TE Lvwg Erkenntnis 2015/6/9 LVwG-4/1846/6-2015

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Veröffentlicht am 09.06.2015
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Entscheidungsdatum

09.06.2015

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

VStG §20
VwGVG 2014 §42

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Salzburg hat durch die Richterin Dr. Christine Raithel über die Beschwerde von Frau B. A., DEUTSCHLAND, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung vom 7.4.2015, Zahl yy,

zu Recht e r k a n n t:

1.       Gemäß §§ 38, 50 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

2.       Gemäß § 52 Abs 1 und 2 VwGVG hat die Beschwerdeführerin einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von € 30,00 zu leisten.

3.       Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Beschwerdeführerin angelastet:

Zeit der Begehung:            02.01.2014, 12:26 Uhr

Ort der Begehung:              Grödig, A 10, Str.-KM 4,925,

                                  Richtung Knoten Villach

Fahrzeug:                        Personenkraftwagen, ZZ (D)

?    Sie haben ein Kraftfahrzeug auf dem mautpflichtigen Straßennetz gelenkt, ohne die zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben, obwohl die Benützung von Mautstrecken mit einspurigen Kraftfahrzeugen und mit mehrspurigen Kraftfahrzeugen, deren höchstes zulässiges Gesamtgewicht nicht mehr als 3,5 Tonnen beträgt, der zeitabhängigen Maut unterliegt, welche vor der Benützung von Mautstrecken durch Anbringen einer Mautvignette am Fahrzeug zu entrichten ist. Es war am Fahrzeug keine gültige Mautvignette angebracht.

Sie haben dadurch folgende Verwaltungsübertretung begangen:

?    Übertretung gemäß § 20 Abs. 1 i.V.m. § 10 Abs. 1 und 11 Abs. 1 BStMG und Punkt 7.1 der Mautordnung, Teil A I, der ASFINAG

Deshalb wird gegen Sie folgende Verwaltungsstrafe verhängt:

Strafe gemäß:

§ 20 Abs. 1 Bundesstraßen - Mautgesetz BGBl. 109/2002

Euro

150,00

Ersatzfreiheitsstrafe:

72 Stunden

 

 

Gegen dieses am 30.3.2015 zugestellte Straferkenntnis hat die Beschuldigte rechtzeitig nachstehende, bei der Behörde am 21.4.2015 eingelangte Beschwerde erhoben: „…gegen die am 07.04.2015 erlassene Straferkenntnis mit der im Betreff angegebenen Kennzahl lege ich hiermit Beschwerde ein. Die Beschwerde richtet sich gegen die Begründung der Straferkenntnis

Der in der Begründung der oben genannten Straferkenntnis zitierte Passus des §5(1) VStG besagt, dass eine Übertretung angenommen werden kann, wenn zu dieser Über-tretung kein Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr Vorraussetzung sei UND - wörtlich - ..... der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Gegen die Annahme, dass ich nicht glaubhaft gemacht hätte, dass mich kein Verschulden an der mir zur Last gelegten Übertretung trifft, lege ich Beschwerde ein. Ich bin im Gegenteil der Meinung, dass ich in dem Einspruch vom 26.05.2014 sehr plausibel glaubhaft machen konnte, dass ich nach dem massiven Hustenanfall meiner Tochter die letzte Ausfahrt vor dem österreichischen Grenz-übergang Walserberg übersehen hatte und geradeaus weiter gefahren bin. Wie bereits ausgeführt, liegt diese Ausfahrt nur ein paar hundert Meter vor der österreichischen Grenze und da ich im Übrigen keine Ortskenntnis in dieser Region besitze, ist mir erst beim direkten Überfahren der Grenze bewusst geworden, dass ich mich in Österreich befinde.) Da ich ja tatbestandlich den vorgeworfenen Sachverhalt einräume, bin ich auch zur Zahlung einer entsprechenden Summe bereit. Allerdings halte ich hier eine Höhe im zweistelligen Bereich für angemessen. Ich möchte Sie bitten, dass noch einmal zu überdenken!

