TE Vwgh Erkenntnis 2020/6/3 Ra 2019/16/0125

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Veröffentlicht am 03.06.2020
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht

Norm

BAO §213 Abs1
BAO §214
BAO §214 Abs1
BAO §279 Abs1
BAO §3 Abs2 lita
FinStrG §21 Abs1
FinStrG §265 Abs1w
FinStrG §29 Abs6 idF 2014/I/065
FinStrG §33 Abs1
VwGG §42 Abs2 Z2

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Thoma und Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision des Ing. F H D in W, vertreten durch Dr. Thomas Wiesinger, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Wickenburggasse 3, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 3. Mai 2019, Zl. RV/7103667/2018, betreffend Abgabenerhöhung nach § 29 Abs. 6 FinStrG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Finanzamt Wien 2/20/21/22), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in Höhe von 1.346,40 € binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Mit Bescheid vom 19. Dezember 2017 setzte das Finanzamt Wien 2/20/21/22 gegenüber dem Revisionswerber eine Abgabenerhöhung gemäß § 29 Abs. 6 FinStrG von 26.567,40 € fest und führte als Bemessungsgrundlage nach Jahren näher aufgeschlüsselte Mehrbeträge an Einkommensteuer für die Jahre 2011 bis 2015 und an Umsatzsteuer für die Jahre 2011 bis 2015 sowie an Umsatzsteuer für „01/2017 - 09/2017“ an. Von der Summe der Mehrbeträge errechnete es eine Abgabenerhöhung von 20 %.

2        Zur Begründung führte das Finanzamt an, die gegenständliche Selbstanzeige sei am 30. November 2017 anlässlich einer finanzbehördlichen „Nachschau / Beschau / Abfertigung / Prüfung von Büchern oder Aufzeichnungen“ nach deren am 17. Oktober 2017 erfolgten Anmeldung erstattet worden. Aus der Selbstanzeige ergebe sich der Verdacht eines „vorsätzlichen/grob fahrlässigen Finanzvergehens“.

3        Die mit Schriftsatz vom 8. Jänner 2018 dagegen erhobene Beschwerde wies das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung vom 9. April 2018 als unbegründet ab.

4        Der Revisionswerber reichte mit Schriftsatz vom 8. Mai 2018 dagegen einen Vorlageantrag ein.

5        Mit dem angefochtenen Erkenntnis änderte das Bundesfinanzgericht den bekämpften Bescheid des Finanzamtes, setzte eine Abgabenerhöhung von 31.905,27 € fest und sprach aus, dass eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

6        Das Bundesfinanzgericht führte als Bemessungsgrundlage nach Jahren näher aufgeschlüsselte Mehrbeträge an Einkommensteuer für die Jahre 2009 bis 2015 und an Umsatzsteuer für die Jahre 2009 bis 2015 sowie an Umsatzsteuer für „1-9/2017“ an. Von der Summe der Mehrbeträge errechnete es eine Abgabenerhöhung von 20 %.

7        Am 30. November 2017 sei eine Selbstanzeige folgenden Inhaltes erstattet worden:

„...... [Revisionswerber] hat im Zeitraum 2000 bis 2017 steuerpflichtige Mieteinnahmen (samt Betriebskosten) weder im Rahmen der Einkommensteuerund Umsatzsteuererklärungen sowie Umsatzsteuervoranmeldungen erklärt, noch die damit verbundenen Abgaben (Einkommensteuer und Umsatzsteuer) ordnungsgemäß abgeführt (siehe dazu nachstehend unter Punkt 1.1.1.). Des Weiteren wurden in den Jahren 2010 bis 2015 geringfügige Zinseinnahmen nicht im Rahmen der Einkommensteuererklärungen offen gelegt (siehe dazu nachstehend unter Punkt 1.1.2.). Es werden daher im Rahmen dieser Offenlegung einerseits die Verfehlungen dargelegt und andererseits der Sachverhalt umfassend offen gelegt.

