TE Bvwg Beschluss 2020/5/19 W185 2212816-1

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Veröffentlicht am 19.05.2020
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Entscheidungsdatum

19.05.2020

Norm

AsylG 2005 §35 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs3

Spruch

W185 2212816-1/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard PRÜNSTER als Einzelrichter nach Beschwerdevorentscheidung der Österreichischen Botschaft Abuja vom 19.12.2018, Zl Abuja-ÖB/KONS/9895/2018, aufgrund des Vorlageantrages der XXXX , geb. XXXX , StA Nigeria, gegen den Bescheid der österreichischen Botschaft Abuja vom 11.10.2018, beschlossen:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 3 VwGVG stattgegeben, der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Erlassung einer neuen Entscheidung an die Behörde zurückverwiesen.

B)

Die ordentliche Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige Nigerias, stellte am 26.08.2018 bei der Österreichischen Botschaft Abuja (im Folgenden: "ÖB Abuja") einen Antrag auf Ausstellung eines zur einfachen Einreise berechtigenden Schengen-Visums der Kategorie "C" mit einer Gültigkeit von 83 Tagen. Als Hauptzweck der Reise wurde "Besuch von Familienangehörigen oder Freunden" angegeben. Als geplantes Ankunftsdatum im Schengen-Raum wurde der 26.10.2018, als geplantes Abreisedatum der 15.01.2019 angegeben. Als einladende Person wurde XXXX , der Vater der Beschwerdeführerin, angeführt. Im Zuge der Antragstellung gab die Beschwerdeführerin weiters an, Studentin und ledig zu sein. Der Einlader komme für alle Kosten des Aufenthaltes der Beschwerdeführerin auf.

Mit dem Antrag legte die Beschwerdeführerin folgende Dokumente vor:

- Vorstellungsschreiben ("Self Introduction Letter")

- Kopie des Reisepasses der Beschwerdeführerin

- - Kopie der Geburtsurkunde der Beschwerdeführerin

- elektronische Verpflichtungserklärung (EVE) des Einladers vom 06.07.2018:

Verpflichtender: XXXX , geb. XXXX , nigerianischer Staatsangehöriger, Beziehung zur Eingeladenen: Tochter; Einladungszeitraum: 14.09.2018 bis 14.12.2018; seit 2016 als Reinigungskraft bei XXXX sowie als Küchenhilfe bei XXXX beschäftigt; monatliches Nettoeinkommen für beide Tätigkeiten: 2.216,- Euro, kein sonstiges Vermögen; Kreditverbindlichkeiten und Miete für 45m2 Wohnung in XXXX , betragen 950,- Euro pro Monat; kein weiteres Haushaltseinkommen; Sorgepflichten für zwei minderjährige Kinder (geb. 2002 und 2004). Bemerkung der Behörde: Aufenthaltstitel des Verpflichtenden zu MA35-9/2804035-06; Rot-Weiß-Rot-Karte Plus; freier Zugang zu Arbeitsmarkt; Eingeladene war noch nicht in Österreich [...].

- elektronische Verpflichtungserklärung (EVE) des Einladers vom 14.08.2018:

Verpflichtender: XXXX , geb. XXXX , nigerianischer Staatsangehöriger, Beziehung zur Eingeladenen: Tochter; Einladungszeitraum: 25.10.2018 bis 15.01.2019; seit 2015 als Arbeiter bei XXXX sowie bei XXXX beschäftigt; monatliches Nettoeinkommen für beide Tätigkeiten: 2.832,58 Euro, kein sonstiges Vermögen; Kreditverbindlichkeiten und Miete für Wohnung in XXXX , betragen 950,- Euro pro Monat; kein weiteres Haushaltseinkommen; keine Sorgepflichten. Bemerkung der Behörde: Aufenthaltstitel des Verpflichtenden zu MA35-9/2804035-06; Eingeladene war bis dato noch nicht in Österreich [...].

- Flugreservierung (Lagos-Addis Abeba-Wien am 25.10.2018 und Wien-Addis Abeba-Lagos am 14.01.2019 bzw. 15.01.2019)

- Polizze über Abschluss einer Auslandskrankenversicherung für die Beschwerdeführerin für einen Zeitraum von 25.10.2018 bis 24.01.2019

- Auszug aus dem zentralen Melderegister betreffend den Einlader

- Lohnzettel des Einladers

- Mietvertrag des Einladers

Mit Mail vom 31.08.2018 wurde die Beschwerdeführerin seitens der ÖB Abuja aufgefordert am 20.09.2018 für ein Interview zur Botschaft zu kommen.

Dieser Aufforderung kam die Beschwerdeführerin nicht nach.

Mit "Aufforderung zur Stellungnahme" vom 21.09.2018 wurde der Beschwerdeführerin seitens der ÖB Abuja Parteiengehör eingeräumt und mitgeteilt, dass folgende Bedenken gegen die Erteilung des beantragten Visums bestünden:

"Sie haben nicht den Nachweis erbracht, dass Sie über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts für die Dauer des beabsichtigten Aufenthalts oder für die Rückkehr in ihren Herkunfts- oder Wohnsitzstaat oder für die Durchreise in einen Drittstaat verfügen, in dem ihre Zulassung gewährleistet ist, oder Sie sind nicht in der Lage, diese Mittel rechtmäßig zu erlangen.

Nähere Begründung: Die vorgelegten EVE konnten im Hinblick auf Unstimmigkeiten nicht berücksichtigt werden. Auch konnten Sie die Zweifel der Botschaft nicht ausräumen, da Sie der Einladung zum Interview nicht nachgekommen sind.

Die vorgelegten Informationen über den Zweck und die Bedingungen des beabsichtigten Aufenthaltes waren nicht glaubhaft.