Mit freundlichen Grüßen…“

Mit der Vorlage des Verfahrensaktes verzichtete die Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung auf die Durchführung bzw Teilnahme an einer Verhandlung. (ON 1)

Nach Ladung (ON 2) führte die Beschwerdeführerin aus: „... bitte beachten Sie anhängend den Brief zu Ihrem Schreiben vom 6.5.2015 zur Anberaumung einer Verhandlung in der im Betreff gekennzeichneten Angelegenheit. Der Brief geht gleichzeitig soeben mit der Post an Sie raus. Da es mir faktisch unmöglich ist persönlich nach Salzburg zu kommen, frage ich Sie, ob man nicht möglicherweise auch eine telefonische Einlassung (oder per Skype) machen dürfte. Mit freundlichen Grüßen ...“

Der Begleitbrief hatte folgenden Inhalt: „…bezugnehmend auf Ihre Vorladung vom 06.05.2015 zu einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 03.06.2015 um 11.00 Uhr im Landesverwaltungsgericht zu der im Betreff benannten Strafverfügung muss ich Ihnen mitteilen, dass mir eine persönliche Teilnahme aus finanziellen sowie aus Gründen der Lebensumstände unmöglich ist. Mein Wohnort in Deutschland, befindet sich 685 km von Salzburg entfernt. Eine Anreise zu diesem Termin müsste am Vortag erfolgen. Ich kann es mir zuallererst finanziell nicht leisten über 1300 km zu fahren. Außerdem gestaltet sich die Organisation einer entsprechenden Reise sehr schwierig, da ich an meinem Arbeitsplatz in der Gastronomie saisonbedingt momentan unabkömmlich bin und darüber hinaus meine achtjährige Tochter nicht so lange unversorgt bleiben kann. Mein Lebensgefährte befindet sich an diesem Tag auf einem beruflichen Termin außerhalb des Wohnortes und meine Eltern als einzige Bezugspersonen, die meine Tochter während der Fehlzeit aufnehmen könnten, sind momentan krankheitsbedingt nicht in der Lage dazu. Die Möglichkeit einen Vertreter zu schicken habe ich nicht, da es mir finanziell nicht möglich ist, einen Rechtsanwalt zu beauftragen und ich niemandem aus meinem persönlichen Umfeld eine so lange Reise zumuten kann. Ich möchte Sie bitten zu prüfen, ob die Angelegenheit anders erledigt werden kann. Vielleicht gibt es ja die Möglichkeit einer telefonischen Einlassung. Mit freundlichen Grüßen…“ (ON 3)

Der Beschwerdeführerin wurde mitgeteilt, dass wegen des in Verwaltungsstrafsachen vor dem Landesverwaltungsgericht zu beachtenden Unmittelbarkeitsgrundsatzes die Möglichkeit einer Einlassung per Telefon oder Skype nicht besteht. (ON 4)

In der Verhandlung vom 3.6.2015, zu der die Beschwerdeführerin wie angekündigt nicht erschienen ist, wurden die Verfahrensakten verlesen. (ON 5)

Das Landesverwaltungsgericht Salzburg hat gemäß § 2 VwGVG (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl I Nr 33/2013 idgF) durch einen Einzelrichter festgestellt und erwogen :

Die Beschwerdeführerin lenkte den im Zulassungsbesitz ihres Lebensgefährten stehenden Personenkraftwagen, Kennzeichen ZZ (D), mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von nicht mehr als 3,5 Tonnen am 2.1.2014 um 12:26 Uhr in Grödig auf der A 10 bei Str.-KM 4,925 in Fahrtrichtung Knoten Villach, ohne für diese Benützung des mautpflichtigen Straßennetzes die zeitabhängige Maut entrichtet zu haben. Damals war am Fahrzeug entgegen den Vorschriften über die ordnungsgemäße Mautentrichtung keine gültige Mautvignette angebracht gewesen.

Die Beschwerdeführerin, die mit ihrem Lebensgefährten und ihrer siebenjährigen Tochter nach Piding unterwegs gewesen ist, hatte zuvor in Deutschland die letzte Ausfahrt vor dem Grenzübergang Walserberg übersehen. Die Vignettenpflicht auf der österreichischen Autobahn war ihr bewusst gewesen.

