TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/18 G313 2205053-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.05.2020
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Entscheidungsdatum

18.05.2020

Norm

BFA-VG §18 Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §70 Abs3

Spruch

G313 2205053-2/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Birgit WALDNER-BEDITS als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX, geb. XXXX, StA. Rumänien, gesetzlich vertreten durch den Erwachsenenvertreter RA Mag. Mario FOLGER, rechtlich vertreten durch ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.12.2018, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA oder belangte Behörde) vom 11.12.2018 wurde gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG gegen die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) ein auf die Dauer von vier Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 70 Abs. 3 FPG der BF kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.) und einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.).

2. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.

3. Am 15.01.2019 langte beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt ein.

4. Mit Beschluss des BVwG vom 21.01.2020 wurde einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt, mit der Begründung, es könne nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass es sich dabei um "vertretbare Behauptungen" handelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die BF ist rumänische Staatsangehörige.

1.2. Sie war im österreichischen Bundesgebiet ab März 2018 obdachlos und weder behördlich gemeldet noch im Besitz einer Anmeldebescheinigung, welche sie auch nie beantragt hat.

1.3. Die BF hat in ihrem Herkunftsstaat eine Schwester, bei welcher sie vor ihrer Ausreise gelebt hat. In Österreich hat sie abgesehen von ihrem Ehegatten, den sie im Februar 2020 Wohnsitz genommen und geheiratet hat, keine weiteren familiären Anknüpfungspunkte bzw. näheren Bezugspersonen mehr.

1.4. Die BF leidet an paranoider Schizophrenie, die eine seelisch/geistige Abnormität von höheren Grad und eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung darstellt.

1.5. Sie wurde mit einem Strafrechtsurteil von Oktober 2018 in Österreich rechtskräftig strafrechtlich verurteilt.

1.5.1. Dieser strafrechtlichen Verurteilung lagen folgende strafbare Handlungen zugrunde:

Die BF hat unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes, der auf einer geistigen und seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht, nämlich einer paranoiden Schizophrenie, am 18.06.2018 im österreichischen Bundesgebiet einer Erziehungsberechtigten ihr 2015 geborenes Kind zu entziehen versucht, indem sie diese unmündige Person ergreifen wollte und sodann, nachdem die Erziehungsberechtigte ihre Tochter in die Arme genommen hatte, dieses am Oberkörper erfasste und wegzuzerren versuchte.

Nachdem die Kindesmutter um Hilfe gerufen hatte, sind der Kindesvater, weitere Personen und die Cousine der Kindesmutter herbeigeeilt und haben die Hände der BF von der Kindesmutter gelöst und diese zur Seite gedrängt.

Die BF hat mithin eine Tat begangen, die ihr außer diesem Zustand als das Vergehen der versuchten Kindesentziehung zuzurechnen wäre und die mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist.

Da nach ihrer Person, ihrem Zustand sowie der Art der Tat dringend zu befürchten ist, dass die BF sonst unter dem Einfluss ihrer geistigen und seelischen Abartigkeit von höherem Grade mit Strafe bedrohte Handlungen mit schweren Folgen, insbesondere weitere Kindesentziehungen, begehen werde, wurde sie in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.

1.5.2. Im Strafrechtsurteil von Oktober 2018 wurde unter den Feststellungen unter anderem festgehalten:

"Bei der Betroffenen bestehen aufgrund ihrer Erkrankung wahnhafte Verkennungen in Form von Halluzinationen, Gedankeneingebungen und Stimmenhören, die auch aggressives Potential haben, wobei gleichzeitig eine Verkennung der Realität vorliegt".

1.5.3. Mit der Begründung, dass "nach ihrer Person, ihrem Zustand sowie der Art der Tat dringend zu befürchten ist, dass die Betroffene (...) sonst unter dem Einfluss ihrer geistigen und seelischen Abartigkeit von höherem Grade mit Strafe bedrohte Handlungen mit schweren Folgen, insbesondere weitere Kindesentziehungen, begehen werde" wurde die BF in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.

