TE Bvwg Beschluss 2020/2/24 I412 2161827-1

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Veröffentlicht am 24.02.2020
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Entscheidungsdatum

24.02.2020

Norm

ASVG §67 Abs10
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

I412 2161827-1/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Gabriele ACHLEITNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des XXXX gegen den Bescheid der XXXX Gebietskrankenkasse, nunmehr Österreichische Gesundheitskasse XXXX vom XXXX, Zl. XXXX, beschlossen:

A)

Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid der XXXX Gebietskrankenkasse vom XXXX, nunmehr Österreichische Gesundheitskasse, XXXX (im Folgenden als belangte Behörde bezeichnet) wurde XXXX als Geschäftsführer der primärschuldenden XXXX verpflichtet, gemäß § 67 Abs. 10 ASVG in Verbindung mit § 83 ASVG für die Zeiträume September 2015 bis Jänner 2016 sowie die Nachrechnung auf Grund der Beitragsprüfung vom 10.08.2016 die zu entrichtenden Beiträge in Höhe von € 10.176,97 zuzüglich Verzugszinsen in der sich nach § 59 Abs. 1 ASVG jeweils ergebenden Höhe zu bezahlen.

Weiters wurde ausgesprochen, dass Herr XXXX verpflichtet sei, diesen Betrag binnen 14 Tagen nach Zustellung des Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen an die belangte Behörde zu bezahlen.

Diese Erledigung bezeichnet als Bescheidadressaten XXXX und erfolgte die Zustellung zum einen an den Masseverwalter, zum anderen an XXXX persönlich.

2. Mit Schriftsatz vom 21.04.2017 erhob XXXX als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des XXXX Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde und führte insbesondere zusammengefasst aus, dass mit Beschluss des Landesgerichts XXXX vom XXXX zu XXXX über das Vermögen von Herrn XXXX ein Konkursverfahren eröffnet worden sei. Der Beschwerdeführer sei zum Masseverwalter bestellt worden. Der angefochtene Bescheid sei dem Beschwerdeführer am 24.03.2017 zugestellt worden. Die vorliegende Beschwerde sei daher rechtzeitig. Der Beschwerdeführer habe als Masseverwalter im Konkursverfahren über das Vermögen von XXXX die vermögensrechtlichen Angelegenheiten des Schuldners zu besorgen. Insbesondere gehöre es zu den Aufgaben des Masseverwalters, nicht berechtigte Forderungsanmeldungen zu bestreiten sowie nicht berechtigte Beitragsvorschreibungen zu bekämpfen. Der Beschwerdeführer sei daher zur Erhebung der vorliegenden Beschwerde berechtigt.

3. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 13.06.2017 wurden die bei der Behörde eingereichte Beschwerde und der gegenständliche Akt unter Anschluss einer Stellungnahme vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Über das Vermögen von XXXX wurde mit Beschluss des Landesgerichtes XXXX vom XXXX zu 7 S 7/17, ein Konkursverfahren eröffnet. Der Beschwerdeführer XXXX wurde zum Masseverwalter bestellt.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom XXXX wurde XXXX als Geschäftsführer der primärschuldenden XXXX zur Zahlung von €

10.176,97 zuzüglich Verzugszinsen verpflichtet.

Die Erledigung bezeichnet als Adressat XXXX und erfolgte die Zustellung an den beschwerdeführenden Masseverwalter.

2. Beweiswürdigung:

Die vorstehend getroffenen Feststellungen beruhen auf dem Inhalt des von der belangten Behörde vorgelegten Aktes des verwaltungsbehördlichen Verfahrens.

Soweit Feststellungen zum Insolvenzverfahren betreffend die beschwerdeführende Partei getroffen werden, gründen sich diese auf die Eintragungen in der Ediktsdatei, in die Einsicht genommen wurde.

3. Rechtliche Beurteilung:

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Zu A)

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vertritt der Masseverwalter den Schuldner auch im Verwaltungsverfahren, wenn die Masse betroffen ist. Nur dieser ist insofern auch zur Erhebung von Rechtsmitteln berechtigt. Während der Anhängigkeit des Insolvenzverfahrens können nur Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche, die das zur Insolvenzmasse gehörige Vermögen überhaupt nicht betreffen, insbesondere über Ansprüche auf persönliche Leistungen des Schuldners, von diesem selbst anhängig gemacht und fortgesetzt werden. In anhängigen Verwaltungsverfahren endet die Prozessfähigkeit des Schuldners mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, soweit es sich nicht um Verfahren handelt, die das zur Insolvenzmasse gehörige Vermögen überhaupt nicht betreffen (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senats vom XXXX, Zl. XXXX, in dem auch ausgeführt wird, dass sich diese Rechtslage durch das Insolvenzrechtsänderungsgesetz 2010 nicht geändert hat, ferner VwGH 29.04.2015, Ro 2014/10/0080).

Im zitierten Erkenntnis eines verstärkten Senats vom XXXX hat der Verwaltungsgerichtshof insbesondere an seiner Rechtsprechung festgehalten, dass der Masseverwalter den Schuldner auch im Verwaltungsverfahren vertritt, wenn die Masse von diesem Verwaltungsverfahren betroffen ist. Nur der Masseverwalter ist diesfalls zur Erhebung von Rechtsmitteln berechtigt, er ist in solchen Verfahren Partei.