Über schriftliche Aufforderung der ASFINAG Maut Service GmbH vom 22.1.2014 erfolgte seitens des Fahrzeugzulassungsbesitzers keine Zahlung der Ersatzmaut.

Der Fahrzeugzulassungsbesitzer hat zur Lenkererhebung der Bezirkshauptmannschaft Salzburg – Umgebung in der Lenkerauskunft vom 7.4.2014 ergänzend ausgeführt: „Wir haben die Ausfahrt „Piding“ verpasst und nur gedreht! Wussten nicht das man dafür eine Vignette braucht. Bitte Sie dies zu berücksichtigen!

Diese Sachverhaltsfeststellungen waren aufgrund des oben dargestellten Ermittlungsverfahrens, insbesondere aufgrund der unbedenklichen Aktenlage zu treffen.

Nach dem nicht zu bezweifelnden Inhalt der Anzeige der ASFINAG Maut Service GmbH (kurz ASFINAG) vom 28.3.2014, GZP xx, wurde die verfahrensgegenständliche Verwaltungsübertretung mittels automatischen Überwachungssystems festgestellt.

Die Beschwerdeführerin, die vom Zulassungsbesitzer (Halter) des spruchgemäßen Fahrzeugs über Lenkererhebung der belangten Behörde als Fahrzeuglenkerin zur Tatzeit bekannt gegeben worden war, hat die spruchgemäße Autobahnbenützung unbestritten gelassen und nicht in Abrede gestellt, dass damals an der Windschutzscheibe des gelenkten Fahrzeuges keine Mautvignette angebracht gewesen war. Schon in ihrem Einspruch vom 26.5.2014 hat sie gegenüber der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung darauf verwiesen, dass sie zur Tatzeit mit ihrem Lebensgefährten, dem Zulassungsbesitzer des Fahrzeugs, und ihrer siebenjährigen Tochter zu einer Ferien-wohnung in Deutschland unterwegs gewesen und ihr infolge fehlender Ortskenntnis erst beim direkten Überfahren der Grenze klar geworden war, sich in Österreich zu befinden. Die letzte Ausfahrt vor dem Grenzübergang Walserberg habe sie aufgrund eines massiven Hustenanfalls ihrer Tochter übersehen, bei der als Neurodermitikerin neben der Haut die Atemwege besonders anfällig seien. Da ihr bewusst gewesen war, dass es auf österreichischen Autobahnen eine Vignettenpflicht gibt, habe die Beschwerdeführerin sofort den Rückweg nach Deutschland angetreten und ihrer Erinnerung sowie Kartenrecherche nach in Grödig die schnellstmögliche Ausfahrt Richtung Deutschland genommen; durch den unfreiwilligen Ausflug nach Österreich habe sie ärgerlicherweise Zeit verloren.

Dass eine Ersatzmaut bezahlt worden wäre, hat die Beschwerdeführerin nicht behauptet. Nach der Anzeige der ASFINAG hat der Fahrzeugzulassungsbesitzer der am 22.1.2014 an ihn ergangenen schriftlichen Aufforderung zur Zahlung der Ersatzmaut nicht entsprochen.

In seiner Lenkerauskunft vom 7.4.2014, die keinen Hinweis auf einen (massiven) Hustenanfall des mitfahrenden Kindes enthält, verwies der Fahrzeugzulassungsbesitzer abweichend von der Verantwortung der Beschwerdeführerin darauf, dass die Fahrzeuginsassen, die „die Ausfahrt verpasst und nur gedreht“ hätten, von der Notwendigkeit einer Vignette bzw „nicht wussten, das(s) man dafür eine Vignette braucht.“

Insoweit und weil sich C.D. zur Tatzeit nicht im Fahrzeug befunden hatte, sodass sie die damaligen Vorkommnisse nicht aufgrund eigener, unmittelbarer Wahrnehmungen hätte bezeugen können, erübrigten sich weitere Beweisaufnahmen und war aus den nachfolgenden rechtlichen Erwägungen vom festgestellten Sachverhalt auszugehen.

