TE Vwgh Erkenntnis 1998/3/11 97/01/0810

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Veröffentlicht am 11.03.1998
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §16 Abs1;
AsylG 1991 §20 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des Canice Nwaodu in Graz, geboren am 2. März 1961, vertreten durch Dr. Klaus Kocher, Rechtsanwalt in Graz, Sackstraße 36, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 24. Juni 1997, Zl. 4.351.833/1-III/13/97, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Nigeria, der am 16. März 1996 in das Bundesgebiet eingereist ist, beantragte schriftlich am 27. März 1996 die Gewährung von Asyl. Er wurde am 15. April und am 11. Oktober 1996 niederschriftlich einvernommen.

In seinem schriftlichen Asylantrag gab er an, bis zum 15. Juli 1995 als Lebensmittelhändler unbehelligt in Nigeria gelebt zu haben. An diesem Tag habe in einem Stadtteil von Lagos eine Demonstration stattgefunden, wobei es um die Freilassung aller politischen Gefangenen, insbesondere zwei namentlich Genannter gegangen sei; darüber hinaus sei gegen die hohen Lebensmittelpreise demonstriert worden. Es sei zu Ausschreitungen gekommen, wobei von Demonstranten öffentliche Einrichtungen zerstört worden seien. Eine Vielzahl von Demonstranten sei durch einschreitende Polizeibeamte getötet, viele seien festgenommen worden. Auch er sei unter dem Vorwurf festgenommen worden, er habe öffentliches Eigentum zerstört. In Wahrheit habe er sich lediglich an einem brennenden Autoreifen zu schaffen gemacht. Man habe ihn in ein Gefängnis gebracht, wo er bis zu seiner Flucht am 25. Februar 1996 verblieben sei. Er sei zusammen mit Kriminellen in einer Zelle untergebracht gewesen. Am 25. Februar 1996 sei er von zwei Männern, welche Polizeiuniformen getragen hätten, aus dem Gefängnis und zu einem Fahrzeug gebracht worden, in welchem ihn sein Bruder und der Eigentümer des Fahrzeuges erwarteten. Er schließe daraus, daß sein Bruder die Männer bestochen habe, um ihn aus dem Gefängnis zu bringen. Am selben Tag sei er nach Cotonou gefahren, habe sich bei einem Bekannten bis zur Abfahrt des erstbesten Schiffes nach Europa am 29. Februar 1996 verborgen und sei an Bord des Schiffes nach Slowenien gereist.

Anläßlich der Einvernahme am 15. April 1996 gab der Beschwerdeführer an, er habe am 15. Juli mit ca. 1.000 anderen Personen an einer Demonstration gegen das Militärregime teilgenommen. Sie hätten die Freilassung der politischen Häftlinge erreichen wollen. Es seien Regierungsgebäude in Brand gesteckt und Fahrzeuge beschädigt worden. Er habe auf der Straße Reifen angezündet. Danach sei die Polizei gekommen, habe Tränengas eingesetzt und auf die Demonstranten geschossen. Dabei seien viele Demonstranten gestorben. Er sei verhaftet worden und im Gefängnis bis 25. Februar inhaftiert gewesen. Er sei nach der Verhaftung von Polizeibeamten mit Gummiknüppeln und Fäusten geschlagen worden. Ebenso sei er nach seiner Einlieferung in das Gefängnis geschlagen worden. Er sei mit kriminellen Personen in eine Zelle gesperrt worden, welche Geld von ihm verlangt hätten. Die Zellengenossen, welche mit Handschellen gefesselt gewesen seien, hätten auf den Beschwerdeführer eingeschlagen. Er habe sich an die Wand stellen müssen und von rückwärts Fußtritte und Schläge erhalten. Er habe auch mit einem Finger den Boden berühren und einen Fuß und eine Hand hochhalten müssen, bis er nicht mehr gekonnt habe. Die Wächter seien in die Zelle gekommen, hätten dem Beschwerdeführer Nahrungsmittel gegeben und seien danach gegangen. Er sei fast jeden Morgen auf diese Weise von den Zellengenossen geschlagen worden. Eine ebenso mißhandelte Person sei getötet worden. In der ca. 6 x 6 m großen Zelle seien so viele Personen gewesen, daß man nicht liegen, sondern nur sitzen habe können. Die Zahl der Inhaftierten könne er nicht angeben. Auf Vorhalt, wie er dann auf einem Fuß stehen und mit einem Finger den Boden berühren habe können, antwortete er, daß die anderen Platz gemacht hätten, wenn er an der Reihe gewesen sei. Es seien keine Betten in den Zellen gewesen. Er habe sich zum Schlafen an die Wand gelehnt und auf diese Weise geschlafen. Zeitweise habe er sich auch in der Mitte des Raumes aufgehalten, dort habe er sich auf den Boden gesetzt, die Füße angezogen und auf diese Weise geschlafen. Auf Vorhalt, daß er bei monatelanger Haft nicht einmal ungefähr angeben könne, wieviele Personen in der Zelle gewesen seien, gab er an, dies nicht bekanntgeben zu können. Am 25. Februar 1996 seien zwei Polizeibeamte in die Zelle gekommen. Sie hätten ihn aus dem Gefängnis gebracht. Davor habe sein Bruder gewartet und ihn mit einem ihm nicht bekannten Pkw-Lenker nach Cotonou gebracht, wo er sich bis zum 29. Februar 1996 bei Bekannten aufgehalten habe. Er nehme an, daß sein Bruder die beiden Polizeibeamten bestochen habe und er deshalb aus der Haft entlassen worden sei. Dies könne er aber nicht sicher angeben. Der durch Mißhandlungen anderer Zellengenossen gestorbene Zelleninsasse sei durch Schläge von Handschellen auf den Hinterkopf gestorben, er wisse nicht, ob dafür jemand zur Verantwortung gezogen worden sei. Er könne dies nicht angeben, weil die Wächter gekommen seien, nachdem einige in der Zelle geschrien hätten, daß einer gestorben sei. Darauf sei der Tote abtransportiert worden. Der Beschwerdeführer habe durch die Schläge keine sichtbaren Verletzungsmerkmale davongetragen. Hiebei blieb er auch nach Vorhalt, daß es nicht glaubwürdig sei, daß Schläge durch mit Handschellen gefesselte Fäuste keine Verletzungsmerkmale hinterlassen hätten.