Nähere Begründung: Die beabsichtigte Reise entspricht nicht Ihren derzeitigen sozialen und wirtschaftlichen Lebensumständen. Die über den Aufenthalt vorgelegten Informationen sind unglaubwürdig.

Ihre Absicht, vor Ablauf des Visums aus dem Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten auszureisen, konnte nicht festgestellt werden. Ihr Verwurzelung im Heimatland konnte nicht ausreichend nachgewiesen werden. Es bestehen begründete Zweifel an der Glaubwürdigkeit Ihrer Angaben. Genaue Begründung: siehe oben."

Der Beschwerdeführerin wurde Gelegenheit gegeben, innerhalb einer Frist von einer Woche in schriftlicher Form und in deutscher Sprache diese Bedenken durch unter Beweis zu stellendes Vorbringen zu zerstreuen.

Mit Mail vom 26.09.2018 erstattete die Beschwerdeführerin eine Stellungnahme und brachte zunächst vor, keine Einladung der Botschaft für ein persönliches Interview bekommen zu haben; einer solchen Einladung wäre sie natürlich gefolgt. Weiters führte die Beschwerdeführerin aus, Vollzeitstudentin der Universität XXXX zu sein und Informatik zu studieren. Diesbezüglich lege sie hiermit ihren Prüfungszeitplan und einige Universitätsdokumente vor. Sie habe im Oktober 2018 noch Prüfungen; danach beginne die vorlesungsfreie Zeit, die bis Jänner 2019 dauere. Ihre Eltern hätten sie in der studienfreien Zeit eingeladen, Urlaub bei ihnen in Wien zu machen. Sie habe kein Interesse dauerhaft bzw. über die Gültigkeitsdauer des beantragten Visums hinaus in Österreich oder der EU zu verbleiben. Sie wolle ihr Studium in Nigeria fortführen und abschließen. Ihre Eltern würden für alle Kosten ihres Aufenthaltes in Österreich und die Reisekosten aufkommen. Ihre Eltern würden auch ihr Leben in Nigeria finanzieren, da sie selbst als Vollzeitstudentin ja über kein eigenes Einkommen verfüge. Ihr Vater habe eine EVE abgegeben und sein Einkommen dargelegt. Der Stellungnahme war unter anderem die Kopie eines Studentenausweises, der Zulassungsbescheid an der Universität in XXXX sowie die Zahlungsbestätigung der Studiengebühren angefügt.

Mit Mail vom 26.09.2018 informierte die ÖB Abuja die Beschwerdeführerin, dass sie mit Mail vom 31.08.2018 zu einem Interview eingeladen worden sei.

Die Beschwerdeführerin bat um Übermittlung des Sendeprotokolls der Einladung zum Interview, da sie kein diesbezügliches Mail in ihrem Postfach habe.

Am 28.09.2018 übermittelte die ÖB Abuja der Beschwerdeführerin die Kopie des Mails betreffend die Einladung zum Interview.

Mit Mail vom 07.10.2018 gab die Beschwerdeführerin bekannt, dass sie das Mail betreffend die Einladung zum Interview nun in ihrem Postfach gesehen habe. Sie habe das Mail damals nicht geöffnet, da sie den Absender nicht gekannt habe. Sie habe fälschlicherweise gedacht, es handle sich um einen unsicheren Absender und habe daher das Mail nicht geöffnet. Es sei keine Absicht gewesen. Sie würde einer erneuten Einladung sehr gerne folgen.

Mit angefochtenem Bescheid vom 11.10.2018, zugestellt am 22.10.2018, verweigerte die ÖB Abuja die Erteilung des beantragten Visums mit folgender Begründung:

"Die vorgelegten Informationen über den Zweck und die Bedingungen des beabsichtigten Aufenthalts waren nicht glaubhaft.

Ihre Absicht, vor Ablauf des Visums aus dem Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten auszureisen, konnte nicht festgestellt werden."

Gegen diesen Bescheid wurde am 08.11.2018, eingelangt bei der ÖB Abuja am selben Tag, fristgerecht Beschwerde erhoben. Darin wurde zusammengefasst ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin in Nigeria studiere und ihr Studium in rund zwei Jahren abschließen werde. Einige Verwandte der Beschwerdeführerin würden in Nigeria wohnen; sie habe weiterhin familiäre Bindungen im Heimatstaat. Die Eltern und Geschwister der Beschwerdeführerin seien in Österreich aufhältig. Zweck der Reise sei der Besuch ihrer Familienangehörigen in Österreich. Die Beschwerdeführerin, ihr Vater und ihre Mutter hätten jeweils ihm Dezember Geburtstag; man wolle diese Geburtstage und auch die Weihnachtsfeiertage gemeinsam verbringen. Die Universitätsferien würden im Jänner 2019 enden. Der Vater der Beschwerdeführerin habe eine (tragfähige) EVE abgegeben; er sei aufgrund seines Einkommens in der Lage, den Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich zu finanzieren. Betreffend den Abweisungsgrund, dass die Informationen über den Zweck und die Bedingungen des Aufenthaltes nicht glaubhaft seien, wurde ausgeführt, dass es nachvollziehbar sei, dass die Beschwerdeführerin ihre Eltern und Geschwister im Bundesgebiet besuchen wolle. Da der Vater der Beschwerdeführerin erwerbstätig sei und nicht für mehrere Wochen Urlaub erhalte, könne ein mehrwöchiger gemeinsamer Aufenthalt nur in Österreich erfolgen. Es entspreche der allgemeinen Lebenserfahrung, dass bei nahen Angehörigen regelmäßige Besuche und persönliche Kontakte stattfinden würden. Die Beschwerdeführerin wolle ihr Studium in Nigeria beenden. Würde sie längerfristig im Bundesgebiet bleiben wollen, um hier zu studieren, stünde es ihr frei, eine Zulassung zum Studium in Österreich zu erwirken und danach eine Aufenthaltsbewilligung "Student" zu beantragen; dies beabsichtige die Beschwerdeführerin jedoch nicht. Die Informationen über den Zweck und die Bedingungen des Aufenthaltes seien daher glaubhaft und nachvollziehbar. Die Beschwerdeführerin werde, wie bereits dargelegt, vor Ablauf des Visums das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten wieder verlassen, da sie ihr Studium in Nigeria beenden wolle und über familiäre Bindungen in Nigeria verfüge. Ihr sei bewusst, dass im Fall eines illegalen Aufenthaltes die künftige Erteilung eines Visums oder Aufenthaltstitels nicht oder nur erschwert möglich sein werde und dass dies eine Verwaltungsübertretung darstelle. Es seien bislang alle fremdenrechtlichen Bestimmungen von ihr und auch von ihrer Familie eingehalten worden. Der Beschwerde waren Kopien des Mietvertrages des Einladers, der EVE, des Meldezettels des Einladers, des Studentenausweises der Beschwerdeführerin und Lohnzettel des Einladers angefügt.

