TE Bvwg Beschluss 2020/4/14 W182 2119573-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.04.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

14.04.2020

Norm

B-VG Art. 133 Abs4
FPG §52 Abs4
GRC Art. 47

Spruch

W182 2119573-3/26E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch den Richter Mag. PFEILER über den Antrag von XXXX , geb. XXXX , StA Russische Föderation, vertreten durch ZEIGE, Zentrum für Europäische Integration und Globalen Erfahrungsaustausch, auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung vom 06.04.2020 den Beschluss:

A) Dem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung wird nicht

stattgegeben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 (B-VG) nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 21.01.2019, Zl. 821637808 - 180608623/BMI-BFA_VBG_RD, wurde gegen den Antragssteller (im Folgenden: ASt), einen Staatsangehörigen der Russischen Föderation, gemäß § 52 Abs. 4 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I. Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt I.), wobei gemäß § 52 Abs. 9 FPG idgF festgestellt wurde, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG idgF in die Russische Föderation zulässig sei (Spruchpunkt II.). Gemäß § 55 Absatz 4 FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt und einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG idgF die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III. und IV.). Gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 3 Ziffer 9 FPG wurde gegen den BF ein auf die Dauer von sechs Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.

Einer dagegen erhobenen Beschwerde wurde nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26.07.2020, Zl. W182 2119573-3/17E, insoweit stattgegeben, als gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 FPG die Dauer des Einreiseverbotes auf vier Jahre herabgesetzt wurde. Im Übrigen wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zugelassen.

Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 25.02.2020, Zl. E 3409/2019-12, wurde in der Beschwerdesache gegen das zuvor genannte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe abgewiesen, die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Mit Schriftsatz vom 06.04.2010 wurde der gegenständliche Antrag auf Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz in Form einer einstweiligen Anordnung unmittelbar aufgrund des Unionsrechtes (Art. 19 Abs. 2 GRC iVm Art 47 GRC) beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht. Dieser wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der ASt andernfalls aufgrund der auferlegten Ausreiseverpflichtung bzw. der in diesem Zusammenhang obligaten Außerlandesbringungsmaßnahmen durch eine Verletzung seines durch Art. 8 EMRK geschützten Rechts auf Privat- und Familienleben ein schwerer und nicht wieder gut zu machender Schaden drohe. Der ASt würde durch eine Außerlandesbringung von seiner in Österreich aufenthaltsberechtigten Familie (Gattin, ein volljähriges und vier minderjährige Kinder) getrennt werden. Es sei Verfahrenshilfe zur Erhebung einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof beantragt worden. Zwischen dem Antrag auf Gewährung von Verfahrenshilfe, der diesbezüglichen Entscheidung und der Ausfertigung und Einbringung der Revision durch eine rechtsanwaltliche Vertretung können mehrere Wochen vergehen, in denen die zu bekämpfende Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes bereits vollstreckbar sei. In diesem Zeitraum könne die durch den vorläufigen Rechtschutz zu schützende unionsrechtliche determinierte Rechtsposition bzw. die zu schützenden unionsrechtlichen Rechtsansprüche bereits verloren sein. In eventu wurde - begründet mit der Abtretung der Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG und § 87 Abs. 3 VfGG - ein Verfahrenshilfeantrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Einbringung einer ordentlichen Revision "auch an das Bundesverwaltungsgericht" gestellt.

2. Eine telefonische Auskunft durch einen Referenten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Fachgruppe für Außerlandesbringung, vom heutigen Tag hat keinen zwingenden Hinweis für eine unmittelbar bevorstehende Abschiebung des BF ergeben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen und Beweiswürdigung:

Der unter Punkt I. ausgeführte Verfahrensgang und Sachverhalt wird den Feststellungen zugrundegelegt.

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich unstrittig aus dem gegenständlichen Antrag sowie dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes zur Zl. W182 2119573-3.

2. Rechtliche Beurteilung:

2.1. Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes - BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG idgF die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen. Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG idgF die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu Spruchteil A):

2.2. Der Verwaltungsgerichtshof entscheidet nicht über die vom Verfassungsgerichtshof (gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG und § 87 Abs. 3 VfGG) dem Verwaltungsgerichtshof "abgetretene" Beschwerde, sondern über die innerhalb der Frist des § 26 Abs. 4 VwGG auszuführende Revision. Die vom Verfassungsgerichtshof vorgenommene Abtretung der an diesen gerichteten Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof bewirkt per se nicht die Zulässigkeit der Revision (vgl. dazu etwa VwGH 17.01.2017, Zl. Ra 2016/19/0073).

