TE Bvwg Erkenntnis 2019/10/25 W136 2216667-1

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Veröffentlicht am 25.10.2019
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Entscheidungsdatum

25.10.2019

Norm

BDG 1979 §126 Abs2
BDG 1979 §135a
BDG 1979 §43 Abs2
BDG 1979 §44 Abs1
BDG 1979 §92 Abs1 Z3
BDG 1979 §93 Abs1
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs2 Z1

Spruch

W136 2216667-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Brigitte HABERMAYER-BINDER als Vorsitzende und die fachkundigen Laienrichter Dr. Albert KOBLIZEK und Mag. Christoph PROKSCH als Beisitzer in der Disziplinarsache gegen XXXX über die Beschwerden der 1.) Disziplinaranwältin XXXX und des 2.) Disziplinarbeschuldigten XXXX , vertreten durch Brand Rechtsanwälte GmbH, Schüttelstrasse 55, 1020 WIEN, gegen das Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres Senat 4 vom 25.02.2019, GZ BMI-46065/37-DK/4/2018-Erk, betreffend die Verhängung der Disziplinarstrafe der Geldstrafe nach mündlicher Verhandlung am 08.08.2019 zu Recht erkannt:

A) In Erledigung der Beschwerden wird der bekämpfte Bescheid gemäß § 135a Abs. 3 BDG 1979 iVm § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG insoweit abgeändert, als über den Disziplinarbeschuldigten gemäß § 92 Abs. 1 Z 3 BDG 1979 eine Geldstrafe in der Höhe von € 6000,- verhängt wird.

Im Übrigen wird die Beschwerde des Disziplinarbeschuldigten hinsichtlich des Schuldspruches als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid diesbezüglich bestätigt.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Mit dem im Spruch genannten Disziplinarerkenntnis hat die Disziplinarkommission beim BMI über den Disziplinarbeschuldigten

XXXX (im Folgenden kurz DB) die Disziplinarstrafe der Geldstrafe in der Höhe von € 3000,- verhängt. Der Schuldspruch zu Punkte I. der verfahrensgegenständlichen Entscheidung lautet wörtlich:

"[Der DB] ist schuldig,

er habe am 01.10.2019 [Anm. BVwG: gemeint 2018] nach 19.00 Uhr einem ihm namentlich nicht bekannten männlichen Kollegen über dessen Ersuchen angeboten, er könne sich eine Dienstwaffe eines derzeit im Urlaub befindlichen Kollegen ausborgen, müsse diese jedoch verlässlich wieder zurückbringen.

Der Beamte ist daher schuldig, seine Dienstpflichten nach

§ 43 Abs 1 BDG, nämlich seine dienstlichen Aufgaben treu und gewissenhaft zu erfüllen,

§ 43 Abs 2 BDG, nämlich in seinem gesamten Verhalten darauf zu achten, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seines Amtes erhalten bleibt und

§ 44 BDG, nämlich, dass er sich an ergangene Weisungen grundsätzlich zu halten hat,

gemäß § 91 BDG schuldhaft verletzt zu haben."

Von zwei weiteren Anlastungspunkten im Zusammenhang mit der gegenständlichen Pflichtverletzung wurde der DB hingegen freigesprochen.

In der Begründung des bekämpften Bescheides wurde nach ausführlicher Darstellung des Verfahrensganges, insbesondere der Verhandlung vor der belangten Behörde, sowie Wiedergabe der gesetzlichen Bestimmungen zum Schuldspruch sowie zur Strafzumessung auszugsweise wörtlich ausgeführt:

"Zur Schuldfrage:

Der erkennende Senat hatte sich zunächst die Frage zu stellen, ob das Verhalten des Disziplinarbeschuldigten diesem persönlich vorzuwerfen ist und stellte in der Folge fest, dass sich weder aus den Stellungnahmen, den Zeugenbefragungen, aber vor allem auch nicht aus der Verantwortung des Disziplinarbeschuldigten in der mündlichen Verhandlung selbst, auch nur ein Grund ergeben hätte, daran zu zweifeln, dass sich die Dienstpflichtverletzung so zugetragen hat, wie angelastet.

Bestätigt und erhärtet vor allem deshalb, da der Disziplinarbeschuldigte - von möglicherweise (da wenig authentisch) eingelernten taktischen "Unsicherheiten" wie: "ich weiß es heute nicht mehr" abgesehen - bei seiner von Beginn an vertretenen und mehrfach schriftlich angegeben Versionen blieb. Weiters wurde das ihm angelastete Verhalten auch in der mündlichen Verhandlung von ihm selbst in weiten Bereichen so beschrieben und eingestanden. Er habe auch gar nicht versucht, dieses sachlich zu entkräften.

Selbst der Umstand, dass die Dienstwaffe zu einem späteren Zeitpunkt

-

aber noch vor Rückkehr des Kollegen XXXX aus dessen Freizeitblock

-

von einem Dritten eingestanden - gestohlen wurde, änderte nichts daran, dass der Disziplinarbeschuldigte auch hier immer noch die Möglichkeit erkannte, dass dann der "unbekannte Kollege" die Waffe, welche ihm vom Disziplinarbeschuldigten angeboten wurde, entweder dann doch nicht mitgenommen habe oder er diese - so wie vom Disziplinarbeschuldigten aufgetragen - tatsächlich wieder zurückgebracht habe. Die Verteidigung vermeinte in dieser auch für sie unverständlichen Haltung des Disziplinarbeschuldigten zu erkennen, dass der Disziplinarbeschuldigte eben zum damaligen Zeitpunkt überlastet gewesen sei, ohne auch nur irgendeine Begründung dafür vorzubringen. Die vielen Tätigkeiten alleine konnten es - sachlich betrachtet - nicht gewesen sein, nicht anders ist es zu erklären, dass der Disziplinarbeschuldigte diese Aufgaben auch heute noch wahrnimmt. Doch selbst wenn man diese damalige Überlastung miteinbeziehen würde, würde die Frage offen bleiben, warum der Disziplinarbeschuldigte nach "Auffinden" der Waffe dennoch nicht von seiner Darstellung abwich, außer es würde sich eben um die Wahrheit handeln.