1.6. Mit Gerichtsbeschluss von November 2019 wurde der im Sprucheinleitungssatz angeführte Rechtsanwalt als Erwachsenenvertreter der BF bestellt.

1.7. Die BF wird fortwährend in der Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher angehalten. Es hat jedoch bereits insofern eine Maßnahmenlockerung stattgefunden, als die BF auch in einer bestimmten "Pflegeeinrichtung für chronisch psychische Erkrankungen" betreut wird und sich laut glaubhafter Angabe ihres Erwachsenenvertreters sich sowohl in der Anstalt als auch in der besagten Pflegeeinrichtung in ihr soziales Umfeld rund um Ärzte, Sozialarbeiter, Pfleger, Betreuer und Mitbewohner integrieren konnte. Auch mit ärztlichem Entlassungsbericht vom 31.12.2019 wurde auf eine gute Integration der BF in der Pflegeeinrichtung hingewiesen.

Die Notwendigkeit der Fortsetzung der Unterbringung der BF in der geschlossenen Anstalt wird laufend - in bestimmten Abständen - in der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie der Klinik ärztlich kontrolliert.

Im Zuge einer Unterbrechung der Unterbringung der BF in der geschlossenen Anstalt und nach einem stationären Aufenthalt der BF in der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapeutische Therapie von 30.12.2019 bis 31.12.2019 wurde in einem ärztlichen Entlassungsbrief vom 31.12.2019 Folgendes festgehalten:

"Anamnese und Vorbehandlungen

Bei der Aufnahme berichtet Frau (...), dass es ihr gut gehe. Sie höre keine Stimmen, sie habe auch sonst keine Beschwerden. Im Tagesablauf des Hauses (...) sei sie gut integriert und hat schon viele Aufgaben wie z.B. Tisch abräumen übernommen

Status psychicus

Die Patientin ist hellwach, in allen Qualitäten orientiert, im Gedankengut inhaltlich und formal geordnet, keine innerpathologischen Vorgänge evident, affektive Beteiligung adäquat, Stimmungslage ausgeglichen, Antrieb unauffällig, Schlaf ungestört, kognitive Funktionen grob klinisch nicht beeinträchtigt, Realitätsbezug, Kritik- und Panikfähigkeit gegeben. Keine Gefährdung im Sinne des UbG.

Status somaticus

Die Patientin ist in gutem AZ (...)

(...).

Therapie und klinischer Verlauf

Haloperidol Decanoat am 30.12.2019 im stat. Setting erhalten. Laborkontrolle beim nächsten Aufenthalt geplant.

Procedere und Betreuungsempfehlungen

Nächste U.d.U.-Aufnahme am 13.1.2020."

Es wurde der BF eine bestimmte Medikation empfohlen, und zwar in Form einer monatlich, "alle 4 Wochen" zu verabreichenden Depotinjektion "Haldol Decanoat 150 mg i.m.", und außerdem mit den Medikamenten "Seroquel Ftbl 25 mg" einmal nachts, mit "Akineton Ret Ftbl 4 mg" je einmal morgens und abends und mit "Ferretab Kps" einmal morgens.

Die nächste Unterbrechung der Unterbringung der BF in der geschlossenen Anstalt wurde demnach somit für 13.01.2020 vorgesehen.

In einer schriftlichen Stellungnahme des Erwachsenenvertreters der BF vom 14.01.2020 wurde bekanntgegeben:

"Ihre psychische Verfassung ist derart stabil, dass die Medikamente schrittweise auf das heutige Ausmaß, einer monatlichen Depotinjektion und zwei oralen Präparaten reduziert werden konnte."

1.8. Die BF verbrachte laut eigenen Angaben in der mündlichen Strafverhandlung von Oktober 2018 in Rumänien rund fünf Jahre lang in einer psychiatrischen geschlossenen Klinik.

