TE Vwgh Erkenntnis 2020/6/25 Ra 2019/15/0016

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Veröffentlicht am 25.06.2020
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

BAO §188
BAO §188 Abs1
BAO §192
EStG 1972 §37
EStG 1988 §18 Abs6
EStG 1988 §18 Abs7
EStG 1988 §23 Z2
EStG 1988 §24
EStG 1988 §24 Abs3
EStG 1988 §24 Abs4
EStG 1988 §24 Abs5
EStG 1988 §24 Abs6
EStG 1988 §37 Abs2
EStG 1988 §37 Abs5
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn, die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des A G in K, vertreten durch die Dr. Huber Treuhand Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft mbH & Co KG in 5020 Salzburg, Fürstenallee 1, gegen den Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom 12. November 2018, Zl. RV/3100766/2016, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde hinsichtlich Feststellung der Einkünfte 2013 gemäß § 188 BAO, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Der Revisionswerber hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 553,20 € binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Der Revisionswerber war - nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts (BFG) - einer von zwei Gesellschaftern einer seit 14. Juli 1998 im Firmenbuch eingetragenen Personengesellschaft (zunächst OEG, dann OG, dann KG).

2        Mit Vertrag vom 18. März 2013 veräußerte der Revisionswerber seinen gesamten Kommanditanteil an die D GmbH.

3        Die steuerliche Gewinnermittlung der Personengesellschaft erfolgte bis einschließlich 2012 durch Einnahmen-Ausgaben-Rechnung gemäß § 4 Abs. 3 EStG 1988, seit 2013 durch Betriebsvermögensvergleich gemäß § 4 Abs. 1 EStG 1988.

4        Am 13. April 2015 langte die Erklärung der Einkünfte von Personengesellschaften (Feststellungserklärung) für das Jahr 2013 beim Finanzamt elektronisch ein. In der Beilage E 6a-1 zur Beilage für betriebliche Einkünfte (E 6a) wurden in der Spalte des revisionswerbenden Beteiligten zur Kennzahl 9970 halbsatzfähige Einkünfte in Höhe von 700.252,92 € erklärt.

5        Daraufhin erging seitens des Finanzamts ein diesbezüglicher Vorhalt an die Personengesellschaft, den diese beantwortete.

6        Mit Bescheid vom 16. Juni 2016 wurden schließlich Einkünfte aus selbständiger Arbeit der KG für das Jahr 2013 mit 895.038,49 € festgestellt und auf die Beteiligten verteilt. Der Spruch dieses Bescheides enthielt folgende Feststellungen:

„In den Einkünften sind enthalten:

Veräußerungs- und Aufgabegewinne:

460.326,36 €

Bei der Veranlagung des (beteiligten) Steuerpflichtigen sind im Rahmen der Einkommensermittlung zu berücksichtigen:

In Frage kommende Begünstigungen/Besteuerungswahlrechte nach §§ 24, 37 und 97 EStG 1988“.

7        Dem Revisionswerber wurden Beteiligungseinkünfte zugewiesen und dazu u.a. festgestellt:

„In den Einkünften sind enthalten:

 

Anteil wurde veräußert

50 %

Übergangsgewinn/-verlust

261.310,54 €

Veräußerungsgewinn Anteilsveräußerung

460.326,36 €“

8        Zur Frage der Halbsatzbegünstigung gemäß § 37 EStG 1988 für den revisionswerbenden Beteiligten erging eine gesonderte Bescheidbegründung des Finanzamts. Darin führte es aus, ihm sei mitgeteilt worden, dass der Revisionswerber seit 1. Juli 2008 eine vorzeitige Alterspension wegen langer Versicherungsdauer beziehe. Da ab diesem Zeitpunkt keine Erwerbseinkünfte mehr hätten vorliegen dürfen, habe er aus der Beteiligung an der Gesellschaft, die bis Dezember 2012 noch eine aus dem Revisionswerber und einer Mitgesellschafterin bestehende OG war, nur mehr Gewinnanteile in der zur Abdeckung von Sonderbetriebsausgaben nötigen Höhe lukriert. An den stillen Reserven und am Firmenwert (insbesondere hinsichtlich des Kundenstocks) sei der Revisionswerber nicht beteiligt gewesen. Er habe der Gesellschaft weiterhin, wenngleich in vermindertem Ausmaß, seine Arbeitskraft zur Verfügung gestellt. Zwar stellten die ihm zugewiesenen Gewinnanteile kein Äquivalent für die Arbeitsleistung dar, doch habe er mit der getroffenen Vereinbarung den Wert des Unternehmens (insbesondere hinsichtlich des Kundenstocks) erhalten und bei einem späteren Verkauf seines Anteils lukrieren wollen. Mit der Suche nach einem potentiellen Käufer sei schon im Jahr 2008 begonnen worden. Im Jahr 2009 sei ein Interessent gefunden worden; die Verhandlungen hätten bis März 2010 gedauert, zu einem Abschluss sei es aber nicht gekommen. Nach weiterer Käufersuche und Verhandlungen von November 2010 bis Ende 2012 sei der Gesellschaftsanteil des Revisionswerbers schließlich mit Vertrag vom 2. Jänner 2013 veräußert worden.

9        In der Beilage E 6a-1 zur Feststellungserklärung 2013 seien für den Revisionswerber unter der Kennzahl 9970 halbsatzfähige Einkünfte in Höhe von 700.252,92 € eingetragen worden. Nach Ansicht des Finanzamtes habe er seine Erwerbstätigkeit jedoch bereits mit 1. Juli 2008 eingestellt. Nach diesem Zeitpunkt habe der Revisionswerber der Gesellschaft seine Arbeitskraft in reduziertem Ausmaß weiterhin zur Verfügung gestellt, für diese Tätigkeit jedoch keine Vergütung erhalten. Der Revisionswerber habe ab 1. Juli 2008 durchgehend eine vorzeitige Alterspension bezogen. Es sei daher davon auszugehen, dass er keiner den Pensionsanspruch ausschließenden Erwerbstätigkeit nachgegangen sei, weshalb der Verkauf der Beteiligung nicht im Sinne des § 37 Abs. 5 Z 3 EStG 1988 (Hälftesteuersatz) begünstigt sei.

10       Abschließend wies das Finanzamt in der gesonderten Bescheidbegründung darauf hin, dass die vorstehenden Ausführungen Bestandteil des Bescheides seien. Ein Rechtsmittel könne nur gegen den Spruch, nicht gegen die Bescheidbegründung erhoben werden.

11       In seiner Beschwerde gegen den an die Kommanditgesellschaft ergangenen Bescheid über die Feststellung der Einkünfte gemäß § 188 BAO für das Jahr 2013 wendete sich der Revisionswerber gegen die Versagung des Hälftesteuersatzes gemäß § 37 Abs. 5 Z 3 EStG 1988 für den erklärten Veräußerungs- und Übergangsgewinn und trat der Ansicht des Finanzamtes entgegen, dass er seine Erwerbstätigkeit (als persönlich haftender Gesellschafter der damaligen OG) bereits mit 1. Juli 2008 eingestellt habe.

12       Nach Vorlage der Beschwerde an das BFG hielt dieses dem Revisionswerber vor, dass sich dessen in der Beschwerde erhobene Einwendungen nach Ansicht des BFG ausschließlich gegen die Begründung des Feststellungsbescheides vom 16. Juni 2016 richteten.

13       Dazu führte der Revisionswerber bei einem Erörterungsgespräch am 10. September 2018 sowie in einer schriftlichen Stellungnahme vom 15. Oktober 2018 aus, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei über die Begünstigung des § 37 EStG 1988 im Einkünfte-Feststellungsbescheid abzusprechen. Um „allen Eventualitäten vorzubeugen“, habe er jedoch auch gegen den Einkommensteuerbescheid 2013 vom 20. Juni 2016 Beschwerde eingebracht. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 31. August 2016 habe das Finanzamt diese Beschwerde jedoch abgewiesen, weil ein Bescheid nicht mit der Begründung angefochten werden könne, dass die im zu Grunde liegenden Feststellungsbescheid getroffenen Entscheidungen unzutreffend seien. Auch das Finanzamt vertrete demnach die Auffassung, dass über die Begünstigung des § 37 EStG 1988 im Einkünfte-Feststellungsbescheid abgesprochen worden sei oder hätte abgesprochen werden müssen. Da sich die Begründung des angefochtenen Feststellungsbescheides nur auf einen Spruchbestandteil beziehen könne, würden sich zwei mögliche Interpretationen ergeben: Entweder enthalte der Spruch des Feststellungsbescheides implizit die Aussage „begünstigt besteuerte Einkünfte gem. § 37 EStG null“ oder der Spruch des Feststellungsbescheides enthalte keine implizite Aussage zur Begünstigung des § 37 EStG 1988. Bei erster Interpretation wende sich die Beschwerde gegen den entsprechenden Spruchbestandteil, bei zweiterer dagegen, dass im Spruch keine Aussage über die Begünstigung des § 37 EStG 1988 enthalten sei, welche der Spruch des Feststellungsbescheides jedoch enthalten müsse.