Weiters darf nicht außer Acht gelassen werden, dass - würde man den "späteren Erfolg" (das Auffinden der Dienstwaffe und die Begleitumstände) wegdenken - die Spekulationen der Verteidigung über das Bestehen einer Dienstpflichtverletzung den Nährboden entziehen würde. Somit darf die spätere Änderung des "Sachverhaltes", genauer das Auffinden der Waffe, keinen Einfluss auf die ursprüngliche Dienstpflichtverletzung haben und somit weder zu dessen Ungunsten, aber auch nicht zu dessen Gunsten ausgelegt werden.

Der Disziplinarbeschuldigte blieb - trotz mehrfacher Nachfragen und Aufforderung, sollte sich der Sachverhalt anders als angelastet zugetragen haben, dies vorzubringen - bei der von ihm beschriebenen Version. Somit musste der Senat in Entsprechung der Judikatur, dass Aussagen, welche zeitnah nach einem Ereignis getroffen wurden, ein höherer Wahrheitsgehalt innewohnt, (hier die im Verfahren angeführten und vom Disziplinarbeschuldigten selbst angefertigten Gedächtnisprotokolle, sowie die mit diesem durchgeführten Vernehmungen) als jenen, die deutlich später und nach rechtlicher Beratung gemacht wurden.

Durch die somit - in weiten Teilen - geständige Verantwortung des Disziplinarbeschuldigten hatte der erkennende Senate sich nur noch partiell und vertiefend dahingehend, ob es möglich sei, dass das Entlehnen der Dienstwaffe und der spätere Diebstahl sich jeweils eigenständig ereignet haben können, zu befassen. Anders als der Verteidiger des Disziplinarbeschuldigten, der dies als "denkunmöglich" bezeichnete, räumte der Disziplinarbeschuldigte selbst diese Möglichkeit ein und widersprach damit seiner Verteidigung in einem nicht unwesentlichen Punkt. [....]

Verdacht der Dienstpflichtverletzung nach §43 Abs 1 BDG

Gemäß § 43 Abs 1 BDG hat der Beamte seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft und engagiert aus eigenem zu erfüllen. Er darf also während der Ausübung seines Dienstes keine strafbaren Handlungen begehen (VwGH 4.9.1990, 88/09/0013) und muss die ihm übertragenen Aufgaben ordentlich erledigen (treu und gewissenhaft, engagiert). Dazu gehört es auch, dass er die geltende Rechtsordnung und insbesondere die für seinen Arbeitsplatz maßgeblichen Gesetze und Vollzugsvorschriften, also auch die Bestimmungen des DSG 2000, strikt beachtet.

Speziell als Schießinstruktor und Einsatztrainer muss dem Disziplinarbeschuldigten bekannt gewesen sein, wie die korrekte Vorgangsweise im gegenständlichen Fall gewesen wäre. Der von diesem selbst angeführte Sachverhalt, dass der (nun) "unbekannte Kollege" dessen Waffe auf dessen PI vergessen habe und dieser am nächsten (!) Tag einen dringenden Einsatz habe, stellt keinen - auch nur entfernt in die Vorschrift interpretierbaren - Ausnahmetatbestand dar, der diesen dazu berechtigen würde, eine Dienstwaffe außer Dienst zu führen.

Das Führen einer Dienstwaffe in der dienstfreien Zeit ist Exekutivbeamten nur unter ganz wenigen - taxativ aufgezählten - Umständen erlaubt. Diese sehr speziellen Umstände mussten dem Disziplinarbeschuldigten, welcher als langjähriger Schieß- und Einsatztrainer ua die Vorschrift (RL f d Einsatztraining) kennen musste, bekannt sein, und musste er auch erkennen und wissen, dass diese gegenständlich eben nicht vorgelegen waren. Die Judikatur des VwGH beschreit zudem, dass für das "Überlassen" von Waffen ein strenger Maßstab anzuwenden ist. Gegenständlich wurden nicht einmal die primitivsten Verhaltensmaßnahmen bzw. Regelwerke - wie zB den Nachweis der Identität durch einen Dienstausweis - eingehalten.

Erschwerend war zudem zu berücksichtigen, dass die "überlassene" Waffe weder im Eigentum noch im Besitz des Disziplinarbeschuldigten war, noch in dessen zugewiesener Verfügungsmacht stand. Es handelte sich um eine Dienstwaffe eines Kollegen, der davon überdies vom Disziplinarbeschuldigten zu keinem Zeitpunkt in Kenntnis gesetzt wurde, obwohl dies ohne Not möglich gewesen wäre.

Auch wenn der erkennende Senat dem Disziplinarbeschuldigten im Zweifel zugestand, dass es sich bei der unbekannten Person tatsächlich um einen Kollegen gehandelt habe und es mit der Lebenserfahrung in Einklang gebracht werden kann, dass man einen Kollegen - alleine - in den Waffenraum lassen würde, zumal - wie sich auch aus dem Lokalaugenschein ergeben hat, der Sozialraum und die Sitzposition des Disziplinarbeschuldigten unmittelbar neben dem Waffenraum war und somit von einer - zumindest bedingten - "Überwachung" ausgegangen werden konnte, so bleibt das Verhalten des Disziplinarbeschuldigten insgesamt dennoch unverständlich und spiegelt sich das Verhalten in der Gesamtbetrachtung negativ wieder.

Da der Disziplinarbeschuldigte zudem auch privat Besitzer von waffenrechtlichen Dokumenten und mehreren Dutzend Schusswaffen ist, ist ihm daher eine besondere Sachkenntnis zu unterstellen.

Zusammenfassend geht der erkennende Senat davon aus, dass ein solches - wie oben beschriebenes Verhalten, in dem der Disziplinarbeschuldigte

a) einem unbekannten Kollegen,

b) eine zudem fremde geladene Dienstwaffe, welche eine Waffe der Kat

B iSd WaffG darstellt,

c) ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, ob es nicht einen anderen Grund gäbe, warum der Kollege keine Dienstwaffe habe, um so ein Mindestmaß an Kontrolle anzuwenden und so im schlimmsten Fall nicht sich selbst bzw. seine auf der Dienststelle befindlichen Kollegen einer nicht mehr beherrschbaren Gefahr aussetzt, in der Folge erheblich verletzt oder getötet zu werden,

kann nur von einer der schwersten Dienstpflichtverletzungen ausgegangen werden, da ein derart leichtsinniges und unvorsichtiges Umgehen mit Schusswaffen nicht zu verantworten ist. Unstrittig ist, dass ein derartiges Verhalten, wie jenes, welches vom Disziplinarbeschuldigten gesetzt wurde, mit der von einem Polizeibeamten zu erwartenden Rechtsverbundenheit und Treuepflicht nicht zu vereinen ist.