1.9. Die BF hat in Österreich im Februar 2020 einen österreichischen Staatsangehörigen geheiratet, bei welchem sie während aufrechter Hauptwohnsitzmeldung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher seit Februar 2020 mit Nebenwohnsitz gemeldet ist, und welcher laut glaubhaftem Vorbringen ihres Erwachsenenvertreters in der Lage ist, für die BF entsprechende Strukturen zu schaffen, die ihr helfen, ihre Erkrankung entsprechend unter Kontrolle zu halten (MSB, Hauskrankenpflege).

1.10. Die BF bezieht seit April bzw. Mai 2017 eine Pension aus Rumänien. In Österreich war sie nie erwerbstätig. Der Ehegatte der BF bezieht seit Februar 2015 Waisenpension.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben angeführte Verfahrensgang beruht sich auf dem diesbezüglichen Akteninhalt.

2.2. Zur Person der BF ihren individuellen Verhältnissen:

Die Feststellungen zur Identität und Staatsangehörigkeit der BF beruhen auf dem diesbezüglich glaubhaften Akteninhalt.

Die festgestellten Wohnsitzmeldungen der BF im Bundesgebiet beruhen auf einem Zentralmelderegisterauszug.

Der fremdenrechtliche Aufenthaltsstatus der BF ohne Besitz einer Anmeldebescheinigung in Österreich konnte nach Einsichtnahme in das Fremdenregister festgestellt werden.

Die Feststellung zur strafrechtlichen Verurteilung der BF im Bundesgebiet ergab sich aus einem Auszug aus dem Strafregister der Republik Österreich, und die diesem Strafrechtsurteil zugrundeliegenden strafbaren Handlungen beruhen auf den dem Strafrechtsurteil von Oktober 2018 im Verwaltungsakt zugrundeliegenden strafbaren Handlungen im Akt (AS 215ff).

Die Feststellung zur Bestellung eines Erwachsenenvertreters für die BF mit Gerichtsbeschluss von November 2019 beruht auf dem diesbezüglichen Bestellungsbeschluss im Akt, welcher am 14.01.2020 beim BVwG eingelangt ist.

Die Feststellungen zu den familiären Verhältnissen der BF in ihrem Herkunftsstaat und in Österreich beruhen auf dem diesbezüglich glaubhaften Akteninhalt.

Dass die BF seit Februar 2020 mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet ist und seitdem bei ihm mit Nebenwohnsitz gemeldet ist, beruht auf die BF und ihren Freund betreffenden Zentralmelderegisterauszügen.

Dass die BF nach Entlassung aus der Anstalt bei ihrem Ehegatten unterkommen kann und dieser in der Lage ist, die entsprechenden Strukturen für sie zu schaffen, beruht auf der am 14.01.2020 beim BVwG eingelangten, diesbezüglich glaubhaften schriftlichen Stellungnahme des Erwachsenenvertreters der BF.

Am 27.04.2020 langte beim BVwG unter anderem ein seitens der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie abgegebener ärztlicher Entlassungsbrief vom 31.12.2019 ein, aus welchem hervorgeht, dass im Zuge eines stationären Aufenthaltes vom 30.12.2019 bis 31.12.2019 der psychische Gesundheitszustand der BF kontrolliert und im Zuge dessen die psychische Verfassung der BF unter anderem mit "Realitätsbezug, Kritik- und Paktfähigkeit" umschrieben und "keine Gefährdung im Sinne des UbG" erkannt wurde.

In diesem ärztlichen Entlassungsbrief vom 31.12.2019 wurde auch auf eine - neben der Unterbringung in der Anstalt - erfolgende Unterbringung der BF in einer bestimmten Pflegeeinrichtung für chronische psychische Erkrankungen" hingewiesen, in welcher sich die BF gut integriert habe.

Auch in der schriftlichen Stellungnahme vom 14.01.2020 wurde auf die Unterbringung der BF sowohl in der Anstalt als auch in der besagten Pflegeeinrichtung für psychische Erkrankungen hingewiesen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Anzuwendendes Recht:

3.1.1. Der mit "Aufenthaltsverbot" betitelte § 67 FPG lautet:

"(1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

(...)."

Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

Gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG kann bei EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist."

