TE Vwgh Beschluss 2020/5/20 Ra 2020/06/0107

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Veröffentlicht am 20.05.2020
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Index

L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag Steiermark
L82000 Bauordnung
L82006 Bauordnung Steiermark
001 Verwaltungsrecht allgemein
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §59 Abs1
BauG Stmk 1995 §13 Abs1
BauG Stmk 1995 §13 Abs3 Satz2
BauG Stmk 1995 §23 idF 2016/117
BauG Stmk 1995 §29 idF 2016/117
BauRallg
VwGG §42 Abs2 Z1
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler, Hofrätin Mag.a Merl und Hofrat Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber, BA, über die Revision des Dr. R S in G, vertreten durch Dr. Helmut Destaller, Dr. Gerald Mader, Mag. Philipp Pall, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Wastiangasse 7, gegen das am 18. Dezember 2019 mündlich verkündete und mit Datum vom 27. Jänner 2020 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark LVwG 50.37-1031/2019-14, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Stadtsenat der Landeshauptstadt Graz; mitbeteiligte Partei: W GmbH in G, vertreten durch Dr. Horst Pechar, Rechtsanwalt in 8160 Weiz, Schulgasse 1; weitere Partei: Steiermärkische Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom 12. März 2019 wurde der mitbeteiligten Partei nach dem Steiermärkischen Baugesetz 1995 (Stmk. BauG 1995) und dem Grazer Altstadterhaltungsgesetz 2008 die baubehördliche Bewilligung zu der plan- und beschreibungsgemäßen Aufstockung und dem Ausbau des entstandenen Dachraumes des Wohngebäudes, dem Einbau eines Schachtes für die Aufzugsanlage, der Änderung der Sanitäreinheiten und der Errichtung von Balkonen in G., N.-Gasse 63, unter Vorschreibung von Auflagen erteilt.

2        Der Revisionswerber ist Miteigentümer eines nördlich unmittelbar an das Baugrundstück angrenzenden Grundstücks. Das Wohnhaus des Revisionswerbers mit der Adresse N.-Gasse 61 und das auf dem Baugrundstück situierte Bestandsgebäude sind an der Grundstücksgrenze unmittelbar aneinandergebaut.

3        Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark (LVwG) vom 27. Jänner 2020 wurde die Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Bescheid vom 12. März 2019 als unbegründet abgewiesen. Eine ordentliche Revision wurde für unzulässig erklärt.

4        Das LVwG führte unter anderem aus, der Revisionswerber habe vorgebracht, dass an der südostseitigen Wand (Brandwand) des Gebäudeteils N.-Gasse 61 ein Fenster eingebaut sei bzw. die Brandwand an der Grenze zum Grundstück der mitbeteiligten Partei eine Öffnung in Form eines Fensters aufweise, weshalb nach dem Vorbringen des Revisionswerbers gemäß § 13 Abs. 3 letzter Satz Stmk. BauG (für die beabsichtigte Aufstockung des Gebäudeteils N.-Gasse 63) auf Höhe des bestehenden Fensters der erforderliche Gebäudeabstand einzuhalten sei.

5        Das vom Revisionswerber an der südseitigen Brandwand eingebaute Fenster sei nicht öffenbar. Es handle sich um keine klassischen Glasbausteine, sondern um ein Fenster mit Brandschutzverglasung.

6        In seinen Erwägungen hielt das LVwG im Wesentlichen fest, im Zuge der projektgegenständlichen Aufstockung des Bestandsgebäudes auf dem Baugrundstück käme es zu einer Verbauung der bestehenden Öffnung in der Brandwand beim Gebäude des Revisionswerbers. Für die genannte Öffnung gebe es eine rechtskräftige Baubewilligung. Der Revisionswerber habe in seinem diesbezüglichen Bauansuchen vom 24. Februar 2014 unter „Art des Bauvorhabens“ angeführt, die baubehördliche Bewilligung für den Einbau einer Glasbausteinöffnung (EI90) zu begehren. Antragsgemäß sei mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom 30. April 2014 sodann auch die behördliche Bewilligung zum Einbau einer Glasbausteinöffnung (EI90) erteilt worden. Im diesbezüglichen baubehördlich bewilligten Einreichplan sei in der Ansicht Süd-Ost eine Öffnung in Form eines Fensters dargestellt. Bei der gegenständlichen Wand, in der die Öffnung eingebaut bzw. genehmigt worden sei, handle es sich um eine Brandwand unmittelbar an der Grundstücksgrenze. Aus dem Einreichplan sei ersichtlich, dass in der gegenständlichen Brandwand keine Glasbausteine dargestellt seien. Ob es sich bei dem dargestellten Fenster um ein öffenbares handle oder eine Fixverglasung dargestellt worden sei, gehe aus dem Plan nicht klar hervor. Darüber hinaus seien hinsichtlich der Fensteröffnungen keine brandschutztechnischen Anforderungen beschrieben worden. Abgesehen von der planlichen Darstellung finde sich in der Baubeschreibung die besagte Öffnung als „Einbau einer Glasbausteinöffnung (EI90) 249x143cm“. Diese Beschreibung sei auch Inhalt des Bauansuchens. So wie die Baubeschreibung als auch das Bauansuchen einen eindeutigen und klaren Wortlaut aufwiesen, sei auch der Spruch der Baubewilligung vom
30. April 2014 ebenso eindeutig und klar, wenn damit die Bewilligung zum Einbau einer Glasbausteinöffnung (EI90) erteilt werde.