In der ergänzenden Einvernahme vom 11. Oktober 1996 konnte der Beschwerdeführer auf Befragung nicht angeben, in welcher Zeit er in Haft gewesen sei. Er könne diese Angaben nur machen, wenn er die Niederschrift vom 15. April 1996 gelesen habe, nur dann könne er angeben, ob die Angaben stimmten oder nicht. Er sei nicht Mitglied einer Partei oder einer Organisation gewesen. Er habe im März 1995 an einer Demonstration teilgenommen. Auf Vorhalt, daß er zuvor angegeben habe, am 15. Juli 1995 an einer Demonstration teilgenommen zu haben, antwortete der Beschwerdeführer, er könne diese Angaben dann genau machen, wenn er die Niederschrift gelesen habe. Er könne sich sicher an einige Dinge erinnern. Wenn ihm die Niederschrift vorgelesen werde, könne er angeben, ob dies stimme oder nicht. Über Vorfälle wegen der Haft befragt, gab er an, von anderen Häftlingen geschlagen worden zu sein, wobei er mit den Handschellen, mit denen die Häftlinge gefesselt gewesen seien, oft am Rücken getroffen worden sei. Er habe davon keine äußerlichen Verletzungsmerkmale davongetragen. Er könne nicht genau angeben, wie viele Häftlinge in der Zelle gewesen seien, es seien viele Häftlinge, ca. 1.000, in einer Zelle gewesen, die so groß wie der Einvernahmeraum gewesen sei. Über Vorhalt der Unglaubwürdigkeit, daß ca. 1.000 Häftlinge in einer Zelle von ca. 6 x 6 m gewesen seien, antwortete er, daß viele in dieser Zelle gewesen seien. Er habe hockend an die Wand gelehnt geschlafen. Auf Vorhalt der anderslautenden Darstellung in der Niederschrift vom 15. April 1996 erklärte er, daß die Häftlinge in der Mitte des Raumes von anderen Häftlingen gefoltert worden seien und dafür Platz gemacht worden sei. Auf Vorhalte, daß einerseits kein Platz in der Zelle dafür gewesen sein solle, daß Häftlinge hätten liegen können, und andererseits Platz für Folterungen durch Mithäftlinge gewesen sein solle, gab er an, daß dafür Platz gemacht worden sei. Auf neuerlichen diesbezüglichen Vorhalt und den weiteren Vorhalt, es sei nicht glaubwürdig, daß er ca. sieben Monate nur stehend oder hockend schlafen habe können, gab er an, daß seine Angaben stimmten. Er habe aus dem Gefängnis entkommen können, indem er von zwei Polizisten durch den Haupteingang aus dem Gefängnis entlassen worden sei. Er habe keine weiteren Wachen im Gefängnis gesehen. Hiebei verblieb er auch nach Vorhalt, daß es nicht glaubwürdig sei, daß in einem großen Gefängnis nur zwei Wachen seien.