Die eingangs angeführten rechtlich determinierten Bestimmungen geben unmissverständlich wieder, wie der Disziplinarbeschuldigte hätte handeln und welche gesetzlichen Vorgaben er hätte erfüllen müssen. Durch die Unterlassung des Handelns hat der Disziplinarbeschuldigte gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen und somit eine Dienstpflichtverletzung im Sinne des § 43 Abs 1 StGB vollendet.

Verdacht einer Dienstpflichtverletzung nach § 43 Abs 2 BDG

Gemäß § 43 Abs 2 BDG ist der Beamte verpflichtet, in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit, aber auch des Dienstgebers, in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt. Diese Pflicht verletzt der Beamte immer dann, wenn er durch ein inner- oder außerdienstliches Verhalten bei Dritten Bedenken dagegen auslöst, dass er bei der Vollziehung immer rechtmäßig Vorgehen werde und damit seine Glaubwürdigkeit einbüßt.

Das von dieser Bestimmung geschützte Rechtsgut liegt nach Auffassung des VwGH in der allgemeinen Wertschätzung, die das Beamtentum in der Öffentlichkeit genießt, damit in der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und des dafür erforderlichen Ansehens der Beamtenschaft (VwGH 24.11.1997, 95/09/0348; 15.12.1999, 98/09/0212; 18.4.2002, 2000/09/0176).

Insofern stellt § 43 Abs 2 BDG auch eine für alle Beamten gemeinsame Verhaltensrichtlinie dar (VwGH 28.7.2000, 97/09/0324; 16.10.2001, 2000/09/0012) und wird von keinem anderen Tatbestand des Dienstrechts abgedeckt. Der sogenannte Dienstbezug ist dann gegeben, wenn das Verhalten des Disziplinarbeschuldigten bei objektiver Betrachtung geeignet ist, Bedenken auszulösen, er werde seine dienstlichen Aufgaben - das sind jene konkreten ihm zur Besorgung übertragenen Aufgaben (besonderer Funktionsbezug), aber auch jene Aufgaben, die jedem Beamten zukommen - nicht in sachlicher (rechtmäßig und korrekt, sowie unparteiisch und in uneigennütziger) Weise erfüllen (vgl. dazu z.B. Schwabel/Chilf, Disziplinarrecht der Bundesbeamten, Landeslehrer und Soldaten, zweite Auflage, Fußnote 17 zu § 43 BDG, Seite 7 f). Dabei ist von einer typischen Durchschnittsbetrachtung auszugehen. Ob das dienstliche oder außerdienstliche Verhalten des Disziplinarbeschuldigten an die Öffentlichkeit gedrungen ist oder nicht, spielt bei der Beurteilung des Dienstbezuges keine rechtserhebliche Rolle.

Gerade ein solches, wie in der Judikatur beschriebenes, Verhalten liegt gegenständlich vor, da der Disziplinarbeschuldigte seinen Verpflichtungen iSd BDG und jenen des WaffG nicht nachgekommen ist.

Dies spiegelt sich vor allem darin, dass entgegen den Bestimmungen nicht nachvollziehbar ist, warum der Disziplinarbeschuldigte wie oben beschrieben - und von ihm auch selbst in der mündlichen Verhandlung so dargestellt - gehandelt hat. Als "Schieß- und Einsatztrainer" hat er letztendlich auch in der Öffentlichkeit eine besondere Vorbildfunktion. Aber auch den ihm zur Ausbildung zugewiesenen Beamten gegenüber, bei denen er angehalten ist, genau ein solches, wie von ihm gesetztes Verhalten, hintanzuhalten. Dies ist nach derzeitiger Verdachtslage nicht nur geeignet, in der Öffentlichkeit Bedenken über die Integrität und das Amtsverständnis des Disziplinarbeschuldigten auszulösen, sondern gerade bespielhaft dafür, wie man das Ansehen der Polizei in der Öffentlichkeit größtmöglich schädigen kann. Letztlich wird durch ein derartiges Verhalten das Vertrauen des Bürgers in eine professionelle und dem Gesetz verpflichtete Verwaltung massiv beeinträchtigt. Das Verhalten des Disziplinarbeschuldigten ist insgesamt jedenfalls geeignet, das Vertrauen der Bevölkerung in die Polizei massivst zu schädigen. Die Zielsetzung des BM.I und der Polizei war und ist es, das Vertrauen der Bevölkerung in den rechtmäßigen Vollzug der Gesetze zu erhalten. Diesem hohen Anspruch wurde der Disziplinarbeschuldigte nicht gerecht.

Es ist wohl auch der Nervenstarke und der fast endlosen Besonnenheit jenes Kollegen, dessen Dienstwaffe der Disziplinarbeschuldigte "verborgt" hatte, zu verdanken, dass der Vorfall nicht deutlich breiter publik wurde. Es wäre nicht unverständlich gewesen, wenn dieser - nachdem er tagelang durch den Disziplinarbeschuldigten mit

"ich glaube ich kann mich da an etwas erinnern ... ich weiß es nicht

mehr genau ... jetzt fällt mir da wieder etwas ein ..." und ähnliche

Aussagen betreffend seine Dienstwaffe hingehalten wurde, einen "Wirbel" geschlagen hätte. Dass der Vertrauensschaden in die Polizei letztendlich massiv war, zeigen Aussagen in der Öffentlichkeit, in denen gefragt wurde: "ob man sich bei der Polizei auch Autos ausborgen kann, Waffen würden ja auch verliehen."

Fast beschämend für den Dienstgeber und die Organisation Polizei waren aber auch Aussagen des Disziplinarbeschuldigten selbst gegenüber der Presse, in denen er sich als politisches Opfer darstellte, aber zu keinem Zeitpunkt auch nur versuchte, den Vertrauensschaden und das Unverständnis über das ihm angelastete Handeln zu entkräften oder an der Aufklärung aktiv mitzuarbeiten. Er hat zu keinem Zeitpunkt versucht, sein Verhalten zu erklären oder zu rechtfertigen.

Der Unwert des Vertrauensbruches geht über die bloße Nichtbefolgung einer Weisung nach § 44 Abs 1 BDG hinaus und muss daher als zusätzliche Verletzung des § 43 Abs 2 BDG gewertet werden.