Am 09.11.2018 erteilte die ÖB Abuja einen Verbesserungsauftrag, da näher bezeichnete Unterlagen der Beschwerde entgegen der Rechtsmittelbelehrung des Bescheides nicht in deutscher Übersetzung angeschlossen gewesen seien.

Dem Verbesserungsauftrag wurde fristgerecht entsprochen.

Am 19.12.2018 erließ die ÖB Abuja eine Beschwerdevorentscheidung und wies die Beschwerde gegen den Bescheid vom 11.10.2018 gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG als unbegründet ab.

Begründend wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin und deren Familie der Behörde bereits bekannt seien. Deren Eltern und 2 minderjährige Geschwister würden in Österreich leben. Die Beschwerdeführerin sei ledig und weise keine Schengen-Voraufenthalte auf. Die Ungereimtheiten betreffend die EVE-s hätten durch Inlandserhebungen ausgeräumt werden können. Die Zweifel hinsichtlich Zweck und Bedingungen des geplanten Aufenthalts sowie der Wiederausreiseabsicht hätten jedoch nicht zerstreut werden können. Der Einlader habe bereits im Jahr 2005 seine Familie verlassen und sei nach Österreich gekommen. Sein Asylantrag sei negativ beschieden worden. Als es zur Abschiebung hätte kommen sollen, habe der Einlader im Jahr 2011 eine arbeitslose österreichische Staatsbürgerin geheiratet und somit einen Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot-Kate plus" als Familienangehöriger erhalten. Ermittlungen hinsichtlich einer allfälligen Aufenthaltsehe seien eingestellt worden. Der Einlader habe sich im März 2016 scheiden lassen. Am 12.07.2016 habe dann die standesamtliche Trauung mit der in Nigeria lebenden Mutter der Beschwerdeführerin stattgefunden. Am 26.09.2017 hätten die Beschwerdeführerin, ihre Mutter und ihre Geschwister jeweils einen Antrag auf Erteilung einer "Rot-Weiß-Rot-Karte plus" gestellt. Die Anträge der Mutter und minderjährigen Geschwister der Beschwerdeführerin seien positiv entschieden worden und seien diese in der Folge nach Österreich nachgezogen. Der Antrag der Beschwerdeführerin hingegen sei aufgrund Volljährigkeit negativ entschieden worden (§ 2 Abs 1 Z 9 NAG). Wenn in der Beschwerde eine Wiederausreiseabsicht der Beschwerdeführerin bzw. eine wirtschaftliche Verwurzelung in Heimat zur Beendigung des Studiums behauptet werde, sei dem entgegen zu halten, dass die Beschwerdeführerin im Rahmen des Interviews der Aufenthaltstitel-Antragstellung angegeben habe, sich sehr auf ihr beabsichtigtes Studium in Österreich zu freuen. Die soziale Verwurzelung der Beschwerdeführerin in Nigeria aufgrund dort aufhältiger Verwandter dürfe in Frage gestellt werden. Mittlerweile seien alle fünf Geschwister des Einladers im Schengenraum (Deutschland und Norwegen) aufhältig. Es bestünden somit auf dem Boden konkreter Anhaltspunkte begründete Zweifel im Sinne des Art. 32 Abs. 1 lit. b Visakodex an der Absicht der Beschwerdeführerin, das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vor Ablauf der Gültigkeit des beantragten Visums zu verlassen. Zweifel würden zu Lasten des Fremden gehen. In diesem Zusammenhang sei festzuhalten, dass der Behörde bei der Beurteilung des Versagungsgrundes im Sinne des Art. 32 Abs. 1 lit. b Visakodex ein weiter Beurteilungsspielraum zukomme. Darüber hinaus sei die Beschwerdeführerin ihrer Pflicht gemäß Art. 32 Abs. 1 lit. a sublit. ii Visakodex, den Zweck und die Bedingungen des Aufenthaltes zu begründen, nicht ausreichend und nicht glaubhaft nachgekommen. Diesbezüglich verwies die ÖB Abuja auf den Aufenthaltstitel-Antrag, das fremdenrechtliche Vorgehen des Einladers und die bereits damals aufgetauchten Widersprüche.