Da mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26.07.2020, Zl. W182 2119573-3/17E, eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zugelassen wurde, ist das Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung über einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Einbringung einer Revision gemäß § 61 Abs. 3 VwGG nicht zuständig. Von einer Weiterleitung des Antrages nach § 6 AVG wurde insofern abgesehen, da dem gegenständlichen Antragsschreiben zu entnehmen ist, dass ein entsprechender Verfahrenshilfeantrag "auch" beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht wurde.

2.3. Der Antrag auf Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz in Form einer einstweiligen Anordnung auf Grund des Unionsrechts ist darauf gerichtet, dass bereits vor Revisionseinbringung die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zur Sicherung der über die Revision ergehenden Entscheidung begehrt wird.

Das Verwaltungsgericht ist sowohl bei einer ordentlichen Revision als auch im Falle einer außerordentlichen Revision bis zur Vorlage der Revision an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung über einen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Revision (oder einen Antrag auf Erlassung einstweiliger Anordnungen) zuständig und zur Entscheidung verpflichtet (vgl. VwGH 31.10.2019, Ra 2019/20/0470).

2.4. Nach der Rechtsprechung des EuGH können die nationalen Gerichte einstweilige Anordnungen nur unter den Voraussetzungen treffen, die für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes durch den Gerichtshof gelten. Zu diesen Voraussetzungen gehören die Glaubhaftmachung der Notwendigkeit der Erlassung der einstweiligen Anordnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht (fumus boni iuris), das Feststehen der Dringlichkeit im Sinne der Verhinderung des Eintritts eines schweren und nicht wieder gutzumachenden Schadens beim Antragsteller und gegebenenfalls die Abwägung aller bestehenden Interessen. Diese Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen, sodass der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung zurückzuweisen ist, wenn eine von ihnen fehlt. Im Rahmen der Gesamtprüfung, die im Verfahren der einstweiligen Anordnung vorzunehmen ist, verfügt der zuständige Richter über ein weites Ermessen, und er kann im Hinblick auf die Besonderheiten des Einzelfalls die Art und Weise, in der die verschiedenen Voraussetzungen für die Gewährung der genannten einstweiligen Anordnungen zu prüfen sind, sowie die Reihenfolge dieser Prüfung frei bestimmen, da keine Vorschrift des Gemeinschaftsrechts ihm ein feststehendes Prüfungsschema für die Beurteilung der Erforderlichkeit einer vorläufigen Entscheidung vorschreibt (vgl. dazu etwa VwGH 29.10.2014, Ro 2014/04/0069).

2.5. Wesentliche Voraussetzung ist u.a. das Feststehen der Dringlichkeit im Sinne der Verhinderung des Eintritts eines schweren und nicht wieder gutzumachenden Schadens beim Antragsteller.

Eine solche Dringlichkeit legt der gegenständliche Antrag nicht dar, weil darin nur allgemein geltend gemacht wird, dass der ASt aufgrund der anzufechtenden Entscheidung abgeschoben werden könnte. Dass diese Abschiebung unmittelbar bevorsteht, wird nicht dargelegt und ergaben auch Nachfragen des Bundesverwaltungsgerichtes bei der zuständigen Behörde dafür keinen zwingenden Hinweis. Ausgehend davon ist nicht ersichtlich, dass es der gegenständlichen Anordnung bedürfte, um für den Zeitraum bis zur Einbringung einer außerordentlichen Revision, die nach nationalem Verfahrensrecht mit einem Antrag auf aufschiebende Wirkung verbunden werden kann, vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren (vgl. dazu etwa VwGH 08.10.2019, Zl. Ra 2019/18/0400).

Der Antragsteller hat somit die Notwendigkeit der Anordnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nicht glaubhaft gemacht. Dem Antrag war daher nicht stattzugeben.

Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde in der Begründung unter Punkt II.2.2. wiedergegeben.

Schlagworte

einstweilige Anordnung, Glaubhaftmachung, Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W182.2119573.3.00

Zuletzt aktualisiert am

30.06.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten