RS Vfgh 2020/6/12 G252/2019 ua (G252/2019-13)

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Veröffentlicht am 12.06.2020
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Index

82/03 Ärzte, sonstiges Sanitätspersonal

Norm

B-VG Art10 Abs1 Z12
B-VG Art102
B-VG Art120b
B-VG Art139 Abs1 Z1
B-VG Art140 Abs1 Z1 lita
B-VG Art140 Abs5 / Fristsetzung
ÄrzteG 1998 §10, E13b, §117c Abs2 Z1
BearbeitungsgebührenV 2014 - übertragener Wirkungsbereich idF der 2. Novelle vom 21.06.2019
Anhang zur BearbeitungsgebührenV 2014 (Tarif 2019)
VfGG §7 Abs2, §62 Abs1

Leitsatz

Verfassungswidrigkeit einer Bestimmung des ÄrzteG 1998 betreffend die Einhebung einer Bearbeitungsgebühr durch die Ärztekammer mangels Zustimmung der beteiligten Länder; Feststellung der Gesetzwidrigkeit der Verordnung der Österreichischen Ärztekammer über die Einhebung einer Bearbeitungsgebühr sowie ihres Anhangs mangels gesetzlicher Grundlage

Rechtssatz

Aufhebung der Zeichenfolge "10," in §117c Abs2 Z1 ÄrzteG 1998 idF BGBl I Nr 20/2019 mit Ablauf des 31.03.2021.

Feststellung der Gesetzwidrigkeit der BearbeitungsgebührenV 2014 - übertragener Wirkungsbereich idF 2. Novelle, Kundmachung der Österreichischen Ärztekammer Nr 2/2019, veröffentlicht am 21.06.2019 auf der Website der Österreichischen Ärztekammer im Hinblick auf die Zeichenfolge "10," in §1, die Zeichenfolge ", 10" in §4 sowie der Anhang der Verordnung (Tarif 2019) im Hinblick auf die Zeichenfolge "§10 und" in Punkt 3.

Zurückweisung des Antrags des Bundesverwaltungsgerichts auf Aufhebung von §10 ÄrzteG 1998 idF BGBl I 25/2017 sowie §13b Z2 und §117c Abs1 Z1 ÄrzteG 1998 jeweils idF BGBl I 82/2014 (Gerichtsantrag - BVwG): Mit E v 05.03.2020, G157/2019, hob der VfGH näher bezeichnete Wortfolge und Zeichenfolgen in §10 Abs8 ÄrzteG 1998 idF BGBl I 25/2017 sowie in §13b Z2 und §117c Abs1 Z1 ÄrzteG 1998 jeweils idF BGBl I 82/2014 als verfassungswidrig auf und sprach aus, dass die Aufhebung mit Ablauf des 31.03.2021 in Kraft tritt; im Übrigen wurde §10 ÄrzteG 1998 idF BGBl 25/2017 nicht als verfassungswidrig aufgehoben, da die Verfassungswidrigkeit bereits durch die dargelegte Aufhebung beseitigt werden konnte. Der VfGH hat über bestimmt umschriebene Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes nur ein einziges Mal zu entscheiden. Da die vom antragstellenden Gericht vorgetragenen Bedenken im Wesentlichen mit jenen übereinstimmen, über die der VfGH bereits mit oben genannter Entscheidung abgesprochen hat, ist der Antrag schon wegen entschiedener Sache bzw betreffend den aufgehobenen Teil wegen Unangreifbarkeit als unzulässig zurückzuweisen.

Das BVwG hat denkmöglich im Ausgangsverfahren, bei dem es um die Anerkennung als Ausbildungsstätte gemäß §10 Abs2 ÄrzteG 1998 geht, bloß die gemäß §117c Abs2 Z1 ÄrzteG 1998 diesbezüglich neu von der Österreichischen Ärztekammer im übertragenen Wirkungsbereich erlassene Verordnung in der Fassung 2019 über die Einhebung einer Bearbeitungsgebühr anzuwenden. Nur insoweit ist die Anfechtung dieser und des §117c Abs2 Z1 ÄrzteG 1998 idF BGBl I 20/2019 zulässig.

Zur Anfechtung des ÄrzteG 1998:

Art120b Abs2 B-VG ermächtigt dazu, Selbstverwaltungskörpern Aufgaben staatlicher Verwaltung zu übertragen. Dass jedoch die Zulässigkeit einer solchen Übertragung zur Vollziehung in mittelbarer oder unmittelbarer Bundesverwaltung jedenfalls nicht das Regelungsregime des Art102 B-VG obsolet macht, wurde vom VfGH, aber auch in der Literatur schon mehrfach betont. Insofern steht außer Frage, dass Art102 B-VG auf die Übertragung von Aufgaben staatlicher Verwaltung auf Selbstverwaltungskörper anwendbar ist.