Am 28.12.2018 brachte die Beschwerdeführerin fristgerecht einen Vorlageantrag gemäß § 15 VwGVG ein. Darin wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin widerspruchsfrei und umfassend ausgeführt habe, weshalb sie eine Reise in das Bundesgebiet plane. Sie habe über den Zweck der Reise in das Bundesgebiet Auskunft gegeben und auch dargetan, weshalb sie wieder nach Nigeria zurückkehren werde. Zwingender Grund für ihre Rückkehr sei die Fortsetzung ihres Studiums in Nigeria. Es sei richtig, dass ursprünglich eine Familienzusammenführung geplant und dies aufgrund des Alters der Beschwerdeführerin nicht möglich gewesen sei. Die Beschwerdeführerin habe daraufhin ihren Plan, im Bundesgebiet zu studieren, geändert und ein Studium in Nigeria begonnen. Sie sei fest entschlossen, das Studium zu beenden. Hätte sie weiterhin den Plan, im Bundesgebiet zu studieren, so würde sie kein Visum C, sondern eine Aufenthaltsbewilligung "Student" beantragen, da sie nur dann ein Studium im Bundesgebiet betreiben könne. Ihr sei bekannt, dass mit einem Visum C und einem illegalen Aufenthalt in Österreich ein Studium im Bundesgebiet nicht möglich sein werde. Der damalige Plan, in Österreich zu studieren, könne keine Grundlage sein, ihr nun das Visum für einen Familienbesuch zu verweigern. Die Behörde habe sich mit dem Argument, dass es der Beschwerdeführerin im Fall eines Studiums im Bundesgebiet freistünde, eine Aufenthaltsbewilligung "Student" zu beantragen, in keiner Weise auseinandergesetzt. Es gebe in Nigeria noch zahlreiche Verwandte der Beschwerdeführerin, wie etwa Neffen und Nichten ihres Vaters und eine Großmutter. Eine soziale und familiäre Verwurzelung sei daher gegeben. Betreffend das fremdenrechtliche Vorgehen des Vaters wurde ausgeführt, dass sich der Vater der Beschwerdeführerin nichts zu Schulden habe kommen lassen. Er habe eine Beziehung zu einer österreichischen Staatsbürgerin geführt und seien die Ermittlungen hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsehe eingestellt worden. Weshalb das fremdenrechtliche Vorgehen des Vaters nun auf die fehlende Rückkehrwilligkeit der Beschwerdeführerin schließen lassen solle, sei in keiner Weise nachvollziehbar. Die von der Behörde angeführten damals aufgetauchten Widersprüche würden nicht vorliegen bzw. seien diese nicht konkretisiert worden. Da ihr diese Widersprüchlichkeiten nicht vorgehalten worden seien, könne die Beschwerdeführerin dazu auch keine Ausführungen machen.

Mit Schreiben des Bundesministeriums für Inneres vom 09.01.2019, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 14.01.2019, wurde dem Bundesverwaltungsgericht der Vorlageantrag samt Verwaltungsakt übermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu A) Stattgebung der Beschwerde und Zurückverweisung:

Die maßgeblichen Bestimmungen lauten:

§§ 11, 11a Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idF BGBl. I Nr. 145/2017 lauten:

"Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11. (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. In Verfahren zur Erteilung eines Visums gemäß § 20 Abs 1 Z 9 sind Art 9 Abs 1 erster Satz und Art 14 Abs 6 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragssteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.

(2) Partei in Verfahren vor der Vertretungsbehörde ist ausschließlich der Antragssteller.

(3) Die Ausfertigung bedarf der Bezeichnung der Behörde, des Datums der Entscheidung und der Unterschrift des Genehmigenden; an die Stelle der Unterschrift kann das Siegel der Republik Österreich gesetzt werden, sofern die Identität des Genehmigenden im Akt nachvollziehbar ist. Die Zustellung hat durch Übergabe in der Vertretungsbehörde oder, soweit die internationale Übung dies zulässt, auf postalischem oder elektronischem Wege zu erfolgen; ist dies nicht möglich, so ist die Zustellung durch Kundmachung an der Amtstafel der Vertretungsbehörde vorzunehmen.

(4) Vollinhaltlich ablehnende Entscheidungen gemäß Abs. 1 betreffend Visa D sind schriftlich in einer Weise auszufertigen, dass der Betroffene deren Inhalt und Wirkung nachvollziehen kann. Dem Betroffenen sind die Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit, die der ihn betreffenden Entscheidung zugrunde liegen, genau und umfassend mitzuteilen, es sei denn, dass Gründe der Sicherheit der Republik Österreich dieser Mitteilung entgegenstehen. In der schriftlichen Ausfertigung der Begründung sind auch die Rechtsmittelinstanz und die Rechtsmittelfrist anzugeben.

(5) Für die Berechnung von Beginn, Lauf und Ende von Fristen (§ 33 AVG) gelten die Wochenend- und Feiertagsregelungen im Empfangsstaat.

(6) Kann dem Antrag auf Erteilung eines Visums D auf Grund zwingender außenpolitischer Rücksichten oder aus Gründen der nationalen Sicherheit nicht stattgegeben werden, so ist die Vertretungsbehörde ermächtigt, sich auf den Hinweis des Vorliegens zwingender Versagungsgründe zu beschränken. Der maßgebliche Sachverhalt muss auch in diesen Fällen im Akt nachvollziehbar sein.

(7) Der Fremde hat im Antrag auf Erteilung eines Visums D den jeweiligen Zweck und die beabsichtigte Dauer der Reise und des Aufenthaltes bekannt zu geben. Der Antrag ist zurückzuweisen, sofern der Antragsteller, ausgenommen die Fälle des § 22 Abs. 3, trotz Aufforderung und Setzung einer Nachfrist kein gültiges Reisedokument oder gegebenenfalls kein Gesundheitszeugnis vorlegt oder wenn der Antragsteller trotz entsprechenden Verlangens nicht persönlich vor der Behörde erschienen ist, obwohl in der Ladung auf diese Rechtsfolge hingewiesen wurde.

(8) Minderjährige Fremde, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, können bei Zustimmung des gesetzlichen Vertreters die Erteilung eines Visums selbst beantragen.

