TE Vwgh Beschluss 2020/4/28 Ra 2019/14/0537

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Veröffentlicht am 28.04.2020
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §18
AVG §45 Abs2
AVG §46
AVG §52

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Dr.in Sembacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schweinzer, in der Revisionssache des X Y in Z, vertreten durch Mag.rer.soc.oec.Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22. Mai 2019, Zl. W231 2139392- 1/18E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 29. Mai 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. 2 Mit Bescheid vom 18. Oktober 2016 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers zur Gänze ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise legte das BFA mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde nach Durchführung einer Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4 Mit Beschluss vom 23. September 2019, E 2827/2019-7, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis an ihn erhobenen Beschwerde ab und trat diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. In der Folge wurde die gegenständliche Revision eingebracht.

5 In der Revision wird vorgebracht, das BVwG sei in seiner Entscheidung nicht auf die Stellungnahme vom 22. Jänner 2019 eingegangen und verletze damit seine Begründungspflicht. Weiters sei die Unglaubwürdigkeit des Revisionswerbers unter anderem darauf gestützt worden, dass es "vermeintliche" Widersprüche zwischen den Angaben des Revisionswerbers bei der Erstbefragung und seinen Angaben bei der Einvernahme vor dem BFA gebe. Da die Erstbefragung nicht den Zweck habe, den Asylwerber näher zu seinen Fluchtgründen zu befragen, könnten Angaben zu den Fluchtgründen bei der Erstbefragung auch nicht als Grundlage für einen Widerspruch gegenüber Angaben bei der Einvernahme vor dem BFA herangezogen werden. Da diese Argumentationsversuche, die gesetzwidrig seien, in zahlreichen Asylbescheiden vorkämen, bedürfe es einer klarstellenden Aussage des Verwaltungsgerichtshofes, um in diesem Zusammenhang Rechtsklarheit und Rechtssicherheit zu schaffen. Im gegenständlichen Fall seien auch grundsätzliche Fragen betreffend den Inhalt und die Anforderungen an Gutachten durch länderkundige Sachverständige zu lösen. Der Sachverständige beschränke sich in seinen Ausführungen auf allgemeine Informationen und Angaben sowie Mutmaßungen zur Beweiswürdigung. Konkrete Recherchen im Heimatland des Revisionswerbers seien unterblieben. Der Sachverständige habe damit seinen Aufgaben nicht entsprochen und daher könne das Gutachten keine taugliche Entscheidungsgrundlage bilden. Auch hier bedürfe es klarstellender Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes, um Rechtssicherheit und Rechtsklarheit zu schaffen.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 9 Insofern der Revisionswerber eine Verletzung der Begründungspflicht behauptet, weil das BVwG nicht auf seine Stellungnahme vom 22. Jänner 2019 eingegangen sei, macht die Revision Verfahrensmängel geltend. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss bei Verfahrensmängeln bereits in der Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel dargetan werden (vgl. etwa VwGH 7.6.2019, Ra 2019/14/0114, mwN). Dies unterlässt der Revisionswerber jedoch mit seinem unsubstantiierten Vorbringen. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass das BVwG an mehreren Stellen im Erkenntnis auf die Stellungnahme vom 22. Jänner 2019 Bezug nahm und in seiner Begründung darauf einging, sodass schon die anders lautenden Behauptungen des Revisionswerbers nicht zutreffen.

10 Zum Vorbringen in der Revision, Widersprüche in den Aussagen zu den Fluchtgründen in der Ersteinvernahme und in späteren Vernehmungen dürften nicht berücksichtigt werden und dies bedürfe einer Klarstellung durch den Verwaltungsgerichtshof, ist darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt festgehalten hat, dass es auf dem Boden des § 19 Abs. 1 AsylG 2005 weder der Behörde noch dem Bundesverwaltungsgericht verwehrt ist, im Rahmen beweiswürdigender Überlegungen Widersprüche und sonstige Ungereimtheiten in den Angaben in der Erstbefragung zu späteren Angaben - unter Abklärung und in der Begründung vorzunehmender Offenlegung, worauf diese fallbezogen zurückzuführen sind - einzubeziehen (vgl. etwa VwGH 30.10.2019, Ra 2019/14/0462; 30.9.2019, Ra 2019/20/0455; 3.9.2019, Ra 2018/01/0187; 23.8.2019, Ra 2019/18/0188;

