er aktuell als Arbeiter zur österreichischen Sozialversicherung gemeldet ist.

Es ist davon auszugehen, dass die in der Beschwerde behauptete Beziehung des BF zu der polnischen Staatsangehörigen XXXX nicht mehr aufrecht ist, zumal sie in der Beziehungsliste der Justizanstalt nur als "Bekannte" geführt wird und ihn während der letzten Inhaftierung nur selten besuchte. Aus der Besucherliste vom 04.07.2018 gehen nur zwei Besuche, am 07.12.2016 und am 06.06.2017, hervor, was auch bei Berücksichtigung der eingeschränkten Besuchsmöglichkeiten während der Haft gegen eine enge Beziehung spricht. Eine andere Bekannte (XXXX) besuchte den BF in selben Zeitraum 13 Mal, sein Bruder immerhin 4 Mal. Mittlerweile ist XXXX, die zwischen Juni 2019 und März 2020 mit Hauptwohnsitz in XXXX gemeldet war, laut ZMR nicht mehr in Österreich gemeldet, sodass davon auszugehen ist, dass sie in einen anderen Staat verzogen ist.

Es sind keine Anhaltspunkte für eine Integration des BF in Österreich zutage getreten, die über die Feststellungen hinausgeht, sodass dazu keine weiteren Feststellungen getroffen werden.

Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids:

Der BF ist polnischer Staatsbürger und somit EWR-Bürger im Sinne des § 2 Abs 4 Z 8 FPG.

Gemäß § 67 Abs 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet ist. Das Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können diese Maßnahmen nicht ohne weiteres begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen einen EWR-Bürger, der den Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatte, ist zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Gemäß § 67 Abs 2 FPG kann ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden. Bei einer besonders schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit kann das Aufenthaltsverbot gemäß § 67 Abs 3 FPG auch unbefristet erlassen werden, so z.B. bei einer rechtskräftigen Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren (§ 67 Abs 3 Z 1 FPG).

Bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils maßgebliche Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung oder Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" des Fremden abzustellen ist und strafgerichtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (siehe VwGH 22.08.2019, Ra 2019/21/0091).

Bei der Festsetzung der Dauer des Aufenthaltsverbotes ist gemäß § 67 Abs 4 FPG auf alle für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen, insbesondere auch auf die privaten und familiären Verhältnisse (VwGH 24.05.2016, Ra 2016/21/0075).

Hier hat sich der BF weder seit zehn Jahren im Bundesgebiet aufgehalten noch das unionsrechtliche Recht auf Daueraufenthalt erworben (das einen fünfjährigen rechtmäßigen und kontinuierlichen Aufenthalt voraussetzt, siehe § 54a NAG). Daher ist der Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs 1 zweiter bis vierter Satz FPG ("tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt") anzuwenden.

Das persönliche Verhalten des BF stellt eine solche Gefahr dar, die Grundinteressen der Gesellschaft iSd Art 8 Abs 2 EMRK (an nationaler Sicherheit, der Verteidigung der öffentlichen Ruhe und Ordnung, der Verhinderung von strafbaren Handlungen sowie zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer und der Moral) berührt. Die strafrechtlichen Verurteilungen wegen qualifizierter Diebstahlsdelikte, die zur Erzielung eines fortlaufenden Einkommens begangen wurden, und zwar im raschen Rückfall auch während der Probezeit und nach der Erlassung eines Aufenthaltsverbots, führen dazu, dass für den BF noch keine positive Zukunftsprognose erstellt werden kann, zumal der Gesinnungswandel eines Straftäters grundsätzlich daran zu messen ist, ob und wie lange er sich - nach dem Vollzug einer Haftstrafe - in Freiheit wohlverhalten hat (siehe VwGH 26.01.2017, Ra 2016/21/0233). Dazu kommen Verstöße gegen fremdenrechtliche Vorschriften durch die Missachtung des Aufenthaltsverbots und die Umgehung der Abschiebung.