14       Mit dem angefochtenen Beschluss wies das BFG die Beschwerde zurück. Begründend führte es aus, gemäß § 188 Abs. 1 lit. c BAO würden die Einkünfte aus selbständiger Arbeit festgestellt, wenn an den Einkünften mehrere Personen beteiligt seien. Gegenstand der Feststellung sei auch die Verteilung des festgestellten Betrages auf die Teilhaber (§ 188 Abs. 3 BAO). Über diesen gesetzlich umschriebenen Inhalt hinaus sollten nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch alle Feststellungen, welche die gemeinschaftlich erzielten Einkünfte beträfen, im Feststellungsbescheid mit Bindungswirkung (§ 192 BAO) für die Abgabenbescheide aller Teilhaber getroffen werden (Hinweis auf VwGH 15.12.1994, 92/15/0030, sowie 28.11.2001, 97/13/0204). Feststellungen, die erst im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung eines beteiligten Gesellschafters getroffen werden könnten, seien nicht in den Bescheid gemäß § 188 BAO aufzunehmen (Hinweis auf VwGH 21.11.1991, 91/13/0075, zum Hälftesteuersatz gemäß § 38 Abs. 4 EStG 1972, der nur für „Nebeneinkünfte“ gegolten habe).

15       Auch die Anwendbarkeit des Hälftesteuersatzes gemäß § 37 Abs. 5 Z 3 EStG 1988 könne von Umständen abhängig sein, die - außerhalb eines Feststellungsverfahrens gemäß § 188 BAO - erst im Einkommensteuerverfahren des betreffenden Gesellschafters geklärt werden könnten. So könne die Frage, ob der Steuerpflichtige die gesamte Erwerbstätigkeit eingestellt habe, bei Vorliegen weiterer Einkunftsquellen abschließend erst im Einkommensteuerverfahren entschieden werden. Zudem seien die seit dem Strukturanpassungsgesetz 1996 bestehenden Besteuerungswahlrechte (§§ 37 Abs. 2 und Abs. 5 in Verbindung mit § 24 Abs. 4 EStG 1988) nicht zwingend bereits in einem Feststellungsverfahren gemäß § 188 BAO auszuüben, sondern sei deren Ausübung auch im Einkommensteuerverfahren möglich. Vor diesem rechtlichen Hintergrund beschränke sich der Spruch der (im automatisierten Verfahren erlassenen) Feststellungsbescheide gemäß § 188 BAO im Falle von Anteilsveräußerungen regelmäßig auf die Feststellungen, dass in den Einkünften Veräußerungsgewinne (in bestimmter Höhe) enthalten und welchen Beteiligten diese Gewinne zuzurechnen seien. Abhängig von den Einträgen bei bestimmten Kennzahlen erfolge in den im automatisierten Verfahren erstellten Feststellungsbescheiden dazu (lediglich) ein Hinweis, dass bei der Veranlagung des beteiligten Steuerpflichtigen im Rahmen der Einkommensermittlung „in Frage kommende Begünstigungen/Besteuerungswahlrechte“ zu berücksichtigen seien. Über einen Antrag auf Anwendung des Hälftesteuersatzes gemäß § 37 Abs. 5 Z 3 EStG 1988 auf den Veräußerungsgewinn sowie einen anlässlich der Veräußerung entstandenen (im Feststellungsbescheid ebenfalls gesondert ausgewiesenen) Übergangsgewinn werde (erst) im Einkommensteuerverfahren des betreffenden Gesellschafters entschieden.