Die Rechtsprechung setzt die herrschende Ansicht fort, wonach der Schuldner und das insolvenzverfangene Vermögen rechtlich nicht ident sind, sondern zwei voneinander verschiedene rechtliche Zurechnungspunkte darstellen und bei ihren Rechtshandlungen in verschiedener Weise vertreten werden (näher VwGH 21.12.2004, Zl. 2000/04/0118). Im Insolvenzverfahren vertritt der Masseverwalter den Schuldner hinsichtlich aller zur Insolvenzmasse gehörigen Ansprüche und ist demnach ausschließlich zur Verfolgung der Rechte des Schuldners als Partei in einem die Messe betreffende Verwaltungsverfahren berufen (VwGH 07.12.2006, Zl. 2005/07/0172). Während der Anhängigkeit des Konkurses können gemäß § 6 Abs. 3 Insolvenzordnung, RGBl. Nr. 337/1914 idF BGBl. I Nr. 122/2017, nur Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche, die das zur Insolvenzmasse gehörige Vermögen überhaupt nicht betreffen, insbesondere über Ansprüche auf persönliche Leistungen des Schuldners, gegen den Schuldner oder von ihm anhängig gemacht und fortgesetzt werden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erlangen Bescheide, die nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens an den Gemeinschuldner und nicht an den Insolvenzverwalter gerichtet sind, keine Wirksamkeit (VwGH 25.04.1995, Zl. 95/05/0094;

20.11.2014, Zl. 2013/16/0171 mwN). Eine an den Schuldner gerichtete Erledigung wird durch die bloße Zustellung an den Insolvenzverwalter diesem gegenüber nicht wirksam (VwGH 24.07.2007, Zl. 2002/14/0115;

02.03.2006, Zl. 2006/15/0087).

Das gegenständliche Verwaltungsverfahren hat geltend gemachte Ansprüche der belangten Behörde auf das zur Insolvenzmasse gehörige Vermögen zum Gegenstand. Ausgehend von der zitierten Rechtsprechung wäre demnach mit dem angefochtenen Bescheid der Masseverwalter als Partei in Anspruch zu nehmen gewesen, da Sozialversicherungsbeiträge wirtschaftlich die Masse und ihre Erträgnisse betreffen und das Insolvenzverfahren noch nicht abgeschlossen ist (in diesem Sinn VwGH 23.05.2007, Zl. 2005/08/0123). Die angefochtene Erledigung wäre daher an den Masseverwalter und nicht an den Schuldner zu richten gewesen (VwGH 24.03.2009, Zl. 2009/13/0013 mwN; 24.07.2007, Zl. 2002/14/0115).

Im gegenständlichen Fall hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid jedoch an den Schuldner - und nicht den Masseverwalter - gerichtet und (zunächst) auch die Zustellung des angefochtenen Bescheides an den Schuldner (sowie an den Masseverwalter) veranlasst.

Entsprechend der zitierten Rechtsprechung erlangte die angefochtene Erledigung mit der erfolgten Zustellung an den Masseverwalter jedoch keine Wirksamkeit, da sie rechtsirrig an den Schuldner und nicht an den Masseverwalter gerichtet war (vgl. in diesem Zusammenhang nochmals das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29.04.2015, Ro 2014/10/0080).

Eine entgegen den insolvenzrechtlichen Vorschriften an den Schuldner gerichtete Erledigung wird durch die bloße Zustellung an den Masseverwalter diesem gegenüber nicht wirksam (VwGH 26.04.2002, Zl. 2001/02/0172; 02.03.2006, Zl. 2006/15/0087).

Eine Heilung eines solchen Mangels gemäß § 7 Zustellgesetz kommt nicht in Betracht, weil es sich um keinen Mangel im Zustellvorgang handelte, sondern vielmehr um einen nach sanierbaren materiellen Mangel der angefochtenen Erledigung hinsichtlich ihrer Adressierung (und damit der Bestimmung der Parteistellung im eingeleiteten Verwaltungsverfahren).

Die Beschwerde ist demnach als unzulässig zurückzuweisen, zumal mangels wirksamer Erlassung eines Bescheides kein tauglicher Anfechtungsgegenstand vorliegt.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.

Im vorliegenden Fall ergibt sich der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt eindeutig aus den Akten des Verwaltungsverfahrens und lässt die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten. Die Notwendigkeit der Durchführung einer Verhandlung ist auch im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 GRC nicht ersichtlich. Auch nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt unbestritten und die Rechtsfrage von keiner besonderen Komplexität ist (VfSlg. 17.597/2005; VfSlg. 17.855/2006; zuletzt etwa VfGH 18.6.2012, B 155/12). Der festgestellte Sachverhalt ist im Beschwerdeverfahren unstrittig und ergibt sich eindeutig aus den Akten des Verwaltungsverfahrens. Strittig sind lediglich Rechtsfragen, weshalb von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG Abstand genommen werden konnte. Darüber hinaus gebietet Art. 6 MRK bei verfahrensrechtlichen Entscheidungen nicht die Durchführung einer mündlichen Verhandlung (vgl. VwGH 30.9.2015, Ra 2015/06/0073, mwN).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Adressierung, Insolvenzverfahren, Masseverwalter, Zurückweisung,
Zustellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I412.2161827.1.00

Zuletzt aktualisiert am

02.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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