Rechtlich ist auszuführen: Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Mauteinhebung auf Bundesstraßen (Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 – BStMG, BGBl. I Nr. 109/2002 in der zur Tatzeit geltenden Fassung) lauten:

§ 1 (1) Für die Benützung der Bundesstraßen mit Kraftfahrzeugen ist Maut zu entrichten.

§ 4 Mautschuldner sind der Kraftfahrzeuglenker und der Zulassungsbesitzer. Mehrere Mautschuldner haften zur ungeteilten Hand.

§ 10 (1) Die Benützung von Mautstrecken ... mit mehrspurigen Kraftfahrzeugen, deren höchstes zulässiges Gesamtgewicht nicht mehr als 3,5 Tonnen beträgt, unterliegt der zeitabhängigen Maut.

§ 11 (1) Die zeitabhängige Maut ist vor der Benützung von Mautstrecken durch Anbringen einer Mautvignette am Fahrzeug zu entrichten.

§ 19 (1) In der Mautordnung ist für den Fall der nicht ordnungsgemäßen Entrichtung der Maut eine Ersatzmaut festzusetzen, die den Betrag von 250 € einschließlich Umsatzsteuer nicht übersteigen darf.

(4) Kommt es bei einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 zu keiner Betretung, so ist die Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft ermächtigt, im Falle einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 1 den Zulassungsbesitzer schriftlich zur Zahlung einer Ersatzmaut aufzufordern, sofern der Verdacht auf automatischer Überwachung beruht, .... Die Aufforderung hat eine Identifikationsnummer und eine Kontonummer zu enthalten. Ihr wird entsprochen, wenn die Ersatzmaut binnen vier Wochen ab Ausfertigung der Aufforderung dem angegebenen Konto gutgeschrieben wird und der Überweisungsauftrag die automationsunterstützt lesbare, vollständige und richtige Identifikationsnummer enthält.

§ 20 (1) Kraftfahrzeuglenker, die die Mautstrecken benützen, ohne die nach § 10 geschuldete zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben, begehen eine Verwaltungsübertretung und sind mit Geldstrafe von 300 € bis zu 3000 € zu bestrafen.

(5) Taten gemäß Abs. 1 bis 3 werden straflos, wenn der Mautschuldner nach Maßgabe des § 19 Abs. 2 bis 5 der Aufforderung zur Zahlung der in der Mautordnung festgesetzten Ersatzmaut entspricht.

In der ab 1.1.2014 bis 23.5.2014 gültig gewesenen Mautordnung, Version 38, Teil A I, war geregelt in

"Punkt 7 „VIGNETTENANBRINGUNG/7.1 Art und Ort der Anbringung": An jedem mautpflichtigen Kraftfahrzeug (unter Berücksichtigung des Punktes 7.2 Mautordnung Teil A I) ist vor Benützung des mautpflichtigen Straßennetzes eine gültige der jeweiligen Fahrzeugkategorie entsprechende Vignette ordnungsgemäß (unter Verwendung des originären Vignettenklebers) anzubringen. ...

Punkt 10 „MAUTPRELLEREI/10.1 Strafbarkeit des Mautprellens": Die Benützung des mautpflichtigen Straßennetzes mit mautpflichtigen Kraftfahrzeugen im Sinne dieser Mautordnung, ohne eine gültige Vignette ordnungsgemäß angebracht ... zu haben, ist verboten. Kraftfahrzeuglenker, die gegen dieses Verbot verstoßen, begehen gemäß § 20 Abs 1 BStMG eine Verwaltungsübertretung und werden von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe von EUR 300,00 bis EUR 3.000,00 bestraft. ...

Aus diesen Bestimmungen ergeht, dass ein Fahrzeuglenker als Mautschuldner für eine ordnungsgemäße Mautentrichtung Sorge zu tragen und, wenn er ein mehrspuriges Kraftfahrzeug lenkt, dessen höchstes zulässiges Gesamtgewicht nicht mehr als 3,5 Tonnen beträgt, gemäß Punkt 10.3.2. der Mautordnung ("Höhe der Ersatzmaut") mit einer Ersatzmaut von 120 Euro (inklusive 20 % Umsatzsteuer) oder – im Falle deren Nichtzahlung – mit einer Geldstrafe von mindestens 300 Euro zu rechnen hat, wenn die dargelegten Vorschriften über die Entrichtung der zeitabhängigen Maut nicht beachtet werden.