1.   Offenlegung der Umstände .....“

8        Der Revisionswerber habe näher dargestellte Verkürzungen bewirkt, indem Abgabenschuldigkeiten bescheidmäßig zu niedrig festgesetzt worden seien (Einkommensteuer der Jahre 2007bis 2015 und Umsatzsteuer für 2015), indem die Behörde zum Ende der Erklärungsfrist in Unkenntnis von der Entstehung des Abgabenanspruchs gewesen sei (Umsatzsteuer der Jahre 2007 bis 2014) und indem entgegen der Bestimmung des § 21 UStG Vorauszahlungen an Umsatzsteuer nicht in richtiger Höhe gemeldet und entrichtet worden seien.

9        Beim Umstand, dass über Jahre hinweg bedeutende Mieteinnahmen erzielt, aber der Abgabenbehörde gänzlich verschwiegen worden seien, sei von Vorsatz auszugehen. Deshalb habe das Finanzamt zutreffend Abgabefestsetzungen an hinterzogener Einkommen- und Umsatzsteuer ab dem Veranlagungsjahr 2007 vorgenommen.

10       Jedoch liege lediglich eine Festsetzung der Abgabenerhöhung für die Jahre 2011 bis 2017 vor. Die Abgabenerhöhung sei nach der Summe der Verkürzungsbeträge zu berechnen und teile, was die Festsetzungsverjährung betreffe, nach § 207 Abs. 2 BAO das Schicksal der verkürzten Abgabe. Daher sei das Bundesfinanzgericht angehalten, die Bemessungsgrundlage dem Gesetz entsprechend richtig zu stellen und im Rahmen einer „Spruch- und Begründungsberichtigung“ mit einer weiteren Festsetzung hinsichtlich des auf die noch nicht festsetzungsverjährten Abgaben entfallenden Abgabenerhöhungsteilbetrages vorzugehen.

11       Zur bisherigen Bemessungsgrundlage von 132.837 € kämen noch näher angeführte Beträge an Umsatz- und Einkommensteuer für die Jahre 2009 und 2010 hinzu; die Umsatz- und Einkommensteuer 2007 und 2008 wäre zwischenzeitig festsetzungsverjährt. Die Bemessungsgrundlage sei daher richtig 159.526,34 €, die Abgabenerhöhung betrage demnach 31.905,27 €.

12       Die dagegen erhobene außerordentliche Revision legte das Bundesfinanzgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens dem Verwaltungsgerichtshof vor.

13       Der Revisionswerber erachtet sich ersichtlich u.a. im Recht verletzt, dass die Abgabenerhöhung nicht erstmals vom Bundesfinanzgericht, sondern von der zuständigen Behörde vorgeschrieben werde.

14       Der Verwaltungsgerichtshof leitete das Vorverfahren ein (§ 36 VwGG); die belangte Behörde teilt mit Schriftsatz vom 8. August 2019 mit, auf eine Revisionsbeantwortung zu verzichten.

15       Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

16       Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

17       Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden; er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

18       Der Revisionswerber trägt zur Zulässigkeit seiner Revision vor, die rückwirkende Ausdehnung der Abgabenerhöhung auf die Zeiträume der Jahre 2009 und 2010, zu denen es die erst mit der Finanzstrafrechtsnovelle 2010 eingeführte Abgabenerhöhung noch gar nicht gegeben habe, sei gesetzlich nicht vorgesehen. Außerdem habe das Bundesfinanzgericht den ordentlichen Rechtsweg abgeschnitten, wodurch es dem Revisionswerber unmöglich sei, sich gegen dieses Vorgehen im normalen Instanzenzug zu wehren.

19       Die Revision ist zulässig und berechtigt.

20       Wer sich eines Finanzvergehens schuldig macht, wird gemäß § 29 Abs. 1 des Finanzstrafgesetzes (FinStrG) insoweit straffrei, als er seine Verfehlung darlegt. Dazu sehen § 29 Abs. 1 und Abs. 2 FinStrG näher geregelte Voraussetzungen für den Eintritt der Straffreiheit vor und normiert § 29 Abs. 3 leg. cit., in welchen Fällen Straffreiheit nicht eintritt.