(9) Für die Entscheidungenüber die Erteilung eines Visums für Saisoniers (§2 Abs 4 Z 13) oder Praktikanten (§2 Abs 4 Z13a) ist Art 23 Abs 1 bis 3 Visakodex sinngemäß anzuwenden.

Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11a (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.

(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.

(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des § 76 AVG.

(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt.

Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des europäischen Parlaments und des Rates (Visakodex) idgF lauten wie folgt:

Prüfung der Einreisevoraussetzungen und Risikobewertung

Art. 21 (1) Bei der Prüfung eines Antrags auf ein einheitliches Visum ist festzustellen, ob der Antragsteller die Einreisevoraussetzungen nach Artikel 5 Absatz 1 Buchstaben a, c, d und e des Schengener Grenzkodexes erfüllt, und ist insbesondere zu beurteilen, ob bei ihm das Risiko der rechtswidrigen Einwanderung besteht, ob er eine Gefahr für die Sicherheit der Mitgliedstaaten darstellt und ob er beabsichtigt, vor Ablauf der Gültigkeitsdauer des beantragten Visums das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten zu verlassen.

(2) Zu jedem Antrag wird das VIS gemäß Artikel 8 Absatz 2 und Artikel 15 der VIS-Verordnung abgefragt. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass alle Suchkriterien gemäß Artikel 15 der VIS-Verordnung voll und ganz verwendet werden, um falsche Ablehnungen und Identifizierungen zu vermeiden.

(3) Bei der Kontrolle, ob der Antragsteller die Einreisevoraussetzungen erfüllt, prüfen das Konsulat oder die zentralen Behörden,

a) dass das vorgelegte Reisedokument nicht falsch, verfälscht oder gefälscht ist;

b) ob die Angaben des Antragstellers zum Zweck und zu den Bedingungen des beabsichtigten Aufenthalts begründet sind und ob er über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts sowohl für die Dauer des beabsichtigten Aufenthalts als auch für die Rückreise in den Herkunfts- oder Wohnsitzstaat oder für die Durchreise in einen Drittstaat, in dem seine Zulassung gewährleistet ist, verfügt oder in der Lage ist, diese Mittel rechtmäßig zu erwerben;

c) ob der Antragsteller im Schengener Informationssystem (SIS) zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben ist;

d) ob der Antragsteller keine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die innere Sicherheit oder die öffentliche Gesundheit im Sinne von Artikel 2 Nummer 19 des Schengener Grenzkodexes oder für die internationalen Beziehungen eines Mitgliedstaats darstellt und ob er insbesondere nicht in den nationalen Datenbanken der Mitgliedstaaten zur Einreiseverweigerung aus denselben Gründen ausgeschrieben worden ist;

e) ob der Antragsteller, soweit erforderlich, im Besitz einer angemessenen und gültigen Reisekrankenversicherung ist, die für den Zeitraum des geplanten Aufenthalts, oder, falls ein Visum für die mehrfache Einreise beantragt wird, für den Zeitraum des ersten geplanten Aufenthalts gilt.

(4) Das Konsulat oder die zentrale Behörden prüfen gegebenenfalls anhand der Dauer früherer und geplanter Aufenthalte, ob der Antragsteller die zulässige Höchstdauer des Aufenthalts im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht überschritten hat, ungeachtet etwaiger Aufenthalte, die aufgrund eines nationalen Visums für den längerfristigen Aufenthalt oder eines Aufenthaltstitels genehmigt wurden.

(5) Die Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts während des geplanten Aufenthalts werden nach der Dauer und dem Zweck des Aufenthalts und unter Zugrundelegung der Ausgaben für Unterkunft und Verpflegung in dem/den betreffenden Mitgliedstaat(en) nach Maßgabe eines mittleren Preisniveaus für preisgünstige Unterkünfte bewertet, die um die Zahl der Aufenthaltstage multipliziert werden; hierzu werden die von den Mitgliedstaaten gemäß Artikel 34 Absatz 1 Buchstabe c des Schengener Grenzkodexes festgesetzten Richtbeträge herangezogen. Der Nachweis einer Kostenübernahme und/oder einer privaten Unterkunft kann ebenfalls das Vorhandensein ausreichender Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts belegen.

(6) Bei der Prüfung eines Antrags auf ein Visum für den Flughafentransit überprüfen das Konsulat oder die zentralen Behörden insbesondere Folgendes: a) dass das vorgelegte Reisedokument nicht falsch, verfälscht oder gefälscht ist; b) den Ausgangs- und Zielort des betreffenden Drittstaatsangehörigen und die Kohärenz der geplanten Reiseroute und des Flughafentransits; c) den Nachweis der Weiterreise zum Endbestimmungsland.

(7) Die Prüfung eines Antrags stützt sich insbesondere auf die Echtheit und Vertrauenswürdigkeit der vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen und den Wahrheitsgehalt und die Glaubwürdigkeit seiner Aussagen.

(8) Im Verlauf der Prüfung eines Antrags können das Konsulat oder die zentralen Behörden den Antragsteller in begründeten Fällen befragen und zusätzliche Unterlagen anfordern.

(9) Die Ablehnung eines früheren Visumantrags bewirkt nicht automatisch die Ablehnung eines neuen Antrags. Der neue Antrag wird auf der Grundlage aller verfügbaren Informationen beurteilt.