16       Der Revisionswerber habe die Anwendung des Hälftesteuersatzes (auf Beteiligungseinkünfte von 721.636,90 €) zunächst in der am 27. Februar 2015 beim Finanzamt eingereichten Einkommensteuererklärung 2013 beantragt; der Erstbescheid betreffend Einkommensteuer 2013 vom 23. April 2015 sei erklärungsgemäß ergangen. In der am 13. April 2015 (elektronisch) eingebrachten Erklärung der Einkünfte der A GmbH & CO KG seien die auf den Revisionswerber entfallenden Beteiligungseinkünfte von 700.252,92 € (bestehend aus einem Veräußerungs- sowie einem Übergangsgewinn, abzüglich eines Gewinnfreibetrages) als „halbsatzbegünstigte Einkünfte“ ausgewiesen worden. Diese Einträge seien im Zuge der Bearbeitung der Feststellungserklärung vom Sachbearbeiter des Finanzamtes gelöscht worden; der Spruch des Feststellungsbescheides vom 16. Juni 2016 weise demzufolge keine „Halbsatzeinkünfte“ aus. In einem auf § 295 Abs. 1 BAO gestützten Folgebescheid betreffend Einkommensteuer 2013 vom 20. Juni 2016 seien die Beteiligungseinkünfte (unverändert in Höhe des Erstbescheides vom 23. April 2015 ohne betragsmäßige Anpassung an den zwischenzeitig ergangenen Feststellungsbescheid) der vollen Tarifsteuer unterzogen worden. Wegen Nichtanwendung des Hälftesteuersatzes habe der Revisionswerber gegen den Feststellungsbescheid vom 16. Juni 2016 und, um „allen Eventualitäten vorzubeugen“, auch gegen den Einkommensteuerbescheid 2013 vom 20. Juni 2016 Beschwerde erhoben. Die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2013 sei vom Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung vom 31. August 2016 mit Hinweis auf § 252 BAO abgewiesen worden.

17       Nach der - in der Begründung des Feststellungsbescheides dargelegten - Ansicht des Finanzamtes habe der Revisionswerber seine Erwerbstätigkeit (im Rahmen der Mitunternehmerschaft) mit 1. Juli 2008 eingestellt, weshalb der Hälftesteuersatz anlässlich der Veräußerung der seither nur mehr „kapitalistischen“ Beteiligung nicht zustehe (Hinweise auf VwGH 4.6.2008, 2003/13/0077; 20.10.2016, Ro 2014/13/0032; 20.12.2016, Ro 2014/15/0037). Die Halbsatzbegünstigung gemäß § 37 Abs. 5 Z 3 EStG 1988 sei nach Meinung des Finanzamtes also schon auf Grund von Umständen ausgeschlossen gewesen, die im Feststellungsverfahren gemäß § 188 BAO hätten geklärt werden können. Über diese Streitfrage hätte daher - verfahrensrechtlich zulässig, aber nicht zwingend (siehe unten) - bereits im Feststellungsbescheid abgesprochen werden können. In seiner Stellungnahme vom 15. Oktober 2018 verweise der Revisionswerber u.a. auf den Verfahrensgang, dass nämlich das Finanzamt die Anwendbarkeit des Hälftesteuersatzes gemäß § 37 Abs. 5 EStG 1988 in der Begründung des Feststellungsbescheides vom 16. Juni 2016 behandelt habe und in der Beschwerdevorentscheidung vom 31. August 2016 betreffend Einkommensteuer davon ausgegangen sei, diese Frage sei bereits im Feststellungsverfahren entschieden worden. Die Beschwerdevorentscheidung vom 31. August 2016 sei jedoch unbekämpft geblieben. Von einem einseitig durch das Finanzamt verursachten Rechtsschutzdefizit zu Lasten des Revisionswerbers könne daher nicht gesprochen werden.