Verdacht einer Dienstpflichtverletzung nach § 44 Abs 1 BDG

Gemäß § 44 Abs 1 BDG hat der Beamte die Weisungen seiner Vorgesetzten zu befolgen. Das bedeutet, dass er sowohl die vom Bundesministerium für Inneres verlautbarten Erlässe, als auch schriftliche Befehle der zuständigen Landespolizeidirektion und schriftliche oder mündliche

Befehle/Dienstaufträge/Diensteinteilungen seiner Vorgesetzten (z.B. SPK/BPK) zu befolgen hat.

Besonders die Befolgung von Weisungen ist in einem militärisch organisierten Wachkörper wie der Exekutive Voraussetzung dafür, eine dem gesetzlichen Auftrag entsprechende Erfüllung der sicherheits- und kriminalpolizeilichen Aufgaben zu garantieren. Wie auch die Disziplinaroberkommission (bis 31.12.2013) schon wiederholt entschieden hat, zählen Verletzungen der Dienstpflicht nach § 44 Abs 1 BDG zu den schwerwiegenden Verfehlungen gegen die grundlegendsten Pflichten im Rahmen eines jeden Beamtendienstverhältnisses und ist die Befolgung von dienstlichen Anordnungen für den ordnungsgemäßen, sowie effizienten Ablauf des Dienstes von essentieller Bedeutung (57/8-DOK/08 vom 11.11.2008).

Die oben angeführten Erlässe (APD-RL und RL für Einsatztrainer), die dem Disziplinarbeschuldigten als Schieß- und Einsatztrainer bekannt waren, beschreiben sehr klar, wie mit Dienstwaffen umzugehen ist. Ein solches, wie vom Disziplinarbeschuldigten selbst beschriebenes Vorgehen, findet sich darin nicht und stellt dieses somit einen Verstoß gegen diese Weisungen dar.

Strafbemessung - § 93 BDG

Gemäß § 93 Abs. 1 BDG 1979 ist das Maß für die Höhe der Strafe die Schwere der Dienstpflichtverletzung; dabei ist jedoch darauf Bedacht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafhöhe erforderlich ist, um den Disziplinarbeschuldigten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten.

Zu berücksichtigen sind aber auch die bisherigen dienstlichen Leistungen, sowie sein Verhalten im Dienststand und die Qualität der bisherigen Dienstleistung.

Der erkennende Senat hat sich nach der Judikatur des VwGH jedenfalls ein umfassendes Bild des Disziplinarbeschuldigten zu machen und dann eine Prognose zu stellen, inwieweit und in welchem Ausmaße eine Bestrafung notwendig ist. Denn für die Schwere der Dienstpflichtverletzung ist nicht nur maßgebend, in welchem objektiven Ausmaß gegen Dienstpflichten verstoßen oder der Dienstbetrieb beeinträchtigt wurde, sondern es muss die Bestrafung grundsätzlich in einem angemessenen Verhältnis zum Unrechtsgehalt der Verfehlung stehen und sie muss spezial- und generalpräventiv erforderlich sein. Innerhalb des Schuldrahmens darf keine strengere Strafe verhängt werden, als sie aus Gründen der Spezialprävention notwendig erscheint (vgl. Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten3, 78 ff und ihr folgend das Erkenntnis des verstärkten Senates des VwGH vom 14.11.2007, 2005/09/0115).

Milderungsgründe:

• ein zumindest objektives Eingeständnis, zahlreiche Belohnungen und die bisherige Unbescholtenheit des Disziplinarbeschuldigten.

• die - in seinen unterschiedlichen Stellungnahmen - uneingeschränkte Verantwortungsübernahme betreffend die von ihm verborgte Dienstwaffe.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist der gemäß § 93 Abs 1 BDG sinngemäß heranzuziehende § 34 Abs 1 Z11 StGB auch als Milderungsgrund zu berücksichtigen, wenn der Täter die Tat unter Umständen begangen hat, die einem Schuldausschließungsgrund nahekommen (VwGH 2011/09/0190).

Eine psychische Erkrankung, die geeignet wäre, die Schuld des Beschwerdeführers bei Tatbegehung zu mindern, wäre daher auch im gegenständlichen Fall grundsätzlich als Strafmilderungsgrund zu berücksichtigen. Wesentlich ist jedoch, dass ein derartiger Strafmilderungsgrund jedoch nur dann relevant sein kann, wenn zwischen ihm und der zur Last gelegten Tat ein Zusammenhang besteht.

Weder aus der mündlichen Verhandlung, noch aus den Zeugenaussagen, noch aus einem Antrag der Verteidigung, aber auch nicht aus dem Verhalten des Disziplinar- beschuldigten haben sich auch nur irgendwelche Hinweise für eine medizinische bzw. psychosomatisch bedingte Indikation ergeben, welche die Einholung eines entsprechenden Gutachtens von Amtswegen hätte gerechtfertigt.

Im Gegenteil, der Disziplinarbeschuldigte führte - auch von der Verteidigung unwidersprochen - klar aus, dass er - trotz einer möglichen medizinischen Indikation - zu keinem Zeitpunkt, weder vor dem 01.10., noch zu einem späteren Zeitpunkt Sinnestäuschungen hatte. Darüber hinaus wurden solche auch zu keinem Zeitpunkt behauptet.

Erschwernisgründe:

Der Disziplinarbeschuldigte hat ohne jede Not (§ 34 StGB liegt nicht vor) mit seiner Tathandlung gegen die mit seinem Amte und den damit verbundenen elementarsten Grundsätzen und Pflichten verstoßen und eine Dienstpflichtverletzung von besonders schwerem Gewicht und außerordentlicher Tragweite für das Vertrauen des Dienstgebers, aber in besonderem auch jenem der Bevölkerung in seine Loyalität und Gesetzestreue begangen.

Besonders verwerflich war zudem, die Tat zwar grundsätzlich einzugestehen, im gleichen Atemzug aber dem vom "Verlust der Dienstwaffe" betroffenen Kollegen zuerst gar nichts, später nur "häppchenweise" über mehrere Tage verteilt Informationen zukommen zu lassen und so den Kollegen einem enormen psychischen Druck auszusetzen.

Es lag zu jedem Zeitpunkt in der Einflusssphäre des Disziplinarbeschuldigten, die Dienstpflichtverletzung abzuwenden. Der Disziplinarbeschuldigte konnte trotz wiederholter Fragen seitens des Senates, aber auch seitens der Disziplinaranwältin und der Verdeutlichung "es gehe um seine Zukunft" nie erklären, warum er nicht anders gehandelt habe.