21       § 29 Abs. 6 FinStrG lautet:

„(6) Werden Selbstanzeigen anlässlich einer finanzbehördlichen Nachschau, Beschau, Abfertigung oder Prüfung von Büchern oder Aufzeichnungen nach deren Anmeldung oder sonstigen Bekanntgabe erstattet, tritt strafbefreiende Wirkung hinsichtlich vorsätzlich oder grob fahrlässig begangener Finanzvergehen nur unter der weiteren Voraussetzung insoweit ein, als auch eine mit einem Bescheid der Abgabenbehörde festzusetzende Abgabenerhöhung unter sinngemäßer Anwendung des Abs. 2 entrichtet wird. Die Abgabenerhöhung beträgt 5 % der Summe der sich aus den Selbstanzeigen ergebenden Mehrbeträgen. Übersteigt die Summe der Mehrbeträge 33 000 Euro, ist die Abgabenerhöhung mit 15 %, übersteigt die Summe der Mehrbeträge 100 000 Euro, mit 20 % und übersteigt die Summe der Mehrbeträge 250 000 Euro, mit 30 % zu bemessen. Insoweit Straffreiheit nicht eintritt, entfällt die Verpflichtung zur Entrichtung der Abgabenerhöhung, dennoch entrichtete Beträge sind gutzuschreiben. Die Abgabenerhöhung gilt als Nebenanspruch im Sinne des § 3 Abs. 2 lit. a BAO.“

22       Der Revisionswerber rügt, die Abgabenerhöhung sei erst mit der Finanzstrafrechtsnovelle 2010 eingeführt worden. Nebenansprüche könnten nicht rückwirkend eingeführt werden, auch die ab 1. Jänner 2011 eingeführte Abgabenerhöhung sei nicht rückwirkend eingeführt worden, weshalb die Abgabenerhöhung für die Jahre 2009 und 2010 nicht hätte vorgenommen werden dürfen.

23       Die FinStrG-Novelle 2010, BGBl. I Nr. 104/2010, fügte dem § 29 FinStrG einen Abs. 6 an, der die strafbefreiende Wirkung einer weiteren Selbstanzeige für den selben Abgabenanspruch von der zusätzlichen Entrichtung einer Abgabenerhöhung abhängig machte. Damit sollten potentielle Selbstanzeiger dazu angeregt werden, eine vollständige Offenlegung ihrer Verfehlungen bereits bei der ersten Selbstanzeige vorzunehmen.

24       Mit der FinStrG-Novelle 2014, BGBl. I Nr. 65/2014, erhielt § 29 Abs. 6 FinStrG die geltende, im vorliegenden Revisionsfall anzuwendende Fassung.

25       Gemäß § 265 Abs. 1w FinStrG traten § 29 Abs. 3 und 6 idF der FinStrG-Novelle 2014 mit 1. Oktober 2014 in Kraft und ist § 29 in der Fassung dieser Novelle auf Selbstanzeigen, die nach dem 30. September 2014 erstattet werden, anzuwenden.

26       Der Sachverhalt, welcher zur Festsetzung einer Abgabenerhöhung nach § 29 Abs. 6 FinStrG führt, besteht in der Erstattung einer Selbstanzeige, einem Verhalten nach der Tat und wurde im vorliegenden Revisionsfall nach dem 30. September 2014 verwirklicht. § 265 Abs. 1w FinStrG stellt auf den Zeitpunkt dieser Sachverhaltsverwirklichung ab, nicht darauf, dass die den Gegenstand einer Selbstanzeige bildenden Abgaben nach einem bestimmten Zeitpunkt entstanden wären. Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers wurde diese Bestimmung daher nicht rückwirkend eingeführt (vgl. auch VfGH 10.10.2018, E 2751/2018, VfSlg 20.287).