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG lautet:

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(...)."

3.1.2. Da sich die BF, eine rumänische Staatsbürgerin, erst seit März 2018 im Bundesgebiet aufhält, kommt wegen ihres erst etwas mehr als zwei Jahre langen durchgehenden Aufenthaltes im Bundesgebiet der einfache und nicht der erhöhte Prüfungsmaßstab nach § 67 Abs. 1 S. 2 FPG zur Anwendung.

Es ist daher im Folgenden zu prüfen, ob von der BF eine tatsächliche, aktuelle, erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit im österreichischen Bundesgebiet ausgeht:

Hinsichtlich der strafrechtlichen Verurteilung der BF mit Strafrechtsurteil von Oktober 2018 weist das erkennende Gericht der Vollständigkeit halber darauf hin, dass die fremdenpolizeilichen Beurteilungen unabhängig und eigenständig, von den die des Strafgerichts für die Strafbemessung, die bedingte Strafnachsicht und den Aufschub des Strafvollzugs betreffenden Erwägungen zu treffen hat (vgl. Erkenntnis des VwGH v. 6.Juli 2010, Zl. 2010/22/0096). Es geht bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes in keiner Weise um eine Beurteilung der Schuld des Fremden an seinen Straftaten und auch nicht um eine Bestrafung (vgl. Erkenntnis des VwGH vom 8. Juli 2004, 2001/21/0119).

Die BF leidet an paranoider Schizophrenie, die eine seelisch/geistige Abnormität von höheren Grad und eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung darstellt.

Sie wurde mit einem Strafrechtsurteil von Oktober 2018 in Österreich rechtskräftig strafrechtlich verurteilt und wegen versuchter Kindesentziehung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingeliefert.

In diesem Strafrechtsurteil wurde festgehalten:

"Bei der betroffenen bestehen aufgrund ihrer Erkrankung nach wie vor wahnhafte Verkennungen in Form von Halluzinationen, Gedankeneingebungen und Stimmenhören, die auch aggressives Potential haben, wobei gleichzeitig eine Verkennung der Realität vorliegt."

Der strafrechtlichen Verurteilung der BF von Oktober 2018 lagen folgende strafbare Handlungen zugrunde:

Die BF hat unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes, der auf einer geistigen und seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht, nämlich einer paranoiden Schizophrenie, am 18.06.2018 im österreichischen Bundesgebiet einer Erziehungsberechtigten ihr 2015 geborenes Kind zu entziehen versucht, indem sie dieses unmündige Person ergreifen wollte und sodann, nachdem die Erziehungsberechtigte ihre Tochter in die Arme genommen hatte, dieses am Oberkörper erfasste und wegzuzerren versuchte.

Sie hat mithin eine Tat begangen, die ihr außer diesem Zustand als das Vergehen der versuchten Kindesentziehung zuzurechnen wäre und die mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist.

Da nach ihrer Person, ihrem Zustand sowie der Art der Tat dringend zu befürchten ist, dass die BF sonst unter dem Einfluss ihrer geistigen und seelischen Abartigkeit von höherem Grade mit Strafe bedrohte Handlungen mit schweren Folgen, insbesondere weitere Kindesentziehungen, begehen werde, wurde sie in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.

Der mit "Einreiseverbot" betitelte § 53 FPG lautet, wie im Folgenden angeführt, wie folgt:

"Einreiseverbot

§ 53.

(1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

(Anm.: Abs. 1a aufgehoben durch BGBl. I Nr. 68/2013)

(2) (...)

(3) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 9 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn

1. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder mindestens einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;

(...)

(6) Einer Verurteilung nach Abs. 3 Z 1, 2 und 5 ist eine von einem Gericht veranlasste Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gleichzuhalten, wenn die Tat unter Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes begangen wurde, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht."

Der strafrechtlichen Verurteilung der BF lag zugrunde, dass sie im Juni 2018 einer Erziehungsberechtigten ihr im Dezember 2015 geborenes, nunmehr vier Jahre und fünf Monate altes Kind entführt hat, dies "unter dem Einfluss ihrer schweren psychischen Erkrankung, nämlich der paranoiden Schizophrenie und somit in einem Zustand seelischer/geistiger Abnormität höheren Grades".