7        In der Baubeschreibung, im Bauansuchen und auch in der Baubewilligung werde die gegenständliche Öffnung mit der Feuerschutzklassifikation EI90 beschrieben. Weder in der Baubeschreibung noch im bewilligten Einreichplan oder in der Baubewilligung scheine eine selbstschließende Funktion des Fensters - die mit der Abkürzung „-C“ gekennzeichnet sein müsste - auf.

8        Bezugnehmend auf Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes führte das LVwG aus, dass feststehende Glasbausteine in einer Mauer keine Öffnungen im Sinn des § 13 Abs. 3 Stmk. BauG 1995 darstellten. Ferner seien nur rechtmäßig bestehende Öffnungen rechtserheblich.

9        Es sei davon auszugehen, dass mit Bescheid vom 30. April 2014 der Einbau einer Glasbausteinöffnung (EI90) in die bestehende Brandwand bewilligt worden sei. Bei der Auslegung eines Bescheides sei bei Widersprüchen zwischen Text und Plan im Zweifel dem Text des Bescheides der Vorrang einzuräumen. Wenn nun der Revisionswerber tatsächlich keine Glasbausteine eingebaut habe, sondern ein nicht öffenbares Fenster mit Brandschutzverglasung, so entspreche diese Ausführung nicht der erteilten Baubewilligung vom 30. April 2014.

10       In dem in Frage stehenden Grenzbereich dürfe somit im Sinn des § 13 Abs. 3 Stmk. BauG 1995 an die Grundgrenze herangebaut werden. Das tatsächlich eingebaute, nicht öffenbare Fenster mit Brandschutzverglasung stelle keine rechtmäßig bestehende Öffnung im Sinn des § 13 Abs. 3 Stmk. BauG 1995 dar, weshalb die in Rede stehende Öffnung in der südostseitigen Brandwand nicht rechtserheblich sei.

11       Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

12       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

13       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

14       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

15       Gemäß dem Abs. 1 des § 13 Stmk. BauG 1995, LGBl. Nr. 59/1995 in der Fassung LGBl. Nr. 34/2015, sind Gebäude entweder unmittelbar aneinander zu bauen oder sie müssen voneinander einen ausreichenden Abstand haben. Werden zwei Gebäude nicht unmittelbar aneinandergebaut, muss ihr Abstand mindestens so viele Meter betragen, wie die Summe der beiderseitigen Geschoßanzahl, vermehrt um 4, ergibt (Gebäudeabstand).

16       Steht ein Gebäude an der Grundgrenze, so hat gemäß § 13 Abs. 3 Stmk. BauG 1995 der Nachbar, soferne durch einen Bebauungsplan oder durch Bebauungsrichtlinien nichts anderes bestimmt ist oder Gründe des Straßen-, Orts- und Landschaftsbildes nicht entgegenstehen, die Wahlmöglichkeit, entweder an die Grundgrenze anzubauen oder den erforderlichen Gebäudeabstand einzuhalten. Weist das Gebäude an der Grenze Öffnungen (Fenster, Türen und dgl.) auf, so ist der erforderliche Gebäudeabstand einzuhalten.

17       Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bezieht sich in § 13 Abs. 3 letzter Satz Stmk. BauG 1995 der Klammerausdruck „und dgl.“ zu dem Begriff “Öffnungen“ auf die davor genannten Fenster und Türen, bei denen es sich um Einrichtungen an einem Gebäude handelt, die typischerweise geöffnet und wieder geschlossen werden können. An dieser Beurteilung ändert nichts, dass Fenster unter Umständen aus bestimmten Gründen nicht geöffnet werden dürfen. Mauerbereiche mit feststehenden Glasbauziegeln stellen dem gegenüber keine solchen Einrichtungen dar, die geöffnet und geschlossen werden können. Es wird dabei lediglich für die Errichtung der Mauer teilweise anderes Material, nämlich lichtdurchlässige Glasbauziegel verwendet (VwGH 18.12.2008, 2007/06/0091).