Da die Beschwerdeführerin die mautpflichtige Autobahn A 10 zur Tatzeit als Kraftfahrzeuglenkerin im Tatortbereich benützt hatte, ohne zuvor die dafür geschuldete zeitabhängige Maut durch Anbringen einer gültigen Mautvignette entrichtet zu haben, war das Tatbild der angelasteten Verwaltungsübertretung (unbestritten) erfüllt.

§ 20 Abs 1 BStMG schreibt über das Verschulden nichts vor, sodass für den Tatbestand der Mautprellerei gemäß § 5 Abs 1 VStG fahrlässiges Handeln genügt.

§ 5 VStG lautet: Wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. (Abs 1) Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift, der der Täter zuwidergehandelt hat, entschuldigt nur dann, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte. (Abs 2)

Um sich nicht dem Vorwurf fahrlässigen Handelns auszusetzen, hat sich ein besonnener und einsichtiger Kraftfahrzeuglenker über die im Zusammenhang mit dem Lenken eines Fahrzeugs bestehenden Rechtsvorschriften zu informieren und für deren Einhaltung Sorge zu tragen. Ein Irrtum über Vorschriften, die ein gewissenhafter Kraftfahrer kennen muss, entschuldigt nicht. Es entspricht auch der ständigen Rechtsprechung, dass einem dispositionsfähig gebliebenen Fahrzeuglenker selbst in Situationen, die zu begreiflichen affektiven Erschütterungen führen, pflichtgemäßes Verhalten zumutbar ist. Von einem Kraftfahrer, welcher die Risiken einer Teilnahme am Straßenverkehr auf sich nimmt, ist nämlich ein solches Maß an Charakter und Willensstärke zu verlangen, dass er selbst einen Unfallschock und die aus einem Unfall drohenden Folgen überwinden kann. (vgl. VwGH vom 9.5.1990, GZ 89/03/0070; 29.1.1992, GZ 92/02/0011; u.a.)

Insoweit vermochte daher ein „massiver Hustenanfall“ des mitfahrenden Kindes die zugestandene Unaufmerksamkeit der Beschwerdeführerin nicht zu entschuldigen.

Letztere hat zudem selbst darauf hingewiesen, dass die Atemwege ihrer siebenjährigen Tochter als Neurodermitikerin generell besonders anfällig waren. Ein Hustenanfall, der aus einer vor Fahrtantritt bekannten, krankheitsbedingten Neigung zu Problemen mit den Atemwegen resultierte, konnte daher nicht gänzlich überraschend sein. Dazu kam, dass der Lebensgefährte der Beschwerdeführerin zur Tatzeit im Fahrzeug anwesend war und dem mitfahrenden Kind hatte helfen können. Ein „massiver Hustenanfall“ dieses Kindes, auf den der Fahrzeugzulassungsbesitzer in seiner Lenkerauskunft vom 7.4.2014 überdies mit keinem Wort hingewiesen hat, konnte die Beschwerdeführerin deshalb nicht von ihren Sorgfaltspflichten als Fahrzeuglenkerin entbinden. Dass „die Ausfahrt verpasst bzw übersehen" und die mautpflichtige Autobahn A 10 ohne Mautentrichtung benützt worden ist, war ihr daher ungeachtet eines Hustenanfalls eines Fahrzeuginsassen als Aufmerksamkeitsfehler anzulasten.

Zur Strafbemessung: Gemäß § 19 VStG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat. (Abs 1) Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögens-verhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen. (Abs 2)

Bereits aus dem für den verfahrensgegenständlichen Gesetzesverstoß festgelegten Strafrahmen mit einer Mindeststrafe von € 300,00 ergeht die große Bedeutung, die der Gesetzgeber der vorschriftsgemäßen Mautentrichtung für die Benützung von mautpflichtigen Straßen beimisst.

Durch die Nichtentrichtung der Mautgebühr lag verfahrensgegenständlich auch eine nachteilige Tatfolge vor.