Der Disziplinarbeschuldigte hat zudem zu keinem Zeitpunkt - auch nur ansatzweise - versucht, sein ihm vorgeworfenes Handeln irgendwie zu rechtfertigen. Die zunächst in den schriftlichen Protokollen (Gedächtnisprotokoll, Vernehmung) tatsächlich reumütige Verantwortungsübernahme, fand sich in der mündlichen Verhandlung nur noch in einer Beschreibung des Sachverhaltes. Eine Reue war nicht erkennbar.

Auch fehlt bis heute jegliche Entschuldigung gegenüber jenem Kollegen, dessen Dienstwaffe vom Disziplinarbeschuldigten "verborgt" wurde, der vom Disziplinarbe- schuldigten tagelang "an der Nase herumgeführt" wurde, der selbst alles versuchte - It eigener Beschreibung in der mündlichen Verhandlung - dem Disziplinarbeschuldigten zu helfen sich zu erinnern, welcher Kollege das war und der selbst - ebenfalls in der mündlichen Verhandlung - beschrieb, die Sache nicht als "lustig empfunden" zu haben. Durch ein Wort der Entschuldigung hätte der Disziplinarbeschuldigte sein Bedauern über sein Fehlverhalten tatsächlich und reumütig zum Ausdruck bringen können. Durch Aussagen in der Öffentlichkeit, dass die Sache seitens des Dienstgebers politisch motiviert sei, zeigte er keine Reue gegenüber seinem - von ihm selbst in der Verhandlung eingeräumten Verhalten - sondern inszenierte sich als Opfer.

Die verfügte Sanktion erweist sich vor allem aus generalpräventiven Gründen als zwingend notwendig, weil es sich in der Gesamtheit betrachtet wohl um die schwerste vorstellbare Dienstpflichtverletzung handelt, den unstrittig "gefährlichsten Dienstbehelf, eine fremde Schusswaffe, einem (nun) unbekannten Kollegen zur Verfügung zu stellen und sich in der Folge auch dem betroffenen Kollegen - nicht ein Wort - davon zu sagen, obwohl er kaum 36 Stunden später mit diesem - im Zuge eines Teambuilding-Ausfluges nach Wien - den ganzen Tag zusammen war. Keine e-mail, kein Zettel, keine Verständigung.

Der erkennende Senat konnte daher, nach eingehender und ausführlicher Beratung sowie der Feststellung, nur mit der Verhängung einer Geldstrafe, Vorgehen."

2. Gegen dieses Disziplinarerkenntnis erhoben sowohl die Disziplinaranwältin beim Bundesministerium für Inneres als auch der DB Beschwerde.

2.1. Die Disziplinaranwältin erhob Beschwerde hinsichtlich der verhängten Strafe und führte wie folgt aus:

"[...] Wie sich aus der jüngsten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ergibt, kann, wenn aus generalpräventiven Gründen eine höhere Disziplinarstrafe als auf Grund spezialpräventiver Erwägungen erforderlich ist, die höhere Disziplinarstrafe ausgesprochen werden. Insbesondere bei gravierenden Dienstpflichtverletzungen, wie der gegenständlichen, kommt nicht der spezialpräventiven Wirkung, sondern vor allem der generalpräventiven Wirkung die ausschlaggebende Rolle zu. Selbst bei Vorliegen von Milderungsgründen ist eine Entlassung durchaus in Betracht zu ziehen. [...] Gegenständlich liegt nicht nur eine, sondern liegen mehrere schwere Dienstpflichtverletzungen vor. [Der DB] hat in erheblichem Ausmaß eine unverantwortliche, fast gleichgültige Haltung gezeigt, indem er eine Dienstwaffe (Waffe der Kategorie B) - die weder ihm zugewiesen noch in seinem Besitz bzw. seiner Verfügungsmacht war - einem unbekannten Kollegen überlassen hat, ohne sich dessen Namen zu notieren, ohne ein Mindestmaß an Kontrolle hinsichtlich Ausfolgung und Zurückbringung an den Tag zu legen und ohne die ihm als Schieß- und Einsatztrainer jedenfalls bekannten Weisungen/ Instruktionen zu berücksichtigen. Er erachtete es auch nicht als notwendig den betroffenen Besitzer der Waffe zu verständigen, oder diesen - als das Verschwinden der Dienstwaffe von diesem bemerkt wurde - bei den Nachforschungen zu unterstützen. Es wurden durch das gegenständliche Verhalten "Verborgen einer fremden Dienstwaffe" die Dienstpflichten nach § 43 Abs. 1 BDG, § 43 Abs. 2 BDG (der Vorfall rief ein erhebliches Interesse zumindest bei der oberösterreichischen Presse hervor) sowie § 44 Abs. 1 BDG massiv verletzt. Dienstpflichten, deren Einhaltung und Respektierung für einen ordentlichen und von der Allgemeinheit erwarteten ordentlichen Dienstablauf uneingeschränkt vorliegen müssen. Selbst einem durchschnittlichen mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen ist es zuzumuten, dass er speziell im Umgang mit Waffen sorgfältig und gewissenhaft agiert - umso mehr muss das von einem langjährig erfahrenen und wie in diesem Fall zusätzlich besonders geschulten Schieß- und Einsatztrainer erwartet werden können. Diese schwerwiegenden Dienstpflichtverletzungen haben nicht nur das Vertrauen der Dienstbehörde samt des betroffenen Kollegen und eigentlichen Besitzers der Dienstwaffe erschüttert, sondern vor allem auch jenes der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben zerstört, wie die Pressemitteilungen (Zitat Erkenntnis Seite 23: "ob man sich bei der Polizei auch Autos ausborgen kann, Waffen würden ja auch verliehen.") unweigerlich belegen. Nicht vergessen werden darf auch der Umstand, dass [der DB] mit der Aus- bzw. Weiterbildung im Umgang mit Schusswaffen betraut ist und somit auch eine "Vorbildfunktion" inne hat. Durch den gegenständlichen Vorfall wurden von [DB] in hohem Ausmaß gerade jene Werte außer Acht gelassen, die für die "Organisation Polizei" zentral sind und oberste Priorität genießen. Für die Zumessung der Disziplinarstrafe ist nicht allein ausschlaggebend, ob damit der betroffene Beamte von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abgehalten wird, sondern vor allein auch, ob die Strafe erforderlich ist, der Begehung von Dienstpflichtverletzungen durch andere Beamte entgegen zu wirken. Konkret wurde durch die Disziplinarkommission eine Geldstrafe in Höhe von € 3.000,- verhängt. Aus generalpräventiven Erwägungen muss aus Sicht der Disziplinaranwaltschaft ein klares Zeichen gesetzt werden, dass derartige schwerwiegende Dienstpflichtverletzungen nicht toleriert werden, Schusswaffen sind, auch wenn es sich letztlich "nur" um einen Dienstbehelf handelt, unstrittig die gefährlichsten Gegenstände bzw. Behelfe mit denen hantiert wird. Das ergibt sich nicht nur aus der allgemeinen Lebenserfahrung, sondern auch aus den Bestimmungen des Waffengesetztes, Waffengebrauchsgesetzes und den zahlreichen Erlässen wie APD-RL, RL für Einsatztrainer. Nicht umsonst ist der Umgang und Besitz vor Waffen so streng bzw. genau reglementiert. Die gegenständliche Sorglosigkeit im Umgang mit Schusswaffen, die nahezu gleichgültige Einstellung zum Zeitpunkt der "Verleihung" und auch danach als vom eigentlichen Besitzer der Waffe fast verzweifelt danach gesucht wurde, zeichnen ein derart untragbares Bild, dass für spezialpräventive Erwägungen kein Raum mehr bleibt. Es wird daher, wie schon im Verfahren bei der Disziplinarkommission, die Disziplinarstrafe der Entlassung beantragt."