27       Auch für die finanzstrafrechtliche Frage eines Günstigkeitsvergleiches kommt es in Bezug auf die Abgabenerhöhung nach § 29 Abs. 6 FinStrG nicht auf den Tatzeitpunkt, wann das die Abgaben betreffende Finanzvergehen begangen wurde, sondern auf den Zeitpunkt des Nachtatverhaltens, der Erstattung der Selbstanzeige, an (vgl. abermals VfGH 10.10.2018, E 2751/2018; sowie VwGH 26.3.2019, Ro 2019/16/0003; und VwGH 5.9.2019, Ra 2017/16/0049).

28       Dergestalt ist es unerheblich, dass die von einer Selbstanzeige erfassten Abgabenverkürzungen auch Verkürzungen von Abgaben betreffen, die vor der Einführung der Abgabenerhöhung durch die FinStrG-Novelle 2010 entstanden sind.

29       Dass das Finanzamt nicht in der Lage wäre, Abgabenerhöhungen zu Abgaben für die Jahre 2009 und 2010 in das EDV-System einzugeben, wie der Revisionswerber behauptet, ändert an der Rechtslage nichts.

30       Die Revision ist jedoch aus folgenden Gründen berechtigt:

31       Die Abgabenerhöhung gilt nach § 29 Abs. 6 letzter Satz FinStrG als Nebenanspruch iSd § 3 Abs. 2 lit. a BAO. Die Abgabenerhöhung betrifft eine konkrete Abgabe. Steuern einer bestimmten Steuerart für verschiedene Jahre stellen eigene Abgaben (u.a mit unterschiedlichem Entstehungszeitpunkt) dar.

32       Bei bescheidmäßig festzusetzenden Abgaben (etwa bei der Einkommensteuer oder der Umsatzsteuer) werden - bezogen auf ein Steuersubjekt - mit nacheinander erfolgter Abgabe unrichtiger Jahreserklärungen mehrerer Veranlagungsjahre hindurch mehrere realkonkurrierende Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG begangen. Solcherart bildet die Abgabe einer unrichtigen Jahreserklärung zu einer Steuerart - allenfalls auch als Bündel mehrerer steuerlich trennbarer Einzelaspekte - eine selbständige Tat im Sinne des § 21 Abs. 1 FinStrG; gleiches gilt für das Unterlassen der Abgabe einer Steuererklärung (vgl. etwa VwGH 17.3.2016, Ra 2016/16/0004; VwGH 24.1.2013, 2011/16/0239; VwGH 24.1.2013, 2011/16/0238; und VwGH 24.1.2013, 2010/16/0169; vgl. für viele auch OGH 11.10.2017, 13 Os 88/17s). Die einzelnen strafbaren Handlungen hinsichtlich jeder Abgabenart eines bestimmten Veranlagungszeitraums mit einem auf diesen Zeitraum bezogenen strafbestimmenden Wertbetrag, der dem zeitlich bestimmbaren Erfolg des Delikts (Verkürzung einer Abgabe für einen bestimmten Veranlagungszeitraum) entspricht, dürfen nicht über Zeiträume (etwa Veranlagungsjahre) und für mehrere Abgabenarten zusammengefasst werden.

33       Wenn auch eine Selbstanzeige mehrere Finanzvergehen betreffen mag, ist die strafbefreiende Wirkung einer solchen Selbstanzeige für jedes einzelne Finanzvergehen zu prüfen. Die dazu allenfalls erforderliche Abgabenerhöhung bezieht sich dementsprechend auf eine konkrete Abgabe. Dass mehrere Abgabenerhöhungen – wie auch mehrere Abgaben – in einem Sammelbescheid vorgeschrieben werden können, ändert daran nichts.

34       Dass die Höhe der Abgabenerhöhung, nämlich der Prozentsatz der Mehrbeträge, von der Summe der sich aus einer Selbstanzeige ergebenden Mehrbeträge abhängt und nicht von der Höhe des Mehrbetrages an einer Abgabe, lässt die Beurteilung der einzelnen Abgabenerhöhung als Nebenanspruch zu einer konkreten Abgabe unberührt (vgl. etwa auch die Zusammenrechnung strafbestimmender Wertbeträge zur Frage der Gerichtszuständigkeit bei zusammentreffenden Finanzvergehen - § 53 Abs. 1 FinStrG).