25.6.2019, Ra 2018/19/0546; 27.5.2019, Ra 2019/14/0197, mwN). Es ist nicht ersichtlich, inwiefern es dazu einer weitergehenden klarstellenden Aussage des Verwaltungsgerichtshofes bedürfte. Zudem hat das BVwG die Unglaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens auch nicht mit Widersprüchen zwischen den Angaben in der Erstbefragung und den Angaben des Revisionswerbers bei der Einvernahme vor dem BFA begründet, sondern dieses Vorbringen, das es zudem sowohl mit spezifischen Länderberichten als auch mit den übrigen Ermittlungsergebnissen in Relation gesetzt hat, in nicht unschlüssiger Weise aufgrund diverser sonstiger Widersprüche und Ungereimtheiten in den Angaben des Revisionswerbers als nicht glaubwürdig eingestuft.

11 Soweit die Revision klarstellende Äußerungen zu den Anforderungen an länderkundige Sachverständige begehrt, ist Folgendes festzuhalten:

Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Frage der Einholung von Erkundigungen im Herkunftsstaat des Asylwerbers im Wege der Beiziehung von Privatpersonen erkannt, dass es sich bei den von diesen Privatpersonen abgegebenen Stellungnahmen und Berichten um keinen Beweis durch Sachverständige im Sinn des § 52 AVG, sondern um ein Beweismittel eigener Art handelt, das auf Grund der besonderen Ermittlungsschwierigkeiten in Bezug auf asylrechtlich relevante Sachverhalte im Heimatland des Asylwerbers im Sinn des § 46 AVG geeignet und zweckdienlich sein kann. Bei dessen Würdigung sei aber stets zu berücksichtigen, dass die Qualifikation und die Vorgangsweise der ermittelnden Privatperson sich einer Kontrolle weitgehend entziehen und sie im Gegensatz zu einem Sachverständigen im Sinn des § 52 AVG auch nicht persönlich zur Verantwortung gezogen werden könne. Darauf sei in der Beweiswürdigung Bedacht zu nehmen (vgl. VwGH 15.12.2015, Ra 2015/18/0100, mwN). Eine derartige Stellungnahme ist also kein Sachverständigengutachten, sondern ein sonstiges Beweismittel, das der freien Beweiswürdigung unterliegt. Die Revision vermag mit den pauschal vorgetragenen Behauptungen nicht darzulegen, dass das BVwG in seinen beweiswürdigenden Überlegungen, in denen es das Vorbringen des Revisionswerbers mit den Ermittlungsergebnissen aus den Länderberichten und den Berichten des Dr. R in Relation gesetzt hat, von dieser Judikatur abgegangen ist. Auch besteht kein allgemeines Recht auf Einzelfallprüfung durch Recherchen in der Heimat. Die Beurteilung einer solchen Notwendigkeit obliegt vielmehr der ermittelnden Behörde bzw. dem Verwaltungsgericht (vgl. VwGH 4.9.2018, Ra 2018/01/0355, mwN). Es ist in diesem Zusammenhang auf die ständige Rechtsprechung zu verweisen, nach der ein Beweisantrag des Asylwerbers, bestimmte Auskunftspersonen im Herkunftsstaat durch eine Vertrauensperson befragen zu lassen, nicht zulässig ist (vgl. VwGH 30.4.2018, Ra 2018/01/0172 mwN). 12 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 28. April 2020

Schlagworte

Sachverständiger Haftung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019140537.L00

Im RIS seit

16.06.2020

Zuletzt aktualisiert am

16.06.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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