2.2. Der DB erhob Beschwerde und brachte mit näherer Begründung vor, dass die belangte Behörde es unterlassen habe, den rechtserheblichen Sachverhalt zu erheben und dementsprechend rechtsrichtig zu beurteilen.

Der DB und mittlerweile Beschwerdeführer habe selbst klar und deutlich gegenüber der belangten Behörde die von ihm getätigten Aussagen in Frage gestellt und habe dieser selbst darauf verwiesen, dass es ihm zu einem späteren Zeitpunkt - sohin im Zeitpunkt der mündlichen Disziplinarverhandlung - nicht mehr möglich war, zu sagen, ob sich seine Schilderungen als real oder fiktiv darstellen. Dementsprechend sei klar, dass die belangte Behörde den tatsächlichen Lebenssachverhalt verkenne, wenn diese davon ausgehe, dass der Beschwerdeführer einem namentlich nicht bekannten männlichen Kollegen über dessen Ersuchen angeboten hätte, dieser könne sich die Dienstwaffe eines zum damaligen Zeitpunkt im Urlaub befindlichen Kollegen (Zeitpunkt 01.10.2018) ausborgen.

Bei rechtsrichtiger Würdigung und Beurteilung des konkreten Lebenssachverhaltes hätte die belangte Behörde - dies insbesondere auch unter Berücksichtigung der einvernommenen Zeugen und sonstiger Beweise - zu dem Schluss gelangen müssen, dass sich der wahre Sachverhalt derart ereignet habe, dass der bereits erwähnte XXXX die in Frage stehende Dienstpistole der Marke Glock am 08.10.2018 in der Polizeiinspektion widerrechtlich an sich genommen habe und jegliche damit im direkten oder indirekten Zusammenhang stehenden Rechtfertigungen des Beschwerdeführers in keinem - wie auch immer gelagerten - Zusammenhang stehen. Auch hätte die belangte Behörde zu dem Schluss kommen müssen - dies ungeachtet der getätigten Verantwortung des Beschwerdeführers -, dass dessen Version betreffend die Anbietung der Dienstwaffe im gegenständlich aufgezeigten Sinn offenbar eine mögliche, jedem Angeklagten und Beschuldigten freistehende Rechtfertigung darstellt, diese Variante jedoch mit den tatsächlichen Lebensverhältnissen nur sehr schwer bis gar nicht in Einklang zu bringen sei.

Fakt sei, dass auf Basis des dem angefochtenen Bescheides zu Grunde liegenden Sachverhaltes der namentlich unbekannte Beamte nach Mitnahme der gegenständlichen Dienstwaffe diese nämlich wiederum hätte zurückbringen müssen, sodass diese für die Wegnahme durch XXXX überhaupt in der Polizeiinspektion "körperlich" verfügbar war. Da es sich bei der gegenständlichen Dienststelle aber um eine geschlossene Polizeiinspektion und kein öffentliches Amtsgebäude handle, sodass der Parteienverkehr überschaubar sei, wäre dem im Zeitfenster der Rückgabe diensthabenden Beamten ein derartig ungewöhnlicher Sachverhalt spätestens dann aufgefallen, wenn ein dienststellenfremder Beamter zunächst Einlass in die Polizeiinspektion wünscht und im weiteren Schritt Einlass in die Waffenkammer zwecks Rückgabe einer Dienstwaffe verlangt. Bei einer rechtsrichtigen Beurteilung des Sachverhaltes hätte die belangte Behörde daher zu dem Schluss kommen müssen, dass ungeachtet der Verteidigungslinie des Beschwerdeführers sich der Sachverhalt im Tatsächlichen derart gestaltet hat, dass der nunmehr überführte Täter XXXX an dem von ihm dargestellten Zeitpunkt unter anderem die Dienstwaffe in der Polizeiinspektion widerrechtlich weggenommen hat und alle diesbezüglich vorab getätigten Ausführungen bzw. im weiteren Verfahren getätigten Darstellungen des Beschwerdeführers diesem zwar zuzubilligen sind, jedoch als nicht lebensnah eingestuft werden können.

Selbst wenn seitens des zuständigen Verwaltungsgerichtes das Vorliegen eines Disziplinarvergehens als weiterhin vorliegend angesehen werde - was ausdrücklich bestritten werde - sei die Verhängung der getätigten Sanktion im Ausmaß einer Geldstrafe von €

3.000,00 jedenfalls nicht angemessen ist. Bei einer Gesamtschau ergäbe sich nämlich, dass der Beschwerdeführer seit 01.06.1986 im Exekutivdienst stehe und bislang keine - disziplinarrechtliche Verurteilung aufweist. Zudem habe der Beschwerdeführer zahlreiche Belobigungen erhalten und war er in Sonderverwendungen als Schieß- und Einsatztrainer tätig.

