TE Vwgh Beschluss 2020/5/4 Ra 2019/03/0109

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Veröffentlicht am 04.05.2020
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
20/13 Sonstiges allgemeines Privatrecht
40/01 Verwaltungsverfahren
93 Eisenbahn

Norm

AVG §52
AVG §58 Abs2
AVG §59 Abs1
AVG §60
AVG §68 Abs1
EisbEG 1954 §17
EisbEG 1954 §2
EisbEG 1954 §37
EisenbahnG 1957 §31
EisenbahnG 1957 §31f
VwRallg

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2019/03/0110

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Dr. Lehofer und Mag. Nedwed als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der revisionswerbenden Parteien

1. KK und 2. DD beide in S, beide vertreten durch Dr. Peter Schmautzer, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Lerchenfelderstraße 39, gegen die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichts Wien vom 15. April 2019, Zlen. 1. VGW- 101/V/20/950/2019 und 2. VGW-101/020/946/2019-9, betreffend eine Angelegenheit nach dem EisbEG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien; mitbeteiligte Partei: W KG in W, vertreten durch Haslinger/Nagele Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Mölker Bastei 5), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die revisionswerbenden Parteien haben der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 und dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Bescheid vom 4. Dezember 2018 verfügte der Landeshauptmann von Wien die Enteignung der revisionswerbenden Parteien gemäß § 2 Abs. 1 und 2 Z 3 und 4 und § 17 des Eisenbahn-Enteignungsentschädigungsgesetzes - EisbEG in Bezug auf eine in ihrem Miteigentum stehende Liegenschaft in W unter anderem in folgendem Ausmaß:

A. Auf der Grundlage eines näher bezeichneten Plans zu Gunsten eines im Eigentum der mitbeteiligten Partei stehenden Grundstücks:

"Hinsichtlich des Bereiches, welcher im Lage- und Querschnittsplan hellbraun-lasiert dargestellt ist, auf Dauer die Dienstbarkeit der Duldung der Errichtung, des Bestandes und des Betriebes einer Verkehrstunnelanlage samt aller damit in Zusammenhang stehender Einrichtungen und Maßnahmen, im flächenmäßigen Gesamtausmaß von ca. 13 m2."

B. Auf der Grundlage eines näher bezeichneten Plans zu Gunsten der mitbeteiligten Partei bzw. durch von ihr ermächtigte Personen:

"Auf Dauer der Tunnelvortriebsarbeiten unter dem antragsgegenständlichen Grundstück (sogenannte Unterfahrung) von 1 Tag pro 1,8 Laufmeter im Tunnel-/Stations-NÖT-Vortriebsbereich die Durchführung allenfalls bautechnisch punktuell erforderlicher Hilfsmaßnahmen (z.B. Vereisung, Spieße, Dielen, Rohrschirme, DSV, Kalottenfüße) um Umkreis von bis zu ca. 4 m von der Außenkante der Außenschale des Bauwerks (Dienstbarkeitsbereich), innerhalb der Bereiche, welche im Lage- und Querschnittsplan graugepunktet dargestellt sind."

2 In weiteren - im Revisionsverfahren nicht relevanten - Spruchpunkten wurde die Höhe der Entschädigung festgelegt und die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde ausgeschlossen. 3 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis wurde die von den revisionswerbenden Parteien erhobene Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde abgewiesen und ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig ist. 4 Gegen dieses Erkenntnis erhoben die revisionswerbenden Parteien zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 11. Juni 2019, E 2027/2019, ablehnte und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abtrat.

5 Der Verwaltungsgerichtshof leitete über die Revision das Vorverfahren ein, in dem die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei Revisionsbeantwortungen erstatteten, in denen sie jeweils beantragten, die Revision kostenpflichtig zurückzuweisen, in eventu abzuweisen.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 8 Die revisionswerbenden Parteien machen zur Zulässigkeit der Revision zum einen geltend, dass ein öffentliches Interesse nur dann vorliege, wenn ohne Inanspruchnahme ihrer Liegenschaft die Eisenbahn nicht gebaut werden könne; eine geringfügige Verschiebung der Tunnelröhre um drei Meter nach Norden würde ihre Liegenschaft nicht mehr betreffen. Zum anderen sei der Spruch im Enteignungsbescheid in seinem Punkt I B so ungenau, dass die Dauer der Inanspruchnahme nicht annähernd zu ersehen sei. 9 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:

10 Soweit sich das Zulässigkeitsvorbringen darauf bezieht, dass durch eine andere Trassenführung die Inanspruchnahme der Liegenschaft der revisionswerbenden Parteien hätte vermieden werden können und die Enteignung daher nicht im öffentlichen Interesse liege, ist zunächst auf die nicht bestrittenen Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis zu verweisen, wonach der mitbeteiligten Partei mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 30. Jänner 2018 die eisenbahnrechtliche Baugenehmigung für den hier verfahrensgegenständlichen Bauabschnitt erteilt wurde. Dass diese Genehmigung nicht mehr aufrecht wäre oder die revisionswerbenden Parteien im Baugenehmigungsverfahren als Partei übergangen worden wären, wird auch in der Revision nicht behauptet. Daher sind die revisionswerbenden Parteien darauf zu verweisen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der rechtskräftige Baugenehmigungsbescheid die Lage der genehmigten Objekte für das Enteignungsverfahren bindend festlegt und der Eigentümer einer betroffenen Liegenschaft im Enteignungsverfahren daher nicht mehr einwenden kann, die Inanspruchnahme liege nicht im öffentlichen Interesse (vgl. VwGH 28.5.2008, 2006/03/0161, sowie zuletzt VwGH 2.2.2020, Ra 2019/03/0131).

11 Mit dem zweiten Zulässigkeitsgrund machen die revisionswerbenden Parteien geltend, dass der Spruch des Enteignungsbescheids (zu ergänzen: der durch die Abweisung der Beschwerde Inhalt des verwaltungsgerichtlichen Erkenntnisses wurde, vgl. etwa VwGH 28.2.2019, Ra 2019/12/0010) nicht ausreichend bestimmt sei. Sie machen damit - wenn auch nur implizit - geltend, dass das Verwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur notwendigen Bestimmtheit des Spruchs bei Enteignungen abgewichen wäre, ohne allerdings konkret bezogen auf den Sachverhalt unter Angabe zumindest einer nach Datum und Geschäftszahl bezeichneten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes darzutun, von welcher Rechtsprechung ihrer Ansicht nach das Verwaltungsgericht in welchen Punkten abgewichen sein soll. Die Revision entspricht daher schon aus diesen Gründen nicht den an die gesetzmäßige Ausführung der Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gestellten Anforderungen (vgl. dazu etwa ua VwGH 9.3.2018, Ra 2017/03/0054, mwN).

12 Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Spruch eines Enteignungsbescheides, der - ohne nähere Angabe des Zeitraums - eine "vorübergehende Grundinanspruchnahme" verfügt, dem Bestimmtheitsgebot entspricht, wenn sich aus der Begründung im Zusammenhang mit den Sachverständigengutachten nachvollziehbar ergibt, aus welchem Grund bestimmte, für den projektsgemäßen Ausbau des bewilligten Vorhabens erforderliche Flächen nur vorübergehend in Anspruch genommen werden müssen (VwGH 28.4.2006, 2004/05/0143, dort zu einem Straßenbauvorhaben, auf das aufgrund landesrechtlicher Verweisungsnormen die auch im hier vorliegenden Revisionsfall maßgeblichen Bestimmungen des EisbEG sinngemäß anzuwenden waren). Im hier vorliegenden Revisionsfall wurde die vorübergehende Grundinanspruchnahme zur Ausführung allenfalls bautechnisch punktuell erforderlicher Hilfsmaßnahmen in zeitlicher Hinsicht auf "1 Tag pro 1,8 Laufmeter" beschränkt (und damit enger gefasst als bei bloßer Festlegung einer "vorübergehenden" Inanspruchnahme); dass sich aus der Begründung des Enteignungsbescheides oder des angefochtenen Erkenntnisses sowie aus den ausdrücklich einbezogenen Plänen nicht bestimmen ließe, in welchem (zeitlichen) Umfang damit die Inanspruchnahme der Liegenschaft der revisionswerbenden Parteien erfolgen darf, wird in der Revision nicht dargelegt.

13 Soweit das Vorbringen der revisionswerbenden Parteien aber dahin zu verstehen ist, dass eine datumsmäßige Festlegung der vorübergehenden Inanspruchnahme hätte erfolgen müssen, ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass das EisbEG eine derartige zeitliche Festlegung im Enteignungsbescheid nicht erfordert; soweit der Enteignungsgegenstand ganz oder teilweise nicht für den Enteignungszweck verwendet wird, kann der Enteignete nach dem in § 37 EisbEG festgelegten Verfahren und unter Einhaltung der dort geregelten Fristen die Rückübereignung des Enteignungsgegenstandes beantragen.

14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, weshalb sie gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen war.

15 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 51 VwGG, iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

16 Von der Durchführung der beantragen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 4. Mai 2020

Schlagworte

Begründung AllgemeinIndividuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der BehördeSpruch und Begründung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019030109.L00

Im RIS seit

30.06.2020

Zuletzt aktualisiert am

30.06.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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