35       Eine dem § 21 Abs. 1 FinStrG entsprechende Anordnung, bei einer Selbstanzeige hinsichtlich zusammentreffender Finanzvergehen nur eine einzige Abgabenerhöhung vorzuschreiben, besteht nicht.

36       Auch wenn die Lastschriften der Abgabenerhöhungen allenfalls in laufender Rechnung zusammengefasst zu verbuchen sind (§ 213 Abs. 1 BAO), hat die Verrechnung von Zahlungen nach § 214 BAO zu erfolgen. Wird somit etwa ein geringerer Betrag als die mit Sammelbescheid vorgeschriebene Summe der Abgabenerhöhungen entrichtet, so ist auf Grund der Verrechnungsvorschrift des § 214 Abs. 1 zweiter Satz BAO die Zahlung auf die früher verbuchte Abgabenerhöhung zu verrechnen und tritt die strafbefreiende Wirkung nach § 29 Abs. 6 vorletzter Satz FinStrG insoweit nicht ein, als dadurch die Abgabenerhöhungen nicht entrichtet werden. Es kommt somit nicht zu einer aliquoten Strafbefreiung aller Finanzvergehen (aliquote „Kürzung“ der strafbestimmenden Wertbeträge), sondern zu einer vollständigen Strafbefreiung der Finanzvergehen hinsichtlich derer die Abgabenerhöhung entrichtet wird und zu keiner Strafbefreiung von Finanzvergehen, hinsichtlich derer aus der Zahlung kein Betrag zur Entrichtung verbleibt.

37       Aus alledem folgt, dass bei einer mehrere Jahre (und allenfalls auch mehrere Abgabenarten), sohin mehrere Abgaben betreffenden Selbstanzeige nicht eine Abgabenerhöhung, sondern mehrere Abgabenerhöhungen, nämlich je eine für jede einzelne Abgabe (allenfalls in einem Sammelbescheid) festzusetzen sind.

38       Im Revisionsfall lässt sich der vor dem Bundesfinanzgericht bekämpfte Bescheid des Finanzamtes vom 19. Dezember 2017 als Sammelbescheid über die Festsetzung von mehreren Abgabenerhöhungen betreffend die bei der Anführung der Bemessungsgrundlagen angeführten Abgaben ansehen. Dementsprechend waren diese Abgabenerhöhungen Sache des Beschwerdeverfahrens (§ 279 Abs. 1 BAO). Dass dieser Bescheid nur die Bemessungsgrundlagen, nicht aber die einzelnen Beträge der Abgabenerhöhungen nennt, ist ein vom Bundesfinanzgericht in der Entscheidung über die Beschwerde behebbarer Fehler.

39       Das Bundesfinanzgericht hat mit dem angefochtenen Erkenntnis jedoch in einer Art Sammelerkenntnis auch Abgabenerhöhungen zu vier vom Bescheid des Finanzamtes nicht angesprochenen Abgaben (zur Einkommensteuer für 2009 und für 2010 sowie zur Umsatzsteuer für 2009 und für 2010) festgesetzt. Zur erstmaligen Festsetzung dieser Abgabenerhöhungen war das Bundesfinanzgericht funktionell unzuständig.

40       Da auch das angefochtene Erkenntnis zu den einzelnen Abgabenerhöhungen lediglich die Bemessungsgrundlagen nennt und nur die Summe der einzelnen Abgabenerhöhungen mit einem Gesamtbetrag festsetzt, sohin keinen teilbaren Spruch enthält, war das angefochtene Erkenntnis zur Gänze gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Bundesfinanzgerichtes aufzuheben.

41       Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47ff VwGG iVm der VwGH-AufwErsV.

Wien, am 3. Juni 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019160125.L01

Im RIS seit

08.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

08.09.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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