Mit dem Bescheid vom 18. Oktober 1996 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers ab. Die Angaben des Beschwerdeführers seien nur teilweise glaubwürdig, weshalb er keine Verfolgung im Sinne der Genfer Konvention habe glaubhaft machen können. Diese Ansicht begründete die Behörde erster Instanz folgendermaßen:

"Ihren Angabe, daß Sie am 15.7.1995 an einer Demonstration teilgenommen hätten, Sie während der Demonstration von den staatlichen Organen verhaftet und bis zum 25.2.1996 mit anderen Demonstranten inhaftiert worden wären, konnte kein Glauben geschenkt werden. Diesen Angaben konnte deshalb kein Glauben geschenkt werden, da Sie bei der ergänzenden niederschriftlichen Einvernahme angaben, daß Sie im März 1995 an einer Demonstration teilgenommen hätten und auf den Widerspruch in Ihren Angaben hingewiesen angaben, daß Sie zuerst die Niederschrift vom 15.4.1996 lesen müßten und danach angeben könnten ob diese Angaben stimmen oder nicht. Es ist nicht glaubwürdig, daß Sie im Verlaufe einer Demonstration verhaftet worden wären, dies daher ein einschneidendes Ereignis in Ihrem Leben gewesen wäre und Sie sich an das Datum dieses Vorfalles nicht mehr erinnern können.

Weiters konnte Ihren Angaben, daß in Ihrer Zelle in der Größe von 6 x 6 Metern ca. 1.000 Häftlinge gewesen wären, kein Glauben geschenkt werden, da es nicht möglich ist, daß in einem Raum dieser Größe 1.000 Personen Platz gehabt hätten.

Sie gaben bei der Einvernahme am 15.4.1996 an, daß Sie während Ihrer Haftzeit von mehr als 6 Monaten stehend an die Wand gelehnt geschlafen hätten und kein Platz zum Liegen gewesen wäre. Auf den Vorhalt, daß es nicht glaubwürdig ist, daß Sie mehr als 6 Monate stehend geschlafen hätten, gaben Sie an, daß Sie sich manchmal auch in der Mitte des Raumes auf den Boden gesetzt, die Füße angezogen und auf diese Weise geschlafen hätten. Bei der ergänzenden Einvernahme am 11.10.1996 gaben Sie jedoch an, daß Sie hockend an die Wand gelehnt geschlafen hätten und in der Mitte des Raumes von anderen Häftlingen gefoltert worden wären.

Weiters gaben Sie an, daß Sie von Mithäftlingen in der Mitte des Raumes damit gefoltert worden wären, daß Sie auf einem Fuß stehend mit einem Finger den Boden berühren und einen Fuß dabei horizontal ausstrecken hätten müssen. Auf den Vorhalt, daß es nicht glaubwürdig ist, daß in der Zelle kein Platz zum Liegen gewesen wäre und Sie trotzdem Platz für die vorhin beschriebene Folter gehabt hätten gaben Sie an, daß Ihre Angaben stimmen würden.

Diesen widersprüchlichen Angaben konnte kein Glauben geschenkt werden.

Außerdem behaupteten Sie, daß Sie von den Mithäftlingen mit ihren Händen geschlagen und dadurch mit den Handschellen oft am Rücken getroffen worden wären, aber keine sichtbaren Verletzungsmerkmale davongetragen hätten.

Es ist nicht wahrscheinlich, daß Sie oft mit Handschellen am Rücken getroffen worden sind und trotzdem keine sichtbaren Verletzungsmerkmale davongetragen haben.

Weiters gaben Sie an, daß Sie von zwei Polizisten aus dem großen Gefängnis gebracht worden wären und sonst keine Wachen gesehen hätten. Auf den Vorhalt, daß es nicht glaubwürdig ist, daß Sie mit zwei Polizisten das Gefängnis verlassen hätten können und sonst keine Wachen in dem großen Gefängnis gesehen hätten, gaben Sie an, daß Sie sonst keine Wachen gesehen hätten. Es ist nicht glaubwürdig, daß Sie ein großes Gefängnis mit zwei Polizisten verlassen hätten können, ohne eine weitere Wache zu sehen. Nachdem Sie diese beiden Polizisten aus der Zelle geholt hätten, wäre der Eingang des Gefängnisses unbewacht gewesen und es ist nicht glaubwürdig, daß beim Eingang in das Gefängnis keine Wachen gewesen wären."