Visumverweigerung

Art. 32 (1) Unbeschadet des Artikels 25 Absatz 1 wird das Visum verweigert,

a) wenn der Antragsteller:

i) ein Reisedokument vorlegt, das falsch, verfälscht oder gefälscht ist;

ii) den Zweck und die Bedingungen des geplanten Aufenthalts nicht begründet;

iia) den Zweck und die Bedingungen des geplanten Flughafentransits nicht begründet;

iii) nicht den Nachweis erbringt, dass er über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts sowohl für die Dauer des geplanten Aufenthalts als auch für die Rückreise in den Herkunfts- oder Wohnsitzstaat oder für die Durchreise in einen Drittstaat, in dem seine Zulassung gewährleistet ist, verfügt, bzw. nicht in der Lage ist, diese Mittel rechtmäßig zu erwerben;

iv) sich im laufenden Zeitraum von 180 Tagen bereits 90 Tage im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten auf der Grundlage eines einheitlichen Visums oder eines Visums mit räumlich beschränkter Gültigkeit aufgehalten hat;

v) im SIS zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben ist;

vi) als eine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die innere Sicherheit oder die öffentliche Gesundheit im Sinne von Artikel 2 Absatz 19 des Schengener Grenzkodexes oder für die internationalen Beziehungen eines Mitgliedstaats eingestuft wird, insbesondere wenn er in den nationalen Datenbanken der Mitgliedstaaten zur Einreiseverweigerung aus denselben Gründen ausgeschrieben worden ist; oder

vii) nicht nachweist, dass er, soweit erforderlich, über eine angemessene und gültige Reisekrankenversicherung verfügt; oder

b) wenn begründete Zweifel an der Echtheit der von dem Antragsteller vorgelegten Belege oder am Wahrheitsgehalt ihres Inhalts, an der Glaubwürdigkeit seiner Aussagen oder der von ihm bekundeten Absicht bestehen, das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vor Ablauf der Gültigkeit des beantragten Visums zu verlassen.

(2) Eine Entscheidung über die Verweigerung und die entsprechende Begründung werden dem Antragsteller unter Verwendung des Standardformulars in Anhang VI in der Sprache des Mitgliedstaates, der die endgültige Entscheidung über den Antrag getroffen hat, und in einer anderen Amtssprache der Organe der Union mitgeteilt.

(3) Antragstellern, deren Visumantrag abgelehnt wurde, steht ein Rechtsmittel zu. Die Rechtsmittel sind gegen den Mitgliedstaat, der endgültig über den Visumantrag entschieden hat, und in Übereinstimmung mit dem innerstaatlichen Recht dieses Mitgliedstaats zu führen. Die Mitgliedstaaten informieren die Antragsteller über das im Falle der Einlegung eines Rechtsmittels zu befolgende Verfahren nach Anhang VI.

[ ... ]

§ 28 Abs. 1 bis 3 VwGVG lautet wie folgt:

"§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist."

Mit Erkenntnis vom 26.6.2014, Ro 2014/03/0063, hat der VwGH festgestellt, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen werde daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gelte, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden.

Der Verfassungsgerichtshof hat mehrfach ausgesprochen, dass willkürliches Verhalten einer Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, dann anzunehmen ist, sofern in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen wird oder ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren gar nicht stattfindet, insbesondere mit einem Ignorieren des Parteienvorbringens oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes. Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (vgl. VfSlg. 13.302/1992 mwN sowie VfSlg. 14.421/1996 und 15.743/2000).

Die Behörde hat die Pflicht, für die Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhalts erforderlichen Beweise zu sorgen und auf das Parteivorbringen, soweit es für die Feststellung des Sachverhaltes von Bedeutung sein kann, einzugehen. Die Behörde darf sich über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen (vgl. VwGH vom 10.04.2013, Zl. 2011/08/0169 sowie dazu Walter/Thienel: "Verwaltungsverfahren Band I2", E 84 zu § 39 AVG).

Im gegenständlichen Fall liegt eine Mangelhaftigkeit im Sinne des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG vor:

Vorweg ist anzumerken, dass die noch in der Aufforderung zur Stellungnahme am 21.09.2018 monierten "Unstimmigkeiten" in Hinblick auf die beiden abgegebenen EVE-s durch entsprechende Erhebungen im Inland offenkundig ausgeräumt werden konnten und "die finanziellen Mittel" dann im angefochtenen Bescheid auch nicht mehr als Ablehnungsgrund herangezogen wurden.

Die Behörde wies den Antrag auf Erteilung eines Visums "C" gegenständlich mit folgender Begründung zurück:

"Die vorgelegten Informationen über den Zweck und die Bedingungen des beabsichtigten Aufenthalts waren nicht glaubhaft.

Ihre Absicht, vor Ablauf des Visums aus dem Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten auszureisen, konnte nicht festgestellt werden."

Hinsichtlich des Ablehnungsgrundes Zweck und die Bedingungen des geplanten Aufenthalts (Art 32 Abs 1 lit a sublit ii Visa-Kodex) führte die Behörde in der Beschwerdevorentscheidung näher aus, dass die Beschwerdeführerin ihrer Pflicht, den Zweck und die Bedingungen des Aufenthaltes zu begründen, nicht ausreichend und nicht glaubhaft nachgekommen sei und verwies dabei auf den Aufenthaltstitel-Antrag der Beschwerdeführerin vom 26.09.2017, das fremdenrechtliche Vorgehen des Einladers und die bereits damals aufgetauchten "Widersprüchlichkeiten".

Die Beschwerdeführerin gab in diesem Zusammenhang stets an, ihre in Österreich legal aufhältigen Familienangehörigen besuchen zu wollen. Man wolle drei Geburtstage und die Weihnachtsfeiertage gemeinsam verbringen.

Gemäß Art. 32 Abs. 1 lit. a) sublit. ii) Visakodex ist ein Visum unter anderem dann zu verweigern, wenn der Antragsteller den Zweck und die Bedingungen des geplanten Aufenthalts nicht begründet.