18       Der Spruch des Feststellungsbescheides vom 16. Juni 2016 enthalte keinen Ausspruch darüber, dass die Halbsatzbegünstigung gemäß § 37 Abs. 5 Z 3 EStG 1988 auf die Beteiligungseinkünfte des Revisionswerbers nicht anwendbar sei. Nur wenn der Bescheidspruch - für sich allein betrachtet - zu Zweifeln Anlass geben würde und somit nicht eindeutig wäre, dürfte (bzw. müsste) die Bescheidbegründung zur Auslegung des Spruchs herangezogen werden. Eine Abänderung oder Ergänzung des Bescheidspruches unter Heranziehung der Bescheidbegründung würde hingegen die Grenzen der zulässigen Bescheidauslegung überschreiten. Der Ansicht des Revisionswerbers, der Bescheidspruch enthalte „implizit“ die Aussage, dass die „gemäß § 37 EStG 1988 begünstigt besteuerten Einkünfte null Euro“ betrügen, könne somit nicht gefolgt werden. Verfahrensrechtlich dürften sowohl das Finanzamt als auch der Revisionswerber zunächst dem Rechtsirrtum unterlegen sein, die beantragte Tarifbegünstigung sei bei der Einkommensteuerfestsetzung schon deshalb zu versagen, weil der Bescheid gemäß § 188 BAO keine (positive) Feststellung über das Vorliegen von „Halbsatzeinkünften“ enthalte. Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 18. Oktober 2005, 2004/14/0154, ausführt habe, habe ein „fehlender“ Ausspruch über das Vorliegen tarifbegünstigter Einkünfte rechtlich aber bloß zur Folge, dass der Feststellungsbescheid diesbezüglich keine Bindungswirkung entfalte.

19       Der Spruch des Feststellungsbescheides vom 16. Juni 2016 sei insoweit nicht unvollständig bzw. ergänzungsbedürftig. Zwar finde sich in der (älteren) Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Aussage, dass in den Feststellungsbescheiden gemäß § 188 BAO beispielsweise auch darüber abzusprechen sei, ob Einkunftsteile begünstigten Steuersätzen unterliegen (Hinweis auf VwGH 15.12.1994, 92/15/0030, sowie 28.2.1995, 95/14/0021). Nach dem bereits zitierten Erkenntnis vom 18. Oktober 2005, 2004/14/0154, gehöre die Feststellung, ob Einkunftsteile den begünstigten Steuersätzen unterlägen, hingegen nur zu jenen Punkten, über die im Feststellungsbescheid abgesprochen werden solle. Es bestehe die „Möglichkeit, über die Qualifikation der Einkünfte als solche iSd § 37 EStG 1988 im Feststellungsbescheid abzusprechen“; werde diese Möglichkeit jedoch von der Abgabenbehörde nicht genutzt, könne im Einkommensteuerverfahren - mangels einer bescheidmäßigen Feststellung - keine Bindung an den Feststellungsbescheid bestehen.

20       Die bisherige Rechtsprechung des VwGH sei nicht zu jener (im Revisionsfall anzuwendenden) Rechtslage ergangen, nach der ein Tatbestandsmerkmal der Begünstigungsbestimmung - nämlich die Einstellung der gesamten Erwerbstätigkeit - im Einkommensteuerverfahren zu prüfen sei und zudem Besteuerungswahlrechte (vgl. §§ 24 Abs. 4, 37 Abs. 2 und 37 Abs. 5 EStG 1988 idF durch das StruktAnpG 1996) bestünden, die auch im Falle der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils nicht zwingend im Feststellungsverfahren ausgeübt werden müssten. Nach der durch das Strukturanpassungsgesetz 1996 geschaffenen Rechtslage sei im Feststellungsbescheid über das Vorliegen eines - begünstigungsfähigen - Veräußerungsgewinnes, nicht aber (zwingend) über die Art der Begünstigung abzusprechen. Jedenfalls nach dieser Rechtslage sei ein Ausspruch über die Anwendbarkeit des Hälftesteuersatzes gemäß § 37 Abs. 5 Z 3 EStG 1988 nicht notwendiger Spruchbestandteil eines Feststellungsbescheides gemäß § 188 BAO.

21       Der Revisionswerber mache schließlich noch geltend, der Spruch des Feststellungsbescheides vom 16. Juni 2016 enthalte auch keine Aussage über das Vorliegen eines begünstigungsfähigen Veräußerungsgewinnes. Es treffe zu, dass diese Wortfolge im Spruch des Feststellungsbescheides nicht aufscheine. Mit der Feststellung, dass in den Einkünften „Veräußerungs- und Aufgabegewinne“ bzw. im Einkunftsanteil des Revisionswerbers ein „Veräußerungsgewinn Anteilsveräußerung“ (in bestimmter Höhe) enthalten sei, sei jedoch die rechtliche Qualifikation dieses Einkunftsanteils als Veräußerungsgewinn im Sinne des § 24 EStG 1988 festgelegt worden (vgl. VwGH 28.11.2001, 97/13/0204, dort zum Ausdruck „Sanierungsgewinn“). Eine darüber hinausgehende Feststellung über die Art der auf die Anteilsveräußerung des Revisionswerbers nach Maßgabe der §§ 24 und 37 EStG 1988 konkret anzuwendenden Begünstigung habe nicht getroffen werden müssen (und sei im Spruch des Feststellungsbescheides auch nicht enthalten). Da nur der Spruch, nicht hingegen die Begründung eines Bescheids „rechtsmittelfähig“ sei, sei die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen gewesen.