Die Lebensverhältnisse der Beschwerdeführerin waren angesichts der aktenkundigen Sorgepflicht für eine minderjährige Tochter und dem durch Lohn- bzw Gehaltsnachweise bescheinigten Nettoeinkommen von ca € 410,00 monatlich mangels Angaben zu einem Vermögen als unterdurchschnittlich einzuschätzen.

Dass das Verhalten der Beschwerdeführerin erheblich hinter dem in der Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt zurückgeblieben und ein bloß geringfügiges Verschulden vorgelegen wäre, konnte nicht zugrunde gelegt werden, stellt doch die Benützung einer mautpflichtigen Straße ohne ordnungsgemäße Mautentrichtung den typischen Fall des verpönten Verhaltens dar. (vgl. VwGH vom 12.9.2001, GZ 2001/03/0175; vom 23.6.2010, GZ 2009/06/0129) Weil diese voraussetzen, dass die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsguts, die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und auch das Verschulden des Beschuldigten gering sind, ein bloß geringfügiger Unrechts- und Schuldgehalt der Tat jedoch nicht vorgelegen ist, kamen eine Einstellung des Strafverfahrens oder bloße Ermahnung der Beschwerdeführerin gemäß § 45 Abs 1 Z 4 VStG nicht in Betracht.

Die belangte Behörde hat das Fehlen von Erschwerungsgründen und die bisherige Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin bei der Strafbemessung bereits berücksichtigt. Da aber keine weiteren Milderungsgründe hervorgekommen sind und dem alleinigen Strafmilderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit kein solches Gewicht beigemessen werden kann, dass von einem beträchtlichen Überwiegen der Milderungsgründe auszugehen wäre (vgl. VwGH vom 17.12.2004, GZ 2004/02/0298; 27.03.2015, GZ Ra 2015/02/0009; u.a.), hat sie zu Unrecht die Voraussetzung für die Anwendung des § 20 VStG angenommen. Dass deshalb die gesetzliche Mindeststrafe von € 300,00 zu Gunsten der Beschwerdeführerin um die Hälfte unterschritten wurde, konnte jedoch infolge des Verschlechterungsverbots gemäß § 42 VwGVG nicht aufgegriffen werden.

Vor diesem Hintergrund erwies sich die erstinstanzlich verhängte Geldstrafe von € 150,00 bzw die für den Fall deren Uneinbringlichkeit gemäß § 16 VStG festgesetzte Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 72 Stunden entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin als keinesfalls unangemessen. Die bekämpfte Strafe war vielmehr aus spezial- und generalpräventiver Sicht jedenfalls notwendig, um das Unrecht der Tat zu verdeutlichen, die Beschwerdeführerin sowie Allgemeinheit von weiteren Verwaltungsübertretungen abzuhalten und einer gänzlichen Aushöhlung des Verwaltungsstrafrechtes entgegen zu wirken.

Sohin war die Beschwerde zu Spruchpunkt I. als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung zu Spruchpunkt II. gründet in den zitierten Gesetzesbestimmungen. Diesen zufolge ist der von einem Bestraften zu leistende Kostenbeitrag für das Beschwerdeverfahren mit 20 Prozent der verhängten Strafe zu bemessen.

Zum Ausspruch der Unzulässigkeit der ordentlichen Revision gemäß § 25a VwGG (Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl Nr 10/1985 idgF BGBl I Nr 33/2013) in Spruchpunkt III.: Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Entscheidung weicht von der einheitlich vorliegenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht ab und fehlten Hinweise auf eine über den Einzelfall hinausgehende, grundsätzliche Bedeutung der zu lösen gewesenen Rechtsfrage.

Schlagworte

Das Übersehen der letzten Ausfahrt vor der Grenze muss (auch bei Hustenanfall eines mitfahrenden Kindes) als Aufmerksamkeitsfehler angelastet werden; Unbescholtenheit als alleiniger Milderungsgrund erlaubt nicht die Anwendung des § 20 VStG; Verschlechterungsverbot (§ 42 VwGVG);

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGSA:2015:LVwG.4.1846.6.2015

Zuletzt aktualisiert am

16.06.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Salzburg LVwg Salzburg, https://www.salzburg.gv.at/lvwg
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