In Hinblick auf die Ausführungen der Behörde ist festzuhalten, dass es sehr wohl plausibel und nachvollziehbar ist, wenn die - ohne die Mitglieder ihrer Kernfamilie - in Nigeria verbliebene, zum Antragszeitpunkt etwas über 18 Jahre alte Beschwerdeführerin, den Wunsch hat, ihre Familienangehörigen in Österreich zu besuchen. Warum dies nicht ausreichend bzw nicht glaubhaft sein sollte, erschließt sich dem erkennenden Gericht nicht. Wenn die Botschaft in diesem Zusammenhang bei ihr offenbar bestehende Zweifel am Zweck und den Bedingungen des geplanten Aufenthalts mit dem "fremdenrechtlichen Vorgehen" des Vaters der Beschwerdeführerin zu begründen versucht, ist einerseits festzuhalten, dass dem Genannten keine Verletzung einer hier einschlägigen Bestimmung nachgewiesen wurde und andererseits, dass eine solche Verquickung mit dem nunmehrigen Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung eines Visums unzulässig ist. Unklar blieb auch, auf welche damaligen "Widersprüchlichkeiten" die Behörde hier Bezug nimmt; eine nähere Präzisierung dieses Vorhalts wurde im Übrigen auch in der Aufforderung zur Stellungnahme vom 21.09.2018 unterlassen. (Zum Verweis auf den Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung eines Aufenthaltstitels im Jahr 2017 siehe weiter unten).

Nach dem Gesagten erweist sich die Ansicht der Botschaft des Bestehens von begründeten Zweifeln hinsichtlich des Zwecks und der Bedingungen des geplanten Aufenthalts (Art 32 Abs 1 lit a sublit ii Visa-Kodex) als unzutreffend. Die von der Behörde herangezogene Bestimmung vermag die Ablehnung des Antrags auf Erteilung eines Visums "C" fallgegenständlich nicht zu tragen.

Gemäß Art. 32 Abs. 1 lit. b) Visakodex ist ein Visum unter anderem dann zu verweigern, wenn begründete Zweifel an der vom Antragsteller bekundeten Absicht bestehen, das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vor Ablauf der Gültigkeit des beantragten Visums zu verlassen.

Schon das Abstellen auf "begründete Zweifel" in Art. 32 Abs. 1 lit. b Visakodex macht deutlich, dass nicht ohne weiteres - generell - unterstellt werden darf, dass Fremde unter Missachtung der fremdenrechtlichen Vorschriften im Anschluss an die Gültigkeitsdauer eines Visums weiterhin im Schengenraum (unrechtmäßig) aufhältig bleiben. Es wird daher konkreter Anhaltspunkte in diese Richtung bedürfen, und die Behörde kann die Versagung eines Visums nicht gleichsam mit einem "Generalverdacht" zu Lasten aller Fremden begründen. Regelmäßig wird daher, wenn nicht gegenteilige Indizien bekannt sind, davon auszugehen sein, dass der Fremde vor Ablauf der Gültigkeit des beantragten Visums wieder ausreisen wird (vgl. VwGH vom 29.9.2011, Zl. 2010/21/0344 mit Hinweis auf E 20. Dezember 2007, 2007/21/0104).

Nach dem Urteil des EuGH vom 19.12.2013, C-84/12 verlangt diese Bestimmung von der Behörde nicht, Gewissheit zu erlangen, ob der Antragsteller beabsichtigt, das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vor Ablauf der Gültigkeit des beantragten Visums zu verlassen. Die Behörde hat vielmehr festzustellen, ob begründete Zweifel an dieser Absicht bestehen. Zu diesem Zweck hat die Behörde eine individuelle Prüfung des Antrages vorzunehmen. Dabei sind zum einen die allgemeinen Verhältnisse im Wohnsitzstaat des Antragstellers und zum anderen seine persönlichen Umstände - insbesondere seine familiäre, soziale und wirtschaftliche Situation, seine Bindungen im Wohnsitzstaat und in den Mitgliedstaaten - zu berücksichtigen.

Es obliegt dem Antragsteller, Unterlagen zur Beurteilung seiner Rückkehrabsicht vorzulegen und etwaige Zweifel zu entkräften.

Den hier herangezogenen Ablehnungsgrund des Art 32 Abs 1 lit b Visa-Kodex begründete die Behörde in der Beschwerdevorentscheidung im Wesentlichen damit, dass die Beschwerdeführerin im Rahmen des Interviews bei der Aufenthaltstitel-Antragstellung angegeben habe, sich sehr auf ihr beabsichtigtes Studium in Österreich zu freuen. Die soziale Verwurzelung der Beschwerdeführerin in Nigeria aufgrund dort aufhältiger Verwandter dürfe in Frage gestellt werden. Mittlerweile seien auch bereits alle fünf Geschwister des Einladers im Schengenraum (Deutschland und Norwegen) aufhältig. Bezug genommen wurde seitens der Botschaft auch erneut auf den Aufenthaltstitel-Antrag der Beschwerdeführerin, das fremdenrechtliche Vorgehen des Einladers und die bereits damals aufgetauchten "Widersprüchlichkeiten" (Anm: hiezu siehe oben).

Die Beschwerdeführerin begründete die Absicht, das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vor Ablauf der Gültigkeit des Visums wieder zu verlassen, im Wesentlichen damit, ihr Studium der Informatik in XXXX jedenfalls unbedingt beenden zu wollen, was in etwa 2 Jahren der Fall sein werde. Hätte sie die Absicht, im Bundesgebiet zu verbleiben, etwa um hier zu studieren, so sei dies nur nach einer Zulassung zum Studium mit einer Aufenthaltsbewilligung "Student" nach dem NAG, nicht jedoch mit einem Visum "C", möglich. Sie habe in der Heimat auch familiäre bzw verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte in Form ihrer Großmutter bzw Neffen und Nichten ihres Vaters.