22       Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Zu deren Zulässigkeit bringt der Revisionswerber vor, das angefochtene Erkenntnis weiche in mehrfacher Hinsicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ab. Das BFG wende die Rechtsprechung des VwGH zu den Spruchbestandteilen gemäß § 188 BAO unrichtig an, indem es davon ausgehe, dass im Feststellungsbescheid gemäß § 188 BAO lediglich die Möglichkeit, nicht aber die Verpflichtung bestehe, über die Anwendbarkeit der Begünstigung nach § 37 Abs. 5 EStG 1988 abzusprechen. Die Frage, ob über die Anwendbarkeit der Begünstigung nach § 37 Abs. 5 EStG 1988 für den Veräußerungs- und Übergangsgewinn im Einkünfte-Feststellungsbescheid oder im Einkommensteuerbescheid abzusprechen sei, sei nach der VwGH-Judikatur eindeutig geklärt (Hinweis auf VwGH 15.12.1994, 92/15/0030; 28.11.2001, 97/13/0204; 28.2.1995, 95/14/0021). Aus allen angeführten Erkenntnissen ergebe sich eindeutig, dass über die Begünstigung des § 37 Abs. 5 EStG 1988 im Einkünfte-Feststellungsbescheid abzusprechen sei. Durch den Umstand, dass sich das BFG in der Begründung seines Beschlusses darauf stütze, dass nach dem Erkenntnis vom 18. Oktober 2005, 2004/14/0154, lediglich die Möglichkeit, nicht aber die Verpflichtung bestehe, im Einkünfte-Feststellungsbescheid über die Begünstigungsmöglichkeit nach § 37 Abs. 5 EStG 1988 abzusprechen, wende das BFG die Judikatur unrichtig an, weil sich aus diesem keine Änderung der Judikaturlinie ableiten lasse.

23       Weiters verkenne das BFG die Rechtslage, wonach Undeutlichkeiten und Missverständlichkeiten nicht zu Lasten des Rechtschutzes des Betroffenen gehen dürften. Die Unverständlichkeiten bezögen sich auf einen undeutlichen Inhalt des Einkünfte-Feststellungsbescheides 2013 sowie auf irreführende Begründungsausführungen in der Beschwerdevorentscheidung zum Einkommensteuerbescheid 2013 und Widersprüchlichkeiten zwischen Spruch und Bescheidbegründung des Einkünfte-Feststellungsbescheides 2013.

24       Das Finanzamt hat dazu - nach Einleitung des Vorverfahrens - eine Revisionsbeantwortung eingebracht.

25       Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

26       Die Revision ist zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.

27       Für Veräußerungs- und Aufgabegewinne kommen folgende steuerliche Begünstigungen alternativ in Betracht: Der Steuerfreibetrag nach § 24 Abs. 3 EStG 1988, die Verteilungsbegünstigung nach § 37 Abs. 2 EStG 1988 und der Hälftesteuersatz nach § 37 Abs. 5 EStG 1988 (die letztgenannte Begünstigung erstreckt sich auch auf den Übergangsgewinn). Zudem sehen § 24 Abs. 5 EStG 1988 die Möglichkeit der Anrechnung der Grunderwerbsteuer und § 24 Abs. 6 EStG 1988 (im Falle der Aufgabe des Betriebes) eine Hauptwohnsitzbefreiung vor (vgl. Doralt/Ruppe, Steuerrecht I12, Rn 582).

28       Gemäß § 188 Abs. 1 BAO erfolgt eine bescheidmäßige Feststellung der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, aus Gewerbebetrieb, aus selbständiger Arbeit sowie aus Vermietung und Verpachtung unbeweglichen Vermögens, wenn an den Einkünften derselben Einkunftsart mehrere Personen beteiligt sind. Gemäß § 188 Abs. 3 BAO ist Gegenstand der Feststellung auch die Verteilung des festgestellten Betrages auf die Teilhaber.