Die Bestimmungen über die Anerkennung bzw Zurücknahme oder Einschränkung der Anerkennung als Ausbildungsstätte sind auf den Kompetenztatbestand "Gesundheitswesen" des Art10 Abs1 Z12 B-VG gestützt. Angelegenheiten des "Gesundheitswesens" sind nicht in Art102 Abs2 B-VG angeführt. Diese sind - da hier auch keine sonstige verfassungsgesetzliche Ermächtigung vorliegt - nicht in unmittelbarer Bundesverwaltung zu vollziehen, sondern in mittelbarer Bundesverwaltung.

Gemäß Art102 Abs1 B-VG können in Angelegenheiten, die nicht in Art102 Abs2 B-VG genannt sind, auch Bundesbehörden mit der Vollziehung in Weisungsunterworfenheit unter den Landeshauptmann betraut werden. Allerdings dürfen Bundesgesetze, die eine solche Zuständigkeitsübertragung vornehmen, nur mit Zustimmung der beteiligten Länder kundgemacht werden. Nach Art102 Abs4 B-VG darf die Errichtung von eigenen Bundesbehörden für andere als die in Art102 Abs2 B-VG bezeichneten Angelegenheiten nur mit Zustimmung der beteiligten Länder erfolgen. Art102 Abs4 B-VG stellt jedoch nicht auf die Errichtung von Behörden in Angelegenheiten, die nicht in Art102 Abs2 B-VG oder einer besonderen Verfassungsbestimmung genannt sind, sondern auf die Begründung der Zuständigkeit von Bundesbehörden ab.

Als einer solchen Bundesbehörde obliegt es der Österreichischen Ärztekammer gemäß §117c Abs2 Z1 ÄrzteG 1998, Verordnungen über die Einhebung einer Bearbeitungsgebühr gemäß §13b ÄrzteG 1998 unter anderem für die Angelegenheit des §10 ÄrzteG 1998 zu erlassen. Gemäß §195f Abs1 ÄrzteG 1998 besteht in diesen Angelegenheiten eine Weisungsbindung an den Bundesminister für Gesundheit. Da zur Übertragung der Aufgabe zur Erlassung von Verordnungen gemäß §13b Z2 ÄrzteG 1998 eine Zustimmung der Länder gemäß Art102 Abs4 B-VG nicht erfolgte, ist dies verfassungswidrig.

Zur Anfechtung der BearbeitungsgebührenV 2014 - übertragener Wirkungsbereich:

Die angefochtene Verordnung findet ihre gesetzliche Grundlage in §13b Z2 ÄrzteG 1998. Die Wort- und Zeichenfolge "und 10" in §13b Z2 ÄrzteG 1998 idF BGBl I 82/2014 wurde mit E v 05.03.2020, G157/2019, als verfassungswidrig aufgehoben. Da die nichtöffentliche Beratung im Verfahren zur Prüfung des §13b Z2 ÄrzteG 1998 idF BGBl I 82/2014 am 24.02.2020 begann und der vorliegende Gerichtsantrag beim VfGH schon vorher, nämlich bereits am 11.10.2019 eingelangt ist, ist der hier zu beurteilende Fall daher einem Anlassfall gleichzuhalten.

Die Verordnung ist sohin im Hinblick auf die Angelegenheiten des §10 ÄrzteG 1998 so zu beurteilen, als ob sie ohne gesetzliche Grundlage erlassen worden wäre. Da die präjudizielle Fassung der Verordnung jedoch auf Grund der Änderung des - gemäß §7 BearbeitungsgebührenV 2014 - übertragener Wirkungsbereich einen Teil der Verordnung bildenden - Tarifes im Jahr 2020 novelliert wurde, ist bloß auszusprechen, dass die Verordnung und der Anhang der Verordnung (Tarif 2019) gesetzwidrig war.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Ärzte, Ärztekammer, Bundesverwaltung mittelbare, Kompetenz Bund - Länder Gesundheitswesen, VfGH / Anlassfall, res iudicata, VfGH / Fristsetzung, VfGH / Aufhebung Wirkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2020:G252.2019

Zuletzt aktualisiert am

28.09.2020
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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