In der dagegen erhobenen Berufung trat der Beschwerdeführer den aufgezeigten Widersprüchen und Ungereimtheiten teilweise entgegen. Keine Gegenausführungen finden sich in der Berufung zu den Ausführungen der Behörde erster Instanz hinsichtlich der Unkenntnis des Beschwerdeführers betreffend des Demonstrationsdatums anläßlich seiner niederschriftlichen Einvernahme vom 11. Oktober 1996 und dem darin enthaltenen Widerspruch betreffend das Datum der Demonstration zu den Angaben zuvor. Des weiteren bringt der Beschwerdeführer nichts gegen die Ansicht der Behörde erster Instanz vor, es sei unwahrscheinlich, daß er oft mit Handschellen am Rücken getroffen worden sei, aber keine sichtbaren Verletzungsmerkmale davongetragen habe. Zu den von der Behörde erster Instanz als unterschiedlich angesehenen Angaben des Beschwerdeführers zur Art des Schlafens in den Niederschriften vom 15. April 1996 und vom 11. Oktober 1994 entgegnete er, daß diese Aussagen nicht im Widerspruch zueinander stünden. Die Zahl "1.000" sei nicht als realistische Zahl anzusehen. Der Beschwerdeführer habe dadurch zum Ausdruck bringen wollen, daß eine verhältnismäßig große Zahl von Häftlingen in der Zelle untergebracht gewesen sei. Seine Darstellung, "entweder am Boden gehockt oder zum Teil an der Wand gelehnt zu haben und dabei geschlafen zu haben", sei nachvollziehbar. Auch die Darstellung des Entkommens aus der Haft decke sich mit den Erfahrungen des täglichen Lebens, da die Polizisten, welche den Beschwerdeführer offensichtlich illegal aus dem Gefängnis gebracht hätten, wohl kaum einen Weg gewählt hätten, bei welchem ihnen Wachen über den Weg laufen würden. Gegen die weitere Annahme der belangten Behörde, es sei nicht glaubwürdig, daß der Eingang des Gefängnisses unbewacht gewesen sei (Anmerkung: nach den Angaben des Beschwerdeführers sei er durch den unbewachten Haupteingang entlassen worden) wendete der Beschwerdeführer in der Berufung konkret nichts ein.

Mit dem Bescheid vom 24. Juni 1997 wies die belangte Behörde die Berufung ab. Sie erhob die vom Bundesasylamt in dessen Bescheid wiedergegebenen Angaben des Beschwerdeführers anläßlich seiner niederschriftlichen Vernehmungen zum Inhalt des angefochtenen Bescheides. Nach Wiedergabe des Inhaltes der Berufung und allgemeinen rechtlichen Ausführungen führte die belangte Behörde aus, es liege keiner der Gründe des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 für die Anordnung der Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens der Behörde erster Instanz vor. Sie legte daher gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 ihrem Bescheid das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der Behörde erster Instanz zugrunde.

Die belangte Behörde sprach dem Beschwerdeführer aufgrund seiner widersprüchlichen Angaben am 11. Oktober 1996 - er habe sich weder an den Zeitpunkt der Demonstration noch an den seiner Inhaftierung erinnern können - die Glaubwürdigkeit ab. Es sei nicht einzusehen, daß er bei solch einschneidenden Erlebnissen, die eine Verhaftung und Inhaftierung darstellten, stets die "lapidare Antwort, Sie könnten die diesbezüglichen Angaben erst dann genau machen, wenn Sie die Niederschrift gelesen hätten, von sich gegeben" habe. "Offensichtlich" beruhe seine "Schilderung nicht auf tatsächlich Erlebtem".

Darüber hinaus begründete die belangte Behörde auch für den Fall, daß den Angaben des Beschwerdeführers Glaubwürdigkeit zukomme, in rechtlicher Würdigung, daß die ihm widerfahrene Benachteiligung keine Verfolgung im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 darstelle.

Dem Beschwerdeführer komme die Flüchtlingseigenschaft nicht zu, er habe nicht Verfolgung aus den in § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 genannten Gründen zu gewärtigen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Soweit der Beschwerdeführer der belangten Behörde vorwirft, sie wäre der ihr aufgegebenen Ermittlungspflicht nicht nachgekommen, ist festzuhalten, daß der für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgebliche § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 wohl bestimmt, daß die Asylbehörden in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken haben, daß die für die Entscheidung erheblichen Angaben über die zur Begründung des Asylantrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Asylantrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen. Diese Gesetzesstelle, die eine Konkretisierung der aus § 37 AVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 AVG hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörden, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen, darstellt, begründet aber keine über den Rahmen der angeführten Vorschriften hinausgehende Ermittlungspflicht. Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. November 1992, Zlen. 92/01/0800-0803).