29       Gemäß § 192 BAO werden in einem Feststellungsbescheid enthaltene Feststellungen, die für Abgabenbescheide von Bedeutung sind, diesen Bescheiden zugrunde gelegt. Nach § 252 Abs. 1 BAO kann ein Bescheid, dem Entscheidungen zugrunde liegen, die in einem Feststellungsbescheid getroffen worden sind, nicht mit der Begründung angefochten werden, dass die im Feststellungsbescheid getroffenen Entscheidungen unzutreffend sind.

30       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist aus dem Normengefüge und der Systematik der BAO betreffend das Feststellungsverfahren nach § 188 BAO abzuleiten, dass alle Feststellungen, die gemeinschaftlich erzielte Einkünfte betreffen, in Feststellungsverfahren getroffen werden sollen, was Bindungswirkung für die Abgabenbescheide der Beteiligten entfaltet. Abgabenrechtlich relevante Feststellungen sollen nämlich zweckmäßigerweise in jenen Verfahren getroffen werden, in denen der maßgebende Sachverhalt mit dem geringsten Verfahrensaufwand ermittelt werden kann. Der Verwaltungsgerichtshof hat daher zu Recht erkannt, dass insbesondere auch über die Fragen, ob in Einkunftsteilen ein Veräußerungsgewinn(-verlust) enthalten ist, ob Einkunftsteile den begünstigten Steuersätzen unterliegen oder ob Vergütungen nach § 23 Z 2 EStG 1988 vorliegen, im Spruch von Feststellungsbescheiden abzusprechen ist (vgl. VwGH 15.12.1994, 92/15/0030, 28.11.2001, 97/13/0204, und 18.10.2005, 2004/14/0154, sowie Stoll, BAO-Kommentar, 1977). Andererseits vertritt der Verwaltungsgerichtshof die Ansicht, dass in Feststellungsbescheiden fakultativ auch über die Nichtvortragsfähigkeit von Verlusten abgesprochen werden darf (vgl. nochmals VwGH 15.12.1994, 92/15/0030).

31       Der Steuerfreibetrag nach § 24 Abs. 4 EStG 1988 mindert wie andere einkommensteuerliche Steuerbefreiungen den steuerlichen Gewinn und damit - im Fall von Mitunternehmerschaften - die Höhe der nach § 188 Abs. 1 BAO festzustellenden Einkünfte. Es ist daher im Verfahren nach § 188 BAO - durch den Abspruch über die Höhe der Einkünfte und die Höhe der den Mitunternehmern zuzuweisenden Einkunftsteile - zu entscheiden, ob dieser Freibetrag zur Anwendung kommt (vgl. sinngemäß zu fiktiven Betriebsausgaben VwGH 20.2.2008, 2008/15/0019).

32       Wie oben ausgeführt, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits im Erkenntnis vom 15. Dezember 1994, 92/15/0030, ausgesprochen, dass im Feststellungsbescheid nach § 188 BAO auch zu entscheiden ist, ob in Einkunftsteilen ein Veräußerungsgewinn(-verlust) enthalten ist. Gleiches gilt für die Frage, ob ein Übergangsgewinn vorliegt.

33       Die Regelung des § 38 Abs. 4 im EStG 1972 hatte einen begünstigten Steuersatz für Einkünfte aus der Verwertung von selbstgeschaffenen literarischen oder künstlerischen Urheberrechten gekannt, sofern diese Einkünfte - im Verhältnis zu den anderen Einkünften eines Steuerpflichtigen - als „Nebeneinkünfte“ erzielt worden waren. Für den Fall, dass solche Einkünfte in einem Feststellungsverfahren nach § 188 BAO zu erfassen sind, entschied der Verwaltungsgerichtshof, im Feststellungsbescheid (Grundlagenbescheid) sei darüber abzusprechen, ob prinzipiell begünstigungsfähige „Urheberrechtseinkünfte“ vorliegen. Ob diese Urheberrechtseinkünfte letztlich der tariflichen Begünstigung im Sinne des § 38 Abs. 4 EStG 1972 teilhaftig werden, sei jedoch nicht schon im Feststellungsverfahren zu entscheiden, weil nur im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung für den einzelnen Steuerpflichtigen festgestellt werden könne, ob die „Urheberrechtseinkünfte“ die „anderen“ Einkünfte des Steuerpflichtigen überstiegen und daher nicht mehr „Nebeneinkünfte“ darstellten (vgl. VwGH 18.1.1994, 90/14/0022).

