TE Vwgh Beschluss 1998/2/27 96/19/0723

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Veröffentlicht am 27.02.1998
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

B-VG Art131 Abs1 Z1;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §56;
VwGG §58 Abs2 idF 1997/I/088 ;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Schick als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, in der Beschwerdesache der 1966 geborenen ZJ in Wien, vertreten durch Dr. Gerald Albrecht, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Untere Viaduktgasse 10, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 26. April 1995, Zl. 300.982/2-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Beschwerde wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Die Beschwerdeführerin stellte am 9. Dezember 1994 durch ihren Ehemann bei der österreichischen Botschaft in Laibach einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, der am 21. Dezember 1994 beim Magistrat der Stadt Wien einlangte. Als derzeitigen Wohnsitz gab die Beschwerdeführerin eine Adresse in Bosnien-Herzegowina an, als Aufenthaltszweck u.a. "Familienzusammenführung bzw. Familiengemeinschaft" mit ihrem Ehegatten, einem Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina. In einer im Verwaltungsakt (Ordnungszahl 5) erliegenden Kopie einer Verpflichtungserklärung des Ehegatten wird als Wohnadresse der Beschwerdeführerin eine Adresse im 16. Wiener Gemeindebezirk angeführt.

Mit Bescheid vom 5. Jänner 1994 wies der Landeshauptmann von Wien den Antrag mangels einer Antragstellung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus gemäß § 6 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) ab. Der gegenständliche Antrag sei vom Ehegatten der Antragstellerin in der österreichischen Botschaft in Laibach eingebracht worden. Mit dieser Vorgangsweise werde das gesetzliche Erfordernis einer Antragstellung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus nicht erfüllt, zumal auch keinerlei Grund zur Annahme bestehe, daß sich die antragstellende Partei im Zeitpunkt der Antragstellung im Ausland befunden habe.

In der dagegen erhobenen Berufung wird als Adresse der Beschwerdeführerin ebenfalls eine Adresse im 16. Wiener Gemeindebezirk angegeben. Der Ehemann der Beschwerdeführerin habe für seine Frau bei der österreichischen Botschaft in Laibach einen Antrag gestellt, er sei bereits seit dem Februar 1991 in Österreich und in ungekündigter Stellung beschäftigt. Da in Bosnien und Herzegowina seit fast drei Jahren Krieg herrsche, sei es klar, daß der Ehegatte seine Familie bei sich haben wolle, da der Weg zurück in die Heimat nicht mehr sicher sei. Es müsse daher Verständnis dafür aufgebracht werden, daß der Ehemann seine Familie bei sich haben wolle.

Mit Bescheid vom 26. April 1995 wies der Bundesminister für Inneres die Berufung gemäß § 5 Abs. 1 und § 6 Abs. 2 AufG ab. In der Begründung führte der Bundesminister für Inneres aus, die Beschwerdeführerin habe nach der auf ihren eigenen Angaben beruhenden Aktenlage offensichtlich den Antrag nicht vor der Einreise, mit der ihr derzeitiger Aufenthalt begonnen habe, gestellt. Der Antrag sei vielmehr von einer dritten Person, ihrem Ehegatten, bei der Vertretungsbehörde eingebracht worden. Sie selbst sei vor, während und nach der Antragstellung in Österreich polizeilich gemeldet bzw. aufhältig gewesen. Darüber hinaus hielt die belangte Behörde den Unterhalt der Beschwerdeführerin für die Geltungsdauer einer Aufenthaltsbewilligung nicht für gesichert.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung verletzt. Die belangte Behörde habe kein ausreichendes Ermittlungsverfahren geführt, sie habe der Beschwerdeführerin auch kein Parteiengehör eingeräumt. Daß die Beschwerdeführerin selbst zur Zeit der Antragstellung nicht im Ausland aufhältig gewesen sei, gehe aus dem Verwaltungsakt nicht hervor und sei auch nicht erwogen worden. Die Tatsache einer polizeilichen Meldung in Österreich alleine sei kein Beweis dafür, daß jemand auch in Österreich aufhältig sei. Diesbezügliche Ermittlungen seien von der belangten Behörde nicht angestellt worden. Überdies habe die belangte Behörde in ihrem Spruch einen erstinstanzlichen Bescheid des Magistrats der Stadt Wien erwähnt, der jedenfalls nicht mit demjenigen identisch sei, der gegenüber der Beschwerdeführerin in erster Instanz erlassen worden sei. Der Bundesminister für Inneres habe daher mit dem angefochtenen Bescheid gar nicht über die Berufung der Beschwerdeführerin abgesprochen.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.

2. Aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt ergibt sich, daß der Beschwerdeführerin über einen von ihr später gestellten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung (eingelangt beim Magistrat der Stadt Wien am 18. Jänner 1996) eine Aufenthaltsbewilligung zum Zweck "Familiengemeinschaft mit Fremden", gültig vom 18. Jänner 1996 bis zum 19. Oktober 1996, ausgestellt worden war, die von der Beschwerdeführerin am 19. Februar 1996 übernommen wurde.

Auf Anfrage des Verwaltungsgerichtshofes erklärte der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin, daß es ihm nicht möglich gewesen sei, mit der Beschwerdeführerin in Kontakt zu treten, weil sie an der dem Verfahrenshelfer bekanntgegebenen Adresse nicht habe gefunden werden können.

Aufgrund der diesbezüglich unbedenklichen Aktenlage geht der Verwaltungsgerichtshof im folgenden davon aus, daß der Beschwerdeführerin aufgrund eines später gestellten Antrages eine Aufenthaltsbewilligung erteilt worden war.

Gemäß § 33 Abs. 1 erster Satz VwGG ist eine Beschwerde mit Beschluß als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, daß der Beschwerdeführer klaglos gestellt wurde.

Bei einer Bescheidbeschwerde gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG ist unter einer "Klaglosstellung" nach § 33 Abs. 1 und § 56 erster Satz VwGG nur eine solche zu verstehen, die durch eine formelle Aufhebung des beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides - im besonderen durch die belangte Behörde oder die allenfalls in Betracht kommende Oberbehörde oder durch den Verfassungsgerichtshof - eingetreten ist (Beschluß eines verstärkten Senates vom 9. April 1980, Slg. Nr. 10.092/A).

§ 33 Abs. 1 VwGG ist aber nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht nur auf die Fälle der formellen Klaglosstellung beschränkt. Ein Einstellungsfall liegt, wie der Verwaltungsgerichtshof im zitierten Beschluß vom 9. April 1980 darlegte, z.B. auch dann vor, wenn der Beschwerdeführer kein rechtliches Interesse mehr an einer Sachentscheidung des Gerichtshofes hat.

Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Beschwerdefall gegeben, weil es sich beim vorliegenden Beschwerdefall maßgeblichen Antrag der Beschwerdeführerin, die noch nie über eine Aufenthaltsbewilligung verfügte, um einen Erstantrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung handelt. Die Beschwerde war daher gemäß § 33 Abs. 1 VwGG als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen.

3. Mangels einer formellen Klaglosstellung liegt die Voraussetzung für einen Kostenzuspruch gemäß § 56 VwGG nicht vor. Vielmehr kommt § 58 Abs. 2 VwGG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 88/1997 zur Anwendung, wonach der nachträgliche Wegfall des Rechtsschutzinteresses bei der Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht zu berücksichtigen ist. Da im vorliegenden Fall die Entscheidung über die Kosten einen unverhältnismäßigen Aufwand nicht erfordert, waren die Kosten jener Partei zuzusprechen, die bei aufrechtem Rechtsschutzinteresse der Beschwerdeführerin im verwaltungsgerichtlichen Verfahren obsiegt hätte. Dies ist aus folgenden Überlegungen die belangte Behörde:

Im Hinblick auf das Datum der Erlassung des angefochtenen Bescheides (die Zustellung erfolgte am 10. Mai 1995) ist für die Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof das Aufenthaltsgesetz in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 maßgebend.

§ 6 Abs. 2 lautete in der Fassung vor dieser Novelle:

"§ 6. ...

...