Aus den Niederschriften über die Einvernahmen des Beschwerdeführers ist zu ersehen, daß die Behörde erster Instanz dem Beschwerdeführer neben der eingeräumten Möglichkeit, seine Fluchtgründe frei zu schildern, noch Zusatzfragen gestellt hat und bemüht war, Ungereimtheiten in den Angaben des Beschwerdeführers durch Vorhalte zu klären. Der behauptete Verfahrensmangel liegt somit nicht vor.

Da den Verwaltungsakten auch sonst eine Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens nicht entnommen werden kann, war die belangte Behörde gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 verpflichtet, ihrer Entscheidung das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz zugrunde zu legen.

Der Beschwerdeführer rügt, daß weder im angefochtenen Bescheid noch im erstinstanzlichen Bescheid zu ersehen sei, was der rechtlichen Beurteilung zugrundegelegt worden sei. Der Beschwerdeführer verkennt, daß die belangte Behörde ihm einerseits die Glaubwürdigkeit versagt hat, andererseits nur für den Fall, daß seinen Ausführungen Glaubwürdigkeit zukomme, rechtliche Ausführungen auf der Basis des vom Beschwerdeführer behaupteten Sachverhaltes getroffen hat. Dies ist - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - im angefochtenen Bescheid - der im Gegensatz zur Behauptung des Beschwerdeführers nicht die "Feststellungen der Behörde erster Instanz" übernimmt, sondern nur die Wiedergabe der bei den niederschriftlichen Vernehmungen getätigten Angaben -, in eindeutiger Weise nachvollziehbar.

Ist das Vorbringen eines Asylwerbers unglaubwürdig, so ist jedweder Sachverhaltsfeststellung, die einer rechtlichen Beurteilung zugrundezulegen wäre, der Boden entzogen. Durfte die belangte Behörde zu Recht von der Unglaubwürdigkeit der Angaben des Beschwerdeführers ausgehen, so erübrigte sich das Eingehen auf die in der Begründung des angefochtenen Bescheides eventualiter vorgenommene rechtliche Beurteilung.

In der Beschwerde führt der Beschwerdeführer nur an, daß die belangte Behörde einerseits die von ihm "geschilderte Demonstration und auch seine Festnahme als erwiesen annimmt und kaum eine Seite später manifestiert, den Angaben des BF könne keine Glaubwürdigkeit beigemessen werden", wendet sich aber nicht gegen die Begründung im angefochtenen Bescheid, welche der Wertung der Angaben des Beschwerdeführers als unglaubwürdig zugrundeliegt.

Die Beweiswürdigung ist ein Denkprozeß, der nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich ist, als es sich um die Schlüssigkeit dieses Denkvorganges handelt bzw. darum, ob der Sachverhalt, der in diesem Denkvorgang gewürdigt wurde, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden ist. Die Schlüssigkeit der Erwägungen innerhalb der Beweiswürdigung unterliegt daher der Kontrollbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes, nicht aber deren konkrete Richtigkeit (vgl. dazu die in Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S. 549 ff abgedruckte

hg. Judikatur). Der Verwaltungsgerichtshof kann die auf allgemeinen Erfahrungstatsachen beruhende Beweiswürdigung der belangten Behörde, daß derart einschneidende Erlebnisse wie die Verhaftung nach einer unfriedlich verlaufenen Demonstration und die daran anschließende Haft im Gedächtnis des davon Betroffenen so verhaftet sein müßten, daß er anläßlich einer Einvernahme ca. 15 Monate nach dem behaupteten Ereignis imstande sein muß, ohne Verwechslung und ohne Stützung auf frühere Niederschriften die wesentlichen Daten wiederzugeben, nicht als unschlüssig erkennen. Darauf beruhend hat die belangte Behörde dem Beschwerdeführer zu Recht die Glaubwürdigkeit versagt.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Damit erübrigt sich eine Befassung mit der darüber hinausgehenden Begründung des angefochtenen Bescheides (eventualiter vorgenommene rechtliche Beurteilung) sowie mit dem hiegegen erstatteten Beschwerdevorbringen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1997010810.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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