18       Dem angefochtenen Erkenntnis liegt zugrunde, dass dem Revisionswerber der Einbau von Glasbausteinen in die in Rede stehende Brandwand bewilligt worden sei. Der Revisionswerber beruft sich hingegen darauf, dass sich ein öffenbares Fenster in der Brandwand befinde. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang die Frage der Rechtmäßigkeit dieses tatsächlich eingebauten Fensters, weil nur rechtmäßig bestehende Öffnungen im Sinn des § 13 Abs. 3 letzter Satz Stmk. BauG 1995 rechtserheblich sind (VwGH 27.11.2007, 2006/06/0257; vgl. auch VwGH 28.2.2008, 2004/06/0027).

19       Im Spruch des Bescheides vom 30. April 2014 wurde - in Übereinstimmung sowohl mit dem diesem zugrunde liegenden, vorangegangenen Bauansuchen des Revisionswerbers als auch mit der Baubeschreibung - der Einbau einer „Glasbausteinöffnung“ bewilligt. Nach den Feststellungen des LVwG seien jedoch im Einreichplan keine Glasbausteine dargestellt, wobei aus dem Plan nicht hervorgehe, ob es sich bei dem dargestellten Fenster um ein öffenbares handle oder eine Fixverglasung dargestellt worden sei.

20       In der Zulässigkeitsbegründung seiner Revision schließt der Revisionswerber aus der Formulierung im Spruch des Bescheides vom 30. April 2014, wonach der „plan- und beschreibungsgemäße“ Einbau einer Glasbausteinöffnung bewilligt worden sei, und den erwähnten Feststellungen des LVwG zum Einreichplan, dass der Bescheidspruch auslegungsbedürftig gewesen sei und deshalb die Bescheidbegründung als Auslegungsbehelf heranzuziehen gewesen wäre (Verweis auf VwGH 16.2.2012, 2010/01/0033). Dort könne nachgelesen werden, dass sich dieser Bescheid auf das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens und auf die angeführten gesetzlichen Grundlagen sowie auf das Gutachten der Grazer Altstadt-Sachverständigenkommission vom 11. April 2014 gründe. In diesem (positiven) Gutachten seien wiederum (unter anderem) der „Einbau eines Fensters“, die „Maße des Fensters“ und „Pläne für den Einbau eines Fensters“ erwähnt worden. Unter Berücksichtigung der Begründung des Bescheides vom 30. April 2014 sei dem Revisionswerber damit plangemäß der Einbau eines Fensters bewilligt worden. Dieses Fenster sei von ihm auch tatsächlich bereits vor Jahren (und bis dato unbeanstandet) verbaut worden. Das LVwG sei von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Auslegung eines unklaren Spruchs abgewichen.

21       Dem ist jedoch zu entgegnen, dass - wie auch das LVwG zutreffend festhielt - bei Vorliegen einer Diskrepanz zwischen der verbalen Beschreibung im Baubewilligungsbescheid und der zeichnerischen Darstellung in den genehmigten Bauplänen im Zweifel von der Maßgeblichkeit der verbalen Beschreibung des Baubewilligungsbescheides auszugehen ist (VwGH 22.2.2005, 2003/06/0011; 27.8.2014, 2013/05/0191; 28.6.2016, Ra 2016/06/0015, jeweils mwN).

22       Angesichts dessen lässt der Spruch des Bescheides vom 30. April 2014 für sich allein keine Zweifel an seinem Inhalt offen; baubehördlich bewilligt wurde - in Übereinstimmung mit dem Bauansuchen - der Einbau einer Glasbausteinöffnung und kein (nicht öffenbares) Fenster mit Brandschutzverglasung. Für eine Auslegung des Spruchs des genannten Bescheides nach dessen Begründung (einschließlich des dort erwähnten Gutachtens der Grazer Altstadt-Sachverständigenkommission) bleibt somit kein Raum. Das tatsächlich errichtete Fenster stellt keine rechtmäßig bestehende Öffnung im Sinn des § 13 Abs. 3 Stmk. BauG 1995 dar.

23       Die in der Revision behauptete Abweichung des angefochtenen Erkenntnisses von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt nicht vor.

24       Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 20. Mai 2020

Schlagworte

Allgemein Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1 Inhalt des Spruches Diverses Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Abstandsvorschriften BauRallg5/1/1 Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Belichtung Belüftung BauRallg5/1/3 Spruch und Begründung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020060107.L00

Im RIS seit

04.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

04.08.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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