(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Der Antrag auf Verlängerung einer Bewilligung kann auch vom Inland aus gestellt werden."

Soweit die Beschwerdeführerin vorbringt, die belangte Behörde bringe zum Ausdruck, über eine Berufung gegen einen Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom 5. Jänner 1995 abgesprochen zu haben, während sich die Berufung gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 5. Jänner 1994 gerichtet hätte, ist zu entgegnen, daß sich bereits aus der Angabe der korrekten Geschäftszahl des Magistrats der Stadt Wien als Amt der Wiener Landesregierung in mittelbarer Bundesverwaltung ergibt, über welche Berufung mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid abgesprochen wurde. Da der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nach der Aktenlage aus dem Dezember 1994 stammte, handelt es sich bei der Datierung des erstinstanzlichen Bescheides ("Wien, 05. Jänner 1994") offenkundig um einen Schreibfehler bei der Jahresangabe.

Da die Beschwerdeführerin noch nie über eine Aufenthaltsbewilligung verfügte, kam die Stellung eines Verlängerungsantrages nicht in Frage. Die belangte Behörde wertete den Antrag daher zu Recht als Erstantrag, für den § 6 Abs. 2 AufG (aF) maßgeblich war.

Gemäß § 6 Abs. 2 erster Satz AufG (aF) ist der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Mit "der Einreise nach Österreich" im Sinne dieser Bestimmung ist die Einreise des Antragstellers gemeint. Nach dem u.a. aus den Gesetzesmaterialien erschließbaren Normzweck des § 6 Abs. 2 AufG (aF) wird für die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung allerdings nicht nur vorausgesetzt, daß der Antrag vor der Einreise in das Bundesgebiet gestellt wird, sondern auch, daß die Entscheidung über den Antrag grundsätzlich vom Ausland aus abgewartet wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1996, Zl. 95/19/1703, mwN). Das im § 6 Abs. 2 erster Satz AufG (aF) normierte Erfordernis, einen Bewilligungsantrag vom Ausland aus zu stellen und die Entscheidung über den Antrag vom Ausland aus abzuwarten, ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht als bloße Formvorschrift zu werten, sondern als Voraussetzung, deren Nichterfüllung die Abweisung eines Antrages nach sich zieht (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 24. Jänner 1997, Zl. 96/19/1010 sowie Zl. 95/19/0895). Die Beschwerdeführerin tritt der Feststellung der belangten Behörde, sich auch nach der Antragstellung im Inland aufgehalten zu haben, nicht entgegen. In ihrer Berufung gegen den Bescheid der Behörde erster Instanz gab die Beschwerdeführerin ausdrücklich eine Adresse im 16. Wiener Gemeindebezirk als Wohnadresse an. Im Hinblick auf die eigenen Angaben der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren, insbesondere in ihrer Berufung, die ihr die Behörde auch nicht vorzuhalten hatte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 1985, Zl. 85/18/0219), hatte die belangte Behörde hinreichend Grund für ihre Annahme, die Beschwerdeführerin habe sich nach der Antragstellung im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung im Inland aufgehalten. Da auch die Beschwerde kein konkretes Vorbringen enthält, wann die Beschwerdeführerin das Bundesgebiet vor der Erlassung des angefochtenen Bescheides wieder verlassen hätte, legt der Verwaltungsgerichtshof die Annahme der belangten Behörde seiner Beurteilung zugrunde.

Hielt sich die Beschwerdeführerin aber nach ihrer Antragstellung entgegen § 6 Abs. 2 erster Satz AufG (aF) nicht im Ausland auf, so erfolgte die Abweisung ihres Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung durch die belangte Behörde zu Recht.

Auf Grund dieser Erwägungen wäre die vorliegende Beschwerde bei aufrechtem Rechtsschutzinteresse der Beschwerdeführerin gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen gewesen, sodaß der belangten Behörde gemäß § 58 Abs. 2 VwGG die Verfahrenskosten zuzusprechen waren.

Schlagworte

Einstellung des Verfahrens wegen Klaglosstellung gemäß VwGG §56 erster Satz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1996190723.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

25.08.2015
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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