TE Vwgh Erkenntnis 2020/5/7 Ro 2019/18/0004

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Veröffentlicht am 07.05.2020
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Index

E3R E19104000
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §5 Abs1
FrPolG 2005 §61 Abs1
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGG §53 Abs1
32013R0604 Dublin-III Art20 Abs3

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer, den Hofrat Dr. Sutter und die Hofrätin Dr.in Sembacher als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision der minderjährigen M K, diese vertreten durch Mag. Dr. Anton Karner, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Steyrergasse 103/2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. April 2019 bezüglich der genannten Revisionswerberin zu W125 2215344-1/8E, in einer Angelegenheit nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Spruch

Das Erkenntnis wird, soweit es die genannte Revisionswerberin betrifft, wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben.

Ein Kostenersatz findet nicht statt.

Begründung

1        Die minderjährige Revisionswerberin ist die Tochter der Revisionswerberin zu Ro 2019/21/0008 und wurde am 20. September 2018 in Österreich geboren. Am 6. November 2018 wurde für sie ein Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 17a Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) gestellt.

2        Aus Anlass einer Festnahme der Mutter der Revisionswerberin am 23. November 2018 wurde bei dieser ein am 5. Februar 2018 ausgestellter und bis 31. Jänner 2021 gültiger polnischer Aufenthaltstitel vorgefunden. Im Hinblick darauf ersuchte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) die polnischen Behörden um Aufnahme der Mutter der Revisionswerberin sowie der Revisionswerberin und ihrer beiden Geschwister, den Revisionswerbern zu Ro 2019/21/0009 und Ro 2019/21/0010; diesem Ersuchen stimmten die polnischen Behörden letztlich zu.

3        Mit Bescheid vom 9. Jänner 2019 wurde der Antrag der Revisionswerberin auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und die Außerlandesbringung - nach Polen - gemäß § 61 Abs. 1 FPG angeordnet. Mit Bescheiden vom selben Tag sprach das BFA auch bezüglich der Mutter und der Geschwister der Revisionswerberin aus, dass ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt und dass gegen sie gemäß § 61 Abs. 1 Z 2 FPG die Anordnung der Außerlandesbringung angeordnet werde; „demzufolge“ sei gemäß § 61 Abs. 2 FPG ihre Abschiebung nach Polen zulässig.

4        Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 17. April 2019 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die gegen diese vier Bescheide vom 9. Jänner 2019 erhobene Beschwerde - bezüglich der hier behandelten Revisionswerberin gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG - als unbegründet ab.

5        Das BVwG begründete diese Entscheidung damit, dass die vormals bestehende Zuständigkeit Spaniens zur Prüfung der Anträge auf internationalen Schutz der Mutter und der Geschwister der Revisionswerberin gemäß Art. 19 Abs. 1 Dublin III-VO durch die Erteilung eines polnischen Aufenthaltstitels an die Mutter am 5. Februar 2018 auf Polen übergegangen sei, was zufolge Art. 20 Abs. 3 Dublin III-VO auf ihre minderjährigen Kinder durchschlage. Es merkte „der Vollständigkeit halber“ weiter an, dass „die Überstellungsfrist“ noch nicht abgelaufen sei. Die polnische Zuständigkeit bestehe auch bezüglich der Revisionswerberin im vorliegenden Verfahren; ihre Abschiebung sei gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig.

6        Eine Revision gegen sein Erkenntnis erklärte das BVwG gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zur Klärung der Frage zulässig, ob zwecks Effektuierung der praktischen Wirksamkeit der in Art. 19 Abs. 1 Dublin III-VO begründeten Zuständigkeit Polens § 61 Abs. 1 Z 2 FPG, wie vom BVwG dargelegt, zu interpretieren sei. Allenfalls könnte auch unionsrechtlich nicht klar sein, ob die „entwickelte Sichtweise“ zutreffend sei, dass die im Jahr 2017 in Österreich gestellten Anträge, für die Spanien zuständig gewesen sei, nun in die Zuständigkeit Polens fielen und diese Zuständigkeit im Rahmen eines Wiederaufnahmeverfahrens nach Art. 24 Dublin III-VO geltend zu machen sei.

7        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende (ordentliche) Revision der Revisionswerberin zu Ro 2019/18/0004 (sowie ihrer Mutter und ihrer Geschwister zu Ro 2019/21/0008-0010), über die der Verwaltungsgerichtshof nach Durchführung des Vorverfahrens - eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet - und Vorlage der Akten durch das BVwG (§ 30a Abs. 4 bis 6 VwGG) erwogen hat:

8        Die Revision ist im Sinn der dargestellten Zulässigkeitsausführungen des BVwG, denen sich die Revisionswerberin im Ergebnis erkennbar anschließt, zulässig; sie ist auch berechtigt.

9        Art. 20 Abs. 3 Dublin III-VO lautet:

„Für die Zwecke dieser Verordnung ist die Situation eines mit dem Antragsteller einreisenden Minderjährigen, der der Definition des Familienangehörigen entspricht, untrennbar mit der Situation seines Familienangehörigen verbunden und fällt in die Zuständigkeit des Mitgliedstaats, der für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz dieses Familienangehörigen zuständig ist, auch wenn der Minderjährige selbst kein Antragsteller ist, sofern dies dem Wohl des Minderjährigen dient. Ebenso wird bei Kindern verfahren, die nach der Ankunft des Antragstellers im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten geboren werden, ohne dass ein neues Zuständigkeitsverfahren für diese eingeleitet werden muss.“

10       Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 4. März 2020, Ro 2019/21/0008-0010, das angefochtene Erkenntnis, soweit es die Mutter und die Geschwister der Revisionswerberin betrifft, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Auf die Begründung dieser Entscheidung wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG hiermit verwiesen.

11       Das angefochtene Erkenntnis war daher, soweit es die genannte Revisionswerberin betrifft, gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

12       Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Gemäß § 53 Abs. 1 VwGG ist bei Anfechtung eines Erkenntnisses oder Beschlusses durch mehrere Revisionswerber in einer Revision die Frage des Anspruches auf Aufwandersatz so zu beurteilen, als ob die Revision nur vom erstangeführten Revisionswerber eingebracht worden wäre. Diese Bestimmung gilt jedoch nur für den Fall, dass die Revisionen aller Revisionswerber dasselbe Schicksal teilen. Trifft dies nicht zu, so sind die Revisionen der einzelnen Revisionswerber, auch wenn sie in einem Schriftsatz enthalten sind, hinsichtlich der Aufwandersatzpflicht gesondert zu behandeln (vgl. VwGH 19.6.2018, Ra 2018/03/0023). Im vorliegenden Fall teilen die Revisionen der Revisionswerberin und jene ihrer Mutter und ihrer Geschwister dasselbe Schicksal. Da in der Entscheidung vom 4. März 2020, Ro 2019/21/0008-0010, Kosten im somit zustehenden Umfang bereits zugesprochen und das darüberhinausgehende Mehrbegehren abgewiesen wurde, findet ein Kostenersatz im vorliegenden Verfahren nicht statt.

Wien, am 7. Mai 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RO2019180004.J00

Im RIS seit

17.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

17.07.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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