Zutreffend ist, dass sich der Vater (seit dem Jahr 2005) und seit dem Jahr 2018 auch die Mutter sowie zwei mj Geschwister der Beschwerdeführerin legal in Österreich aufhalten. Ob sich, wie von der Behörde in den Raum gestellt, mittlerweile auch (alle) fünf Geschwister des Vaters der Beschwerdeführerin im Schengen-Raum aufhalten, kann nicht festgestellt werden, letztlich aber mangels Verfahrensrelevanz dahingestellt bleiben. Allein aus diesen Umständen darauf schließen zu wollen bzw daraus abzuleiten, dass die Beschwerdeführerin in Wahrheit beabsichtigen würde, nicht mehr nach Nigeria zurückkehren zu wollen, sondern in Österreich bleiben zu wollen, ist nicht zulässig. Eine solche Vorgangsweise widerspräche einerseits der bereits angeführten Rechtsprechung des VwGH (29.9.2011, 2010/21/0344), wonach es konkreter Anhaltspunkte hiefür bedürfe und die Behörde die Versagung eines Visums nicht gleichsam mit einem Generalverdacht zu Lasten aller Fremden begründen könne. Gegenteilige Indizien seien etwa ein bisheriges fremdenrechtlich relevantes Fehlverhalten oder konkrete Anhaltspunkte für ein solches (VwGH 17.11.2011, 2010/21/0423). Vom Vorliegen solcher Indizien die Beschwerdeführerin betreffend ist gegenständlich jedoch gerade nicht auszugehen. Vielmehr hat sich diese - in Entsprechung des für sie negativen Bescheides der MA 35 - für die Weiterführung ihres im Studienjahr 2016/2017 begonnene Studiums der Informatik an der Universität XXXX entschieden. Ein fremdenrechtliches Fehlverhalten ist der Beschwerdeführerin - wie im Übrigen auch ihren übrigen Familienmitgliedern - nicht vorzuwerfen. Konkrete Anhaltspunkte, welche in diesem Zusammenhang eine Ablehnung rechtfertigen könnten, liegen nicht vor.

Wenn von der Behörde für die Ablehnung der Erteilung des beantragten Visums "C" im Wesentlichen auf die Antragstellung auf Erteilung eines Aufenthaltstitels am 26.09.2017 Bezug genommen wird und hier vor allem auf die Ausführungen der Beschwerdeführerin, wonach sie sich sehr auf ein Studium in Österreich freuen würde, ist dies aus mehreren Gründen verfehlt. Einerseits handelte es sich dabei um ein Verfahren nach dem NAG zur Erlangung eines Aufenthaltstitels als Familienangehöriger eines legal in Österreich aufhältigen Drittstaatsangehörigen, während das gegenständliche Verfahren die Erteilung eines Visums für einen dreimonatigen Besuch der genannten Familienangehörigen zum Inhalt hat. Zu beachten ist hier andererseits auch, dass die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt des Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels noch minderjährig war, und sich zu diesem Zeitpunkt zurecht realistische Hoffnungen machen konnte, zusammen mit ihrer Mutter und ihren beiden Geschwistern nach Österreich kommen zu können und in der Folge hier ihr bereits in Nigeria begonnenes Studium (Studienjahr 2016/2017) fortsetzen zu können. Dass der Bescheid seitens der MA 35 erst zu einem Zeitpunkt (Anm: 12.01.2018) erlassen würde, als die Beschwerdeführerin bereits das 18 Lebensjahr vollendet hatte, war zum damaligen Zeitpunkt für die Beschwerdeführerin jedenfalls nicht absehbar. In Hinblick darauf ist erneut festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin das für sie negative Ergebnis offenkundig zur Kenntnis genommen und das Studium in Nigeria fortgesetzt hat. Aus den Ausführungen der Beschwerdeführerin vom 26.09.2017 in einem Verfahren zur Erlangung eines Aufenthaltstitels als Familienangehöriger, wonach sie sich auf ein Studium in Österreich freuen würde, im gegenständlichen Verfahren zur Erteilung eines Besuchervisums zwanglos zu schließen, dass diese beabsichtigen würde, in Österreich zu bleiben, um hier zu studieren, ist nicht zulässig. Die Behörde hat diese Umstände unberücksichtigt gelassen und sich auch mit den Ausführungen der Beschwerdeführerin zu den Möglichkeiten eines Studiums in Österreich (Stichwort: Aufenthaltsbewilligung als "Student" gem § 64 NAG) nicht erkennbar auseinandergesetzt.

Im fortgesetzten Verfahren wird die Behörde einerseits Ermittlungen zu den familiären, verwandtschaftlichen und sozialen Anknüpfungspunkten im Heimatstaat und deren Intensität sowie andererseits insbesondere auch zum Studium der Beschwerdeführerin durchzuführen und hiezu Feststellungen zu treffen haben. Dies etwa durch die Aufforderung zur Vorlage von Nachweisen zum Studienfortschritt und -erfolg in Form von Teilnahmebestätigungen an universitären Veranstaltungen und Prüfungszeugnissen.

Das Bundesverwaltungsgericht weist noch auf die Spezifika und die verfahrensrechtlichen Einschränkungen (siehe § 11a FPG) der gegenständlichen Beschwerdeverfahren hin, weshalb die Durchführung der notwendigen Ermittlungen zu familiären bzw verwandtschaftlichen Anknüpfungspunkten der Beschwerdeführerin in der Heimat sowie zur Frage, ob diese in der Heimat seriös ein Studium betreibt nicht im Interesse der Effizienz, Raschheit und Kostenersparnis durch dieses selbst durchgeführt werden können.

Gemäß § 11a Abs. 2 FPG war dieser Beschluss ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu treffen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Denn das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen wiedergegeben.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung Ermittlungspflicht individuelle Verhältnisse Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W185.2212816.1.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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