Auch werde darauf verwiesen, dass der Beschwerdeführer seit geraumer Zeit unter erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen leide, nämlich seit dem Jahr 2002 unter einem Schlafapnoe-Syndrom sowie Übergewicht. Ebenso habe der Beschwerdeführer unter einer "Stenose"- sohin einer Verengung von Blutgefäßen - gelitten und sei ihm ein sogenannter "Stent - sohin eine Gefäßstütze eingesetzt worden.

Die seitens der belangten Behörde getätigte Sanktion sei daher überschießend. Bei rechtsrichtiger Beurteilung wäre es angesichts des nunmehr geklärten Sachverhaltes insbesondere im Hinblick auf den tatsächlichen Täter sowie des bisherigen über viele Jahr einwandfreien und exzellenten Verhaltens des Beschwerdeführers geboten gewesen, nicht nach § 92 Abs. 1 Z 3 BDG vorzugehen, sondern ein Freispruch zu fällen gewesen; im Fall eines Schuldspruches wäre allenfalls gemäß § 92 Abs. 1 Z 1 BDG ein Verweis zu erteilen gewesen.

3. Am 08.08.2019 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht im Beisein der Beschwerdeführer eine mündliche Verhandlung durchgeführt, an deren Ende gegenständliches Erkenntnis mündlich verkündet wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt) und Beweiswürdigung

1.1. Zur Person des DB:

Der am 24.05.1964 geborene DB ist Exekutivbeamter und versieht seit 1987 Dienst in der PI XXXX . Sein Bezug beträgt etwa € 3000,-

brutto. Der DB ist disziplinarrechtlich unbescholten und wird von Kollegen und Vorgesetzten als engagierter, guter Polizist beschrieben.

Der DB ist verheiratet und hat keine Sorgepflichten. Der DB wohnt mit seiner Gattin im Einfamilienhaus, für dessen Bau ein Kredit in Höhe von € 250.000,-aushaftet, er zahlt nach seinen Angaben € 1665,-

monatlich an Kreditrate. Auch seine Gattin zahlt für einen aushaftenden Kredit € 700,- monatlich und verfügt über ein Einkommen von € 2200,- monatlich. Der DB war bis August 2019 Vizebürgermeister und bezog aus dieser Tätigkeit eine Aufwandsentschädigung in Höhe von € 800,-.

Die Feststellungen zur Person des DB ergeben sich aus seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem.

1.2. Zu den angelasteten Pflichtverletzungen:

Festgestellt wird, das der DB die ihm spruchgemäß angelastete Tat, nämlich einem ihm namentlich nicht bekannten männlichen Kollegen über dessen Ersuchen angeboten zu haben, er könne sich eine Dienstwaffe eines derzeit im Urlaub befindlichen Kollegen ausborgen, müsse diese jedoch verlässlich wieder zurückbringen, begangen hat.

Diese Feststellung beruht auf folgenden Erwägungen:

Der festgestellte Sachverhalt fußt auf den Angaben des DB, die er angegeben hat, nachdem ein Kollege bei der Rückkehr an die Dienststelle, seine Waffe nicht mehr gefunden hat. Auch als diese Waffe mehrere Wochen später bei einem Lehrling einer Reinigungsfirma gefunden wurde, der diese Waffe widerrechtlich aus der unversperrten Waffenkammer der Polizeistation entwendet hat, blieb der DB bei einer neuerlichen Befragung bei seinen Angaben und hat diesen Sachverhalt schließlich auch in der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde fast sechs Monate nach dem Vorfall zugestanden. Er hat nämlich in dieser Verhandlung am 25.03.2015 wörtlich ausgeführt:

"Ich kann mich erinnern, dass ich hinten gesessen bin und dann einen Kollegen wahrgenommen habe, der neben mir gestanden ist und mich ersucht hat, ihm eine Waffe zu leihen, weil er einen Einsatz habe."

(Protokoll der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde Seite 8 unten).

Die sinngemäßen Angaben des DB vor dem Bundesverwaltungsgericht, wonach es sich bei seinen bisherigen Angaben um eine fiktive Geschichte handle, die er aber für real gehalten habe und er erst im Zuge von Gesprächen mit Psychologen im April 2019 während eines Rehabilitationsaufenthaltes gemerkt habe, dass seine Geschichte fiktiv sei, sind schon deswegen völlig unglaubwürdig, weil sie mit den weiteren Angaben des DB vor dem Bundesverwaltungsreicht nicht in Übereinstimmung zu bringen sind. Denn der DB hat zunächst angegeben, dass er "diese ganze Geschichte" nur erfunden habe, um im Sinne eines "Korpsgeistes", den Druck von der Dienststelle zu nehmen, weil eine Waffe verschwunden war. Er selbst sei zum damaligen Zeitpunkt der Meinung gewesen, dass die Waffe an der Dienststelle nur verlegt worden sei, "dass sie irgendwo liegt, dass sie jemand in ein Kastl hinein getan hat".

Das Argument des DB, dass der von ihm zugestandene Sachverhalt niemals so zugetragen habe können, weil er mit dem weiteren Geschehensablauf, nämlich dem späteren Diebstahl der Waffe nicht in Übereinstimmung zu bringen sei, ist in diesem Zusammenhang unzutreffend. Schon die belangte Behörde hat diesbezüglich die beiden Möglichkeiten, nämlich dass der Kollege, der sich die Waffe ausleihen wollte, diese entweder nicht mitgenommen oder aber auch wieder (unbemerkt) zurückgebracht hat, angeführt. Welche dieser Varianten zutrifft, ist jedoch letztlich irrerelevant, weil dem DB, seine Bereitschaft, einem ihm namentlich nicht näher bekannten Kollegen in Zivilkleidung Zutritt zur Waffenkammer zu gewähren, damit er sich von einem im Kollegen, der im Urlaub ist, eine Dienstwaffe "borgt", angelastet wird.

2. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 135a Abs. 3 BDG 1979 hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes durch einen Senat zu erfolgen, wenn der Disziplinaranwalt gegen ein Erkenntnis Beschwerde erhoben hat. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Zu A)

1. Für den Beschwerdefall sind folgende Bestimmungen des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. Nr. 333/1979 i.d.F. BGBl. I Nr. 58/2019 (BDG 1979) maßgeblich:

§ 43. (1) Der Beamte ist verpflichtet, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft, engagiert und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen.

(2) Der Beamte hat in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, daß das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.

.....

§ 44. (1) Der Beamte hat seine Vorgesetzten zu unterstützen und ihre Weisungen, soweit verfassungsgesetzlich nicht anderes bestimmt ist, zu befolgen. Vorgesetzter ist jeder Organwalter, der mit der Dienst- oder Fachaufsicht über den Beamten betraut ist.

