TE Vwgh Erkenntnis 2007/5/23 2005/08/0123

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Veröffentlicht am 23.05.2007
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Index

23/01 Konkursordnung;
40/01 Verwaltungsverfahren;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §35;
ASVG §67 Abs10;
AVG §9;
KO §1 Abs1;
KO §3 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des Dr. H, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Landeshauptfrau von Salzburg vom 3. Juni 2005, Zl. 20305-V/13.452/6-2005, betreffend Beitragsnachverrechnung (mitbeteiligte Partei: Salzburger Gebietskrankenkasse, 5024 Salzburg, Faberstraße 19-23), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

In dem an den Beschwerdeführer gerichteten Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 7. Dezember 2001 wird vor dem Spruch einleitend ausgeführt, dass am 11. März 1999 vom Landesgericht Salzburg über das Vermögen der S. GmbH das Konkursverfahren eröffnet und der Beschwerdeführer als Masseverwalter eingesetzt worden sei. Im Zuge einer Beitragsprüfung vom 6. April bis zum 18. Mai 1999 seien bei der S. GmbH alle Lohnunterlagen überprüft und die Ansprüche der Dienstnehmer ermittelt worden. In diesem Zusammenhang seien auch die für die einzelnen Arbeitnehmer errechneten Sozialversicherungsbeiträge in Masse- und Konkursforderungen aufgeteilt worden. Da vom Beschwerdeführer als Masseverwalter die von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse ermittelten Masseforderungen nicht anerkannt worden seien, sei die Erlassung eines Bescheides (vom 7. Dezember 2001) mit folgendem Spruch erforderlich gewesen:

"Herr (Beschwerdeführer) wird in seiner Eigenschaft als Masseverwalter im Konkurs der Firma S. GmbH sowie als Dienstgeber im Sinne des § 35 ASVG verpflichtet, die von der (mitbeteiligten Gebietskrankenkasse) ermittelten Masseforderungen (Sozialversicherungs- und Sonderbeiträge für den Zeitraum 12.03.- 20.06.1999) in der Höhe von

ATS 94.776,-- (EUR 6.887,64)

nach Zustellung des Bescheides an die (mitbeteiligte Gebietskrankenkasse) zu entrichten. Diese Verpflichtung wird unter Bedachtnahme auf die Bestimmung des § 35 Abs. 1 ASVG ausgesprochen und nimmt zusätzlich Bezug auf die beiliegende Aufstellung der Masseforderungen."

In dem als "Begründung" bezeichneten Teil des Bescheides heißt es, dass dem Masseverwalter während des laufenden Konkursverfahrens die Funktion des Arbeitgebers zukomme. Mehrere Dienstnehmer hätten gegenüber dem Masseverwalter ihren vorzeitigen Austritt zum 31. März 1999 erklärt. Mit einem Arbeitnehmer habe der Masseverwalter die Auflösung des Dienstverhältnisses zum 30. April 1999 vereinbart. Die für die während des Konkurses weiter laufenden Dienstverhältnisse fällig gewordenen Beiträge seien Masseforderungen.

In dem gegen diesen Bescheid erhobenen Einspruch verwies der Beschwerdeführer auf den Umstand, dass der Konkurs mit rechtskräftigem Beschluss des Landesgerichtes Salzburg vom 28. März 2001 aufgehoben und er seines Amtes als Masseverwalter der S. GmbH enthoben worden sei; daher könne er nicht mehr in Anspruch genommen werden. Für Masseforderungen, die während des Konkurses entstanden seien, hafte nur die Masse. Im Übrigen enthält der Einspruch Erörterungen zum Grunde und zur Höhe der geltend gemachten Beitragsforderungen.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Einspruch des Beschwerdeführers abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen den von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse im erstinstanzlichen Bescheid eingenommenen Rechtsstandpunkt übernommen.

Im "Betreff" des angefochtenen Bescheides ist die S. GmbH angeführt; im Kopf ist der Beschwerdeführer als "nunmehriger Einspruchswerber als Masseverwalter" genannt. In der Zustellverfügung des angefochtenen Bescheides ist der Beschwerdeführer "als ehemaliger Masseverwalter" der S. GmbH angeführt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - ebenso wie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse - eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die belangte Behörde nahm den Beschwerdeführer "als Masseverwalter und Dienstgeber" für die während des Konkursverfahrens fällig gewordenen Beiträge in Anspruch und stützte ihre Forderung auf den Umstand, dass es sich um eine Masseforderung im Konkurs der Gemeinschuldnerin gehandelt habe. Unstrittig hat die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse den erstinstanzlichen Bescheid nach rechtskräftiger Aufhebung des Konkurses über das Vermögen der S. GmbH erlassen.

Während des Konkursverfahrens ist ein Beitragsbescheid der Gebietskrankenkasse an den Masseverwalter als Partei des Verfahrens zu richten, weil Sozialversicherungsbeiträge wirtschaftlich die Masse und ihre Erträgnisse betreffen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 2001, Zl. 98/08/0253).

Durch die rechtskräftige Aufhebung des Konkurses hört jedoch die Vertretungsbefugnis des Masseverwalters auf, der Gemeinschuldner - dessen fortbestehende rechtliche Existenz vorausgesetzt - wird wieder selbst verfügungsfähig (vgl. etwa OGH vom 24. Juni 1999, 8 Ob 190/98v). Eine Inanspruchnahme des Beschwerdeführers "als Masseverwalter" (d.h. als gesetzlicher Vertreter des Gemeinschuldners) ist jedenfalls nach der Aufhebung des Konkurses demnach nicht möglich.

Aber auch "als Dienstgeber" kann der Beschwerdeführer nicht in Anspruch genommen werden, weil - auch während des Konkursverfahrens - Dienstgeber gemäß § 35 ASVG die Gemeinschuldnerin, die durch den Masseverwalter vertreten wird, bleibt (vgl. OGH vom 28. April 2005, 8 ObS 6/05y, sowie das hg. Erkenntnis vom 16. Juni 1992, Zl. 91/08/0124).

Die Inanspruchnahme des Beschwerdeführers als Masseverwalter wäre allerdings im Wege einer Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG möglich (vgl. das Erkenntnis vom 5. März 1991, Zl. 89/08/0223). Eine solche Haftung hatte die belangte Behörde aber nicht im Auge; sie hat den Beschwerdeführer als Dienstgeber in Anspruch genommen und auch keine Feststellungen für das Vorliegen einer Vertreterhaftung getroffen.

Der angefochtene Bescheid erweist sich demnach als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 23. Mai 2007

Schlagworte

Handlungsfähigkeit Prozeßfähigkeit Masseverwalter Rechtsfähigkeit Parteifähigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2005080123.X00

Im RIS seit

20.06.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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