Das von der BF verübte Delikt "Kindesentziehung" fällt unter § 195 StGB. Dieser Straftatbestand lautet in seinen Absätzen 1 und 2 wie folgt:

"§ 195. (1) Wer eine Person unter sechzehn Jahren dem Erziehungsberechtigten entzieht, sie vor ihm verborgen hält, sie verleitet, sich ihm zu entziehen oder sich vor ihm verborgen zu halten, oder ihr dazu Hilfe leistet, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen zu bestrafen.

(2) Wer die Tat in Beziehung auf eine unmündige Person begeht, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen."

Die BF hat versucht, unter dem Einfluss ihrer schweren psychischen Erkrankung, nämlich der paranoiden Schizophrenie und damit in einem Zustand seelischer/geistiger Abnormität höheren Grades im Juni 2018 einer Erziehungsberechtigten ihr unmündig minderjähriges Kind zu entziehen.

Nach § 195 Abs. 2 StGB ist die Entziehung einer unmündigen Person mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe bedroht, und wird im Bewusstsein, dass es sich im konkreten Fall um ein auf EWR-Bürger anwendbares Aufenthaltsverbot und nicht um ein auf Drittstaatsangehörige anwendbares Einreiseverbot handelt, darauf hingewiesen, dass diese Strafdrohung unter den Einreiseverbotstatbestand nach § 53 Abs. 3 Z. 1 FPG mit der darin angeführten unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten fällt. Nach § 53 Abs. 6 FPG ist einer Verurteilung nach § 53 Abs. 3 Z. 1 FPG eine von einem Gericht veranlasste Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gleichzuhalten, wenn die Tat unter Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes begangen wurde, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht.

Fest steht, dass die BF unter dem Einfluss ihrer paranoiden Schizophrenie-Erkrankung im Juni 2018 einer Mutter ihr unmündig minderjähriges Kind zu entziehen versucht hat, indem sie dieser auf einem Spielplatz mitteilte, die Kindesmutter sei nicht die richtige Mutter, und anschließend versuchte, das auf einer Schaukel sitzende Kind zu ergreifen. Nachdem darauf die Kindesmutter sofort reagiert, ihr Kind in die Arme und es festgehalten hatte, hat die BF den Oberkörper des Kindes ergriffen und versucht, das Kind neuerlich der Kindesmutter zu entziehen.

Mit ihrem Versuch, mit allen Kräften ein unmündig minderjähriges Kind der Kindesmutter zu entziehen, hat sie ihre grundsätzliche Neigung bzw. Bereitschaft zu für Kinder in der Öffentlichkeit gefährliche Handlungsweisen unter Beweis gestellt. Das Kind konnte nur nach Eingreifen des Kindesvaters, der Cousine der Kindesmutter und weiterer Personen bei der Kindesmutter bleiben.

Die BF wurde mit Strafrechtsurteil von Oktober 2018 in eine Anstalt für geistig Rechtsbrecher eingewiesen.

Der Zweck dieser Maßnahme - der Einweisung eines Straftäters in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher - liegt nicht in der Bestrafung des Täters, sondern in der Reduktion der Gefährlichkeit des Täters für die Zukunft.

Der mit "Voraussetzungen der Unterbringung" betitelte § 3 Unterbringungsgesetz (UbG) idgF lautet wie folgt:

"§3.

In einer psychiatrischen Abteilung darf nur untergebracht werden, wer

1. an einer psychischen Krankheit leidet und im Zusammenhang damit sein Leben oder seine Gesundheit oder das Leben oder die Gesundheit anderer ernstlich und erheblich gefährdet und

2. nicht in anderer Weise, insbesondere außerhalb einer psychiatrischen Abteilung, ausreichend ärztlich behandelt oder betreut werden kann."

§ 32 UbG lautet wie folgt:

"§ 32.