Der BF hat in Österreich einen Bruder und in Polen eine Großmutter; es sind keine weiteren familiären Anknüpfungspunkte aktenkundig. Es ist jedoch davon auszugehen, dass er während seines Aufenthalts im Bundesgebiet hier Sozialkontakte geknüpft hat, zumal er Österreich trotz der gegen ihn gesetzten aufenthaltsbeendenden Maßnahmen nie verließ, sodass das Aufenthaltsverbot in sein Privatleben eingreift. Daher ist eine einzelfallbezogene gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an der Aufenthaltsbeendigung mit seinen gegenläufigen privaten Interessen, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs 3 BFA-VG ergebenden Wertungen in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Diese Interessenabwägung ergibt hier, dass der Eingriff in das Privatleben des BF verhältnismäßig ist, zumal ausreichende Anknüpfungen iSd § 9 Abs 2 Z 5 BFA-VG zu Polen bestehen, wo mit seiner Großmutter eine Bezugsperson lebt und wo er sprachkundig und mit den Gepflogenheiten vertraut ist. Aufgrund der Verstöße gegen fremdenrechtliche Bestimmungen sowie der zuletzt begangenen Straftaten besteht überdies ein besonders großes öffentliches Interesse an der Aufenthaltsbeendigung. Der BF kann die Kontakte zu in Österreich lebenden Freunden und Bekannten sowie zu seinem Bruder auch durch Telefonate, Briefe und elektronische Kommunikationsmittel (Internet, E-Mail, soziale Medien) sowie durch Besuche außerhalb Österreichs pflegen. Im Inland lebende Freunde können den BF ob der Nähe zu seinem Heimatstaat nach Wegfall der derzeit bestehenden Reisebeschränkungen auch dort besuchen. Es ist ihm zumutbar, sich außerhalb von Österreich niederzulassen, zumal er in einem erwerbsfähigen Alter, gesund und alleinstehend ist.

Selbst wenn man davon ausgeht, dass die in der Beschwerde erstmals vorgebrachten Beziehung des BF zu XXXX noch aufrecht ist, wurde diese in Kenntnis seines aufgrund des seit 2013 bestehenden Aufenthaltsverbots unsicheren Aufenthaltsstatus eingegangen oder fortgesetzt, was gemäß § 9 Abs 2 Z 8 BFA-VG ihr Gewicht maßgeblich relativiert. Das Aufenthaltsverbot wurde somit dem Grunde nach zu Recht erlassen.

Aufgrund mehrerer rascher Rückfälle des BF, der zuletzt zunehmenden Schwere seiner Straftaten, der Missachtung aufenthaltsbeendender Maßnahmen und der Vereitelung von Abschiebungen ist auch keine Herabsetzung der Dauer des Aufenthaltsverbots möglich. Ein auf sieben Jahre befristetes Aufenthaltsverbot ist notwendig, um der von ihm ausgehenden Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit wirksam zu begegnen. Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids ist somit nicht korrekturbedürftig.

Zu den Spruchpunkten II. und III. des angefochtenen Bescheids:

Gemäß § 70 Abs 3 FPG ist EWR-Bürgern bei der Erlassung einer Ausweisung von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich. Gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG kann die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.

Aufgrund der Straftaten des BF, der wiederholten gewerbsmäßigen Begehung von (Einbruchs-)Diebstählen und der Wirkungslosigkeit früherer Sanktionen besteht eine signifikante Wiederholungsgefahr, zumal er sich nach der vorangegangenen Haftentlassung der Abschiebung durch Untertauchen entzogen hatte. Dem BFA ist daher darin beizupflichten, dass seine sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich war. Dazu kommt, dass er schon aufgrund des bestehenden Aufenthaltsverbots zum Verlassen des Bundesgebiets verpflichtet war.

Daher ist weder die Nichterteilung eines Durchsetzungsaufschubes gemäß § 70 Abs 3 FPG noch die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG zu beanstanden. Die Beschwerde ist somit auch in Bezug auf die Spruchpunkte II. und III. des angefochtenen Bescheids unbegründet.

Da der relevante Sachverhalt aus der Aktenlage und dem Beschwerdevorbringen geklärt erscheint und auch bei einem positiven Eindruck vom BF bei einer mündlichen Verhandlung keine weitere Herabsetzung oder gar ein Entfall des Aufenthaltsverbots möglich wäre, unterbleibt die beantragte Beschwerdeverhandlung gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG, zumal von deren Durchführung keine weitere Klärung der Angelegenheit zu erwarten ist.

Die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose, die Interessenabwägung gemäß § 9 BFA-VG und die Bemessung der Dauer eines Aufenthaltsverbots sind im Allgemeinen nicht revisibel (siehe VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0284, 01.03.2018, Ra 2018/19/0014 und 10.07.2019, Ra 2019/19/0186). Die Revision ist nicht zuzulassen, weil sich das BVwG an der zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung orientieren konnte und keine darüber hinausgehende grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu lösen war.

Schlagworte

Aufenthaltsverbot Haft Interessenabwägung öffentliche Interessen strafrechtliche Verurteilung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G314.2199072.1.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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