.....

§ 93. (1) Das Maß für die Höhe der Strafe ist die Schwere der Dienstpflichtverletzung. Dabei ist darauf Rücksicht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafe erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten oder der Begehung von Dienstpflichtverletzungen durch andere Beamte entgegenzuwirken. Die nach dem Strafgesetzbuch für die Strafbemessung maßgebenden Gründe sind dem Sinne nach zu berücksichtigen; weiters ist auf die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beamten Bedacht zu nehmen.

....

2. Zur Beschwerde des DB:

Dem Beschwerdevorbringen, wonach die belangte Behörde unterlassen habe, den Sachverhalt ordnungsgemäß und vollständig zu erheben, kommt keine Berechtigung zu. Wie nämlich oben unter Punkt II.1. ausgeführt, kann der Verantwortung des DB, der gesamte Sachverhalt habe sich überhaupt nicht zugetragen, sondern handle es sich um eine von ihm erfundene, fiktive Geschichte, von der ihm jedoch vom Zeitpunkt der ursprünglichen Verantwortungsübernahme Anfang Oktober 2018 bis April 2019 nicht bewusst gewesen sei, dass sie sich tatsächlich nicht zugetragen habe, mangels Glaubwürdigkeit nicht gefolgt werden. Im Übrigen ist hinsichtlich des Vorwurfes, die belangte Behörde habe ungenügend ermittelt, darauf zu verweisen, dass sie sogar am 11.02.2019 an der PI des DB einen Lokalaugenschein durchgeführt hat, um überprüfen zu können, ob die Angaben des DB mit den örtlichen Gegebenheiten, wie zB. Sicht vom Sozialraum in die Waffenkammer, übereinstimmen.

3. Zur Beschwerde der Disziplinaranwältin:

Die Beschwerde der Disziplinaranwältin kommt im Ergebnis Berechtigung zu. Denn die gegenständliche Dienstpflichtverletzung ist derart gravierend, dass grundsätzlich die Disziplinarstrafe der Entlassung in Betracht zu ziehen ist. Wie zutreffend ausgeführt, ist das Verhalten des DB von einem höchsten Maß an Sorglosigkeit gekennzeichnet, und ist ihm zudem vorsätzliches Handeln vorzuwerfen, da ihm die einschlägigen Bestimmungen nicht zur bekannt sein mussten, sondern auch tatsächlich - wie er selbst vor der belangten Behörde noch zugestanden hat, - bekannt waren. Allerdings ist das vom DB nach der Tat gezeigte, von der Disziplinaranwältin als besonders verwerflich dargestellte Verhalten, nicht geeignet, die Schwere der Pflichtverletzung zu vergrößern, ist es doch erst nach der Tat gesetzt worden und wurde es dem DB auch spruchgemäß nicht angelastet.

4. Zur Strafbemessung:

4.1. Das Maß für die Höhe der Strafe ist die Schwere der Dienstpflichtverletzung. Dieser Maßstab richtet sich nach dem Ausmaß der Schuld und für die Strafbemessung ist danach sowohl das objektive Gewicht der Tat (der 'Unrechtsgehalt') maßgebend als auch der Grad des Verschuldens.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausführt, ist die Strafbemessung eine Ermessensentscheidung, die nach den vom Gesetzgeber im § 93 BDG 1979 festgelegten Kriterien vorzunehmen ist, wobei die Behörde verpflichtet ist, in der Begründung ihres Bescheides die für die Ermessensübung maßgebenden Überlegungen und Umstände insoweit offenzulegen, als dies für die Rechtverfolgung durch die Parteien und für die Nachprüfung der Ermessensentscheidung auf ihre Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes erforderlich ist (zuletzt VwGH vom 04.11.2014, Zl. Ro 2014/09/0023).

4.2. Die belangte Behörde hat im vorliegenden Fall zutreffend erkannt, dass es sich um eine gravierende Dienstpflichtverletzung handelt, die geeignet ist, das Vertrauen der Bürger in die sachliche Wahrnehmung exekutivdienstlichen Aufgaben zu schädigen. Die belangte Behörde hat auch die Milderungs- und Erschwernisgründe zutreffend erkannt und kann im Umstand, dass entgegen dem Antrag der Disziplinaranwältin keine Rechtswidrigkeit darin erblickt werden, dass im Hinblick darauf, dass der DB über Jahrzehnte unbeanstandet Dienst versehen hat und auch oftmals belobigt wurde, von einer Entlassung Abstand genommen hat. Auch der Umstand, dass der DB seine Pflichtverletzung (zunächst) aus eigenem gestanden hat, obwohl ihm diese ohne Verantwortungsübernahme niemals nachzuweisen gewesen wäre, ist entsprechend zu berücksichtigen.

Die belangte Behörde hat mit einer Disziplinarstrafe von € 3.000,-- allerdings die im dafür vorgesehenen Strafrahmen niedrigste Strafe überhaupt - nämlich einen Monatsbezug - verhängt. Im Hinblick auf die Schwere der Pflichtverletzung und auch aus generalpräventiven Erwägungen erscheint eine Strafzumessung am untersten Ende des Strafrahmens einer Geldstrafe als unangemessen niedrig. Im vorliegenden Fall hat zudem der DB vor dem Bundesverwaltungsgericht seine bisherige Verantwortungsübernahme, die ihm von der belangten Behörde zu Recht als Milderungsgrund angerechnet wurde, wiederrufen und leugnet nunmehr die Tat überhaupt. Im Hinblick auf den Wegfall dieses von der belangten Behörde noch herangezogenen Milderungsgrund, war die verhängte Strafe jedenfalls anzuheben, wobei im Hinblick auf die finanziellen Belastungen des DB mit einem relativ hohen Kredit, mit einer Strafe von etwa zwei Bruttomonatsbezügen, somit nach wie vor im unteren Bereich des Strafrahmens, vorzugehen war.

B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Auf die unter A) zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes wird verwiesen.

Schlagworte

Dienstpflichtverletzung, Dienstwaffe, Disziplinaranwalt -
Stattgebung, Disziplinarstrafe, Gehorsamspflicht, Geldstrafe,
Polizist, Schuldspruch, Vertrauensschädigung, Weisungsverstoß

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W136.2216667.1.00

Zuletzt aktualisiert am

29.06.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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