Unbeschadet der Fälle, in denen das Gericht die Unterbringung des Kranken für nicht oder für nicht mehr zulässig erklärt, hat der Abteilungsleiter die Unterbringung jederzeit aufzuheben, wenn deren Voraussetzungen nicht mehr vorliegen. Er hat hievon unverzüglich das Gericht und den Vertreter des Kranken zu verständigen. Der behandelnde Arzt hat das weitere Vorliegen der Unterbringungsvoraussetzungen in der Krankengeschichte zumindest wöchentlich, sollte aber die Unterbringung bereits über sechs Monate andauern, zumindest monatlich zu dokumentieren."

Demnach muss in regelmäßigen Abständen - zumindest monatlich - ärztlich kontrolliert werden, ob die Voraussetzungen für eine weitere Anhaltung der BF, die an paranoider Schizophrenie leidet und sich der versuchten Kindesentziehung schuldig gemacht hat, in der Anstalt noch vorliegen.

Am 27.04.2020 langte beim BVwG ein "ärztlicher Entlassungsbrief" vom 31.12.2019 ein. Danach wurde im Zuge eines stationären Aufenthaltes der BF in der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie der Klinik vom 30.12.2019 bis 31.12.2019 der psychische Gesundheitszustand der BF kontrolliert und im Zuge dessen "Realitätsbezug, Kritik-, Paktfähigkeit" und "keine Gefährdung im Sinne des UbG" erkannt.

In diesem Arztbrief vom 31.12.2019 wurde auf eine "nächste U.d.U.-Aufnahme am 13.1.2020" verwiesen. Demnach war für 13.01.2020 eine neuerliche Kontroll-Aufnahme der BF in der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie vorgesehen.

Laut diesem Arztbrief vom 31.12.2019 hat die BF am 30.12.2019 im stationären Setting das Medikament "Haoperidol Decanoat" erhalten. Eine diesbezügliche Behandlung der BF wurde für alle vier Wochen vorgesehen. Es wurde zudem eine darüberhinausgehende Medikation mit bestimmten Medikamenten empfohlen und darauf hingewiesen, dass der die BF weiterbehandelnde Arzt der BF unter Beachtung der Wirtschaftlichkeit nicht immer ein namensgleiches, auf jeden Fall aber entsprechend der Empfehlung, ein wirkungsgleiches Präparat verordnen wird.

Fest steht, dass der Zweck der Maßnahme der Unterbringung der BF in einer geschlossenen Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nicht in ihrer Bestrafung, sondern in der Reduktion ihrer Gefährlichkeit für die Zukunft liegt.

Ein Nachweis für den Wegfall der Voraussetzungen für die Unterbringung der BF in der Anstalt liegt zum gegenständlichen Entscheidungszeitpunkt jedenfalls nicht vor.

Fest steht, dass die BF derzeit nicht nur in der geschlossenen Anstalt, sondern auch in einer bestimmten Pflegeeinrichtung für chronisch psychische Erkrankungen untergebracht wird, und einem vorgelegten "ärztlichen Entlassungsbericht" vom 31.12.2019 folgend nach einem stationären Aufenthalt der BF in der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie vom 30.12.2019 bis 31.12.2019 infolge einer ärztlichen Kontrolle des Gesundheitszustandes der BF "Realitätsbezug, Kritik- und Paktfähigkeit" und "keine Gefährdung im Sinne des UbG" erkannt wurde.

Die BF ist immer noch in der Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher untergebracht, in welche sie mit Strafrechtsurteil von Oktober 2018 mit der Begründung eingewiesen wurde, dass "nach ihrer Person, ihrem Zustand sowie der Art der Tat dringend zu befürchten ist, dass die Betroffene (...) sonst unter dem Einfluss ihrer geistigen und seelischen Abartigkeit von höherem Grade mit Strafe bedrohte Handlungen mit schweren Folgen, insbesondere weitere Kindesentziehungen begehen werde".