34       Die Tarifbegünstigung für Veräußerungs- und Übergangsgewinne nach § 37 Abs. 5 EStG 1988 in der im Revisionsfall anzuwendenden Fassung kannu.a. davon abhängig sein, dass der Steuerpflichtige aus anderen Einkunftsquellen nicht höhere Einkünfte als 730 € erzielt. Insofern hängt also die Anwendbarkeit der Tarifermäßigung von Umständen ab, die keinen Zusammenhang mit den gemeinschaftlich erzielten Einkünften haben, sondern völlig andere Einkünfte des Steuerpflichtigen betreffen. Darin unterscheidet sich die im Revisionsfall anzuwendende Fassung des § 37 Abs. 5 EStG 1988 von jener des § 37 EStG 1972 bzw. EStG 1988, die in dem dem hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1994, 92/15/0030, zugrunde gelegenen Fall angesprochen wurde, in welchem der Verwaltungsgerichtshof die Entscheidung über die Anwendbarkeit der Tarifermäßigung im Feststellungsbescheid vorgenommen wissen wollte.

35       Auf der Grundlage der geltenden einkommensteuerlichen Rechtslage ergibt sich für das Feststellungsverfahren nach § 188 BAO, dass im Feststellungsbescheid darüber abzusprechen ist, ob (prinzipiell tarifbegünstigungsfähige) Veräußerungs- bzw Übergangsgewinne vorliegen. Zudem muss der Steuerpflichtige, der den (anteiligen) Freibetrag nach § 24 Abs. 4 EStG 1988 geltend machen möchte, dies bereits in der F-Erklärung angeben, weil der Steuerfreibetrag - wie oben ausgeführt - wie andere einkommensteuerliche Steuerbefreiungen den steuerlichen Gewinn und damit - im Fall von Mitunternehmerschaften - die Höhe der nach § 188 Abs. 1 BAO festzustellenden Einkünfte mindert. Mit Geltendmachung des Steuerfreibetrags sind jedoch tarifliche Vergünstigungen nach § 37 EStG 1988 ausgeschlossen, weil § 24 Abs. 4 letzter Satz EStG 1988 eine gleichzeitige Anwendung ausschließt (ebenso Drapela/Knechtl/Moser/Wagner, Die Feststellungserklärung 2019, SWK Spezial, Rz E20 Seite 181 sowie G27).

36       Wird kein Steuerfreibetrag nach § 24 Abs. 4 EStG 1988 geltend gemacht, stehen dem Mitunternehmer für erzielte Veräußerungs- bzw. Übergangsgewinne dagegen grundsätzlich die (in den meisten Fällen attraktiveren) Tarifbegünstigungen des § 37 EStG 1988 offen. Über sie ist jedoch nicht schon im Feststellungsverfahren, sondern erst im Einkommensteuerverfahren des jeweiligen Mitunternehmers zu entscheiden.

37       Im gegenständlichen Fall hat der Feststellungsbescheid nach § 188 BAO des Finanzamtes dem Revisionswerber Einkünfte zugewiesen und auch die Feststellung getroffen, dass (und in welchem Ausmaß) ein Übergangsgewinn und ein Veräußerungsgewinn darin enthalten sind. Über die Anwendbarkeit der Tarifbegünstigung des § 37 Abs. 5 EStG 1988 war nicht im Feststellungsbescheid abzusprechen und der Feststellungsbescheid des Finanzamtes vom 16. Juni 2016 enthält auch keinen solchen Abspruch. Das Finanzamt erließ zwar eine nachträgliche Bescheidbegründung, die sich mit einer Begünstigungsfähigkeit der gegenständlichen Veräußerungsgewinne im Lichte des § 37 EStG 1988 näher auseinandersetzte und sie letztlich verneinte. Wie das BFG im angefochtenen Beschluss zutreffend ausführt, ist diese Begründung aber nicht in der Lage, dem klaren Spruch des Feststellungsbescheides vom 16. Juni 2016, der dazu keinerlei Abspruch enthielt, einen anderen, von seinem eindeutigen Wortlaut abweichenden Inhalt zu verschaffen.

38       Vor diesem Hintergrund erweist sich die Entscheidung des BFG als rechtmäßig.

39       Die Revision war nach dem Gesagten gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

40       Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 25. Juni 2020

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019150016.L00

Im RIS seit

10.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

10.08.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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