Der Erwachsenenvertreter der BF gab in seinem Schreiben vom 14.10.2020 unter "Zukunftsprognose" unter anderem bekannt, dass die BF "völlig krankheitseinsichtig und weiß sie jedenfalls, dass die regelmäßige Depotspritze, sowie ihre Medikamente unerlässlich sind, wie auch eine regelmäßige sozialpsychiatrische und therapeutische Betreuung (MSB), damit sie ihre psychische Stabilität behält."

Dass die BF krankheitseinsichtig ist und um ihre notwendige medikamentöse Behandlung und regelmäßige sozialpsychiatrische und therapeutische Betreuung Bescheid weiß, ändert nichts daran, dass es bei der paranoiden Schizophrenie-Erkrankung der BF unter Einhaltung der empfohlenen bzw. angeordneten Behandlung zwar, wie laut ärztlichem Entlassungsbrief vom 31.12.2019, zu einer Besserung des psychischen Gesundheitszustandes kommen kann, eine Besserung bzw. eingetretene psychische Stabilisierung jedoch nicht eine Verschlechterung bzw. Rückfälligkeit der BF ausschließen kann.

Seit der Einweisung der BF in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher mit Strafrechtsurteil von Oktober 2018 ist nachweislich jedenfalls keine derartige, nachhaltige psychische Stabilisierung bei der BF eingetreten, die zu einer Entlassung aus der geschlossenen Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher führen konnte.

Da die BF mit der versuchten Kindesentziehung bzw. ihrem Versuch, unter aller Kraftanwendung im Juni 2018 auf einem Spielplatz einer Mutter ihr unmündiges Kind wegzunehmen, ihre grundsätzliche Bereitschaft zu solchen für Kinder besonders gefährlichen Handlungen unter dem Einfluss der mit ihrer paranoiden Schizophrenie-Erkrankung einhergehenden Begleiterscheinungen wie Verkennung der Realität in Form von Halluzinationen, Gedankeneingebungen und Stimmenhören, die auch aggressives Potential haben, unter Beweis gestellt hat, und das Kind nur durch Eingreifen anwesender Personen bei der Kindesmutter bleiben konnte, kann im gegenständlichen Fall bzw. in der individuellen, gesundheitsbedingten Situation der BF von keiner positiven Zukunftsprognose ausgegangen werden.

Es ist daher von einer von der BF im Bundesgebiet ausgehenden, erheblichen Gefahr iSv § 67 Abs. 1 S. 2 FPG auszugehen, insbesondere für Kinder, die sich auf Spielplätzen oder woanders in der Öffentlichkeit aufhalten und für die BF greifbar bzw. in greifbarer Nähe sind.

Das vom BFA gegen die BF erlassene Aufenthaltsverbot ist daher grundsätzlich gerechtfertigt, und mangels in Österreich besonders berücksichtigungswürdiger Bindung auch der vom BFA ausgesprochenen vierjährigen Aufenthaltsverbotsdauer nach,

- war die BF in Österreich doch nie erwerbstätig, sondern bezieht sie eine Pension aus Rumänien,

- hat die BF außer ihren Bezugspersonen in der Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher und in der besagten Pflegeeinrichtung für psychische Erkrankungen keine weiteren berücksichtigungswürdigen (familiären oder sonstigen) Bezugspersonen,

- kann die BF für die vierjährige Aufenthaltsverbotsdauer grundsätzlich von ihrem Ehegatten nach Rumänien begleitet werden, ist dieser laut Akteninhalt doch aktuell, wie aus seiner laufenden Waisenpension seit Februar 2015 ersichtlich, in Österreich nicht beruflich verankert bzw. gebunden und mangels aktenmäßiger sonstiger Bindungen auch nicht in anderweitiger Hinsicht, und

- gibt es außerdem bei einer nach Entlassung der BF in Österreich neuerlich notwendiger Unterbringung der BF in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher grundsätzlich auch in Rumänien die Möglichkeit dazu, hat die BF doch in der Strafverhandlung im Oktober 2018 selbst angegeben, sich rund fünf Jahre lang in einer psychisch geschlossenen Klinik in Rumänien aufgehalten zu haben, weshalb ein Interesse der BF an einer nach Entlassung aus der Anstalt weiterführender Behandlung und Betreuung in Österreich jedenfalls hinter dem als gewichtiger eingestuften öffentlichen Interesse an der Verhinderung weiterer gefährlicher Straftaten der BF zu treten hat.

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides war daher sowohl dem Grunde als auch der vom BFA ausgesprochenen vierjährigen Dauer nach abzuweisen.

Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

Zu Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG kann bei EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.

Mit Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wurde der Beschwerde gegen das Aufenthaltsverbot die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Das BVwG hat über eine Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 BFA-VG (oder gegen einen derartigen trennbaren Spruchteil eines Bescheids) gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde in Form eines (Teil-) Erkenntnisses zu entscheiden (vgl VwGH 19.06.2017, Fr 2017/19/0023; 13.09.2016, Fr 2016/01/0014).

Mit Beschluss des BVwG vom 21.01.2020 wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zum Durchsetzungsaufschub und zur aufschiebenden Wirkung ausgeführt, dass gesondert zu begründen ist, inwieweit die sofortige Ausreise des Beschwerdeführers nach § 86 Abs. 3 FPG (Dursetzungsaufschub, Rechtslage vor Inkrafttreten des FrÄG 2011) geboten sein soll. Die auf die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung Bezug nehmenden Überlegungen, die schon bei der Entscheidung über die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes anzustellen sind, vermögen die Begründung für die Versagung eines Durchsetzungsaufschubes nicht zu ersetzen. Gleiches gilt für die enthaltenen Überlegungen zum Ausschluss einer aufschiebenden Wirkung der Berufung, weil die aufschiebende Wirkung einer Berufung und die Gewährung eines einmonatigen Durchsetzungsaufschubes von ihren Zwecken und ihren Wirkungen her nicht vergleichbar sind (VwGH 21.11.2006, 2006/21/0171 mwN).

Zur Begründung einer Notwendigkeit der sofortigen Ausreise genügt es nicht, dafür auf eine - die Aufenthaltsbeendigung als solche rechtfertigende - Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch die BF zu verweisen, sondern es ist darüber hinaus darzutun, warum die Aufenthaltsbeendigung sofort - ohne Aufschub und unabhängig vom Ergebnis des Beschwerdeverfahrens - zu erfolgen hat; dazu ist es nicht ausreichend, jene Überlegungen ins Treffen zu führen, die schon bei der Entscheidung über die Verhängung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme selbst maßgeblich waren. Die Notwendigkeit der sofortigen Ausreise als gesetzliche Voraussetzung für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung erfordert also das Vorliegen besonderer Umstände, die mit den Voraussetzungen für die Aufenthaltsbeendigung als solche nicht gleichzusetzen sind (vgl. VwGH 04.04.2019, Ra 2019/21/0053).

Aus Sicht des erkennenden Gerichtes war das Absehen von der Gewährung eines Durchsetzungsaufschubes wegen der von der Person des BF im Bundesgebiet für die öffentlichen Ordnung und Sicherheit ausgehenden, akuten Gefahr notwendig, um diese beiden Belange zu schützen, geht doch von der an paranoiden Schizophrenie leidenden BF, die im Juli 2018 auf einem Spielplatz in Österreich einer Mutter ihr unmündiges Kind zu entziehen versucht hat, eine besonders schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit bzw. für sich in der Öffentlichkeit bewegende Kinder aus, wobei auch auf die kriminelle Hartnäckigkeit der BF hingewiesen wird, konnte laut Strafrechtsurteil von Oktober 2018 das Kind doch nur durch Einschreiten bzw. Hilfeleistung weiterer Personen, wie des Kindesvaters, der Cousine der Kindesmutter und weiterer Personen bei der Kindesmutter bleiben.

Die Beschwerde war somit spruchgemäß als unbegründet abzuweisen.

3.2. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlichen Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Aufenthaltsverbot Interessenabwägung öffentliche Interessen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G313.2205053.2.01

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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